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Über die Grenzen

von MaLi

Schwarzer Tod

Hunger. Reißend, bohrend, brennend. Dazu die Einsamkeit. Eigentlich brauchte es nicht wirklich Freunde, aber ab und zu ein Artgenosse wäre schon schön gewesen. Es saß schon lange hier; es hatte längst aufgehört zu zählen. Tage? Wochen? Monate gar?
Dunkel und still. Was war nur aus seiner Welt geworden … Einst bunt und hell, von freundlichem Sonnenlicht durchflutet. Es hatte nichts davon gehabt; sein Volk lebte unterirdisch. Tageslicht machte es blind und schmerzte in den Augen. Ab und zu krochen sie kurz vor Sonnenuntergang an die Oberfläche und wärmten die schuppig, lederne Haut an den sterbenden Strahlen der Abendsonne. Sie fühlten sich wohl im Dunkeln, nur die Stille, die mochten sie nicht. Sie bedeutete Einsamkeit und Nahrungsmangel.

Teils aus Trotz, teils aus Verzweiflung rieb es seine flache, schuppige Stirn am Fels. Er war seine Heimat. Unfreiwillig. Die Höhle, in der seine Sippschaft seit Generationen lebte war eingestürzt und zu ihrem Grab geworden. Sie waren alle noch da, verstreut über den ganzen Boden. Bleich schimmerten ihre weißen, abgenagten Knochen und hoben sich vom schwarzen Untergrund ab. Ab und zu knackte es unter seinen Klauenfüßen, wenn es versehentlich einen zertrat.

Das Geräusch stimmte es traurig. Einst waren sie fünfzehn als der Fels rutschte und sie einschloss. Dann starben sie nacheinander an Hunger und Entkräftung. Aus fünfzehn wurden zehn, dann sieben, dann drei. Nun war es alleine. Langsam, fast sanft leckte es über den Felsen. Er schmeckte noch nach dem Blut der Getöteten. War es stolz darauf? Nein. Aber was hätte es tun sollen …

Hunger. Reißend, bohrend, brennend. Dazu die Einsamkeit. Wer könnte da Nein sagen? Zartes, saftiges, wunderbares Fleisch. Jetzt war selbst das Mark in den Knochen vertrocknet; es hatte oft nachgesehen. Es gab nichts mehr.

Sehnsüchtig reckte es sich nach dem matten Lichtstrahl, der zusammen mit frischer Luft durch einen Spalt zwischen zwei Felsbrocken in die Höhle schimmerte. Gierig schnupperten die geschlitzten Nüstern nach dem Duft der Freiheit, die Essen versprach und genügend Platz. Es war Teil eines Volkes das gerne rannte. Hier drehte es sich lustlos im Kreis, wanderte stoisch und verzweifelt den Umfang der Höhle ab, zunehmend spürend, wie Muskeln und Gelenke verkalkten und verhärteten.

Es krümmte sich, wand sich auf dem Boden, fauchte und jaulte als sich sein Magen zusammenzog und drohte, sich selber zu verdauen. Deprimiert und mutlos grabschte es mit Klauenhänden nach einem Knochen und nagte wehmütig daran. Er schmeckte längst nach seinem eigenen Speichel. Auch davon hatte es nicht mehr viel. Am Tag zuvor war die kleine Quelle versiegt, die so zuverlässig Jahr um Jahr ihr Wasser durch die Wohnhöhle gelenkt hatte. Frisch, kühl und perlend. Es stemmte sich zitternd hoch, kroch zur Rinne hin und leckte zum tausendsten Mal über den nun trockenen Stein.

Hunger. Reißend, bohrend, brennend. Dazu die Einsamkeit. Und Durst! Schrecklicher Durst. Gebrochen kroch es in die Mitte der Höhle, ließ sich fallen und rollte sich ein. War das das Ende? Wenn ja, nahm es den Tod mit Freuden an. Er kribbelte angenehm. Es begann in der Mitte des Körpers, breitete sich in alle Glieder aus. Dann wurde es federleicht, begann zu schweben und versank im Nichts.

***

AAAHHH! Diese Schmerzen! Dieses Licht!
Weiß und grell stach es in seinen Augen, selbst wenn es Nickhaut und Lid gleichzeitig über den empfindlichen Augapfel zog.
Und dieses Kreischen!
Lärm und Hektik überall … Mühsam bewegte es sich über den unnatürlich rutschigen und gleißenden Boden, der ihm immer wieder unter den Krallen entglitt.

POLTER.
Es musste irgendwo hinuntergefallen sein. Nicht tief, aber tief genug um gehörig zu erschrecken. Es hatte die Augen aufgemacht und erschrak noch mehr. In dieser grellen Höhle aus silbernem Gestein wuchs eine zitternde, schwarz-bunte Wurzel aus dem Boden.

