TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Inmitten des fallenden Schnees

von Emony

Kapitel 8

Jim schlug die Augen auf. Es dauerte einen Moment, bis er sich orientiert hatte und sich daran erinnerte, wo er war. Etwas hatte ihn geweckt. Ein Geräusch, aber er vermochte nicht zu sehen, woher es kam und als er nun in die Stille lauschte, vermochte er es auch nicht erneut zu hören. Es war noch mitten in der Nacht. Eisiger Nordwind pfiff draußen um das Haus herum. Vom Wohnzimmer her hörte er lediglich das Knistern und Knacken des Feuers im Kamin, dünne Schatten tanzten durch die verlassene Hütte. Wäre das Feuer nicht gewesen, wäre es stockfinster und absolut unheimlich in der Hütte gewesen.

Neben ihm bewegte sich Leonard. Er hatte sich im Schlaf von Jim abgewandt, so dass er mit dem Rücken zu ihm lag.

„Bones, bist du wach?“, fragte Jim flüsternd. Er bekam keine Antwort.

Jim lauschte angestrengt in die Dunkelheit, dann erklang ein Krachen, dessen Ursprung er nicht ausmachen konnte, doch es ließ ihn erschrocken zusammenfahren. Wieder hörte er die Windböen draußen vorbeipfeifen. Schon allein der Gedanke an die bittere Kälte außerhalb der Hütte ließ ihn frösteln. Er rückte automatisch ein bisschen näher an Bones heran.

„Kannst du nicht schlafen?“, hörte er nur kurze Zeit später Bones‘ fragende Stimme.

„Irgendwas hat mich geweckt“, seufzte Jim.

Leonard drehte sich im Dunkel zu ihm herum. Sie konnten einander kaum sehen. Als wieder das seltsame Krachen erklang, zuckte Jim abermals zusammen. „Da - hast du das auch gehört?“

„Das ist wahrscheinlich ein Fensterladen, der im Wind hin und her schlägt.“ Er konnte Jims Unruhe deutlich spüren. Der Jungspund war ziemlich angespannt. „Hattest du schon immer Angst im Dunkeln?“, fragte er daher.

„Ich hab keine Angst.“ Das Zittern in seiner Stimme strafte ihn Lügen. Sie beide wussten das. „In fremder Umgebung manchmal, ja“, gestand Jim dann. „Ich weiß nicht warum, ich kann es nicht kontrollieren. Das ist total peinlich.“

„Komm her“, erwiderte Leonard nur und öffnete die Armbeuge, damit Jim sich an ihn schmiegen konnte.

Ein unterdrückter Schmerzenslaut kam ihm leise über die Lippen. Jim wusste nicht, was ihm mehr wehtat; die Rippen oder der Fuß. Sobald er wieder still lag und Bones ihm sanft den Rücken streichelte, fühlte er sich augenblicklich besser. Bones strahlte so viel Geborgenheit aus, dass Jim sich in seiner Nähe absolut sicher fühlte. Ein so wohliges Gefühl hatte ihm schon lange kein anderer Mensch mehr gegeben.

In weiter Ferne heulte ein Wolf.

Jim schreckte erneut auf.

„Versuch wieder einzuschlafen, Jim. Ich halte dich“, erklang Leonards tiefe, ruhige Stimme in der Dunkelheit. Er hörte nicht damit auf, Jim den Rücken zu streicheln.

Langsam entspannte sich Jim unter der Berührung und Leonards beruhigenden Worten. Es dauerte eine Weile, aber irgendwann gelang es Jim tatsächlich wieder einzuschlafen und auch dem Arzt fielen die Augen allmählich zu. Draußen heulten der frostige Wind und ein paar Wölfe um die Wette, während es in der Hütte angenehm warm war und das Feuer leise knisternd vor sich hin brannte.

***

Am nächsten Morgen war es Jim ziemlich peinlich, dass er sich nachts wie ein verängstigter Junge aufgeführt hatte. Er wollte am liebsten schnell aufstehen und Frühstück machen, aber Leonard hielt ihn am Arm fest. „Bleib noch ein bisschen bei mir“, bat er daher und schenkte Jim einen zärtlichen Blick. Es war so lange her, dass er morgens länger im Bett geblieben war, um noch zu schmusen.

