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Mitternacht im Garten von Gut und Böse

von MaLi

Narada

Nero hatte Angst.
Nicht um sich. Nicht um die Narada. Nicht um seine Crew. Es war Ayel, dem seine Sorge galt. Der junge Romulaner, der ihm mehr Bruder als Freund war, stand nur wenige Meter neben ihm und schien doch unerreichbar. Mehrere Sternenflottenoffiziere versperrten ihnen Weg und Sicht aufeinander. Ein wildes Gefecht; grausam, barbarisch, verzweifelt.

Sie waren stark, die Romulaner. Stärker als Menschen, schneller als Menschen, wilder, entschlossener. Sie hatten nichts zu verlieren. Zumindest bis jetzt.
„Ayel!“
Hektisch blickte sich Nero um und wurde panisch. Er sah ihn nicht mehr! Wütend stieß er seinen Gegner von der Plattform, als wäre der Lieutenant Schuld an seiner Angst. Nero hasste es Angst zu haben. Sie machte ihn schwach, machte ihn wütend. Nichts desto trotz schloss sie sich wie ein eiserner Reifen um seine Brust, schnürte ihm die Luft ab, lähmte ihn.
„AYEL!“

Da endlich sah er ihn. Mit einem kraftvollen Schwenker seines Gewehrs schickte Ayel gleich zwei Föderierte gleichzeitig zu Boden. Es hätte heroisch ausgesehen, gar eines Klingonen würdig wäre nicht dieser gehetzte Blick gewesen. Ayel taumelte ein paar Schritte rückwärts, um Distanz zwischen sich und seinen nächsten Gegner zu bringen, und suchte Nero. Als er ihn fand und unversehrt sah, fiel der Schrecken von ihm ab. Er hatte wohl gedacht, sein Herr und Prätor hätte nach ihm geschrien, weil er in Schwierigkeiten sei. Die Erleichterung, ihn wohlbehalten zu wissen, stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Sie nahmen sich Zeit für ein Nicken und kämpften weiter.

Als ihm Phaserfeuer die Hand verbrannte wurde Nero zum Tier. Nicht wegen der Schmerzen; in den 25 Jahren auf Rura Penthe hatte er gelernt sie zu ignorieren. Es war die Angst, die ihn wieder hatte. Die Angst vor Phasern, die Angst vor Verlust. Phaser verbrannten, sie töteten; nahmen ihm Liebstes weg und gaben es nie mehr zurück.
Genau so wie Nero versuchte, mit dem Vernichten der Föderation seinen geliebten Planeten zu schützen, versuchte er mit dem Töten der Föderierten dasselbe für seine Crew zu tun. Geliebter Romulus, geliebte Crew, geliebter Ayel.

Nero brüllte und schlug rasend vor Angst und Wut eine blutige Schneise in die Reihe seiner Feinde. Blut, durch welches Nero bereits triefte, spritzte von seinem Dreizack. Es lief über seine Kleidung, sein Gesicht, in den Mund. Hartnäckig ignorierte er den Geschmack, den Ekel, die Abscheu vor sich selbst; er hatte jetzt keine Zeit sich zu übergeben.

Nero hasste den Kampf; er war nie ein Soldat gewesen. Er liebte harte Arbeit, Staub, Dreck und Hitze. Wenn er Abends todmüde aus der Mine kroch, mit zitternden Fingern zu Abend aß und dann erschöpft unter einer heißen Dusche den Tag beendete, war Nero glücklich. Wie er sich freute, wenn der Laderaum zum Bersten voll mit wertvollen Rohstoffen war und er seine Narada nach Hause befahl; Heim nach Romulus wo Mandana auf seine Rückkehr wartete. Nicht alleine. Nein; nicht mehr!
Ein paar Wochen noch, wenige Wochen und er würde ihn im Arm halten. Oder sie. Es. Sein Baby. Sein Erstes.