Tief atmete es ein.
Dieser Duft! Oh, dieser wunderbare, herrliche Duft! Essen!
Trotz brennenden Augen schlug es die Wurzel im Sprung und riss sie erstaunlich leicht aus dem Boden. Wie von alleine fiel sie hin und zappelte mit all ihren Würzelchen, die an ihr dran waren. Sie kreischte. Seltsam, aber akzeptabel in Anbetracht des herrlichen Duftes.

Es konnte sich nicht mehr beherrschen. Von Hunger, Durst und Einsamkeit längst dem Wahnsinn verfallen, zerfetzte es die Wurzel und labte sich an ihrem herrlichen Fleisch, das sich in deren Inneren verbarg.

***

Was für ein wunderbarer Ort!
Wahrhaft ein Paradies, wäre nicht diese fürchterlich grelle Sonne gewesen. Kaum hatte es eine Wurzel verspeist, wuchs schon eine neue aus dem Boden. Vier hatte es gehabt, doch jetzt kam keine mehr. Es war noch längst nicht satt. Gierig nach mehr von diesen sagenhaften Köstlichkeiten machte es sich auf den Weg, streifte durch die silberne Höhle, wo das Licht jetzt rot blinkte und etwas angenehmer geworden war. Ein stetiger Lärm durchdrang sie und dröhnte ihm von den Zähnen bis zur Schwanzspitze durch den Körper.

BRUAA! BRUAA! BRUAA!
DA! Eine Wurzel!
Rennen. Laufen. Springen. Hach, tat das gut!

Der Boden in den Gängen der Silberhöhle war mit einem weichen, seltsamen Moos bedeckt. Hier rutschte es nicht mehr wenn es sein Tempo steigerte und los schoss. Die Wurzel zappelte und floh, doch sie war zu langsam.
HAB ICH DICH!
Kurz nachdem es verzückt und überglücklich seine Zähne in der Wurzel versenkt hatte, begannen helle Lichtblitze links und rechts an ihm vorbei zu zischen.
AUA?! Einer davon traf ihn. AAAH! Wie das brennt! Wie das schmerzt!

Eine ganze Gruppe Wurzeln war im Höhlendurchgang aufgetaucht. Sie schossen diese Lichter auf ihn!
Na wartet! Ich habe genug gelitten
Ein fürchterliches Gebrüll ausstoßend sprang es auf sie zu. Sie stoben auseinander und zerstreuten sich in alle Himmelsrichtungen. Es suchte sich eine aus und verfolgte sie. Was für ein Spaß! Es erwischte die Wurzel zwar nicht, aber die, die sie an ihrer Stelle fand, war bestimmt nicht weniger lecker gewesen.

Innerlich jauchzend jagte es kurz darauf einer ganzen Zucht davon nach. Es suchte sich die Langsamste aus; sie lag deutlich hinter den anderen zurück.
Gleich hab ich dich, du Leckerbissen, freute es sich und steigerte das Tempo.

Kreischend floh die Wurzel vor ihm her, versuchte eine Höhle zu erreichen, die sich kurz vorher schloss. Es knallte mitsamt der Wurzel gegen die nun silberne Wand vor ihnen. Dahinter verbargen sie sich! Es konnte sie durch die Silberwand hindurch hören und sogar sehen. In der Wand war ein Loch das, wie es mit der Nase herausfand, mit harter Luft vollgestopft war. Verwirrt leckte es über diese seltsame Barriere. Sie blieb stabil und schmeckte nach … nach … nicht gut. Es schüttelte sich und versuchte sich lieber an der leckeren Wurzel, die regungslos zu seinen Füßen lag.

***

Glücklich schnurrend lag es eingerollt in einer dunklen Ecke. Pappsatt und voll gefressen hob sich sein dicker Bauch. Wie schön warm es hier war, und auch der dröhnende Lärm war verschwunden. Nur das Licht flackerte ständig von weiß zu rot. Das war verstörend, trotzdem mochte es diesen Ort. Wann immer es sich erhob und durch die Höhle streifte, traf es irgendwo auf eine versprengte Wurzel. Nicht einmal zu Hause hatte es so viel zu Fressen gegeben!

Doch nach der letzten Wurzel war Schluss. Es fand keine mehr und so strich es tagelang durch die Höhlen, horchte, schnupperte und hielt Ausschau.
Hoffentlich wachsen bald neue nach, wünschte es sich, denn die alten Wurzeln waren nicht haltbar und rochen schon ziemlich schlimm. So etwas durfte es nicht essen.

War es das gewesen? Sein ganzes Glück? Erst in einer dunklen Höhle mit Knochen alleine, und nun das Selbe in diesem Silberlabyrinth? Gammelige Wurzeln und kein Wasser?
So schlich es wieder trübsinnig durch die Höhlen und hoffte auf eine baldige, frische Ernte.

