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Jamaharon ... wird überbewertet

von Emony

Kapitel 1

Leonard McCoy atmete tief die echte, frische Luft ein, die der paradiesische Planet Risa ihm bot. Nach Monaten im Weltall hatte er sich diesen Urlaub wahrhaft von Herzen herbeigesehnt. Vogelartige Wesen flogen in Schwärmen hoch über ihre Köpfe hinweg, der Duft exotischer Blumen wurde von der sanftesten Windbrise zu ihnen herübergetragen, während sein Gesicht von Sonnenstrahlen gewärmt wurde. Es tat wahrlich gut, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren.

„Na, was sagst du, Bones? Hab ich uns nicht das perfekte Fleckchen auf diesem Planeten herausgesucht?“, fragte Jim, der neben seinem Freund in der Eingangshalle des Hotel-Ressorts stand und seine Reisetasche auf dem Boden abstellte, ehe er den Arm um ihn legte.

Leonard McCoy entwand sich dem Körperkontakt auf geschickte Weise und trat an die Rezeption vor, während er sich nickend zu Jim umdrehte. „Ja, in der Tat. Ich hatte ja schon ein Desaster befürchtet, als du versprochen hast, unsere Urlaubsplanung in die Hand zu nehmen.“

Jim gab sich geschockt. „Was? Wieso denn? Glaubst du, dass ich nicht in der Lage bin uns ein Hotel zu suchen und noch dazu ein paar Urlaubsaktivitäten zu buchen?“ War das zu fassen? Nun gut, um ehrlich zu sein hatte er nicht alles allein gemacht. Als Captain eines Raumschiffes konnte er schließlich nicht den halben Tag damit zubringen, auf einem riesigen Urlaubsplaneten wie Risa nach dem perfekten Fleckchen Land zu suchen. Dafür hatte er schließlich Leute, die unter ihm dienten. Und wenn diese Leute auch noch Freunde waren, die ihn kannten, was konnte da schon schiefgehen?

Eine atemberaubend schöne Frau, die ein goldfarbenes, rundes Mahl auf der Mitte ihrer Stirn trug, ansonsten aber wie eine Terranerin aussah, kam an die Rezeption und begrüßte sie mit einem Lächeln. „Guten Tag, die Herren. Herzlich willkommen auf Risa.“

„Vielen Dank“, erwiderten beide den Gruß nahezu unisono. Da Jim für die Urlaubsplanung verantwortlich war, hatte er das Apartment auf seinen Namen gebucht – oder besser gesagt buchen lassen. „James T. Kirk und Leonard H. McCoy. Es müsste eine Reservierung vorliegen.“

Die Frau nickte, was eher einer Verbeugung gleichkam, ehe sie ihren Computer konsultierte, der hinter dem Tresen außer Sicht der Gäste war. „Ja, hier habe ich Sie.“ Sie zückte daraufhin ein Padd, nicht größer als fünf auf fünf Zentimeter, und legte es auf die Theke vor Jim und Leonard. „Bitte geben Sie beide hier jeweils Ihre Daumenabdrücke ab. Damit gelangen Sie dann in Ihre Unterkunft.“

Gesagt, getan. Beide hinterließen die Abdrücke und ließen sich dann von einer Angestellten zu ihrem Apartment führen. Dort konnte Jim gleich das Türschloss testen, das prompt auf seinen Fingerabdruck reagierte. Die Tür glitt zischend auseinander und verschwand rechts und links von ihnen in der Wandverkleidung.

„Woah!“ Jim fiel praktisch die Kinnlade herunter, als er das geräumige Apartment betrat.

