TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Prinz der ewigen Dämmerung (Band II)

von BlueScullyZ

Kapitel 1: Auf Wiedersehen

Beginn 1. Akt
Computerlogbuch der Enterprise, Sternzeit 3642,57, Captain Kirk
Die Vermessung des Planeten P2Q-211, sowohl kartographischer Natur als auch zur Erfassung biometrischer Daten der lebenden Populationen, verlief erfolgreich. Es wurden keinerlei Abweichungen zum letzten vorliegenden Scan von vor drei Jahren festgestellt, die nicht durch natürliche Schwankungen erklärbar werden. Ein umfassender Bericht wird derzeit durch die vierte wissenschaftliche Abteilung erstellt und dem Kommando zur Verfügung gestellt werden. Das Phänomen des Raumnebels, der vor etwa vier Monaten entstanden ist und bei unserem Eintreffen schon wieder verschwunden war, hatte offensichtlich keinerlei Auswirkungen auf Fauna oder Flora des Klasse M Planeten, soweit dies mithilfe der technischen Messinstrumente nachweisbar ist. Aufgrund der am höchsten entwickelten Spezies des Planeten, wurde auf eine Erkundung vorerst verzichtet, um Einflussnahmen gewollter und ungewollter Natur zu vermeiden. Hierfür bedarf es einer Lagebeurteilung durch das Kommando und ...

~*~



„Captain?“, unterbrach Lieutenant Uhura den Captain, welcher auf seinem Sessel den Logbucheintrag mit dem letzten Satz beenden wollte.

Sein kritischer Blick über die Schulter machte deutlich, wie begeistert er von dieser Unterbrechung war. Was war so wichtig, dass es nicht noch fünf Sekunden Zeit gehabt hätte? „Ja, Lieutenant?“

„Nachricht vom Raumkommando in einer Minute. Ich leg es Ihnen auf den Hauptschirm.“

Nun war Kirk verblüfft. „Wussten die das alles schon vor mir?“, fragte er halblaut und drehte sich um, bevor er doch wieder zu seiner Kommunikationsoffizierin sah. „Wissen Sie, worum es geht?“

„Nein, Sir“, verneinte die junge Dame mit einem entschuldigenden Lächeln. „Sie erbaten nur Kontaktaufnahme, ohne Angabe von Gründen.“

Hätten sie gesagt, es bestünde Invasionsgefahr, wäre Kirk vermutlich entspannter gewesen, als er es nun war. Das Raumkommando direkt und dann ohne jegliche Angabe von Gründen? Das war wohl kaum die Versorgung, die sich wegen der Kantinenpläne abstimmen wollte. „Verstanden“, murmelte er daher und richtete seinen Blick wieder nach vorn, wo noch immer die Ansicht von P2Q-211 über den Hauptschirm flimmerte, während noch keine Verbindung zustande gekommen war. Konnte es etwas mit der Vermessung zu tun haben? Wohl kaum, schloss der Captain aus und fuhr sich mit der Hand nachdenklich über das Kinn. Aber bestünde eine Gefahr, hätten sie ihm das mitgeteilt. So viel stand fest. Also etwas Wichtiges, aber ohne direkte Auswirkungen für sie in ihrer momentanen Lage.

Das Bild auf dem Monitor veränderte sich und die Planetenoberfläche verschwand, wofür ein älterer Militär mit graumelierten zurückgekämmten Haaren auftauchte. Die Kragenabzeichen der Paradeuniform wiesen ihn als Admiral aus. Doch die hätte Kirk nicht gebraucht. Er kannte den Herrn und nickte ihm zu.

„Admiral Travers“, begrüßte der Captain sein Gegenüber förmlich.

Der Militär nickte ebenfalls. „Captain Kirk“, erwiderte er die höchst sachliche Begrüßung in ebenso neutralem Tonfall. „Ich habe neue Befehle für Sie. Sie werden beauftragt, die aktuelle Mission abzubrechen und Kurs auf die Sternenbasis 10 zu nehmen. Sie werden dort Fracht aufnehmen und diese zu ihrem Bestimmungsort verbringen, an dem sie zudem ein stellares Phänomen in Augenschein nehmen sollen.“

Kirk hob verwundert die Augenbrauen. So konkret konnte auch nur das Oberkommando sein. „Gibt es weitere Informationen?“ Bisher war der Informationsgehalt eher dürftig gewesen. Sie flogen zur Sternenbasis 10, holten dort etwas ab, von dem sie nicht wussten, was es genau war, und flogen es zu einem Ort, von dem sie nicht wussten, wo der lag, zu einem Zweck, den sie nicht kannten, um ein Phänomen zu erforschen, dessen Beschaffenheit sie nicht einmal erahnen konnten. Das Einzige, das in dieser Rechnung mit vielen Unbekannten seine Berechtigung hatte, war das Phänomen. Denn Phänomene waren per se unbekannt und schwer einzuschätzen.

