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Bis an der Erde steinern Herz, Band 1

von MaLi

Tiran

Stöhnen weckte Ayel. Es waren langgezogene Laute, deren geringe Lautstärke jedoch deutlich das Mass der Qual verkündete. Jemand litt furchtbar. Armer Kerl, dachte er mitfühlend und versuchte seinen eigenen Schmerz zu verdrängen. Er schien schlimmer als gestern zu sein und beutelte ihn bereits bis an die Grenze des vermeintlich Erträglichen. Es dauerte, bis der junge Romulaner erkannte, dass er selbst es war, der diese leidvollen Töne ausstiess. Mühsam verbiss er sie sich, denn um ihn herum erwachte der Zellenblock zum Leben.

BRUAAAAAAA!
Dem Horn eines Dampfers gleich dröhnte laut und brutal der Weckruf durch den Flur. Erst vier Wochen an diesem furchtbaren Ort, hatten sich einige noch nicht daran gewöhnt. Ayel hörte sie zucken, hochfahren, leise aufschreien. Es tat ihm weh. Nur seine Kumpel befanden sich in diesem Zellenblock. Freunde. Brüder. Er hörte leises Wimmern aus der Zelle gegenüber. Tiran. Der Jüngste der Mannschaft. Ayel öffnete den Mund um ihm tröstende Worte zu spenden, doch alles, was kam, war ein Jammern, das nicht weniger trostlos klang als Tirans Klage.

„Ayel?“
Der Angesprochene schüttelte nur den Kopf, wohlwissend dass Tirans eisgraue Augen durch die engen Maschen der Zellenwand zu ihm hinüber spähten.
„Ayel?“ Es klang jetzt zögerlicher, fast bittend.
„Bin okay“, presste der jetzt doch hervor und lenkte das nächste Stöhnen geschickt durch die Nase. Sein Rücken stand in Flammen.

Die Türen fuhren hoch und gaben dreissig Romulanern den Weg zur Arbeit frei. Ayel versuchte erfolglos, sich in die Höhe zu stemmen. Seine zitternden Arme gaben schon auf halbem Wege nach. Es nahm ihm kurz den Atem als er schmerzhaft zurück auf den Brustkorb fiel.

„Ayel?“ Tiran kauerte sich neben ihn in die Hocke. „Kann ich dir helfen?“
Der erste Offizier der Narada schüttelte nur den Kopf. Sich vom Nesthäkchen der Crew auf die Füsse helfen zu lassen war zu viel für seinen Stolz. Ausserdem bezweifelte er, dass Tiran im Moment stark genug dazu gewesen wäre. Ein Blick in sein Gesicht hatte gereicht, die Person zu identifizieren, die gerade vorne war. Es war die, die die Mannschaft das Kind nannte. Eine schwächliche, ängstliche, anhängliche und unsichere Persönlichkeit. Tiran hatte mindestens drei ausgebildet; die letztere schien allerdings auf Rura Penthe denkbar nutzlos. Würde der junge Romulaner nicht lernen, sich auf die zweite, starke Person zu verlassen, fürchtete Ayel, würde Tiran wohl der erste sein, der der Hölle Rura Penthes erlag.

„Hast du ins Bett gemacht?“, fragte Tiran verwundert und blinzelte verwirrt. Ayel seufzte stumm. Der kalte, abgestandene Urin stank noch schlimmer als gestern.
„Das war Komra“, murmelte er peinlich berührt und sah weg.
„Wieso macht Komra in dein Bett!?“, wunderte sich der junge Bohrmeister und blinzelte wieder.
Ayel knurrte innerlich. Tirans dritte Persönlichkeit war höchstens vier Jahre alt und entsprechend benachteiligt und mühsam. So wie der Crew fiel es auch Ayel schwer mit ihr umzugehen.