Merana, ihre freundliche Begleiterin, führte sie durch die Räume. Der Wohnraum war groß und hell durch die Panoramafenster, überall standen sesselartige Polstermöbel in verschiedenen Größen und Formen. Hier und da stand ein kleiner Tisch, jeweils dezent dekoriert. Bis auf einen Tisch, der etwas näher in Richtung Fensterfront stand. Auf diesem stand eine seltsam anmutende Statue. Jim nahm sie für einen Moment in Augenschein, bevor er der Führung weiter folgte. Die Statue konnte er sich später noch genauer ansehen. In der Nähe einer Art Küchenzeile, die technisch auf hohem Niveau zu sein schien, stand auch ein runder Glastisch nebst Stühlen. Merana führte sie rasch weiter in die hinteren Zimmer. Dort fanden sie das erste Schlafzimmer, in dessen Mitte ein obszön großes Bett stand. Jim warf sofort besitzergreifend seine Tasche darauf, damit Leonard nicht auf die Idee kam, sich dieses Bett zu schnappen. An das Schlafzimmer grenzte ein obsidianfarben gekacheltes Badezimmer. Einzig das Waschbecken, das WC und die große Badewanne, die fast schon an einen kleinen Whirlpool erinnerte, waren strahlend weiß. Zwei Farne und diverse Lichtdioden, die wie ein Rahmen um die Zimmerdecke verliefen, gaben dem Raum ein wenig Leben. Leonard war nicht so sehr der Typ fürs Baden, daher nahm er die geräumige Dusche ein wenig genauer in Augenschein und schenkte Jim dann ein zufriedenes Nicken. Merana war indessen weitergegangen und führte ihre Gäste hinaus auf die Terrasse, wo ebenfalls bequeme Polstermöbel standen und von wo aus man vor allem einen umwerfenden Blick auf die angrenzende Lagune hatte. Das Meer hatte den schönsten Türkiston, den Jim je gesehen hatte. Er konnte es kaum erwarten schwimmen zu gehen.

Leonard trat ans Geländer und atmete einmal mehr die frische Luft ein. Zu der Süße der exotischen Blumen Risas mischte sich nun auch salzige Meeresluft hinzu. Das, dachte er, war das Paradies! Der Blick aufs Meer allein war es schon wert gewesen hierher zu kommen.

„Ich hoffe, die Unterkunft entspricht Ihren Vorstellungen?“, wandte sich Merana lächelnd an ihre Gäste. „Bestellungen können Sie zu jeder Tages- und Nachtzeit über das Interkom aufgeben.“

Jim wollte schon eifrig nicken, als Leonard dicht an ihn herantrat. „Miss“, sprach Leonard die Risanerin an, „offenbar haben Sie versäumt, uns das zweite Schlafzimmer zu zeigen.“

Merana wirkte etwas verwirrt und legte den Kopf schief.

„Ich habe ein Doppelzimmer gebucht“, erklärte Jim, dem plötzlich aufging, was Leonards Problem war. „Sie wissen schon, ein Zweibett-Apartment. Eine Unterkunft, zwei Betten …“

Merana lächelte etwas nervös und zückte ein Padd, welches sie die ganze Zeit über vollkommen unscheinbar bei sich getragen hatte. Sie fuhr mit dem Zeigefinger über das Display und scrollte durch die Buchungsübersicht. Schließlich schüttelte sie den Kopf und hielt den beiden Männern das Display unter die Nase. „Hier steht es; ein Zimmer mit Doppelbett, all inclusive und ausdrücklich mit Blick aufs Meer.“

„Jim …“, grollte es hinter diesem.

Oh, diesen Tonfall kannte er nur zu gut und er verhieß nichts Gutes. Leonard hatte alle Mühe sich zusammenzureißen und die Hotelleitung nicht der vollkommenen Inkompetenz zu beschuldigen.

„Das muss ein Missverständnis sein, Bones. Entspann dich. Ich regle das schon.“ Ein nervöses Lächeln huschte über Jims Züge. Er wagte es für den Moment nicht, seinem Freund in die Augen zu sehen. Sein Blick blieb stur auf dem Display, ehe er der Risanerin wieder ins Gesicht blickte.

„Das will ich, verdammt nochmal, hoffen“, knurrte Leonard in seinem Rücken.

Jim brach der Schweiß aus. Verdammt, was hatte Gaila nur getan? Hatte es womöglich Probleme in der Übersetzung gegeben? Uhura hatte doch aber die Sprachdateien der Risaner geladen. „Ich bringe sie um“, raunte Jim in seinen gut gepflegten Kinnbart.

Hinter ihm knirschte Leonard gefährlich mit den Zähnen. „Was murmelst du da vor dich hin?“

Jim wandte sich ertappt zu ihm herum. „Nichts“, schwindelte er.

