TrekNation

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Löwenmut

von Emony

5 Tage

Tag Eins

Einen Rucksack mit den wichtigsten Utensilien auf dem Rücken, Jim über seiner linken Schulter und den aktivierten Tricorder in der rechten Hand, versuchte Leonard sich in dem wütenden Ionensturm zu orientieren. Der Himmel über ihm war von schwarzen, unheilschwangeren Wolken überzogen, Blitze zuckten hier und da auf den Planeten herab, und als wäre das nicht schon schlimm genug, peitschte der Sturm ihm Regen und allerlei herumfliegende Objekte ins Gesicht.

„Das war das letzte Mal, Jim, dass du mich zu so einer Mission überredet hast. Das schwöre ich bei Gott!“, raunte Leonard und es war ihm verdammt nochmal egal, dass Jim bewusstlos über seiner Schulter lag und ihm nicht zuhörte.

Wahrscheinlich würde Jim ihm sagen, dass er doch selbst schuld war. Dass sie nur deshalb in dieser Situation waren, weil Leonard sich mal wieder geweigert hatte, sich beamen zu lassen. Verdammt, er ließ sich doch nicht in seine Moleküle zerlegen! Schön und gut, wenn Jim und so ziemlich jedes andere Mitglied der Sternenflotte damit kein Problem hatten. Leonard hasste das Beamen. Es gruselte ihn ganz schrecklich. Und das war unter anderem Jims Schuld, da dieser ihm in einer Halloween-Nacht, in der sie völlig betrunken in Leonards Unterkunft an der Akademie gesessen hatten, die Legende von Cyrus Ramsey erzählt hatte. Leonard hatte daraufhin nachgeforscht, aber keinen Beweis für diesen ominösen Transporterunfall herausfinden können. Trotzdem hatte er seitdem furchtbare Angst, sich beamen zu lassen.

Jim hätte womöglich recht. Es wäre eventuell sicherer gewesen mit dem ganzen medizinischen Equipment zur Hauptstadt zu beamen. Andererseits war nicht ausgeschlossen, dass der Ionensturm sich auch auf den Beamvorgang ausgewirkt hatte und … sie verdammt nochmal auf dem Planeten in alle Winde zerstreut worden wären.

„Ich werde dich auf Diät setzen, wenn wir wieder auf der Enterprise sind. Das verspreche ich dir! Du wiegst ja eine Tonne!“, sprach Leonard weiterhin mit seinem bewusstlosen Freund und suchte nach einem Unterschlupf. „Hättest du nicht näher an der nächsten Stadt bruchlanden können? Stattdessen hast du uns irgendwo am Arsch dieser fremden Welt runterkommen lassen und besitzt dann auch noch die Unverfrorenheit ohnmächtig zu sein.“ Ein Dreckpartikel flog geradewegs in Leonards linkes Auge und stoppte seine Schimpftirade. Er kniff schmerzhaft das Auge zu, versuchte es zu reiben, ohne dass Jim ihm von der Schulter fiel. Seine Augen tränten unkontrollierbar, wodurch sein ohnehin eingeschränktes Sichtfeld zunehmend verschwamm. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde er den kleinen Fremdkörper los und blinzelte noch einige Male, ehe er wieder richtig klar sehen konnte.

„Der Planet wird dir gefallen, Bones“, äffte er Jim nach und machte dabei eine Grimasse, die niemand sehen konnte. „Von wegen!“ Leonard setzte seinen Weg durch das Unwetter maulend fort, bis er endlich eine Zuflucht fand. Es war eine scheinbar verlassene Hütte, bereits halb zerfallen, aber besser als nichts.

Er trat die Tür auf, die ächzend aufschwang und fand sich in einem modrig riechenden Raum wieder. Zu seiner Linken befand sich ein Kamin, leider war das Dach darüber größtenteils offen, der Kamin vollkommen nass, so dass Leonard gar nicht erst in Erwägung zog, dort ein Feuer zu schüren. Er sah sich weiter um, während Blitze den düsteren Himmel durchzuckten und ihm gelegentlich für Sekunden etwas Licht spendeten.