Tiran war auf dem Schiff schon anstrengend gewesen, sprunghaft, aufgedreht und voll jungendlichen Übermutes. Doch er war eine Koryphäe auf seinem Gebiet, klug, gewitzt und erfinderisch. Die Schiffsführer der Minengilde hatten sich bei der Musterung um ihn gerissen gehabt. Oren bekam ihn schlussendlich. Es konnte ganz nützlich sein, wenn ein Gildenmeister einem etwas schuldig war. Tiran verstand sich mit einer Sicherheit mit seinen Maschinen, die ihresgleichen suchte. Er hörte Defekte schon bevor sie den Arbeitsprozess lahm legten, erspürte Störungen in der Mechanik und was Tiran reparierte funktionierte auch. So verzieh man ihm seine etwas anstrengende Art, schob ihn lachend von Kumpel zu Kumpel, wenn er dem Gemüt zu viel wurde, und schüttelte den Kopf.
Es verwunderte niemanden, dass Tirans dritte Schutzhülle auf diese Art und Weise ausgefallen war. Das Kind wurde beschützt, hatte Aufmerksamkeit, durfte ängstlich sein und die andere Art zu denken schützte ihn zuverlässig vor der Grausamkeit der Realität. Doch es war schwach und angreifbar und machte ihn schutzlos zum Ziel der Wachen.

„Jetzt sag schon“, bohrte Tiran neugierig nach.
„Er hat nicht …“, begann Ayel ärgerlich, „hast du nichts zu tun? Du musst zur Arbeit, Tiran, ich …“
„Ayel?“
Komra betrat den Raum. Prüfend blickte er erst in Tirans Augen und erkannte.
„Junge“, sagte er väterlich, „was machst du hier; geh dich waschen, deine Augen sind noch ganz verklebt!“
Folgsam stand Tiran auf und verliess die Zelle. Ayel sah ihm beunruhigt nach.
„Geht das irgendwann wieder weg?“, wollte er wissen.
„Nein“, Komra schüttelte den Kopf, „ich fürchte nicht. Er wird lernen die Seite zu unterdrücken oder nutzbringend in sein System einzubinden, aber weggehen wird sie nicht. Ayel, sag, wie geht es dir? Kannst du aufstehen?“
Besorgt ging er neben seinem Freund und Vorgesetzten in die Knie.
„Hab’s versucht“, gestand der Angesprochene. Seine Arme zitterten immer noch leicht.

Misstrauisch zog Komra die Decke zurück. Entgegen Ayels Plan, seine einzige Decke nicht mit dem Urin in Berührung zu bringen, hatte ihn die bittere Kälte doch dazu gezwungen, sich im Verlaufe der Nacht fest darin einzuwickeln.
„Dein Rücken sieht besser aus“, stellte der romulanische Arzt zufrieden fest, „doch einige Stellen sind noch nicht verschorft und offen. Es sind Fusseln von der Decke rein geraten; ich fürchte, ich muss noch einmal …“
„Kannst du auch meinen nehmen?“, unterbrach ihn Ayel hoffnungsvoll.
Komra schürzte die Lippen, durchmass mit wenigen Schritten die kleine Zelle und linste in den Eimer in der Ecke. Er war für Notfälle. Toilettenpausen gab es nur tagsüber.

„Nein“, zerschmetterte er gleich darauf Ayels Hoffnung, „da sind Fäkalienreste drin. Du würdest eine schlimme Infektion bekommen.“
„Kannst du dann zumindest warten bis die anderen weg sind?“, murmelte Ayel ins Kissen und sah ihn nicht an.
„Natürlich“, versprach der Arzt, „doch lass dir gesagt sein: Du bist nicht der Einzige! Du weisst, wie wir nach dem ersten Verhör ausgesehen haben … Wir haben uns gegenseitig geholfen, also schluck deinen Stolz hinunter, Ayel aus Iuruth! Du machst dir Sorgen um Nichts. Die häufigste Todesursache in solchen Lagern sind nicht Hunger und Kälte, mein Freund; es sind Scham und Stolz, die die Leute umbringen! Wir haben hier alle unsere Wunden so behandelt.“
„Nero auch?“, wollte Ayel ungläubig wissen und lenkte das Gespräch elegant von sich weg.
„Ja. Nero auch.“
„Du hast deinen Boss bepinkelt!?“ Ayels Augenbraue wippte spöttisch und anerkennend zugleich.
„Er hat sich sogar bedankt“, behauptete der Arzt mit einem breiten Grinsen, reichte ihm die Hand und zog ihn sanft von der Matte hoch auf die Knie.