„James T. Kirk …“

Jim schluckte hart und schenkte seinem besten Freund ein entschuldigendes Lächeln über die linke Schulter. „Ich mach das, Bones. Ganz locker bleiben. Ich hab das im Griff.“ Mit diesen Worten gelang es noch nicht mal, sich selbst zu überzeugen. Aber irgendwie musste er versuchen das zu klären. Schließlich waren sie für ein verlängertes Wochenende hier. Er leckte sich nervös über die Lippen. „Miss Merana“, wandte er sich an die attraktive Risanerin und setzte dabei sein charmantestes Lächeln auf, „sicher liegt lediglich ein Missverständnis vor. Wäre es möglich, dass Sie uns ein anderes Apartment geben? Eines mit zwei Einzelbetten, anstelle des Doppelbettes.“

„Ich fürchte, wir sind bereits auf Wochen ausgebucht“, erwiderte diese und zuckte bedauernd die Schultern. Sie zeigte sogar flüchtig die Buchungsübersicht, ehe sie das Padd wieder deaktivierte. „Es tut mir ausgesprochen leid.“

Wochen! Jim wurde ganz schwindelig. Leonard rückte ihm einmal weiter auf die Pelle. Jim wurde furchtbar heiß und er wusste verdammt gut, dass das nichts mit dem Klima zu tun hatte, das auf diesem Planeten nämlich kontrolliert wurde und absolut perfekt war.

„Kein Problem“, wiederholte Jim, auch wenn es nicht der Wahrheit entsprach. „Dann nimmst du das Bett, Bones und ich … äh … schiebe die Polstermöbel zusammen und …“

„Wir bedauern dieses Missverständnis wirklich sehr“, unterbrach Merana Jims Geplapper. Diese beiden waren schließlich nicht die einzigen Gäste, die sie an diesem Tag im Hotel zu begrüßen und herumzuführen hatte. „Alles was unser ist, ist euer.“ Sie breitete die Arme aus, um ihre Worte symbolisch zu untermalen. Dann zog die zwei Halsumhänge aus dünnem schwarzen Leder hervor, an denen je eine kleine geschnitzte Figur baumelte, die der Statue auf dem Glastisch glich. „Mögen Sie Entspannung und Jamaharon finden.“

„Jama … was?“ Leonard betrachtete die Holzfigur, ehe er die Risanerin fixierte.

„Die Horga’hn sind ein Symbol der Fruchtbarkeit hier auf Risa“, erklärte sie den beiden Menschen. „Wenn Sie Jamaharon wünschen, zeigen Sie einfach die Horga’hns und es wird Ihnen an nichts mangeln.“

Jims grinste übers ganze Gesicht. „Entzückend!“ Der Planet gefiel ihm immer besser, auch wenn mit der Buchung zweifellos etwas schiefgelaufen war. Allerdings war er sich nicht sicher, ob der Fehler tatsächlich bei den Risanern lag, oder ob eine gewisse Orionerin sich nicht einen Scherz mit ihm und Bones erlaubt hatte. Wenn er Gaila in die Finger bekam, dann …

„Hab ich Sie richtig verstanden, Miss“, unterbrach Leonard seinen Gedankengang.

Er wollte fortfahren, doch Jim legte ihm die Hand auf die Brust. „Ja, hast du. Das wird der beste Urlaub, den wir je hatten, Bones.“

Irgendwie hatte Leonard da seine Zweifel. Nicht jeder wollte sich quer durch sämtliche Spezies der verdammten Galaxis vögeln. Unfassbar, dass man nur diese seltsame kleine Holzfigur zeigen musste, um Interesse an Sex zum Ausdruck zu bringen. War dieser Planet ein riesiges Bordell oder was? War Risa moralisch derart verwerflich? Das war ganz sicher der letzte Urlaub, den Jim für sie hatte planen dürfen! Hinter Leonards Schläfe machte sich ein dumpfes Pochen bemerkbar.

„Danke für alles, Merana“, sagte Jim schließlich und schenkte ihr einmal mehr sein strahlendes Lächeln.

Sobald sie allein in dem Apartment waren ließ sich Leonard auf einem der Polster im Wohnbereich fallen und versank tief darin. „Was hast du dir nur dabei gedacht, Jim? Dieses Jama-dingsbums muss dir ja tierisch gefallen …“

„Davon wusste ich nichts – ehrlich!“ Aber Gaila ganz bestimmt, da ging Jim jede Wette ein. „Du, ich muss schnell was erledigen. Wie wäre es, wenn wir uns in einer halben Stunde unten an der Bucht treffen und uns erstmal etwas erfrischen?“ Er musste unbedingt Gaila finden und zur Rede stellen.