„Hast du keinen Hunger?“, fragte Jim unsicher und fuhr sich durch das verwuschelte Haar. Er vermied es, Bones dabei für länger in die Augen zu sehen. Stattdessen huschte sein Blick wie aufgescheucht durchs Schlafzimmer.

Leonard zuckte die Schultern. „Ein bisschen schon. Ich würde aber viel lieber noch ein bisschen die Ruhe dieses Weihnachtsmorgens genießen.“

Jim zögerte, bevor er sich wieder hinlegte und an Leonard schmiegte. „Ich hätte dich nicht für einen Kuscheltyp gehalten.“ Vor allem nicht, da er sich nachts immer wieder von Jim abgewandt hatte.

„Im Schlaf nicht, da brauche ich tatsächlich meinen Freiraum. Aber ansonsten kuschle ich sogar sehr gerne. Ich bin es nur nicht mehr gewohnt. Was ist mit dir? Ist es dir unangenehm?“ Der Gedanke kam Leonard erst jetzt. Was, wenn Jim sich unwohl dabei fühlte und nur kuschelte, weil er ihn darum gebeten hatte?

Jim wusste nicht, was er Leonard sagen sollte. Er schwieg für einen langen Moment.

„Hey … ich bin dir nicht böse, wenn du es nicht magst“, meinte Leonard dann nach einer Zeit, die ihm einfach zu lang und unangenehm geworden war. Er stützte sich auf seinen Ellbogen und sah auf Jim hinab, der halb in seinem Unterarm und halb auf dem Kissen lag.

Jim seufzte leise. „Ich mag es sogar viel zu gern. Und auch ich bin es nicht gewohnt, aber wahrscheinlich aus anderen Gründen als du.“

„Mein Grund ist die Ex“, meinte Leonard dann ziemlich direkt. „Abgesehen von Sex hatte sie körperliche Zuwendung meist abgelehnt. Das wäre vielen Männern sicher recht gewesen, mir hat aber immer etwas gefehlt. Sie war regelrecht kalt in dieser Hinsicht.“

An Jims Mund zupfte ein trauriges Lächeln. „Das tut mir leid für dich.“

Leonard zuckte die Schultern. „Schnee von gestern. Aber wenn es dir zu schnell geht, ich dir zu nahe bin oder es dir sonst wie unangenehm ist, lass es mich wissen.“

Trotz des Protests seiner Rippen stützte Jim sich auf, um Leonard küssen zu können, dann ließ er sich ächzend zurück auf dessen Unterarm und das Kissen sinken. „Es ist sehr schön.“ Es verging ein weiterer gedehnter Moment, in dem sie einander einfach nur in die Augen sahen. „Aber ich muss dir gestehen, dass das sonst nicht meine Art ist, Bones.“

„Wie kommt das?“

„Ich habe für gewöhnlich One-Night-Stands. Ich bin auch nicht besonders beziehungstauglich. Das war ich irgendwie noch nie.“ Er zuckte kaum merklich die Schultern und sah erwartungsvoll zu Bones auf.

Leonard nickte langsam. „Verstehe.“

„Nein, ich glaube das tust du nicht. Und wie könntest du auch? Wir sind uns doch praktisch erst begegnet. Aber du hast etwas an dir, Bones, das mir das Gefühl gibt, als würde ich dich schon immer kennen. Als wärst du ein alter Freund, den ich vergessen und dann wieder gefunden hätte. Ich kann es schlecht beschreiben. Ich weiß nur, dass ich mich bei dir ausgesprochen wohl und geborgen fühle“, meinte Jim mit einer Verletzlichkeit in der Stimme, die verdeutlichte wie ehrlich seine Worte gemeint waren. Er legte erstmals sein Herz offen dar und konnte nur hoffen, dass es nicht verletzt wurde.