„Ayel?“
Etwas schüchtern standen die Brüder Piri und Selimon in der Tür. Sie schienen unruhig, als würden sie sich fehl am Platze fühlen. Ayel, einer ihrer engsten Freunde, hatte fast die ganze Strafe auf sich genommen. Es schien, als fühlten sie sich nicht würdig, in seiner Nähe zu sein. Ausserdem lagen ihre Zellen nur wenige Schritte entfernt, sie mussten sein Jammern gehört haben. Er konnte sich ihre Schuldgefühle kaum vorstellen.
„Bist du okay?“, fragte Selimon vorsichtig.
Ayel nickte tapfer.
„Ja. Ich bin okay. Kommt rein!“
„Wir wollten uns nur … bedanken. Du verstehst schon“, offenbarte ihm der ältere Selimon und kam mit Piri näher. Der nickte bestätigend und schwieg. Auch ihm schienen keine passenderen Worte einzufallen.

Im Verlauf der furchtbaren letzten zwei Monate hatte sich die Hierarchiestruktur der Narada Crew gelockert. Als einfache Arbeiter hatten sie sich ohnehin alle geduzt und ihre Ränge nur symbolisch getragen. Es funktionierte, da jeder dem anderen den nötigen Respekt entgegen brachte. Zwar hatte Orens Wort das höchste Gewicht, doch auch er war in familiärem Stil in die Crew eingebunden. Erst als Nero hatte er sich bewusst aus diesem Kreis zurück gezogen, der seit Romulus Tod noch enger geworden war.

„Ayel, Bruder“, Selimon kniete sich zu ihm, nahm seinen Kopf in die Hände und drückte seine Stirn auf die des anderen, „unsere Gedanken sind bei dir!“
Auch Ayel legte seine Hände auf Selimons Gesicht und verstärkte zur Erwiderung der Geste den Druck auf die Stirn. Er fand, Selimon hätte sich kaum aufrichtiger bei ihm bedanken können.
„Mach dir keine Sorgen um mich“, versprach er tapfer, obwohl Körper und Stimme vor Schmerz und Kälte zitterten, „so schnell beisse ich nicht ins Gras. Bald werde ich dich wieder im Ringen schlagen!“

Selimon löste sich von seinem Freund und lachte leise.
„Du hast mich noch nie geschlagen, Ayel!“
„Ich weiss.“
Ayels spezielle Schnute formte ein Grinsen, das bis zu den Ohren zu gehen schien. Der Besuch seiner engsten Freunde tat ihm unbeschreiblich gut.
„Ayel“, auch Piri bedankte sich nun auf dieselbe Weise wie sein Vorgänger, „sei stark, Bruder. Wir versuchen, dir was aus der Küche reinzuschmuggeln.“
Ayel nickte dankbar und freute sich.
„Wir müssen los“, verabschiedete sich Selimon, „wir sehen uns später! Erhole dich gut.“
„Bis dann!“
Ayel sah ihnen lächelnd nach und liess sich dann von Komra in die Ecke der Zelle bugsieren.

***

Die Prozedur war nicht angenehmer als am Abend zuvor, besonders weil immer mehr Besucher versehentlich in die Szene platzten, bis der bullige Ygnar schliesslich die Tür versperrte. Doch von ihrer schützenden und heilenden Wirkung überzeugt, liess Ayel die Behandlung klaglos über sich ergehen.

„Warum gibt es hier eigentlich keinen Krankenflügel?!“, maulte er säuerlich.
„Weil es sich nicht rechnet“, erklärte Komra und half ihm zurück ins Bett. „Wir sind Verschleissmaterial; da lohnt sich die Reparatur nicht. Die meisten sterben im ersten Jahr, der Rest im zweiten. Medizinisches Versorgungsmaterial kostet nur unnötig. Der Nachschub an Frischfleisch ist hier pausenlos gegeben. Schmeiss weg, kauf neu; das ist hier die Devise.“
„Woher weisst du das?“, wollte Ayel wissen und liess sich bis zur Hüfte zudecken.
„Von Quochh.“
„Wer zum Geier ist Quochh!?“ Ayels Augenbrauen schnellten nach Oben.
„Der Typ mit den drei Gesichtern. Er arbeitet in meiner Kolonne, ist sowas wie der Fremdenführer hier. Der einzige der die zwei Jahre überlebt hat. Er sei schon eine Ewigkeit hier. Frag mich nicht wie, aber der muss gegen alles immun sein … Nero hat was mit ihm zu schaffen. Ich glaube, er ist es, von dem er die Drogen bezieht.“
„Können wir ihm trauen?“ Ayel blieb misstrauisch.
„Nero vertraut ihm“, meinte Komra nur und machte so klar, dass wem Nero vertraute, grundsätzlich zu trauen war.
Ayel nickte das beruhigt ab und bettete seinen Kopf bequemer aufs Kissen. Er war müde. Die Schmerzen laugten ihn aus.
„Ich hoffe, die Wachen lassen dich heute ruhen“, meinte Komra mehr zu sich selbst und zupfte fürsorglich die Decke zurecht. Ayel sagte nichts. Tiran kam.

