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1. 3 Das Experiment

von MaLi

Kapitel 1

Leonard McCoy tigerte nervös in seinem Quartier auf und ab. Jims Augen folgten ihm dabei beunruhigt.
„Sag mir was du denkst“, forderte er ihn auf. Leonard schüttelte nur den Kopf und marschierte weiter. „Pille…“
„Lass mich in Ruhe“, fauchte Leonard und setzte sich an den Schreibtisch.
„Pille, was ist los?!“, hakte Jim nach und setzte sich ihm gegenüber. „Hab ich was falsch gemacht?“

Leonard warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu und sah dann wieder weg. Er seufzte tief und griff nach der Flasche Bourbon. Jims Hand schoss vor und legte sich um die von Leonard. Der ließ die Flasche so hastig los, dass sie umfiel.

„Manchmal frage ich mich wirklich, welcher Jim dir der liebere Freund ist“, seufzte Kirk und stellte sie wieder auf. Leonard fuhr die Stacheln aus.
„Im Moment? DER da!“ Bedeutend wies er auf den Bourbon.

Jim ließ die Flasche los und versuchte zu verbergen, wie sehr ihn diese Worte trafen. Ihm war von Anfang an bewusst gewesen, dass es kein schmerzfreies Unternehmen war, sich mit einem Igel anzufreunden. Besonders seit er begonnen hatte, mit ihm auf Tuchfühlung zu gehen.
Vielleicht war er ein bisschen zu romantisch an das Ganze herangegangen, hatte sich vorgestellt, dass Leonard sich von Liebe und Zuneigung genauso begeistern ließe wie er, und sich ihm entsprechend schnell zuwenden würde. Das hatte er nicht getan. Im Gegenteil.

Vor zwei Wochen war alles so wundervoll gewesen. Er hatte auf Leonards Brust liegen dürfen, für Sekunden seinen Bauch streicheln und ihn sogar für einen Wimpernschlag lang umarmen. Doch schon einen Tag später hatte Leonard wieder zugemacht.
Er verkrampfte wie früher bei jeder Berührung, wich Jims Händen aus und wenn der einen Arm um ihn legen wollte, schlüpfte Leonard darunter hindurch, bevor er seine Schultern berührte. Pille schien ihm aus dem Weg zu gehen, trank wieder mehr und hatte in den letzten paar Tagen häufiger seine Stacheln gegen Jim ausgefahren, als im ganzen Jahr davor.

„Was habe ich falsch gemacht? Sag’s mir!“
Jims Bitte klang schon fast flehend. Leonard wich seinem Blick aus und schraubte die Flasche auf.
„Pille, rede mit mir!“
Leonard blinzelte nur, schenkte sich ein und schraubte den Deckel wieder zu. Jim legte seine Hand über das Glas.

„Pille, ich bin seit einer Stunde hier. Wir haben uns unterhalten, hatten gute Laune und ich konnte ohne Probleme deine Hand in meiner halten, ohne dass du Panik gekriegt hast. Dann auf einmal springst du auf, bist sauer und redest kein Wort mehr mit mir. Also zum letzten Mal: Was ist los?!“

Leonard seufzte nur tief und zog das Glas unter Jims Hand hervor. Es war schwierig, da er es nur mit Daumen und Zeigefinger tat. Die einzige Möglichkeit das Glas zu greifen, ohne Jims Haut zu berühren.
Leonards Kiefer arbeitete, zerbiss Worte und Flüche, die es einfach nicht über seine Lippen schafften.

„Willst du es aufschreiben?“, bot Jim ihm an, doch Leonard schüttelte nur den Kopf.
Jim seufzte. So eine mühsame Konversation hatten sie noch nie geführt. Er war es gewohnt, dass man dem schweigsamen Doktor des Öfteren die Würmer einzeln aus der Nase ziehen musste, aber gleich keinen einzigen davon heraus kitzeln zu können, war ihm noch nie passiert. Sein Freund litt, das sah er ganz deutlich.
„Gib mir deine Hand“, bat er ihn sanft und legte seine eigene auf den Tisch, die Handfläche einladend nach oben. „Bitte!“

Leonard trank sich erst einen guten Schluck Mut an, bevor er zögerlich der Bitte nachkam. Er legte nur die Fingerspitzen auf den Handteller und verharrte in dieser Position. Als Jim vorsichtig seine Hand schloss, zog Leonard die seine wieder zurück.