„Von mir aus“, raunte Leonard. Er hatte alle Mühe, sich aus dem Polster zu hieven, welches nur allzu leicht unter ihm nachgab. Für alte Menschen waren diese Dinger sicher ein Albtraum, aus dem sie nie wieder herauskamen. Sobald Jim das Apartment verlassen hatte, zog Leonard die Halskette aus und warf sie auf das Sitzpolster. Jamaharon, so ein Blödsinn!

* * *

Jim hatte sich seine Standpauke bereits zurechtgelegt als er Gaila endlich am Strand fand. Er konnte nur ihre Kehrseite sehen, da sie sich ganz offensichtlich schon mit zwei Risanern angefreundet hatte, mit denen sie eine kleine Softfrisbee hin und her warf und dabei kichernd über den Sand hüpfte. Bei dem Anblick ihrer perfekten Rundungen und der Tatsache, dass sie einen viel zu knappen Bikini trug, der nicht viel Fantasie erforderte, um sich den Rest ihrer Rundungen auszumalen, vergaß Jim kurzzeitig seine Worte. Er blieb ein paar Meter entfernt stehen und sah ihr bei dem Spiel zu. Sie war darin wirklich gut, auch wenn sie pausenlos von einer Seite zur anderen springen musste. Zweifellos hielt sie sich an Bord der Enterprise durch entsprechendes Ausdauertraining fit.

Nach einer Minute, oder vielleicht auch mehr, wandte sie sich zu ihm um. „Hey, Jim! Magst du mitspielen?“ Gaila trug ebenfalls eine Kette, wie Bones und er sie nur wenige Minuten zuvor geschenkt bekommen hatten.

„Später vielleicht. Gaila …“

Sie grinste breit. „Sei mir nicht böse, Jim.“

„Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht? Ein Doppelbett? Ernsthaft?“ Er hob verzweifelt die Arme an. „Weißt du, wie sauer Bones ist? Ich dachte, dass er den Urlaub abbricht und lieber wieder an Bord der Enterprise zurückkehrt.“

„Ihr beiden eiert schon viel zu lange umeinander herum. Dieser Planet ist geradezu perfekt dafür, um endlich mal zur Sache zu kommen“, entgegnete sie.

„Gaila, du hast einen falschen Eindruck von mir und Bones. Wir sind Freunde.“

„Freunde, die sich nachts in Gedanken an den jeweils anderen in der Einsamkeit ihrer Quartiere einen runterholen, anstatt es sich gegenseitig zu besorgen.“ Die Orionerin schritt nahe an Jim heran. „Ich nehme eure Pheromone ganz deutlich wahr und die sind extrem, wenn ihr beieinander seid. Einzeln seid ihr jeweils erträglich. Na ja, du manchmal nicht, aber er schon. Er reagiert wirklich nur auf dich und du Blödmann merkst es nicht.“

Jim stemmte die Hände in die Hüften. „Das redest du dir doch ein.“

Gailas Augenbrauen wanderten ihrem roten Haarschopf entgegen. „Ach, meinst du? Ich wette, dass ich recht habe und dass McCoy es dir so richtig besorgen will, Jim. Du kannst dich weiter dumm stellen, oder du wachst endlich mal auf und gehst den nächsten Schritt. Du bist doch der Sexmagnet. Wie kannst du so naiv sein zu glauben, dass dein sogenannter Freund nicht auch von dir angezogen wird? Vergiss nicht, dass ich weiß wie du riechst, wenn du geil bist.“

Das ist lächerlich!, schoss es Jim durch den Kopf.