Leonard schluckte den Kloß in seinem Hals herunter. Es war unheimlich, wie nahe sie sich in der kurzen Zeit gekommen waren, die sie einander gerade mal kannten. Beinahe so, als wäre es ihr Schicksal gewesen, einander zu begegnen. Er verflocht die Finger seiner freien Hand mit Jims, die bis dahin unruhig die Bettdecke geknetet hatten und küsste Jims Stirn. „Ich glaube, dass niemals jemand etwas so Schönes zu mir gesagt hat.“

Das wollte Jim nicht so recht glauben, trotzdem lächelte er Bones an. Das laute Knurren seines Magens unterbrach jäh den Augenblick trauter Zweisamkeit. Beide Männer begannen daraufhin zu lachen, wobei Jims Lachen schnell in einem schmerzerfüllten Jammern unterging.

„Na komm, lass uns frühstücken“, meinte Leonard immer noch kichernd, schwang die Beine aus dem Bett und half Jim dabei aufzustehen.

***

Nach einem ausgedehnten Frühstück zog sich Leonard warme Winterkleidung an, um draußen nach dem Rechten zu sehen. Der starke Wind, der Jim nachts geweckt hatte, war inzwischen abgeflaut. Als er die Tür nach draußen öffnete, stellte er erfreut fest, dass der Schnee nicht mehr ganz so hoch lag. Das Auto war allerdings immer noch unter einer Schneedecke begraben. Immerhin war es nicht mehr Schnee geworden und der Sturm hatte ein paar Zentimeter davon geweht.

„Ich gehe uns zur Sicherheit noch etwas Holz holen. Man kann nie wissen, wann sich das Wetter wieder verschlechtert“, meinte Leonard und sah sich zu Jim um, der mit einer warmen Decke über den Schultern vom Sofa aus zu ihm herübersah.

„Sei vorsichtig.“

Was sollte ihm schon draußen passieren? Dennoch nickte Leonard. „Na klar, keine Sorge.“ Er zog die Tür hinter sich zu, damit die Hütte nicht auskühlte und machte sich an die Arbeit. Er schleppte Bündel um Bündel verschiedener Holzscheite zum Eingang der Hütte, wo er sie neben der Tür an der Hauswand stapelte. Wenn er noch eine Folie oder etwas Vergleichbares fände, könnte er sie abdecken, damit sie nicht feucht wurden. Und er müsste nicht jedes Mal um die ganze Hütte herum, sollte es doch wieder mehr Schnee geben.

Leonard verlor in seinem Arbeitseifer jegliches Zeitgefühl. Daher erschrak er ziemlich, als er gerade einige weitere Holzscheite neben der Haustür stapelte, als diese aufging und Jim durch den offenen Türspalt spähte. „Was treibst du? Du bist seit über eine Stunde draußen.“

Er klopfte sich die Handschuhe an der Hose ab. „Entschuldige, ich habe nicht gemerkt wie die Zeit vergeht. Aber jetzt ist der gesamte Vorrat an Holz direkt in Reichweite.“

Jim nickte und pfiff seine Anerkennung, als sein Blick auf den großen Holzstapel fiel, der fein säuberlich neben der Hütte aufgereiht war. „Sehr gut. Dann bring was mit rein und lass uns einen Tee trinken, damit dir wieder warm wird.“

Das musste sich Leonard nicht zweimal sagen lassen. Nach der körperlichen Arbeit tat ihm der Rücken auch ziemlich weh. Er hatte zwischendurch sogar überlegt, ob es ihm irgendwie gelänge zumindest eine kleine Tanne zu besorgen, damit sie Heiligabend einen Baum hatten, aber dazu hätte er irgendwie an den Geräteschuppen herankommen müssen, in dem sein Vater Sägen und Äxte aufbewahrte und dieser kleine Schuppen war aktuell fast bis zum Dach eingeschneit. Sie würden wohl ohne Weihnachtsbaum auskommen müssen.