„Es gab mal einen Versuch“, erwähnte Jim und vermied es gnädig, ihn anzusehen. „Sie haben zwei Gruppen mit Babys gemacht. Die eine Gruppe wurde geliebt und gehätschelt, man hat mit ihnen gespielt, geredet und ihnen was vorgesungen. Die andere Gruppe wurde nur wortlos gefüttert und gewickelt. Weißt du, was mit der zweiten Gruppe passiert ist?“
„Was?“, fragte Leonard mit einem unhöflichen Maß an Desinteresse.
„Sie wurden krank und ein paar davon sind gestorben!“ Jim sah ihm jetzt direkt in die Augen. „Pille, Menschen können nicht ohne Liebe leben! Sie brauchen Berührung und Zuneigung und diese Babys …“

„Ich bin aber kein Baby, Jim!“, schnappte Leonard und griff erneut nach der Flasche.
„Wie Recht du hast“, schnaubte der und schenkte dem Bourbon einen Blick des Todes, „Babys melden sich nämlich, wenn sie etwas brauchen. Du hingegen rollst dich ein, fährst die Stacheln aus und hoffst auf die telepathische Eingebung deines Gegenübers …“
„Jim“, unterbrach ihn McCoy genervt und wies zur Tür, „dort hat der Maurer das Loch gemacht. Fühl dich frei zu gehen, wenn es dir zu viel wird!“

Jim blickte ihn wütend an, öffnete den Mund und schloss ihn unverrichteter Dinge wieder. Er wagte es nicht, denn tief in seinem Herzen fühlte er, müsste Leonard sich jetzt zwischen Jim Beam und Jim Kirk entscheiden, würde letzterer verlieren. Verletzt stand er auf und ging zurück zum Sofa. Er seufzte tief als er sich setzte.

„Ist es DIR denn zu viel?“, fragte er eine Eingebung habend. Leonard zögerte kurz und nickte dann kaum sichtbar. Jim flippte aus. „Ja, dann sag das doch?!“

„Hör auf zu schreien“, maulte Leonard.
„Hör auf zu schweigen“, keifte Jim zurück.
„Jim, was willst du eigentlich?!“, bellte McCoy und funkelte ihn an. Sein Nervenstatus bewegte sich gefährlich Richtung Koller.
„Ich will mit dir reden!“
„Wir reden doch?!“
„Nein, tun wir nicht!“, rief Jim verzweifelt. „DU schweigst, während ICH einen verdammten Monolog führe, der dir am Arsch vorbeigeht! Was ist los mit dir, Pille? Ich dachte, wir wären Freunde?!“

Leonard kommentierte das mit einem wütenden Zucken seiner Augenbraue und schraubte die Flasche auf. Jim schnellte auf die Füße und nahm sie ihm weg.

„Hör mit der scheiß Sauferei auf, Pille. Ich rede hier mit dir!“, rief Jim aus und bekam schon rote Flecken im Gesicht.
Es reichte ihm. Auch Leonard schoss vom Stuhl hoch und funkelte ihm ins Gesicht.
„Mach das nochmal und ich schlage dich!“, drohte er eisig.
„Ja! Gut! Schlag mich!“, schrie Jim. „Beschimpf mich, von mir aus spuck mich an oder hau mir die Flasche über den Kopf. Hauptsache, es kommt endlich mal eine andere Reaktion, als deine verdammte Stachelkugel!“