„Du hast hier viele Möglichkeiten es herauszufinden. Wenn ich recht habe, Jim, wirst du mir ein Einzelquartier auf der Enterprise besorgen. Ich hab die Nase von dieser Caitianerin voll, mit der ich seit zwei Jahren zusammenwohnen muss, und die sich, anstatt zu duschen, täglich das Fell von oben bis unten leckt! Das ist ekelhaft!“

Das durfte doch nicht wahr sein! Konnte Gaila wirklich so knallhart sein? „Du hast das gemacht, um mir etwas zu beweisen? Damit du ein Einzelquartier bekommst? Du verarschst mich doch.“

„Mitnichten, mein Lieber“, schüttelte sie ihren roten Schopf. „Und jetzt entschuldige mich, aber da warten zwei reizende Männer auf mich, die mich verwöhnen wollen.“ Und damit wandte sie Jim den Rücken zu, als wäre er einfach nur ein Freund und nicht etwa auch ihr Captain.

Das hatte Jim also davon, dass er Freunde kommandierte, die schon mit ihm an der Akademie gewesen waren. In Gailas Fall ging es sogar so weit, dass sie ein paar Mal miteinander geschlafen hatten. Freunde mit gewissen Vorzügen eben …

* * *

Die Worte der Orionerin hallten noch lange in Jims Verstand nach. Es war unmöglich, dass Bones … nein. Bones war ein Hetero. Er war schließlich mit einer Frau verheiratet gewesen. Er war sogar Vater. Bones war nicht wie er …

Im Apartment angekommen stellte Jim fest, dass sein Freund nicht mehr anwesend war. Er nahm daher an, Bones sei bereits zum Strand hinuntergegangen, wie sie es verabredet hatten. Also zog er sich zügig um, schnappte sich seine Sonnenbrille und die Sonnencreme und eilte zur Bucht.

Allerdings war von Bones keine Spur zu sehen. Seufzend machte Jim es sich daher auf einer der Strandliegen bequem, ließ sich einen einheimischen Cocktail bringen und genoss den Blick aufs offene Meer. Während seiner Akademiezeit hatte er den Ozean schätzen gelernt. Als Kind war er eher wasserscheu gewesen, was unter anderem daran lag, dass er kein übermäßig guter Schwimmer war.

Hier und da sah er Schwimmer im Wasser, manche Gäste betrieben sogar Surfen, andere wiederum liefen Wasserski. Hätte Jim nicht so fürchterliche Angst vor der Tiefe des Ozeans, würde er sicher auch Spaß daran haben. Er war jedoch eher für Freeclimbing und Bungeejumping zu begeistern. Es genügte ihm, in Küstennähe im Wasser zu schwimmen, wenn er denn überhaupt ins Wasser ging.

Einer der Surfer ritt eine Welle, bis er ziemlich nah am Strand war und diese sich dort brach. Der Mann ließ sich auf dem Brett treiben, bis er schließlich Boden unter den Füßen hatte und gehen konnte. Das Surfbrett klemmte er sich schlicht unter den rechten Arm. Als der Mann in seinem schwarzen Surfanzug näherkam, erkannte Jim letztlich seinen Freund. Dass Bones surfen konnte, war neu! Entsprechend überrascht richtete Jim sich auch in seiner Liege auf und schüttelte ungläubig lächelnd den Kopf. Dieser Teufelskerl war auch nach Jahren noch für eine Überraschung gut!

Leonard kam direkt zu ihm herüber, steckte das Surfbrett in den Sand neben sich, und öffnete den Verschluss des Surfanzugs an der Rückseite und streifte sich das Material bis auf die Hüften herab. Jim verschlug es bei dem Anblick beinahe die Sprache, was selten genug vorkam. Bones schüttelte sich das Wasser aus den Haaren, das daraufhin über seine Schultern perlte und in geschmeidigen Rinnsalen über seinen nackten Oberkörper floss.

„Dachte schon, du hast dieses dämliche Geschenk von dieser Risanerin gleich ausprobiert und würdest erst morgen wieder auftauchen.“

Bones‘ Worte rissen Jim aus seiner Hypnose. Nervös leckte er sich über die plötzlich trockenen Lippen. „Was, ich? Nein“, winkte er viel zu eilig ab.