Zu seiner Rechten fand Leonard eine Nische, die trocken schien. Er nahm an, dass es sich bei der Hütte um eine Art Jagdhaus gehandelt haben musste. Jim hatte sie in einem Tal heruntergebracht, das zwischen einem Bergmassiv und einem bewaldeten Hang lag. Wäre das Wetter nicht so lausig und die Hütte in besserem Zustand, überlegte Leonard, hätte dies ein hübscher Urlaubsort sein können. Für gewöhnlich liebte er die Natur. Nur eben nicht gerade nach einer Bruchlandung auf einer fremden Welt, inmitten eines Unwetters.

„So, Jim“, sagte Leonard und legte seinen Freund behutsam auf dem trockenen Holzboden ab. Die Dielen knarzten verdächtig unter jedem seiner Schritte, schienen aber zu halten. „Dann will ich dich mal untersuchen.“

Aus dem Rucksack holte Leonard das Medkit hervor, das zur Standardausrüstung eines jeden Shuttles gehörte. Was ihm der medizinische Tricorder nach einem ausführlichen Scan anzeigte, missfiel Leonard in jeder Hinsicht. „Wie zum Teufel schaffst du nur immer wieder, dich dermaßen zu verletzen? Wüsste ich es nicht besser, würde ich meinen, du machst das mit Absicht, um mich in den Wahnsinn zu treiben.“ Die leichten Verbrennungen seiner Haut waren Jims kleinstes Problem und auch die offene Wunde an seinem Kopf bereitete Leonard keine größeren Sorgen. Was ihn jedoch zutiefst beunruhigte, war der Bruch zweier Rippen und die vermutlich dadurch ausgelöste Blutansammlung in Jims Brustkorb. „Wie denkst du, soll ich hier einen verdammten Hämothorax behandeln, Jim?“ Leonard ließ frustriert den medizinischen Tricorder sinken und sah verzweifelt in das bewusstlose Gesicht seines Freundes.

Im Grunde konnte er hier nichts machen. Die Hütte war alles andere als steril. Ihm fehlten die notwendigen medizinischen Instrumente, um eine Operation durchzuführen. Ganz zu schweigen davon, dass er mit dem medizinischen Tricorder nicht die Quelle der Blutung finden würde. Dazu brauchte er einen deutlich umfangreicheren Scan. Selten zuvor hatte Leonard sich in seiner medizinischen Laufbahn dermaßen hilflos gefühlt.

Auch wenn es nicht Jims schwerste Verletzungen waren, versorgte er die Verbrennungen in seinem Gesicht und an den Händen, ebenso die offene Wunde über seinem linken Auge. Da Jims Atmung im Moment noch einigermaßen stabil war, ließ ihm dies noch etwas Zeit darüber nachzudenken, wie er Jims innere Blutungen behandeln konnte.


Tag Zwei

Leonard schreckte auf. Er war eingeschlafen! Sofort scannte er Jim, um sicher zu gehen, dass sich sein gesundheitlicher Zustand nicht verschlimmert hatte. Nach Sekunden, die Leonard wie eine kleine Ewigkeit vorkamen, ließ ihn der Tricorder wissen, dass Jims Zustand unverändert war und der Arzt atmete erleichtert durch.

Sein Magen begann zu knurren. Bei einem so kurzen Flug waren Lebensmittelrationen nicht Bestandteil der Standardausrüstung der Shuttles. Er würde sich darüber beschweren und dafür Sorge tragen, dass sich das künftig änderte. Was hätte er nicht dafür gegeben wenigstens einen lausigen Energieriegel in die Finger zu bekommen?

Er fragte sich, was Jim in dieser Situation tun würde. Sicher würde er nach etwas Essbarem suchen, oder nach einer Wasserquelle. Allerdings missfiel Leonard der Gedanke, Jim in diesem Zustand allein zu lassen, nur weil er hungrig und durstig war. Als Arzt wusste er, dass das Hungergefühl irgendwann nachlassen würde. Sie beide würden einige Zeit ohne Essen auskommen. In Hinsicht von Flüssigkeit sah es allerdings anders aus.

Der Ionensturm hatte sich inzwischen gelegt, dennoch war der Himmel von dunklen Wolken verhangen. Für gewöhnlich bevorzugte Leonard Sonnenschein, nicht jedoch in dieser Situation. Der bedeckte Himmel würde maßgeblich zu ihrem Überleben beitragen. Sie brauchten weniger Flüssigkeit. Weniger bedeutete jedoch nicht, dass sie ohne auskämen. Davon abgesehen durfte Leonard nicht davon ausgehen, dass das Wetter so bleiben würde.