„Es handelt sich um Baumaterialien für die Sternenbasis 482. Dort finden derzeit einige Arbeiten am Raumdock statt, für welche die Materialien von Nöten sind. Da Sie sich ohnehin zu Forschungszwecken dorthin begeben sollen, erschien der Einsatz Ihres Schiffes zu Transportzwecken uns als effektiv.“ Offenbar war der Admiral um die Forschheit des Captains verärgert, denn sein Tonfall war schärfer geworden. Andererseits sah er sich offensichtlich in der Pflicht, seine Entscheidung zu rechtfertigen. Beides hinterließ einen faden Beigeschmack.

Wie dem auch war. Kirk nickte. „Verstanden, Sir“, gab er dienstlich zurück, auch wenn es ihm missfiel, dass das Oberkommando die Enterprise anscheinend mal wieder als Luxus-Transporter missbrauchte. Nur acht andere Schiffe waren für interestellare Expeditionen und Forschungsvorhaben so gut gerüstet wie ihre NCC-1701. „Wir nehmen Kurs auf die Sternenbasis 10.“ Was blieb ihm auch anderes übrig?

Nach kurzem Zögern, ergriff auch der Admiral noch einmal das Wort, bevor er die Verbindung kappte. „Bei dem Phänomen handelt es sich nach jetzigem Kenntnisstand um eine Partikelfontäne, die unweit der Sternenbasis zu beobachten war.“

Eine Information, die Kirk so zur Kenntnis nahm, als der Bildschirm auch schon wieder schwarz wurde. „Eine Partikelfontäne also“, wiederholte er gedankenverloren. Neben den möglichen Erklärungen, die er für das Verhalten des Admirals hatte, war ihm die, dass der einfach einen schlechten Tag gehabt hatte, die liebste. Doch bei dem Gedanken an ihre Route, wurde ihm schlagartig bewusst, dass die Launen des Kommandos nicht ihr größtes Problem waren. „Sulu“, sprach er seinen Navigator an. „Nehmen Sie Kurs auf die Sternenbasis 10.“ Und damit Kurs auf die Romulanische Neutrale Zone. Dass das allen Anwesenden bewusst war, davon brauchte er sich nicht zu überzeugen. Die betretene Stille war Bestätigung genug. Es würde einige Tage dauern, bis sie in eine nennenswerte Nähe zu dem Gebiet kamen, aber die Anspannung war jetzt schon auf der Brücke greifbar. Wie gut, dass sie sich nicht lange dort aufhalten würden.

~*~



Ernüchtert wandte Uhura sich wieder der Konsole zu. Sie war erleichtert gewesen, als sie der Neutralen Zone den Rücken gekehrt hatten, nachdem sie den neuen Befehlshaber der Basis zu seinem neuen Arbeitsplatz transportiert hatten. Der resultierende Disput mit den Romulanern, der glücklicherweise glimpflich für sie verlaufen war, war nervenaufreibend genug gewesen. Und nun sollten sie, kaum zwei Wochen später, wieder dorthin fliegen? In ihren Ohren klang das wie ein schlechter Scherz, wäre die Order nicht von Admiral Travers persönlich übermittelt worden.

Im Hintergrund gab Kirk dem Maschinenraum Bescheid und informierte die anderen Abteilungen über ihre Kursänderung, während Wissenschaftsoffizier Spock seine Analysen beendete und sich eingehend mit den Messinstrumenten vor ihm befasste.

„Lieutenant Uhura“, sprach Captain Kirk sie an, sodass ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Vorgesetzten zufiel. „Kündigen Sie uns bei der Sternenbasis 10 an.“

„Mache ich, Captain“, gab die Kommunikationsoffizierin zurück und begann, die Verbindung zur Basis zu erbeten. In kürzester Zeit bekam sie eine Rückmeldung, wählte das Protokoll der Unterredung, das von der Gegenseite bestätigt wurde und kurz darauf hörte sie auch schon den Kommunikationsoffizier der Sternenbasis 10 durch ihren Kopfhörer.

