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1.1 Freundschaft ist ...

von MaLi

Kapitel 1

„Pille, da bist du ja!“
McCoy, der gerade Röhrchen mit Impfstoffen ins Regal räumte, drehte sich verblüfft um. Der Junge stand hinter ihm; der blonde mit den blauen Augen, den er vor zwei Wochen im Shuttle getroffen hatte. Leonards Augenbraue kletterte in die Höhe und verschwand fast unter dem Haaransatz.
„Also erstens Mal …“
„Jim.“
„… Jim, hast du überhaupt keine Berechtigung hier in diesem Raum zu sein und zweitens gibt es hier keine Pillen! Das sind Impfstoffe; siehst du? Du bist im falschen Lager, Junge …“
Bedeutend hob er ein Gläschen mit bernsteinfarbener Flüssigkeit an und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Der Junge namens Jim lachte.
„Was redest du, Mann, ich suche DICH!“
„Na dann, herzlichen Glückwunsch, du hast mich gefunden!“
Leonard hatte eigentlich gehofft, mit seiner schroffen Art den Störenfried loszuwerden. Es hatte immer gewirkt, zumindest bis jetzt.
„War gar nicht einfach“, fuhr Jim fort als erwarte er ein Lob für seine erfolgreiche Suchaktion, „der Campus ist riesig. Ich suche dich, seit wir hier eingezogen sind! Hätte ich vorher gewusst, dass du bei den Medizinern bist, hätte ich nicht an jede verdammte Tür im Wohnheim klopfen müssen …“

McCoy erstarrte in seinem Tun und wandte sich langsam nach ihm um, ihm schwante Übles. Leonard McCoy wurde von niemandem gesucht und wenn es doch mal einer tat, hatte er sehr gute Gründe dafür. Gründe, die ihm meistens nur noch mehr Ungemach bereiteten als er ohnehin tagein, tagaus ertragen musste.
Er hatte geglaubt sich bei der Sternenflotte vor seinem Leben verstecken zu können, doch es war schlimmer. Als Arzt, mit abgeschlossenem Studium, war er einer der ältesten auf dem Campus, fühlte sich wie Sigmund Freud in einer Schar brünftiger, postpubertierender Hühner und Karnickel, die ihn nur auf der Krankenstation beehrten, um Wehwehchen wegtrösten zu lassen oder um ihn unterschwellig um Frohsinn fördernde Substanzen anzubetteln. Und doch war die Sternenflotte im Moment der einzige Ort, an dem er Arbeit fand. Leonard hasste es hier zu sein.

„Was willst du?“, fragte er Jim schroff und hoffte das Beste.
Kirk war der leichte Anflug von Panik in Leonards Stimme aufgefallen und hob abwehrend die Hände. Er genoss es, wenn die Leute vor ihm reißausnahmen oder sich zumindest höflich vor ihm fürchteten, diesmal geschah das nicht. Er hatte zwei Wochen nach diesem Mann gesucht, der ihm schon bei ihrer ersten kurzen Zusammenkunft das Gefühl vermittelt hatte, vielleicht einen Freund fürs Leben gefunden zu haben. Einen Außenseiter wie er selber einer war.
Er hatte McCoy kaum wiedererkannt. Als er ihn zuletzt gesehen hatte, übernächtigt, ungekämmt, stoppelbärtig wie Kater Karlo und die unverkennbare Fahne des Alkoholgenusses schwenkend, wirkte er wie eine Art verzweifelter Rasputin auf der Flucht vor der Polizei. Nie und nimmer hätte er in diesem zitternden und schwitzenden Mann, der den halben Flug über Schnaps und Sandwichreste in eine Spucktüte gewürgt hatte, einen Arzt vermutet. Jetzt stand derselbe Mann vor ihm, geduscht, gekämmt und rasiert, in adretter Kadettenuniform und übte einen der geachtetsten Berufe der Menschheit aus. Er wirkte zwar noch genauso unnahbar wie damals, zynisch und verbissen, aber vielleicht hatte Jim auch einfach das Pech gehabt, Leonard zufällig an dessen zwei schlimmsten Tagen seines Lebens begegnet zu sein …

„Ich will… nichts. Ich habe dich nur gesucht.“
Leonard verstand nicht und vermutete die freundliche Aufdringlichkeit seines Gegenübers beruhe auf demselben Bedürfnis, wie jenes seiner Kommilitonen.
„Jetzt hör mal zu, Junge, hier gibt es keine Pillen!“, schnauzte er und knallte das nächste Pack Fläschchen ins Regal. „Und ich kriege Ärger, wenn man dich hier mit mir erwischt, also scher dich weg, ja? Ich mache sowas nicht!“
„Machst was nicht?!“, fragte Jim verdutzt.
Leonards Kopf begann sich zu drehen. Entweder stellte sich der Junge nur oskarverdächtig dumm oder er versuchte ihn einfach so lange zu nerven, bis er das verfluchte Zeug rausrückte.