Der Gedanke, seinen Freund hier vollkommen allein zu lassen, bescherte ihm Bauchschmerzen. Was, wenn es wilde Tiere gäbe, die Jim witterten, während Leonard sich nach einer Wasserquelle umsah? Ebenso gut könnte sich Jims gesundheitlicher Zustand von ganz allein verschlechtern.

Soweit Leonard es beurteilen konnte, war es vorerst besser bei Jim zu bleiben. Er würde seinen besten Freund nicht zurücklassen.


Tag Drei

Sein Magen knurrte. Seine Hände zitterten. Ihm war furchtbar übel. Leonard war bemüht nicht fortlaufend ans Essen zu denken, aber es wollte ihm nicht gelingen. Es gab einen guten Grund, weshalb Nulldiäten medizinisch nicht vertretbar waren. Herrgott, was würde er für eine Handvoll Waldbeeren geben oder ein paar Nüsse. Er war sich sicher, dass er etwas finden würde, wenn er Jim nur für eine kurze Zeit allein ließ.

Immer wieder umkreiste er die zerfallene Hütte, aber in der direkten Umgebung war nichts Essbares und kein Wasser zu finden. Er würde seinen Radius ausweiten müssen. Er hatte das Gefühl, als verdaue er sich allmählich selbst. Rational betrachtet wusste er, dass das Unsinn war. Aber am dritten Tag auf dieser fremden Welt und ohne Aussicht auf baldige Rettung, vermochte er es nicht mehr allzu rational zu denken.

Jims Zustand hatte sich über Nacht verschlechtert. Die inneren Blutungen beeinflussten inzwischen seine Atmung. Abgesehen von der Lunge wurden auch andere Organe zunehmend in ihrer Funktion gestört. Er konnte nicht mehr lange warten. Eine Lösung musste her und zwar bald!

Die Wolken verzogen sich am Mittag des dritten Tages. Leonard saß mit dem Rücken gegen die morsche Holzwand gelehnt, in Gedanken versunken und bemerkte erst nach einer Weile, dass Jim zunehmend im Sonnenlicht lag. Die Schattenflächen in der Hütte wurden immer kleiner. Leonard zwang sich auf die Beine und zog Jim in eine andere Ecke, wo er ihn erneut scannte. Die Anzeige der Energiezelle des medizinischen Tricorders begann zu blinken und verlangte aufgeladen zu werden.

Wenn er eine Notoperation an Jim durchführen wollte, dann musste er es in absehbarer Zeit tun. Der medizinische Tricorder war schließlich besser als nichts. Nur, womit sollte er in dieser Gegend eine Thoraxdrainage durchführen? Dass er selbst in keiner guten Verfassung war, dehydriert und vollkommen übermüdet, ignorierte Leonard bei seinen Überlegungen. Hier ging es schließlich um das Überleben seines besten Freundes, seines Captains. Und momentan war er, wenn auch selbst nicht in bester Verfassung, Jims beste Überlebenschance.

„Hör mal, Jim“, sprach er nach einer Weile seinen Freund an, „ich muss dich für einige Zeit allein lassen. Ich muss zurück zum Shuttle und nach dem Notsignal sehen. Vielleicht finde ich auch irgendwas, das für eine Operation nützlich werden könnte. Ich kann nicht länger hier bei dir bleiben und hoffen, dass wir gerettet werden.“

Leonard vergewisserte sich, dass Jim weiterhin von direkten Sonneneinstrahlung geschützt sein würde, indem er die Ecke in der sein Freund lag, mit halb zerfallenen Möbeln und losen Holzbrettern verbarrikadierte. In den drei Tagen, die sie nun auf dieser Welt verbracht hatten, hatte Leonard noch kein wildes Tier hier gesehen oder gehört. Von daher ging er guten Gewissens davon aus, dass Jim in seiner Abwesenheit nicht gefressen werden würde.

„Ich beeile mich. Mach keine Dummheiten während ich unterwegs bin, hörst du?“ Sein besorgter Blick ruhte noch einen Augenblick länger auf dem ausdruckslosen Gesicht seines Freundes, dann wandte sich Leonard ab und eilte davon, ehe er es sich anders überlegte.