„Enterprise, sprechen Sie. Hier Sternenbasis 10.“

„Hier Lieutenant Uhura von der Enterprise. Wir haben Anweisungen, Sie erneut anzufliegen. Ankunftszeit in vier Tagen. Wie ist die Lage bei Ihnen?“ Irgendwelche Romulaner in Sichtweite? Meteoren oder Magnetstürme? Das hätte ihnen gerade noch gefehlt.

„Wir wurden bereits informiert. Die Lage ist weiterhin ruhig. Wir bereiten Ihre Ankunft vor“, informierte sie der Kommunikationsoffizier.

„Ich gebe das so weiter. Enterprise Ende.“

„Schade“, erklang es vom anderen Ende der Leitung. „Lieutenant Abes von der Sternenbasis 10, Ende.“

Jetzt stahl sich ein verschmitztes Schmunzeln auf Uhuras Lippen, während die LED zur Anzeige der Verbindung erlosch. Abes hatte ihr Gesprächspartner also geheißen. Doch vorerst war anderes wichtiger. Sie drehte sich zum Captain um. „Die Basis bereitet unsere Ankunft vor. Es ist dort immer noch ruhig.“

„Wir werden trotzdem vorbereitet sein, wenn wir in die Nähe kommen“, erklärte Kirk angespannt.

Die Lieutenant war froh, dass er diesen Flug so ernst nahm. „Sulu, wie lange brauchen wir zur Sternenbasis 482?“, fragte er seinen Navigator.

Die Station kam Uhura bekannt vor. Und jetzt, wo der Name noch einmal fiel, kam auch ihr die Erkenntnis. Es war etwa ein Jahr her, dass sie jemanden zu dieser Basis eskortiert hatten. Ein junger, angehender Mechaniker. Es war so viel seit dem passiert. War es wirklich schon so lange her? Jedenfalls erinnerte sie sich noch gut daran, da sie im letzten Jahr nie wieder so kurz hintereinander eine Sternenbasis angeflogen hatten. Ihr Blick fiel auf den vulkanischen Ersten Offizier, der bei der Erwähnung der Basis keine Regung erkennen ließ.

„Etwa drei Wochen, Sir“, antwortete Navigator Sulu von seinem Platz aus, nachdem er mit der Berechnung der Route fertig war. Es war wohl kaum die endgültige Route, sondern nur eine Überschlagsrechnung, aber Orientierung bot es allemal. Sie wären lange unterwegs.

„Für eine Partikelfontäne und ein paar Stahlträger“, unkte Kirk kopfschüttelnd.

Uhura schmunzelte erneut. „Aber Captain, Partikelfontänen sind ein wahrlich seltener Anblick.“ Und ein wunderschöner noch dazu. Sie hatte noch nie ein solches Phänomen mit eigenen Augen gesehen, aber die Bilder, die sie bisher davon sehen durfte, hatten einen groben Eindruck geliefert und dieser war mit wunderschön einfach zu passend beschrieben.

„In der Tat wird die äußere Erscheinungsform zumeist als äußerst ansprechend beschrieben“, mischte Spock sich in die Unterhaltung ein. „Es liegen dazu bisher nur wenige Daten vor, da das Phänomen nicht nur selten, sondern auch besonders flüchtig ist.“

Kirks Unmut brach der Kommentar ganz offensichtlich nicht. „Deshalb zweifel ich ja daran, dass es noch da sein wird, wenn wir dort ankommen.“ Nachdenklich strich er sich noch einmal mit der Hand über das Kinn. „Aber Befehl bleibt Befehl“, murmelte er gedankenverloren, ehe er zu Spock sah. „Können Sie nicht Ihre alten Kontakte zur Basis 482 wecken und mal nachhorchen, ob dort nicht noch etwas anderes im Busch ist? Sie stehen doch noch mit Caden Masron in Kontakt, habe ich Recht?“

Spocks Blick glitt für einen Augenblick zur Decke, ehe er nickte. „Ja, der Kontakt besteht in der Tat noch. Jedoch wird es eine Weile dauern, bis ich eine Antwort erhalte. In der Nachricht, die ich vor drei Tagen erhielt, war keine Rede von irgendwelchen Besonderheiten. Ich nehme an, dass das Phänomen erst danach aufgetaucht ist, sonst hätte Mister Masron es erwähnt.“

Dann bestand in der Tat die Möglichkeit, dass sie noch einen Blick darauf erhaschen konnten, schloss die Kommunikationsoffizierin daraus. Natürlich auch, um wichtige Daten dazu zu sammeln. Das durfte man nicht vergessen.