„Hast du dich eingecremt? Nicht, dass du wieder einen Sonnenbrand bekommst, wie in diesem Sommer, den wir bei mir daheim verbracht haben.“ Leonard fuhr sich durch das nasse Haar. „Das Wasser ist herrlich. Du solltest es auch mal versuchen.“

Ein kleiner Wassertropfen löste sich von Bones‘ Ohrläppchen, um stumm auf seiner Schulter zu landen und von dort über das Schulterdach abwärts über den Bizeps zu fließen. Jim wollte seinen Freund nicht anstarren. Er wollte sich normal mit ihm unterhalten, wie sonst auch. Aber dieser aberwitzige Wassertropfen lenkte ihn dermaßen ab, dass er kaum etwas von dem verstanden hatte, was Bones zu ihm sagte. Kurz bevor der Tropfen Bones‘ Unterarm erreichen konnte, wurde er jedoch immer dünner, um schließlich auf seiner Haut zu vertrocknen.

Das Fingerschnippen vor seinem Blickfeld riss Jim in die Gegenwart zurück. Er blinzelte und zwang sich dazu, Bones ins Gesicht zu sehen. „‘tschuldige, was hast du gesagt?“ Er musste gegen die beiden grellen Sonnen aufsehen, die quasi direkt hinter seinem Freund am Himmel standen, und ihn dermaßen blendeten, dass er kaum hinsehen konnte. Auch nicht, nachdem er sich die Augen mit einer Hand abschirmte. In der anderen hielt er nach wie vor sein Cocktailglas.

Leonard ging vor ihm in die Hocke. „Besser?“ Jim nickte schweigend und befeuchtete einmal mehr seine trockenen Lippen. „Was trinkst du da eigentlich?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, lehnte er sich so weit vor, dass er den kurzen Strohhalm in den Mund nehmen und einen Schluck von der weißen Flüssigkeit trinken konnte. „Herrgott, das ist ja pappsüß!“

„Das ist ein risanischer Orgasmus“, erklärte Jim beinahe krächzend. Wieso war seine Stimme plötzlich so brüchig? Als er sich den Drink bestellt hatte, fand er den Namen einfach nur lustig und nicht halb so verfänglich, wie er plötzlich klang. Jim fühlte sich wie ein Teenager im Stimmbruch, der mit einem erotischen Video erwischt worden war.

Leonard hob daraufhin nur eine Augenbraue. „Wenn das ein risanischer Orgasmus ist, verzichte ich und das noch nicht mal dankend. Grauenhaft! Hoffentlich haben die hier auch was für Erwachsene und nicht nur dieses cremige Gesöff.“

Jim betrachtete den Inhalt des Glases und beschloss kurzerhand, schnell auszutrinken. Leonard holte sich derweil eine Liege heran, die er in angemessenem Abstand neben Jims platzierte. „Und, bist du jetzt eingecremt oder nicht?“

„Ein bisschen“, erwiderte Jim kleinlaut. Was zum Teufel war in dem Cocktail drin? Ihm wurde mit einem Mal ganz schwindelig.

„Wo ist die Sonnencreme?“

Bones‘ Stimme wirkte so weit weg. Beinahe benommen fischte Jim unter seiner Liege nach der Flasche und reichte sie seinem Freund.

„Dreh dich mal um. Deine Schultern werden schon rot.“

Jim gehorchte, ohne darüber nachzudenken oder sich dessen gar richtig bewusst zu sein. Als sich Bones‘ warme Hände kurz darauf auf seine Schultern legten und diese behutsam eincremten, war er versucht sich in die Berührung sinken zu lassen. Es fühlte sich so unglaublich gut an, diese Hände auf der eigenen Haut zu spüren. Wenn Bones ihn anfasste, dann immer nur bei medizinischen Untersuchungen. Diese waren nicht unbedingt grob, aber zärtlich gewiss auch nicht. Daher genoss Jim den Moment in vollen Zügen und schloss entspannt die Augen. Der Schwindel nahm gehörig zu. Alles um ihn herum begann sich zu drehen.

„Wie viele von diesen Orgasmen hast du schon gehabt?“, erklang auch prompt Bones‘ Stimme hinter ihm.

„Nur diesen einen, aber … der hat es in sich.“

„Weißt du nicht, dass sich Alkohol und Sonne nicht besonders gut vertragen? Vielleicht sollten wir in den Schatten gehen.“

Jim schüttelte langsam den Kopf. Er wollte nicht in den Schatten. Er mochte die Sonnen, alle beide. Immerhin lag Risa in einem binären System.

„Dann komm mit ins Wasser. Etwas Abkühlung schadet auch nicht“, schlug Leonard vor.