„Verdammt, Jim“, brüllte Leonard zornig, „vor zwei Wochen sagtest du noch, es sei okay für dich, dass ich ein Igel bin?!“
„Ja, wenn du mir deinen Bauch gibst!“, gab Jim in derselben Lautstärke zurück. „Ich will deinen Bauch, Pille, nicht deinen verfluchten, stacheligen Rücken! Du hast gesagt, dass dir unsere Freundschaft etwas bedeutet, also TU auch mal was dafür, verdammt noch mal?!“
„Du glaubst, ich tue nichts?!“, schrie Leonard fassungslos. „Du glaubst wirklich, ich tue nichts? Bist du den ganzen Tag hier, dass du das weißt? Denkst du, nur weil ich mir nichts anmerken lasse, belastet mich das nicht?“

„Das habe ich nie gesagt, Pille!“, konterte Jim, „Ich weiß, dass es dir schlecht geht. Darum bin ich ja hier, verdammt nochmal!“
„RAUS!“, bellte McCoy und zitterte vor Wut.
„Nein, Pille“, knurrte Jim spöttisch und schüttelte den Kopf, „ganz sicher nicht! Hast du vergessen was das letzte Mal passiert ist? Nie wieder weglaufen, Pille! Nie wieder! Wir haben abgemacht, dass wir es ausdiskutieren, wenn wir ein Problem haben. Also rede endlich mit mir!?!“
„Ich rede ja?!“, rief McCoy fassungslos.
„Nein, tust du nicht!“, schrie Jim weiter, „du sitzt nur da und schweigst und säufst und ich bin der, der redet! Das kann nicht funktionieren, Pille, wenn nur einer was für die Beziehung tut …“

Sie wussten nicht, wie lange sie hin und her gebrüllt hatten, beendet wurde der Streit schlussendlich nicht von einer gütlichen Einigung, sondern vom Türsummer.

Bsss! Bsss!
Leonard und Jim hielten überrascht in ihrem Kriegsgeschrei inne.

Bsss! Bsss! Bsss!
Mühsam beruhigte McCoy seine Nerven und ging zum Terminal. Er fiel fast um als er die Tür öffnete. Pike stand davor.

***

„Sechs Lärmklagen in sechzehn Tagen?“, Pike kam gleich zur Sache. Bedeutend hob der Sternenflotten Captain ein PADD hoch. „Ich weiß wirklich nicht, ob ich Ihnen für diesen Rekord gratulieren oder in den Hintern treten soll.“
Unaufgefordert betrat er den Raum und nahm Kirks Salut mit einem Nicken zur Kenntnis. Leonard schloss steif wie ein Zinnsoldat die Tür und blieb dort stehen.

Pike blickte zwischen den beiden hin und her.
„Ich hatte eigentlich gehofft“, begann er, „dass Sie jetzt ohne mich klarkommen würden.“ Leonard blickte beschämt zu Boden, Jim verschränkte trotzig die Arme. „Woran liegt’s? Vor zwei Wochen lagen Sie Arm in Arm bei mir auf der Couch und jetzt reißen Sie sich gegenseitig die Köpfe ab?!“
Kirk und McCoy, beide nicht in Plauderlaune, kauten auf ihren Unterlippen.

Pike wurde ernst.
„Ich bin Ihr Mentor, meine Herren, die Reklamationen über Ihr zweifelhaftes Benehmen kommen zu mir! Zwei von diesen sechs Mal erreichte mich die Nachricht in einer Sitzung, und gerade eben rief man mich aus dem Gespräch mit meinem Vorgesetzten. Sie haben mir da wirklich einen Bärendienst erwiesen! Ich habe morgen Nachmittag einen Termin beim Rektor, bei welchem ich für Ihre Fehler geradestehen muss! Nicht Sie meine Herren, ich muss dort erklären, warum es mir nicht gelingt, Sie beide im Zaum zu halten! Ich wäre Ihnen also sehr dankbar, wenn Sie mir einen Hinweis darauf geben könnten, was ich diesem Herrn morgen sagen soll, denn ich weiß es nicht!“