„Es gibt auch kein anderes Forschungsschiff, das näher wäre“, warf Sulu ein. „Und die Basis selbst ist dafür unzureichend ausgerüstet. In erster Linie ist es ein Raumdock, das über Reparaturanlagen verfügt und nur über wenige, grundlegende Forschungseinrichtungen, die der Versorgung der dort Stationierten dienen.“

Nachdenklich nickte Captain Kirk. „Wir werden es uns in Kürze ja selbst ansehen.“ Er wirkte müde, fand Uhura. Und das nicht erst seit heute. „Ich informiere die Krankenstation persönlich. Spock, Sie übernehmen bis dahin.“

Damit stand er auf und ging zum Turbolift. Nachdenklich sah die Offizierin ihm nach. Der letzte Einsatz war ihm an die Nieren gegangen.

~*~



Schweigend betrat Kirk das Lazarett, genauer das Labor. Aus dem Behandlungsraum drangen Stimmen, doch der Captain hörte nicht zu. Er hatte beschlossen, zu warten, bis das Gespräch beendet worden war. Solange sah er sich hier um. Alles hatte seine Ordnung, nichts stand herum. Nichts erinnerte an die Verzweiflung von vor wenigen Tagen, als sie hilflos versucht hatten, eine Methode zu finden, den beschleunigten Alterungsprozess aufzuhalten, der einige Crewmitglieder betroffen hatte. Unter anderem ihn selbst. Spock hatte errechnet, dass sie im Durchschnitt über zwanzig Jahre am Tag gealtert waren. Das hatte ihre zeitlichen Ressourcen stark limitiert, um es mit den Worten des Vulkaniers zu sagen. Eine Erfahrung, die Spuren bei ihm hinterlassen hatte, was er sich selbst hatte eingestehen müssen. Seit dem sah er Zeit mit anderen Augen. Und eine dreiwöchige Reise, die eine zweitägige Erforschung zur Farce erklärte, konnte er schwer vor diesem Hintergrund nachvollziehen.

Er sah auf seinen rechten Arm und bewegte langsam die Finger. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihn die Arthritis, die durch das Phänomen zutage getreten war, eines Tages wieder treffen würde, war da. Und nachdem er erlebt hatte, welche Schmerzen und Einschränkungen das bedeuten konnte, jagte es ihm Angst ein.

„Jim“, bemerkte der leitende Mediziner McCoy ihn überrascht, als er unerwartet ins Labor kam. „Ist was mit deinem Arm?“

Es war kein Wunder, dass ihm aufgefallen war, wie er auf seinen eigenen Arm gestarrt hatte. Doch in der Hinsicht konnte Kirk seinen Freund beruhigen. „Nein, alles gut, Pille. Das fällt mir nur immer noch ab und zu auf. Mehr nicht.“ Flüchtig lächelte er und ließ von seinem Arm ab.

„Es gibt eben auch Umstände, die sogar dir die Augen für die Genialität des menschlichen Körpers öffnen“, zog McCoy ihn grinsend auf, doch wurde er daraufhin wieder ernster. „Weshalb bist du dann hier? Wegen dem Abbruch der Forschungen?“

„Auch. Wir haben Befehle erhalten, sofort die Sternenbasis 10 aufzusuchen und von dort Fracht nach Basis 482 zu bringen“, informierte Kirk nun auch ihn. Die Skepsis in den Augen seines Gegenübers übersah er aber nicht.

„Das hättest du mir auch über Intercom sagen können.“

„Hätte ich“, gestand der Captain lahm. Nein, jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Er zwang sich zu einem Lächeln. „Hast du heute Abend Zeit? Wir waren lange nicht mehr in der Bar.“

Schweigend schüttelte der Mediziner den Kopf. „Weiß ich noch nicht.“ Eine Antwort, die Kirk schon erwartet hatte. Wenn Missionen sich schon nicht leicht planen ließen, waren sie nichts gegen Unfälle und Krankheiten, die immer ungeplant vor der Tür standen. „Aber ich hätte jetzt Zeit.“

Jetzt? Prüfend musterte der Captain McCoys Miene. Der Blick durchbohrte ihn förmlich. Er wusste, dass etwas nicht stimmte. Und vermutlich würde er ohnehin nicht locker lassen, bis er Klarheit hätte, was es wäre. Diese Erkenntnis ließ Kirk nachgeben. „Auch gut.“

„Komm“, meinte der Schiffsarzt und führte ihn zu seinem Schreibtisch. „Du glaubst doch nicht, dass du die Ruhe findest, darüber zu reden, wenn das Schiff keine vierundzwanzig Stunden von der Neutralen Zone entfernt ist, oder?“