~*~

Zurück im Shuttle stellte Leonard erleichtert fest, dass sich das Hydrazingas verflüchtigt hatte und dass das Notsignal noch aktiv war.

Trotz des automatischen Signals versuchte er eine direkte Verbindung zur Enterprise herzustellen. „McCoy an Enterprise; hört mich jemand? Enterprise, bitte kommen. Wir hatten einen Unfall und sind abgestürzt. Erbitten dringend Hilfe. Enterprise, bitte kommen.“ Die erhoffte Antwort blieb erwartungsgemäß aus.

Anschließend durchsuchte er diverse Fächer nach allem, was ihm hilfreich erschien. Aber er fand nur einen kleinen Werkzeugkoffer, der ihm zunächst wenig nützlich schien. Trotzdem beschloss er ihn mitzunehmen. Ebenso packte er ein handliches, scharfkantiges Metallstück ein, das wohl mal Teil einer Wandverkleidung gewesen war. In Ermangelung eines Laserskalpells war dieses Stück Schrott vermutlich das Beste Schneidwerkzeug, das Leonard zur Verfügung stand.

Es graute ihm beim Gedanken daran, den Brustkorb seines Freundes mit diesem Metallstück aufzuschneiden. Aber hatte er eine andere Wahl?

Bevor er sich auf den Rückweg machte, suchte er noch nach Energiezellen für die Tricorder, fand jedoch keine. Was er jedoch fand, war ein Fach mit Handphasern. Er nahm zwei heraus und steckte sie ein.

Auf dem Weg zurück zu der verlassenen Hütte, scannte Leonard mit dem Standard-Tricorder die Umgebung nach Wasser und essbaren Pflanzen oder Lebewesen ab. Er fand eine Wasserquelle, südöstlich ihres Unterschlupfes, etwa fünf Kilometer entfernt. Selbst wenn er es bis zu dieser Quelle schaffen würde, wie um alles in der Welt sollte er Wasser von dort bis zu Jim bringen können? Und Jim dorthin zu tragen war vollkommen ausgeschlossen. So oder so, Jim würde nichts von dem Wasser haben.

~*~

Als er die Unterkunft erreichte, versank die Sonne bereits hinter den Wipfeln des Waldes. Wenn er Jim noch operieren wollte, durfte er keine Zeit verlieren. Ohne Licht würde er unmöglich arbeiten können.

Im medizinischen Notfallkoffer fand er ein paar Handschuhe, welches er sich rasch über die Hände streifte, ehe er Jims Brustkorb mit einem Antiseptikum desinfizierte. „Jim, das wird jetzt unangenehm werden. Aber ich habe kein Betäubungsmittel da und ich muss …“ Er atmete tief durch, während er mit zitternden Fingern auch das scharfe Metallstück desinfizierte. „Ich muss das tun, wenn ich dich retten will. Denkst du, du kannst stark genug dafür sein?“

Selbstverständlich antwortete Jim ihm nicht. Leonard schickte ein Stoßgebet zum Himmel und setzte zum Schnitt an. Es würde nur ein kleiner Schnitt sein, nicht mehr als drei bis vier Zentimeter lang, aber das war auch noch nicht der wirklich schmerzhafte Teil.

Sobald Leonard die Hautschicht im Interkostalraum der vorderen Axillarlinie eröffnet hatte, steckte er beherzt den Zeigefinger in die offene Wunde und schob das Subkutangewebe und die Interkostalmuskulatur mit stumpfem Druck beiseite. Sein Blick huschte dabei immer wieder zum medizinischen Tricorder, der Jims Vitalwerte aufzeigte. Jims Herzschlag war erhöht, aber immer noch im akzeptablen Niveau. Nachdem Leonard die Pleura parietalis überwunden hatte, entwichen Luft und Blut, Jims Atmung verbesserte sich zusehends.

Leonard erschrak, als Jims linke Hand plötzlich sein Handgelenk umklammerte und sein Freund ihn keuchend und mit schreckensweiten Augen anstarrte. „Was zum …“, brachte Jim nur hervor, ächzte vor Schmerz und starrte Leonard fassungslos an.