„Ich bin jetzt sauber!“, verkündete der stolz, schlang dem kauernden Komra von hinten die Arme um den Leib und schmiegte sich an. Der liess es zu, ergriff Tirans Hände und drückte sie.
Ayel sah weg. Tiran hatte das nur ein einziges Mal bei ihm versucht. Der stolze erste Offizier der Narada hatte ihn im Bruchteil einer Sekunde abgeschüttelt; so schnell reagierte sonst nur ein Arachnophobiker auf eine Spinne. Mit Tirans Eigenart überfordert wollte er ihn nicht in seiner Nähe, und schon gar nicht als Teil seines Körpers wissen.
„Was hast du da?“ Komra war ein enges Armband aus einem roten Drahtgeflecht aufgefallen.
„Das weiss ich nicht“, behauptete der junge Bohrmeister, „ich hatte es plötzlich einfach um.“

Tiran hatte Zeitausfälle, eine Nebenerscheinung der Persönlichkeitsspaltung. Ayel beneidete ihn darum. Was gäbe er dafür, ebenfalls abschalten und sich hinter einer neuen Identität verstecken zu können. Erinnerungen zu Bündeln zu schnüren und irgendwo zu verstauen. Wenn Tiran im Kindmodus war, schien er fast unbeschwert und fröhlich, betrachtete aufgeschlossen und neugierig seine Umgebung als wäre er im Urlaub anstatt in der Hölle. Nur wenn er sich bedroht fühlte verkroch er sich hinter breiten Rücken und zeigte Angst. Kind wusste nichts von Romulus, der verbrannt war, den Morden auf der geheimen Raumstation „The Vault“, von Spock. Kind hatte sich erst vor ein paar Wochen das erste Mal gezeigt und entsprechend klein war sein Horizont.

Ganz anders Oren. Der hatte sich bereits im Moment der Supernova gespalten und seinen finsteren Gegenspieler Nero erschaffen. Dem sanften, gefühlvollen Charmebolzen Oren stand nun ein grausames, kaltherziges Biest gegenüber. Blutlüstern und unbarmherzig hatte es Orens zersplitterte Seele zur Seite gewischt und dominierte das System mit berechnender Grausamkeit. Biest hatte keine Freunde, keine Verwandten, keinen Heimatplaneten. Biest hatte nur sich selbst und seinen Hass. Ayel trauerte um seinen alten Freund. Seit Neros Ankunft hatte er Oren nicht mehr gesehen.

***

„SEID IHR HIER IM URLAUB?!?“ Knurrs Wutgeschrei brachte Ayels Trommelfelle zum Schwingen.
Tiran sprang mit einem so kräftigen Satz von Komra zurück, dass er mit dem Rücken gegen die Wand krachte und gegen den Eimer stiess, der sich darauf scheppernd seinen Weg durch die Zelle suchte. Tiran blieb verschüchtert an Ort und Stelle sitzen wo er zu Boden gegangen war. Komra stand etwas gefasster auf und reckte sich unbewusst in eine Verteidigungshaltung. Ayel hatte sich auf die Ellbogen gestützt, blieb aber gezwungenermassen liegen.
„An die Arbeit! Los! Du auch, Stinktier!“, bellte Knurr, marschierte in die Zelle und riss Ayel grob am Arm in die Höhe. Der schrie auf vor Schmerz.

„K’Krkah! Nicht der Kranke!“
Eine hohe Männerstimme wehte durch den Flur. Kurz darauf erschien ein kleiner, dicklicher Klingone mit auffallenden Säbelbeinen in der Tür. Im Rahmen stehend füllte er sie in der Breite fast aus.
„Was is’ mit dem?“, blaffte Knurr und zerrte grob an Ayels Arm.
„Er soll ausruhen. Befehl von Oben“, schnaufte der kleine Dicke.
„Was!?“ Ungläubig und wütend liess Knurr den Romulaner fallen.
„Er arbeitet zu gut. Meister Koth wünsch nicht, dass er stirbt. Kommt“, winkte er dann Komra und Tiran heran, während Ayel Knurr mit einem frechen Zwinkern bedachte, „ihr arbeitet jetzt in meiner Gruppe. B’Kahul ist … krank. Folgt mir.“