Da hatte der Mediziner wohl Recht. Ergeben seufte Kirk. „Wahrscheinlich nicht.“

McCoy legte das PADD, das er in der Hand gehalten hatte, auf den Tisch und setzte sich. „So, dann mal raus mit der Sprache. Was liegt dir auf dem Herzen?“

„Die Zeit“, antwortete Kirk, ohne lange darüber nachzudenken. Täte er es, würde er es doch wieder verschieben. „Ich habe seit Gamma Hydra IV das Gefühl, sie zerrinnt wie Sand, der aus einer Sanduhr läuft. Und jede Sekunde, die ich nicht auf der Brücke verbringe, während das Schiff einen wichtigen Auftrag erledigt, ist eine verlorene Sekunde.“

McCoy seufzte schwer. „Ich weiß, was du meinst“, gestand er. „Ich weiß, ich sollte das nicht sagen, da ich hier gerade nicht nur als dein Freund sitze. Als dein Arzt sollte ich dir sagen, dass du dir Zeit für dich nehmen solltest, um zu reflektieren. Es ist der richtige Weg, darüber zu sprechen. Das ist wichtig, um das, was du erlebt hast, zu verarbeiten. Aber als dein Freund kann ich dir sagen, dass ich weiß, wie schwer es unter gewissen Umständen sein kann, die Endlichkeit des Lebens auszublenden und es einfach zu genießen.“

Geduldig hörte Kirk zu. Genießen. Das fiel ihm seither schwer. Weil es sich nicht erzwingen ließ und genau das versuchte er, während es ihm doch nicht schnell genug gehen konnte. „Romulaner, Krankheiten, Klingonen … Damit hatte ich nie lange Probleme.“

„Oh, das brauchst du mir nicht zu sagen“, grätschte McCoy wenig begeistert dazwischen. „Krankheiten haben dich wahrlich nie lange beeindruckt.“

Diesmal ging der Captain nicht drauf ein. „Aber das … diese Erfahrung, des Alterns in so kurzer Zeit … Wir sind vermutlich die einzigen Menschen, die diesen Prozess zweimal erleben werden. Und das nächste Mal wird es für immer sein. Dann gibt es kein Zurück. Und dass dieser Prozess wieder abläuft, in jeder Sekunde … es macht mir immer noch Angst, Pille. Ich steuere unaufhaltsam auf den Moment zu, in dem irgendeine Kommission beschließt, mich abzumustern. Für immer. Für den Rest meines Lebens. Ich ...“ Nun holte Kirk tief Luft. „Ich weiß nicht, was ich mit dieser Zeit anfangen soll, wenn … wenn ich einmal kein Captain mehr bin.“

„Was frühestens in dreißig Jahren der Fall sein wird“, erinnerte McCoy ihn streng. „Oder eine deiner Hau-Ruck-Aktionen kostet dich eines Tages wirklich Kopf und Kragen.“

Kirk schwieg. Es wäre nicht schlau, jetzt zu sagen, dass er sich vor diesem Hintergrund fast wünschte, dass es so käme. Nicht heute, nicht morgen, aber bevor man ihn in Rente schickte, da wollte er doch lieber …

„Jim, du brauchst Urlaub“, durchbrach Pille sein Schweigen mahnend. „Abstand. Du brauchst Zeit, wieder ein Leben außerhalb dieses Schiffs zu führen. Und zwar nicht nur ein paar Tage. Hier wirst du immer Captain sein. Aber James Kirk braucht auch ein Leben.“

„Ein Leben, das ich dann doch wieder hinter mir lassen muss, wenn ich wieder das Schiff betrete?“, entgegnete Kirk bitter. „Ich hab mich einmal entscheiden müssen und habe meine Wahl getroffen.“

„Für das Schiff“, schlussfolgerte McCoy daraus. „Und jetzt zweifelst du diese Entscheidung an.“

Nein! Doch, irgendwie ja. Er hatte einen Schlussstrich gezogen! „Ich hatte mich entschieden, dass es nur eins geben kann“, grummelte der Captain und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. „Der Rest würde warten müssen, bis ich …“

„Du hast dir keine Gedanken über das Danach gemacht“, widersprach der Arzt ihm. „Damals brauchtest du eine Entscheidung für den Moment und deinen nächsten Schritt, deine Karriere.“

„Exakt“, gab sein Freund ihm widerstrebend Recht. „Und jetzt lässt mich der Gedanke nicht mehr los, was danach kommt.“

McCoy hatte wieder nach dem PADD gegriffen, auf dem er etwas zu betrachten schien. „Ich denke, dass ich heute Abend doch Zeit haben werde“, befand er nach einer kurzen Bedenkzeit. „Aber nicht in der Bar.“

„Du zitierst mich aber doch wohl nicht nach Feierabend hierher, oder?“, fragte Kirk erschrocken. Ja, er machte sich zur Zeit mehr Gedanken, aber das war noch einem solchen Vorfall doch nur verständlich, oder?