Nero hatte sich immer gewünscht Captain eines Raumschiffes zu sein. Er glaubte vergehen zu müssen, in der Zeit des Wartens, zwischen Beförderung und Übergabe des Schiffes. Noch nie waren ihm die Knie so weich gewesen wie damals, als er die Narada das erste Mal betrat. Nie war sein Hals so trocken, sein Wunsch gleichzeitig zu schreien, zu weinen und zu lachen so groß gewesen.
Und doch; Vater werden war besser! Vater werden war … schöner! Schlimmer! Furchteinflößender! Gewaltiger! Er würde in Ohnmacht fallen bei der Geburt; überwältigt von Freude und der Anspannung, die sich endlich löste. Er wusste es. Mandana würde ihn dann auslachen und er würde es sich für den Rest seines Lebens anhören müssen. Es war ihm egal. Er wurde Vater!

Doch halt … das war nicht Neros Geschichte. Es war die von Oren; Oren von Romulus.
Den gab es nicht mehr. Beide nicht. Genau so wie Romulus in der Supernova verbrannte und zerbrach, war auch Oren verbrannt und zerbrochen. Die geborstene, verkohlte Hülle, die noch da war, nannte sich jetzt Nero. Nero von der Narada.
Die Narada war jetzt sein Romulus, seine Heimat, sein zu Hause. Sie war alles, was Nero geblieben war. Das Schiff, seine Crew, Ayel. Ayel, seine rechte Hand, sein Freund, sein Bruder.

Kein anderes Wesen im Universum bedeutet ihm mehr. Fast 25 Jahre lang war Nero verstummt; hielt ein Schweigegelübde, um die Lieben, die er verloren hatte, zu ehren, um seiner Trauer noch deutlicheren Ausdruck zu verleihen, als er es durch die tief eingebrannten Tätowierungen schon tat. Es war sein Name gewesen, mit dem er das Gelübde brach. Der einzige Name, der ihm in einem Meer von Gegenwart etwas bedeutete. Sein Anker, sein Stab; sein Grund zu leben. Ayel.

Nero stöhnte, als sich der Reifen wieder um seine Brust schloss. Eine Sekunde gab er sich dem Schmerz hin, ließ die Angst zu und schöpfte daraus die Kraft, weiter zu kämpfen; zu schützen was er noch hatte. Die Narada, die Crew, Ayel.
Ohne zu fühlen rammte Nero den Dreizack in den weichen Körper eines erschreckend jungen Menschen und während sich ihre Augen trafen, schien die Welt um sie herum still zu stehen. Bewegungen, Menschen, Waffen; alles fror für Sekunden ein. Blaue Augen trafen auf dunkle und in beiden spiegelte sich die selbe Angst.

Sie kämpften für das Gleiche. Beide für den Fortbestand dessen, was sie liebten. Für diesen einen Moment waren sie gleich.
Als könnte er es so wieder gut machen, zog Nero den Dreizack zurück. Doch es war zu spät. Der Junge starb und so nahm der Romulaner einem Ehepaar den Sohn, so wie ihm sein eigenes ungeborenes Kind genommen worden war.

Ayel.
Das wäre ein guter Name für einen Sohn geworden! Er hatte ihn vorher nie in Betracht gezogen. Sie waren nur Arbeitskollegen gewesen, Kumpel unter Tage. Doch jetzt, 25 Jahre gemeinsam verbracht, gemeinsam gelitten, gehofft, getrauert und gekämpft, wusste Nero, dass es keinen Besseren Namen für sein Kind geben konnte. Egal ob Mädchen oder Junge, so sollte es sein!

Mit Ayel hatte er erst den Arbeitsplatz geteilt, dann den Zellentrakt, hatten im Steinbruch gierig aus derselben Schüssel getrunken, sich den Teller geteilt, die Knochen und zuletzt die Gedanken.
Ayel war ein Teil von ihm geworden; genau wie sein Kind. Kein anderer war ihm je so nahe gekommen. Nicht einmal Mandana! Sich ohne Worte zu verständigen, in den Augen des anderen zu lesen, Mienen zu deuten und Verhalten zu verstehen; das konnten nur Nero und Ayel.

Ayel, wo bist du!
Wieder suchte er ihn, wurde unachtsam und bezahlte es mit einer weiteren Phaserverbrennung, die sich durch seinen Arm fraß.
Phaser. Sie verbrennen. Sie töten. Verbrennen wie Romulus. Töten wie Spock.
Nero explodierte.