„Du hast innere Blutungen, Jim. Ich musste deinen Thorax öffnen, um das Blut abfließen zu lassen …“, erklärte Leonard. „Ich gebe dir etwas gegen die Schmerzen.“ Den Zeigefinger weiterhin in der offenen Wunde, durchsuchte Leonard mit der linken Hand den Notfallkoffer und lud das Hypospray, sobald er das Schmerzmittel gefunden hatte. „Tut mir leid“, entschuldigte er sich bei Jim und injizierte ihm das Mittel in die Halsschlagader. „Ich weiß, das tut höllisch weh.“

„Was … ist … passiert?“ Jim schloss die Augen und atmete schwer.

Leonard fand, dass Jim aussah, als übergebe er sich jeden Moment. „Wir mussten notlanden. Die Steuerkonsole ist beim Aufprall explodiert und hat dich ziemlich schwer verletzt.“

„Die Enterprise?“

„Ich habe ein dauerhaftes Notsignal aktiviert, aber bisher ohne Erfolg.“

Jim schluckte schwer. Ihm trat der Schweiß auf die Stirn. „Wie … lange …?“

„Drei Tage“, antwortete Leonard, sah Jim dabei jedoch nicht ins Gesicht. Stattdessen beobachtete er, wie das Blut aus der offenen Wunde floss und eine Lache auf dem morschen Holzboden bildete. „Der Blutverlust wird dich ziemlich schwächen, Jim. Versuch nicht mehr zu reden. Spare deine Kräfte.“

Als genug Blut abgeführt war zog Leonard seinen rechten Zeigefinger wieder aus Jims Thorax. Sein Freund schrie vor Schmerz auf und wurde gleich darauf wieder bewusstlos. Sicher war es besser so, überlegte Leonard. Mit dem Dermalregenerator konnte er zumindest die äußere Hautschicht wieder schließen und so die Blutung nach außen stoppen. Das bedeutete jedoch noch lange nicht, dass Jim überm Berg war. Die Notfall-Thoraxdrainage war nur eine vorrübergehende Lösung. Jim musste dringend operiert werden.

Fürs Erste war die größte Gefahr jedoch gebannt, dass Jim an seiner inneren Blutung sterben würde. Jetzt konnte Leonard nur hoffen, dass Jim keine Infektion bekam. Dieser Ort war alles andere als ein steriles Umfeld.

Erschöpft sank er an die Wand neben seinem Freund und streifte sich die blutigen Handschuhe ab, die er beiseite warf.


Tag Vier

Leonard hatte seit Tagen kaum geschlafen. Jedes Mal wenn er kurz davor war einzunicken, stand er auf und ging einige Schritte. Sein Hunger hatte sich in der Tat verflüchtigt. Er hatte es nicht für möglich gehalten, dass das Magenknurren tatsächlich nach einiger Zeit ausblieb. Allerdings hatte er immer noch furchtbaren Durst und wünschte sich sehnlichst, dass es regnen würde.

Stattdessen ging jedoch die Sonne über den Bergen auf und verkündete einen neuen Tag. Leonard hatte die Energiezelle des Standard-Tricorders in den medizinischen gewechselt, um weiterhin Jims Vitalwerte in regelmäßigen Abständen prüfen zu können.

Es verging Stunde um Stunde. Der Tag kam ihm endlos lang vor. Er träumte sich auf die Enterprise, in die Kantine, wo er sich satt aß und so viel trank, dass er glaubte platzen zu müssen. Träumte sich in sein klimatisiertes Quartier und stellte sich vor, dort unter der Dusche zu stehen und sich endlich wieder mal waschen zu können. Die Bartstoppeln in seinem Gesicht juckten fürchterlich. Er fühlte sich wie ein Landstreicher.

Wo blieb die Enterprise nur? Sie mussten doch längst das Notsignal aufgefangen haben. Wieso kam niemand, um sie zu retten? Sollte das ihr Ende sein? Verlassen auf dieser fremden Welt?

„Wenigstens“, sprach Leonard seinen Gedanken laut aus und legte seinem Freund dabei die Hand auf den Brustkorb, der sich langsam hob und senkte, „sterbe ich nicht allein.“

Nachdem die Sonne untergegangen war, die den ganzen Tag unerbittlich auf den Planeten geschienen hatte, konnte Leonard sich nicht länger wachhalten und schlief schließlich ein.