„Ich dachte da eher an die Sporthalle“, entgegnete der Mediziner, aus dessen Augen Kirk einen Hauch von Sadismus las. „Ein guter Ort, um die Relativität der Zeit noch einmal zu überdenken. Eine Stunde kann dort lang sein.“ Das latent diabolische Lächeln ebbte ab. „Und um auf andere Gedanken zu kommen.“

„Meinetwegen“, lenkte Kirk ein. „Aber ich bin noch aus einem anderen Grund hier.“

Skeptisch schoss McCoys Augenbraue in die Höhe. „So?“

„Könntest du Doktor Hogan kontaktieren und ihn fragen, was der Grund für die Baustofflieferung nach Basis 482 ist? Und ob er mehr über das Phänomen weiß?“ Es ließ ihn einfach nicht los.

„Hast du Zweifel an den Informationen vom Raumkommando?“, fragte McCoy zurück. „Aber ich kann ihn kontaktieren, wenn du das willst.“

„Ich hätte einfach nur gern den Bericht einer zweiten Person. Von jemandem, der vor Ort ist und nicht in einer entfernten Verwaltung“, rechtfertigte Kirk sein Vorgehen. „Und von jemandem, der nicht in der Führung sitzt.“

Nun schien McCoy zu verstehen. „Deshalb fragst du auch nicht einfach deinen alten Kumpel Sterson.“

Kirk nickte. „Eben deshalb.“

~*~



Ratlos starrte Scotty noch eine Weile das Intercom an der Wand an, ehe er sich umdrehte und wieder dem Maschinenraum zuwandte. Was er davon nun halten sollte, wusste er immer noch nicht. Neuer Kurs. Zurück in die Neutrale Zone. Verloren stand er da und schaute unschlüssig auf das PADD, auf dem er gerade noch die Wartungspläne gesichtet hatte. Mit ihrem alten Kurs passte das perfekt. Mit dem neuen weniger. In der Nähe der Neutralen Zone die Warp-Triebwerke zu durchzuchecken, wäre keine gute Idee. Schon beim letzten Versuch war er dabei unterbrochen worden und nur die Impuls-Antriebe hatte er warten können. Und jetzt das. Wollten die ihn eigentlich veralbern? „Wenn das so weiter geht, brauchen die sich nicht wundern, dass ich die Prüftermine nicht einhalte“, schimpfte er halblaut in sich hinein und stapfte in die Mitte des Raumes. Jetzt wusste er doch, was er davon zu halten hatte.

Durch die Tür trat einer seiner Techniker ein. „Chef, die Wartung an ...“

„Ist verschoben“, blaffte Scotty ihn an, was ihm sofort leid tat, aber passiert war passiert.

Der Techniker stand wie vom Donner gerührt für eine Sekunde dort und sah Scotty mit großen Augen an, ehe er den Schreck überwand. „In Ordnung, Chef“, gab er kleinlaut zurück.

„Ich will einmal erleben, dass wir die Routen halten, wenn wir unsere Arbeiten daran ausrichten“, brummte Scotty weiter und der Techniker entspannte sich sichtlich. Diese Tirade hörten die hier öfter und wussten, dass sie es einfach nur aussitzen mussten. „So ein Schiff, das kann nicht immer nur fliegen! Da muss man sich drum kümmern“, erläuterte der Chefingenieur weiter, auch, wenn ihm voll und ganz bewusst war, dass sein Gegenüber wusste, wovon er redete. Aber er hatte sich bereits in Rage geredet und fügte mit erhobenem Zeigefinger und gewichtiger Miene an: „So ein Schiff braucht Liebe! Aber bis das jemand von der Verwaltung versteht, bin ich in Pension!“ Er atmete tief durch. Liebend gern hätte er weiter vor sich hin geflucht und seinem Ärger Luft gemacht, aber davon wurde es ja nicht besser. „Grasner!“, rief er und sah sich nach dem genannten Lieutenant um. „Organisieren Sie die Wartung der Warp-Antriebe in vier Tagen. Dann machen wir den Halt an der Sternenbasis 10. Das ist zwar immer noch in der Nähe der Neutralen Zone, aber da wir dort Fracht aufnehmen und die Systeme auf Minimum laufen, sollten wir damit schneller durch sein, als wenn wir das im laufenden Betrieb erledigen. Ich will zwei Trupps, die jeweils pro Gondel bereitstehen.“

„Verstanden“, gab Grasner zurück.