Er hatte nie sowas gemacht. Seine Kollegen verdienten sich mit dem Pillenhandel ab und an mal was dazu, was Leonard missbilligte, aber ohne Beweise nicht melden konnte. Er selber jedoch hielt sich strikt davon fern den Kadetten Medikamente zu verkaufen, die alle möglichen und unmöglichen Nebenwirkungen haben konnten. Die Kadetten hatten auch ziemlich schnell begriffen, dass bei ihm nichts zu holen war. Dieser Jim war da offenbar nicht auf dem Laufenden.
Jetzt im Moment war Leonard allerdings so gestresst und mit den Nerven fertig, dass er nur noch seine Ruhe haben wollte. Er seufzte tief und hielt sich mit beiden Händen am Gestell fest. Der Schwindel hatte zugenommen.

„Upper oder Downer?“, fragte er die Fläschchen und wirkte erschöpft.
Es verblüffte Jim, wie sein Gegenüber so schnell zwischen verschiedenen Emotionen hin und her wechseln konnte. Der Mann musste ein Albtraum für jeden Empathen sein.
„Du hast was von Pillen gesagt, also was brauchst du? Upper oder Downer?“ McCoy hatte wieder blitzschnell von müdem Murmeln zu ungeduldigem Blaffen gewechselt. „Shaw verkauft Upper, Miller hat Downer; frag dich halt durch, damit scheinst du ja kein Problem zu haben! Und jetzt RAUS hier!“
„Ich will keine …“, begann Jim, überlegte es sich dann aber anders, „ich glaube du hast heute einen ziemlich beschissenen Tag, oder? Schlechter Zeitpunkt, schon okay! Ich komme morgen wieder.“ Damit verschwand er.
Leonard ließ sich langsam in die Knie sinken und schloss seufzend die Augen. Er hasste sein Leben.


Auch der nächste Tag brachte Leonard nicht viel Sonnenschein und gerade als er völlig gefrustet über den Platz zu seinem Wohnheim eilte und glaubte es könne unmöglich noch schlimmer kommen, stand Kirk wieder vor ihm.
„Hör mal, Junge, ich habe nichts?!“, schnauzte McCoy und drängte sich an Jim vorbei.
„Was… ähm?!“ Ziemlich durcheinander schüttelte Kirk den Kopf und eilte dann Leonard nach. „Ich will doch gar nichts von dir!“, rief er und versuchte mühsam mit dem zackigen Schritt des Arztes mitzuhalten. Kirk wurde den unbestimmten Verdacht nicht los, dass Leonard vor ihm floh. „Ich will nichts von dir HABEN, verstehst du? -Ich will dir etwas ANBIETEN!“
Jetzt blieb Leonard stehen und zwar so abrupt, dass Kirk mit ihm zusammen stieß.
„Lässt du mich dann in Ruhe?“, bellte McCoy hoffnungsvoll und Jim hob die Brauen.
„Also wenn du es annimmst, dann nicht“, meinte er verschmitzt und lächelte.
Seine Fröhlichkeit machte Leonard rasend.
„Dann vergiss es“, schnappte er, verdrehte die Augen und wehrte Jim mit einer Handbewegung ab. Wütend stampfte er davon.
Kirk blieb etwas ratlos stehen. Der arme McCoy; jeder hatte mal einen schlechten Tag, aber zwei nacheinander war einfach gemein.

„Warte! Pille!“, rief er ihm nach.
„ICH HABE KEINE PILLEN!“, brüllte Leonard in seine Richtung und funkelte ihn an; Mord in den Augen.
„Ach, Mann, du verstehst alles falsch?!“, lachte Kirk in fassungsloser Verzweiflung.
Obwohl er ahnte, in Lebensgefahr zu schweben, schloss er zu Leonard auf. Der Mann faszinierte ihn. Je verzweifelter der versuchte ihn wegzustoßen, umso stärker fühlte sich Jim zu ihm hingezogen. Er war sich ziemlich sicher, dass McCoys unnahbare Art ein Hilfeschrei an ihn war, ihn in den Arm zu nehmen und einmal im Leben tüchtig durchzuknuddeln. Oder sich ausheulen zu dürfen. Reden zumindest. Was auch immer.
„Komm schon, ich geb dir einen aus!“, meinte Kirk fröhlich und strahlte ihn an.

McCoy stand da und sah ihn an. Es war ein Blick, der alles gleichzeitig ausdrückte. Müdigkeit, Frust, Kapitulation. Leonard seufzte schwer. Und noch einmal. Dann nickte er matt und ließ sich mitnehmen.
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