Tag Fünf

Ein vertrautes Geräusch drang wie durch dichten Nebel in Leonards Bewusstsein. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis ihm klar wurde, dass es sich um den Kommunikator handelte, der in seiner Hosentasche piepte.

Es kostete ihn wahnsinnig viel Willenskraft auch nur einen Muskel zu bewegen. Er war so müde … so unglaublich müde … Aber er wusste, dass er das Gespräch annehmen musste. Das Zirpen in seiner Hosentasche versprach Rettung.

Jim, dachte Leonard. Ich muss Jim retten.

Und so zog er den Kommunikator aus der Tasche und klappte ihn schwerfällig auf. „McCoy“, krächzte er in das Gerät.

„Dem Himmel sei Dank“, erklang die aufgeregte Stimme Uhuras aus dem Gerät. „Doktor McCoy, sind Sie unversehrt? Wo ist der Captain?“

Jim! Leonard richtete sich aus seiner halbliegenden Position auf und fühlte instinktiv nach dem Puls seines Freundes. Er war kaum noch spürbar. „Beamen Sie uns sofort an Bord!“

„Verstanden“, bestätigte Uhura und Leonard zog seinen Freund auf den eigenen Schoß.

Ein sanftes Kribbeln erfasste ihn und er konnte gerade noch sehen, wie sich sein Arm über Jim und auch der Körper seines Freundes in Lichtwirbeln auflösten. Kurz darauf fand er sich auf der Enterprise wieder.

Sofort eilte medizinisches Personal auf sie zu, darunter seine Vertretung Doktor M’Benga und seine Oberschwester Christine Chapel. „Wir müssen ihn operieren“, ließ er sein Personal wissen und versuchte aufzustehen. Sein Körper wollte ihm jedoch nicht gehorchen, wirkte wie betäubt.

„Schaffen Sie sie sofort auf die Krankenstation“, hörte er M’Benga sagen.

Christine Chapel half ihm auf die Beine und stützte ihn, während Jim auf eine Hovertrage gelegt und aus dem Transporterraum gebracht wurde. „Können Sie gehen, Doktor?“, fragte Chapel vorsichtig.

„Selbstverständlich“, erwiderte Leonard, aber seine Beine straften ihn Lügen und ließen ihn in Chapels Armen zusammensacken.

Sie vermochte es nicht, ihn allein zu halten und so kam ihm der Transporterchief zur Hilfe. „Ich muss Jim operieren. Er hat einen Hämothorax“, ließ er Chapel wissen und drängte Richtung Ausgang.

„Sie werden nichts dergleichen tun, Doktor. Doktor M’Benga wird sich um den Captain kümmern. Seien Sie unbesorgt. Um Sie kümmere ich mich persönlich.“

Leonard war sich nicht sicher, ob das ein Versprechen oder eine Drohung war. Aber er fühlte sich außerstande, sich ausgerechnet jetzt mit Chapel anzulegen und ließ sich bereitwillig von ihr zur Krankenstation bringen.

~*~

„Sie müssen liegen bleiben, Doktor“, bat Chapel nachdrücklich und schob Leonard immer wieder zurück auf das Bett.

Leonard war jedoch nicht danach tatenlos herumzuliegen, während Jim im OP war und von M’Benga wieder zusammengeflickt wurde. Er war für Jim verantwortlich. Er hatte die Thoraxdrainage durchgeführt, Jim war sein Patient!

„Ich will doch nur …“, widersprach Leonard und setzte sich abermals auf.

„Ganz wie Sie wollen, Doktor.“ Chapel entfernte sich von ihm.

Leonard konnte es kaum fassen, dass er sich gegen sie durchgesetzt hatte. Diese Frau hatte was von einem Feldwebel. Gut, dass sie ihn jetzt in Ruhe ließ. Er schnappte sich den Ständer, an dem sein Infusionsbeutel hing und wollte sich gerade vom Biobett schwingen, als sich ihm von hinten eine Hand auf die Schulter legte und ihn festhielt.

„Nicht so schnell“, hörte er Chapel sagen, ehe sie ihm einen Injektor an den Hals presste und abdrückte. „Sie sind hiermit vom Dienst entbunden, Doktor McCoy.“

Und noch ehe Leonard sich umdrehen und ihr einen finsteren Blick zuwerfen konnte, verlor er das Bewusstsein und fiel rücklings auf das Bett.
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