Verdrießlich sah der Chefingenieu auf sein PADD. Was stand noch an? Prüfung der gesamten Elektronik. Zum Teil konnte auch das im laufenden Betrieb geschehen. Den Teil würde er nicht verlegen müssen. Aber gerade die Wartung der Sensoren wollte er so weit nach hinten schieben wie möglich. Blind durchs Auge des Sturms zu fliegen, hinterließ bei ihm ein schlechtes Gefühl. Blieben noch die Plasmaleitungen, bei denen er sich noch unschlüssig war. Jede Variante bereitete ihm Bauchschmerzen. Sowohl, es jetzt zu machen und womöglich mit der Enterprise für einige Stunden hier im Niemandsland zu stranden, als auch, es zu verschieben, und dann aufgrund eines Defekts denselben Effekt zu erleiden. „So ein Dreck“, murmelte er noch einmal.

~*~



Jim hatte nachgelassen. Zu einem anderen Ergebnis konnte McCoy gar nicht kommen. Aber nicht in einem besorgniserregendem Umfang. Dass er mehr kommandierte, als durch die Gegend zu rennen, forderte eben seinen Tribut. Entsprechend aus der Puste war der Captain nach der kurzen Sporteinheit. Der Arzt selbst gab sich aber auch die größte Mühe, die Erschöpfung, die sich bei ihm selbst breit gemacht hatte, zu überspielen. Auch er musste mal öfter aus seinem Labor raus. Auch wenn Sport garantiert nie eines seiner Hobbys werden würde. Was man nicht alles für Freunde tat ...

„Du hattest Recht“, murrte Kirk neben ihm, als sie in Richtung des Aufenthaltsraums gingen. „Eine Stunde kann wirklich verdammt lang sein.“

Der Mediziner lachte trocken auf. Dann war es die Mühe ja wert gewesen. „Noch einen Drink?“ Dann hätte er nach der Arbeit auch noch etwas, was nichts mit der Arbeit zu tun hätte.

„Gern“, willigte der Captin ein. „Nach der Folter brauch ich den.“

„Was heißt hier Folter?“, fragte der Schiffsarzt kopfschüttelnd. Was meinte er wohl, was das für ihn gewesen war?

Der Aufenthaltsraum war gut genutzt. Sofort fiel McCoys Blick auf den Ersten Offizier, der sich einen der Lieutenants als Opfer ausgesucht hatte und ihn im 3D-Schach auseinander nahm. Das war zumindest das Bild, das er erwartete. Miss Uhura war ebenfalls anwesend und unterhielt sich mit einem weiblichen Lieutenant. Den Ingenieur vom Dienst und den asiatischen Navigator suchte er vergebens.

„Lass uns zu Spock gehen“, entschied Jim mit dem üblichen verschmitzten Grinsen, das McCoy zeigte, dass er es tatsächlich für den Moment geschafft hatte, den Kopf frei zu bekommen. „Guten Abend“, grüßte der Captain seinen Ersten Offizier, der auf das Schachbrett starrte und offenbar überlegte.

Erst jetzt fiel dem Schiffsarzt auf, dass genau das es war, was ihn irritiert hatte. Der Vulkanier beobachtete nicht den Zug des anderen, sondern dachte über seinen Zug nach. Denn sein Gegner, der offensichtlich doch kein so wehrloses Opfer in dieser Disziplin war, lehnte sich gelassen in seinem Stuhl zurück. Ein wahrlich seltener Anblick.

„Guten Abend, Captain“, grüßte der Erste Offizier zurück, ohne den Blick vom Spielfeld zu nehmen.

Während der Begrüßung betrachtete McCoy die Situation auf dem dreidimensionalen Schlachtfeld genauer. Er übte sich nicht oft in diesem Spiel, daher war die Situation in seinen Augen so schwer zu überblicken, wie es immer war, aber da offenbar selbst das Spitzohr keinen Ausweg wusste, war das offensichtlich in diesem Fall vollkommen normal. Wie Kirk ließ auch er sich an dem Tisch nieder und trauerte der Gelegenheit hinterher, Spock seine Verwunderung verbal kund zu tun.