Noch ehe Jim widersprechen konnte, umrundete Bones seine Liege, griff nach seinen Händen und zog ihn auf die Beine. „Los geht’s, ab ins Wasser.“

Jim wollte nicht ins Meer. Er mochte es aus der Ferne. Er sah es sich wahnsinnig gerne an. Liebte das Rauschen der Wellen, wenn sie sich am Strand brachen. Aber er mochte es nicht im Meer zu schwimmen. Bones wusste das. „Lieber nicht …“

„Ich pass auf dich auf. Das weißt du doch“, versprach Bones. „Du hast mir die Angst vorm Fliegen genommen. Wäre doch gelacht, wenn ich dir die Angst vorm Ozean nicht nehmen könnte.“

„Wenn uns jemand sieht?“ Der Strand um ihn herum drehte sich. Was war nur in diesem Cocktail gewesen? Jim vertrug eine ganze Menge. So fühlte er sich sonst nach fünf oder sechs Gläsern Whiskey. Risaner machten offenbar keine halben Sachen.

„Die sind alle mit sich selbst beschäftigt. Gaila hat vorhin zwei dieser Horga’hns mit sich geführt und gleich zwei Kerle abgeschleppt. Offenbar kann man hier auch Gruppenspiele betreiben.“

„Treiben …“, wiederholte Jim.

„Wehe, du trinkst noch einen von diesen Dingern. Irgendwas da drin verträgst du offenbar nicht. Deine Atmung ist okay, oder?“

Ganz langsam schüttelte Jim den Kopf, während er Bones Richtung Wasser folgte. „Bin mir nicht sicher. Dein Anblick hat mir schon ein bisschen den Atem geraubt.“ Oh Gott, dachte er verzweifelt, hatte er das gedacht oder gesagt? Scheiße! Er biss sich auf die Unterlippe.

„Man, bist du zu. Bei all dem Zucker konnte ich den Alk nicht mal rausschmecken. Und du kippst dir das verdammte Ding in einem Zug rein. Du bist echt nicht mehr zu retten, Jim.“

Jim blieb stehen. Leonard ging noch einige Schritte weiter, ehe er bemerkte, dass Jim ihm nicht mehr folgte. Er drehte sich um, schnappte Jim am Handgelenk und zog in mit sanfter Bestimmtheit gen Wasser.

Das kühle Nass umspielte Jims Fußknöchel bereits, aber Bones wollte weiter ins Wasser. Er führte Jim so weit hinein, bis sie beide schließlich bis zu den Hüften im Meer standen.

„Wird es besser?“, erkundigte sich Leonard und musterte ihn mit den Augen eines Arztes. „Am besten du kühlst auch den Kopf. Leg dich ins Wasser, lass dich etwas treiben.“

Das wollte Jim nun wirklich nicht. Der Wellengang war immerhin stark genug, dass er Mühe hatte am selben Fleck stehen zu bleiben.

„Vertraust du mir?“, fragte Leonard, der nicht nachgab. „Leg dich ins Wasser, ich halte dich.“

„Ich kann nicht, Bones. Wirklich, ich …“ Sein Herz begann zu rasen. Er konnte sich die Angst nicht mal erklären. Es gab kein Ereignis in der Vergangenheit, welches seine irrationale Furcht vor der Tiefe des Ozeans hätte erklären können.

„Vertrau mir, bitte“, wiederholte Bones und klang dabei so einfühlsam, wie Jim es selten von ihm vernommen hatte. „Ich halte dich. Vertrau mir …“ Nach ein paar gedehnten Augenblicken, in denen sie einander fest ansahen, gab Jim schließlich nach und ließ sich sachte nach hinten gleiten. Bones‘ Hände griffen sofort unter seine Schulterblätter und stützten ihn. Er ließ den Kopf entspannt ins Wasser sinken, bis nur noch sein Gesicht auf der Wasseroberfläche war.

„Gut so, schließ die Augen und entspann dich vollkommen. Du bist total verkrampft. Lass dich treiben. Das Meer trägt dich.“

„Lass mich nicht los.“

„Niemals“, versprach Bones. „Ich hab dich.“

§§§

Später am Abend saßen alle um einen großen runden Holztisch im Hotelrestaurant beisammen. Stühle schien es auf Risa kaum zu geben, stattdessen saß man hier auf bequemen Sitzpolstern. Zu essen gab es ein viergängiges Menü aus heimischen Gerichten.