Leonard und Jim blickten beide betreten zu Boden. Dass ihr verehrter Mentor ihretwegen in Schwierigkeiten gerät hatten sie nicht gewollt.
„Tut mir sehr leid, Sir!“, entschuldigte sich Leonard geknickt und wagte ihm kaum in die Augen zu sehen.
„Mir auch“, murmelte Jim leise.
„Ein guter Anfang“, nickte Pike anerkennend und versöhnlich. „Möchte einer von Ihnen reden? McCoy?“
„Nein, Sir. Vielen Dank!“, lehnte Leonard ab.
„Kirk?“
„Ich … Ja, Sir! Haben Sie Zeit?“

Leonards Blick hätte einen Ochsen am Spieß innert Minuten geröstet.
„Jim, wenn du was zu sagen hast, dann sag es mir, nicht ihm, verstanden?“
„Würde ich ja, aber du hörst ja nicht zu!“, fauchte Jim.
„Jim, verdammt noch…“

„Sooo! Ruhe jetzt!“, unterbrach Pike den aufkeimenden Streit. „Was das anbelangt, stimme ich Ihnen zu Doktor McCoy. Es wäre wirklich sinnvoller, Sie würden Ihre Beziehungsprobleme …“
„Wir haben keine Beziehung?!“, platzte Leonard verblüfft heraus.
„Doch haben wir!“, belehrte ihn Jim ernst.
„Haben wir nicht!“ Leonard betonte jedes Wort.

„Also da liegt der Hund begraben“, erkannte Pike und sah zwischen den beiden hin und her.
„Pille“, rief Jim entsetzt, „warum sagst du sowas?! Wir haben das doch besprochen!“
„Und warum weiß ich dann nichts davon?“ Leonards Lautstärke schwoll wieder an.
„Weil du nie mit mir redest, verdammt noch mal!“

„Schluss damit!“, bellte Pike und die beiden verstummten.
„Ihr seid mir zwei Spezialisten“, Pike schüttelte fassungslos den Kopf. „Sollte ich vielleicht besser gleich hierbleiben bis das geklärt ist? Hm?“
„Nein, Sir“, murmelte McCoy beschämt.
„Ja, bitte, Sir“, nickte hingegen Kirk. „Vielleicht hört er mir ja dann endlich zu …“

Leonards Augen schleuderten Blitze nach ihm. Er fühlte sich bedroht und in die Enge getrieben, obwohl Pike ihm und nicht Jim zugestimmt hatte.

„Na schön“, schlug Pike schlichtend vor, „ich werde gehen. Aber nur, wenn Sie es schaffen, in Zimmerlautstärke zu diskutieren! Ich meine es ernst, meine Herren. Sie haben bereits den letzten Zwick an der Geißel! Ich habe mir erlaubt, die sechs Lärmklagen auf Sie beide aufzuteilen. Somit hat jeder von Ihnen drei und kratzt haarscharf an einer Verwarnung! Bei der nächsten Klage müssen Sie sich entscheiden, wer sie auf sich nimmt. Für Sie, Doktor, wäre es die erste Verwarnung, hingegen Ihr Barometer, James …“

Pike sprach den Satz nicht zu ende. Jim wusste selber sehr genau, dass seine Tachonadel nach all den Schlägereien und Schwänken, die er sich geleistet hatte, längst im dunkelroten Bereich lag. Hätte er mit Pike nicht so einen nachsichtigen und gutmütigen Mentor bekommen, wäre er wohl längst von der Akademie geflogen.

„Also“, nahm Pike den Faden wieder auf, „kriegen Sie das leise hin oder soll ich Sie gleich mitnehmen, James?“
Jim warf einen kurzen Blick zu Leonard. Solange der in seiner Igelkugel verharrte, kam er ohnehin nicht an ihn ran.

„Ich komme mit“, bestimmte Jim und trat neben Pike.
„Ist das in Ordnung für Sie, Doktor?“
Leonard hob nur abwehrend die Hände auf Kopfhöhe, zog resigniert die Brauen hoch und wandte sich ab.

„Na dann? Guten Abend, Doktor McCoy!“
„Wiedersehen, Sir.“
„Wir sehn’n uns, Pille!“, verabschiedete sich Jim.
Leonard brummte nur.
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