„Wie ich sehe, haben Sie einen würdigen Gegner gefunden“, nahm Jim ihm diese Aufgabe ab, der dabei um einiges feinfühliger zu Werke ging, als er es getan hätte.

Der Vulkanier nickte langsam, hob seine Hand und zog einen der Springer eine Ebene höher. Der Sinn dieses Zuges erschloss sich dem Schiffsarzt nicht, aber vermutlich hatte der grünblütige Wissenschaftsoffizier sich etwas dabei gedacht. „In der Tat“, gab Spock zu. „Lieutenant Coban hat eine durchaus interessante Strategie, die sich die Vorhersagbarkeit der menschlichen Verhaltensweisen zunutze macht.“

„Vorhersagbarkeit?“, echote McCoy verärgert.

Spock hob den Kopf und sah zu ihm. „Keine Sorge, Doktor McCoy. Ich bezog mich dabei auf den Umstand, dass Ihre Spezies wegen des Verhaltens, welches selten auf Logik basiert, eben diese Fähigkeit nur begrenzt an den Tag legt.“

„Wollen Sie etwa behaupten, dass, im Spiel der Könige, Emotionen gute Berater sind?“, entgegnete Kirk amüsiert.

Es war schwer zu erkennen, da das Spitzohr nur für einen Sekundenbruchteil zur Decke sah und dann seinen Blick wieder auf das Spielfeld richtete, während Coban am Zug war. Doch, dass der Erste Offizier genervt war, für diese Erkenntnis reichte es bei McCoy.

Auch der Captain schlug einen anderen Tonfall an. Versöhnlicher. Man wollte es sich ja nicht verscherzen. Und noch einen anderen Grund hatte es: Einen Themenwechsel. „Haben Sie schon etwas von Mister Masron gehört?“

McCoy rollte mit den Augen. „Jim, wir hatten gesagt, wir genießen den Feierabend. Das heißt, keine Arbeit.“ Dabei war es bisher so gut gelaufen.

„Nein, Sir. Aber schließlich habe ich erst vor etwa drei Stunden die Nachricht abgeschickt“, antwortete der Erste Offizier in gewohnt kühler Manier, die Einwände des Schiffsarzt stumpf ignorierend.

Das konnte er vergessen. Mit diesem Anliegen stand er bei dem Vulkanier wahrlich auf verlorenem Posten. „Konzentrieren Sie sich lieber auf Ihr Spiel, Mister Spock“, schnitt er den Vulkanier dennoch.

„Und du? Hast du noch was von Hogan gehört?“, fragte der Captain nun ihn. Offenbar hatte auch Jim seine Ermahnung geflissentlich überhört.

„Nein“, knurrte McCoy daher verdrießlich und gab schließlich doch nach. „Schon möglich, ich habe noch nicht nachgesehen. Aber das hat ja wohl noch Zeit. Immerhin erreichen wir die Basis erst in über drei Wochen. Kommt es da auf eine Stunde an?“ Aber im Grunde, musste er zugeben, waren seine Bemühungen ohnehin vorerst gescheitert, so dass er unter genervtem Seufzten zum PADD griff und die neu eingegangenen Nachrichten überprüfte. „Hogan hat sich tatsächlich bereits gemeldet“, ließ er überrascht verlauten. Mit einer so schnellen Rückmeldung hatte er nicht gerechnet. Aber entsprechend knapp fiel sie aus. „Zu dem Phänomen kann er wenig sagen, da die dort vorhandenen Forschungsmaterialien nicht für die Erforschung des Alls ausgelegt sind. Bauerarbeiten am Dock kann er zudem bestätigen. Und er wünscht uns eine gute Reise.“

Trotz der wenigen Informationen, lehnte Kirk sich zurück und wirkte eine Spur entspannter. „Also doch nur ein Schreckgespenst“, murmelte er schmunzelnd vor sich hin.

„Bleibt noch die Neutrale Zone“, erinnerte der Arzt ihn. Für einen Spaziergang hielt er das nicht.

Doch da winkte der Captain nur ab. „Wir werden alle Sicherheitsvorkehrungen treffen. Vorhersehen, wie es schlussendlich läuft, können wir ohnehin nicht.“

Eine Bemerkung, die McCoy zwiegespalten aufnahm. Die Selbstzweifel des Captains waren offenbar passé, aber war der Leichtsinn, den er ihm sonst vorwarf, so viel besser?
Rezensionen