Gaila und Scotty hatten ihre Freude daran, ausgiebig von ihrem jeweiligen Tag zu berichten. Sie waren die einzigen beiden, die in der selben Lagune eingecheckt hatten wie Jim und Leonard. Das reichte auch, fand dieser. Allein Gailas Gesellschaft war anstrengend genug.

„Und, wie war euer Tag bisher?“, fragte die Orionerin und schob sich daraufhin so etwas ähnliches wie eine Garnele in den Mund.

„Erholsam“, erwiderte Jim vage. Er hoffte nur, dass keiner von beiden ihn mit Bones im Meer gesehen hatte.

„Risa ist ab heute ganz offiziell mein Lieblingsplanet“, verkündete sie strahlend. „Endlich mal ein Planet ganz nach meinen Bedürfnissen.“

Darauf ging Leonard lieber nicht näher ein. Scotty stimmte ihr jedoch zu. Auch er schien bereits in den Genuss von Jamaharon gekommen zu sein. Es wunderte den Arzt eigentlich, dass Jim sich nicht längst auf ein sexuelles Abenteuer eingelassen hatte. Andererseits hatte der verdammte Cocktail ihm am Nachmittag dermaßen zugesetzt, dass Leonard kurzzeitig befürchtet hatte, dass er ihn auf die Krankenstation der Enterprise bringen und untersuchen musste.

„Falls ihr für morgen noch keine Pläne habt“, brachte sich Scotty in die Unterhaltung ein, „kann ich euch die heißen Quellen im Landesinneren ans Herz legen. Es gibt mehrere abgelegene Tümpel, wo man ganz ungestört sein kann.“

Bildete sich Leonard das ein, oder hatte Scotty eben gezwinkert? Was zur Hölle? Er konnte es nicht fassen. „Mir reicht das Meer zur Erholung vollkommen aus.“

„Ich werde mir morgen eine nuvianische Massage gönnen“, schwärmte Gaila, „und vielleicht statte ich auch den Dampfgrotten einen Besuch ab.“

„Nuvianische Massage?“, fragte Jim vorsichtig.

Gaila nickte begeistert. „Nuvianer haben zwölf Finger und sollen damit ausgesprochen geschickt umgehen können.“

„Dieser Planet ist dermaßen zügellos …“, raunte Leonard und sah sich in dem Speisesaal um. Hier und da ließen sich Gäste von Risanern füttern oder anderweitig verführen. Es war schon fast obszön.

„Manchmal“, unterbrach ihn Gaila, ehe er seine Ausführung abschließen konnte, „habe ich den Eindruck, dass du unter einer Art sexueller Dysfunktion leidest. Macht es dich denn kein bisschen an, dass du hier jederzeit hemmungslosen Sex ganz nach deiner Fantasie haben könntest?“

Leonard glaubte sich verhört zu haben. Er litt unter gar keiner Dysfunktion. Aber er vögelte nun mal auch nicht alles, was irgendwie halbwegs willig und noch zu haben war. Dass Gaila sich so gut mit Jim verstand, war klar. Sie waren sich ziemlich ähnlich. Aber dass auch Scotty hier auf sämtliche Angebote des Planeten einging, ließ Leonard in der Tat nicht unbedingt gut dastehen.

„Was mich anmacht oder nicht, geht dich nun wirklich nichts an“, erwiderte er daher abwehrend und stemmte sich hoch. „Danke für den Abend. Ich ziehe mich für heute zurück.“

„Bones, warte!“ Jim stand ebenfalls auf, aber Leonard war bereits verschwunden. „Du bist zu weit gegangen, Gaila.“ Jim warf ihr einen strengen Blick zu.

Sie zuckte nur die Schultern. „Jemand musste ihm doch mal den Stock aus dem Hintern ziehen …“

Scotty neben ihr lachte verhalten. Jims Blick dagegen verdunkelte sich weiter. Er konnte es nicht leiden, wenn jemand Bones schlechtmachte. Sie alle waren Freunde, recht enge sogar. Dass Bones sich erniedrigt fühlte, war ganz klar.
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