Der kleine Luftballon von Klingone versprühte genug Freundlichkeit um Tiran tatsächlich aus seiner Ecke zu locken. Dünn wie ein Blatt Papier segelte er aufrecht so unauffällig wie möglich hinter Knurrs Rücken zur Tür hinaus in Sicherheit. Auch Komra folgte optimistischer. Ihr neuer Gruppenführer schien kein übler Zeitgenosse zu sein. Ayel verabschiedete sich von seinen Freunden mit einem Nicken, von Knurr mit einem hämischen Grinsen und blieb dann alleine im Halbdunkel der Zelle zurück.

Ayel war dankbar um die Zeit alleine. Knurr hatte ihm beinahe die Schulter ausgekugelt, sein Rücken plagte ihn und jetzt brauchte er sich nicht mehr zurück zu halten. Durch dicke Mauern von anderen Individuen getrennt, konnte er so laut jammern und stöhnen wie es ihm gut tat.
Er fand lange keinen Schlaf. Von Schmerzen gepeinigt rollte er den Kopf im Kissen, richtete sich auf die Knie auf, rieb sich das Gesicht, legte sich wieder hin. Er wünschte sich die Droge zurück, so gut wie letzte Nacht hatte er lange nicht mehr geschlafen. Die Zeit, bis er endlich erlösend weg dämmerte, erschien ihm endlos.

***

Er musste den Mittag verschlafen haben, die Schüssel mit Essen stand neben seinem Lager. Ausgehungert setzte er sich auf und griff nach ihr. Es war die übliche Ration. Die Klingonen nannten es grosszügig Suppe, wobei die Bezeichnung „Heisses, gesalzenes Wasser. Kann Spuren von Gemüse enthalten.“ besser gepasst hätte. Die Sparmassnahmen wurden an den Gefangenen umgesetzt und die Klingonen griffen sich von dem Wenigen noch das beste Zeug ab.

Gierig stürzte Ayel die erkaltete Flüssigkeit hinunter und stutzte dann, als etwas gegen seine Nase stiess. Entgegen seiner Befürchtung hatte sich keine Ratte in der Schüssel ertränkt. Es war ein Stück Fleisch.
Ayels Augen wurden gross vor Glück und Überraschung. Fleisch hatte es hier noch nie gegeben! Es roch verräterisch nach Targ, schmeckte auch so, aber es würde ihm die dringend benötigte Zusatzenergie liefern, den Bauch etwas besser füllen und was zu arbeiten geben. Ausserdem fasste er es positiv auf, die Herkunft seines Essens am Geruch erkannt zu haben. Einige Alteingesessene schworen darauf, auch schon ihren rebellischen Zellennachbarn in der Schüssel wiedergefunden zu haben. Ayel hielt das für achtungsheischenden Humbug. Obschon die Klingonen beim Essen öfters derbe Spässe im Stil von: „Schmeckt gut! Wer ist es?“ oder „Zäher Hund; genau wie immer!“ gemacht hatten.

Gierig und noch nicht im Geringsten satt leckte Ayel verzweifelt die Schüssel aus. Schon immer der schmächtigste der gesamten Crew gewesen, hatte er in den vergangenen vier Wochen Gefangenschaft gefährlich an Gewicht verloren. Fett besass er längst keines mehr, und in der Not begann sein Körper bereits, die Muskeln, die er sich im Berg antrainiert hatte, aufzuzehren. Komra hatte das schon vor einer Woche beanstandet, doch die Klingonen lachten nur. Die Gefangenen wurden wortwörtlich aufgebraucht, und brachen sie endlich tot zusammen, heizten sie noch als letzte Tat den Wohnkomplex.
Ayel wollte nicht sterben. Nicht hier. Sie waren in der Zeit zurück gereist, konnten nach Hause gehen, nach Romulus wo sie ihre Lieben wussten. Ihre Eltern waren noch Kinder, aber sie lebten! Ihre Heimat stand noch.

Heimat. Ayel schüttelte es. Tiefe Trauer breitete sich in ihm aus, liess ihn sich zu einer engen Kugel einrollen und unter der Decke verschwinden. Er wollte nach Hause. Lieber heute schon als morgen erst.

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