***

Es dauerte lange, bis erneut das vertraute Geräusch umherwandernder Wurzeln seine Ohrschlitze erreichte. Es schnupperte begierig. Es waren andere! Eine neue Sorte musste gewachsen sein. Euphorisch kroch es aus seinem dunklen, stillen Loch und machte sich freudig auf die Jagd.

Sie waren flinker und schneller als die Letzten, was den Spaßfaktor erheblich steigerte. Und wie sie schmeckten! Nicht so süß wie die anderen, sondern würzig und leicht salzig. Wie schade, dass es nur drei davon gefunden hatte. Es hatte sich längst an ihnen überfressen. So war es froh um die Pause die es hatte, bis erneut zwei von den neuen Wurzeln seinen Weg kreuzten.

Was für ein herrlicher Tag!
Genau am selben Ort, wo es schon drei davon gefangen und verspeist hatte, fand es die nächsten zwei. Die gaben ein lautes Kreischen von sich, das in seinen Ohren schmerzte und stoben dann zu beiden Seiten an ihm vorbei. Noch etwas träge von seinem ausgiebigen Mahl taumelte es der einen Wurzeln hinterher. Die lärmte und rannte und war ganz besonders schwer zu erwischen. Immer wieder entkam sie seinen Nüstern, um dann an einem unverhofften Ort wieder aufzutauchen.

Nein, erkannte es, das ist die andere!
Es konnte die beiden deutlich am Geruch unterscheiden. Sie hatte sich in einer Höhle versteckt. Glücklich setzte es zum Sprung an und schnellte in den Raum.
Bei meinen Knochen, sind die flink, dachte es, als es statt auf der Wurzel auf dem moosigen Boden landete. Verwirrt und mehr beglückt als verärgert rappelte es sich hoch und jagte ihr nach.

Ach DA seid ihr!
Die beiden Wurzeln sprangen aus dem Boden und flohen, als sie es entdeckten. Also langsam, schnaufte es stumm, wird mir diese Rennerei zu viel! Ächz; zu viel gefressen! Eindeutig zu viel gefressen

***

Jetzt hingen die zwei Wurzeln hoch über ihm.
Ah! Mal was Anderes … Toll!
Begeistert von so viel Herausforderung ging es in die Knie und sprang hoch.
Mist! Nicht hoch genug. Noch mal
Erstaunlicher Weise schienen ihm die Zwei bei jedem Sprung näher zu kommen.

Da plötzlich fiel ihm die eine direkt vor die Klauenfüße! Tief und zitternd vor Vorfreude sog es den Duft der Wurzel in die Nüstern und nahm sie dann gerne an. Kurz darauf sauste die zweite zu Boden. Sie rappelte sich hoch und floh.
Jagen oder Fressen? Jagen!
Sie musste eines ihrer zahlreichen Würzelchen geknickt haben, denn sie humpelte und war nicht mehr so schnell. Es selbst allerdings auch nicht. Nach dreieinhalb Wurzeln war es schon ziemlich träge.

AU?!
Die doofe Wurzel hatte es tatsächlich bis hinter eine Felswand geschafft. Es war gerade schmerzhaft dagegen geknallt.
Lass mich rein, du Leckerbissen! Mach auf! Mach auf
Verzweifelt kratzte es fauchend an der Tür. So schnell ließ es sich den Spaß nicht verderben!

Ah! Na endlich
Die silberne Felswand glitt vor seiner Schnauze auseinander.
Haha! Noch mehr von euch!
Die süßlichen Wurzeln waren endlich nachgewachsen und eine erdige noch dazu! Freudig eilte es auf die Wurzelgruppe los, bis es die leckerere salzige auf dem Boden entdeckte.
Ach hier bist du also … Ich habe- AU?! AU! AUAUAUAU?!
Wieder diese Lichtblitze! Es blieb stehen und schon hörten die Schmerzen auf. Die Wurzeln flohen.

Begeistert jagte es der Gruppe durch die Flure nach, bis sich auch diese in letzter Sekunde hinter eine silberne Wand rettete.
Miese Spielverderber?! Lasst mich rein! Los!
Irgendwann wurde es ihm aber dann doch zu langweilig, am silbernen Felsen zu kratzen und sich die Nase zu stoßen. Jetzt begann auch noch von irgendwoher, eine Wurzel zu ihm zu sprechen. Das war ihm unheimlich, denn sehen konnte es keine.
Na schön, euch jage ich später! Erst mal ein Imbiss

***

Es hatte sich bereits wieder deutlich an der frischen, salzigen Wurzel überfressen, als erneut unvermittelt von irgendwo her die Stimme zu ihm zu sprechen begann; diesmal seltsam monoton und ungewohnt. Doch es sprach kein Wurzelisch und so ignorierte es die sprechende Höhle und labte sich stattdessen an seinem Fund.

Voller Genuss fraß es sich durch die leckere Wurzel und sah erst auf, als plötzlich und unerwartet die ständige Stimme über seinem Kopf verstummte und die Höhle in gleißendes, weißes Licht getaucht wurde.


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