***

Dann war der Kampf vorbei. Die letzten paar Minuten aus dem Gedächtnis gelöscht, stand er zitternd in einem Meer aus Körpern. Nur er und Ayel standen noch. Nero ließ den Dreizack fallen, er war völlig erschöpft. Er hatte ihn gerettet! Ayel war sicher. Die Narada war sicher. Seine Heimat. Nero versuchte zu lächeln. Es klappte nicht; er war zu fertig. Auch Ayel lächelte nicht. Er stand nur da und starrte in Neros Gesicht; eine Mischung aus Bewunderung und Schrecken, als wäre seinem Captain gerade ein Fell gewachsen.
Nero verstand und senkte den Blick. Das Meer aus Körpern war sein Werk. Es musste passiert sein, als er … Es waren die Minuten, die ihm fehlten. Nero trauerte ihnen nicht nach.

„Ayel …!“, rief er über die Distanz und klang so matt und erschöpft, wie er sich fühlte. Der Adrenalinrausch war verflogen, die Angst, die ihm die Kraft gab, verpufft. „… lass uns gehen.“
Ayel nickte und hob das Disruptorgewehr vom Boden auf. Dann geschah alles ganz schnell.
Ein helles Licht schoss auf den jungen Romulaner zu, erstrahlte vor dessen Bauch wie ein gleißender Stern und warf ihn dann zu Boden.
„AYEL!?!“ Noch nie in seinem Leben hatte Nero so einen Schrei ausgestoßen.

„AYEL! AYEL!“
Blind vor Angst und Schmerz stolperte er vorwärts, fiel über die Körper, rappelte sich hoch, fiel wieder hin, kroch weiter.
„Ayel! Ayel!“
Ayel hatte die Augen geschlossen, lag auf der Plattform friedlich und entspannt. Nero krabbelte auf ihn zu, schüttelte ihn zaghaft, bebte. Alles in ihm brannte.
„Ayel! Ayel, bitte! Nein!“
Nero nahm seinen Kopf in die Hände, gelähmt vor Angst und Hilflosigkeit, und flehte zu Göttern, an die er schon lange nicht mehr glaubte.
„Bitte! Bitte, Ayel, sieh mich an! Sieh mich an! Bitte!“

Seine Stimme brach. Da war kein Stolz mehr in ihm, kein Mut, kein Leben. Fahrig und planlos fuhren seine Hände über Ayels Gesicht, eine Mischung aus Streicheln und Reiben, als wolle er ihn aufwecken und sich gleichzeitig entschuldigen. Neros Körper bebte, genau wie sein Atem und seine Stimme. Die Welt schwankte unter ihm.

„Ayel … Ayel, sieh mich an! Wach auf! Wach auf, ich bitte dich … Ayel … Nicht du! Sieh mich an! Sieh mich an …“
Sein Flehen erstarb in einem Wimmern. Ganz automatisch zog sich sein Körper im Schmerz zusammen, drückte Richtung Plattform und krümmte sich zu einer Kugel aus Leid und Verzweiflung.

„Ayel …“
Nero krallte seine Finger in Ayels Kleidung und barg seine Stirn an dessen Brust; hartnäckig das hässliche, ausgefranste schwarze Loch in dessen Bauch ignorierend. Er wollte sterben. Hier und jetzt. Wollte gehen, solange er Ayels Wärme noch auf seiner Haut spürte, wollte sie in sein Herz schließen und mitnehmen.

Nero hatte immer geglaubt in ein Licht zu gehen, wenn er starb. Ein Licht, wo es warm und friedlich war, seine Lieben lebten und er glücklich sein konnte.
Es fühlte sich anders an. Es wurde gezogen, an ihm gezerrt. Und während er über dem Boden schwebte und in Richtung der anderen Welt gezogen wurde, spürte er nur den Körper seines liebsten Freundes unter sich. Nero hielt sich noch immer an ihm fest, schleifte ihn mit sich, wo immer er auch hingehen mochte. Dann kam das Licht und verschluckte ihn. Nero ließ es zu.
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