„Hast du mal wieder versucht, ob du jetzt Netz hast?“, fragte Jim, sobald Leonard in der Hütte war und sich aus seiner Winterkleidung schälte. „Könnte ja sein, dass wir jetzt raustelefonieren können, wo der Schneesturm nachgelassen hat.“

„Gute Idee. Ich teste das gleich.“ Gesagt, getan. In der Hütte wurde immer noch kein Netz angezeigt. Daher zog sich Leonard fix nochmal Stiefel, Mütze und Schaal an und trat vor die Hütte. Er hob das Handy gen Himmel und da … kam ein Signalbalken! „Ich hab Netz!“

Jim hüpfte geschwind zu ihm hinaus, immer noch eine Decke über den Schultern. „Darf ich versuchen Sam anzurufen?“

„Selbstverständlich.“ Leonard reichte ihm das mobile Telefon. „Lass dir Zeit.“

Jim hatte nicht vor sich in der Kälte Zeit zu lassen, zumal er nicht mal Schuhe trug, sondern nur seltsame Hüttenstrümpfe, die Bones ihm mit der Begründung gegeben hatte, dass sie seine Füße warmhielten und damit nicht ausrutschen konnte. Das Signal war immer noch schwach, aber es musste reichen. Geschwind gab er Sams Handynummer ein, die er glücklicherweise im Kopf hatte und wartete angespannt, dass sein Bruder das Gespräch annahm.

„Samuel Kirk“, meldete sich die vertraute Stimme nach einem Moment, der Jim wie eine Ewigkeit vorkam.

„Sam, ich bin es, Jim.“

„Jim, Gott sei Dank! Wo bist du? Wir haben versucht dich zu erreichen, aber …“

„Es geht mir gut.“ Es knackte bedrohlich in der Leitung. „Hör mal, das Netz hier ist instabil. Ich hatte einen kleinen Unfall, aber es geht mir gut. Ich sitze allerdings in einer Hütte außerhalb der Stadt fest. Ich bin nicht allein. Ein Arzt hat mich gefunden und versorgt mich. Macht euch keine Sorgen.“

„Jim, ich komme dich holen!“

„Wie willst du das machen, Sammy? Die Straßen sind zu“, hörte Jim durch statisches Rauschen hindurch seine Schwägerin fragen.

„Geht es dir wirklich gut, Jimmy?“, fragte sein Bruder.

„Ja, macht euch bitte keine Sorgen. Ich komme, sobald die Straßen frei sind. Versprochen! Frohe Weihnachten!“

„Okay“, drang Sams Stimme durch das schwächer werdende Signal, „dir auch frohe Weihn- …“

Und dann war die Leitung tot. Jim seufzte und überlegte, ob er erneut versuchen sollte durchzukommen. Andererseits war alles Wichtige gesagt. Sam und Aurelan wussten nun zumindest, dass es ihm gut ging. Das musste vorerst reichen, auch wenn es nicht viel war. Schlotternd öffnete Jim die Hüttentür und betrat den angenehm warmen Wohnraum.

„Und, konntest du ihn erreichen?“, erkundigte sich Leonard von der Küche aus, wo er scheinbar begann das Abendessen vorzubereiten.

Jim hüpfte hinüber zum Esstisch, legte das Handy darauf ab und ließ sich auf einen der Stühle sinken. „Ja. Jetzt wissen sie zumindest, dass es mir gut geht. Das war mir wichtig. Ich wollte ihnen nicht das Fest ruinieren.“

„Ich bin sicher, dass deine Familie jetzt erleichtert ist.“

Jim nickte und schob nachdenklich das Handy auf dem Tisch herum. „Zu schade, dass wir das Weihnachtsessen bei den Beiden verpassen.“

Leonard unterdrückte ein Seufzen. „Wir machen es uns einfach hier gemütlich. Ein Festessen kann ich zwar nicht anbieten, aber dafür die beste Tiefkühlpizza, dazu einen schönen Rotwein und als Nachtisch Tiramisu.“

Jims Augen wurden groß. „Du hast Tiramisu?“ Auf Leonards Nicken hin strahlte Jim übers ganze Gesicht. „Der Nachtisch ist sowieso das Wichtigste.“

„Ich sehe, wir sind uns einig“, lächelte Leonard. Er hielt in seiner Vorbereitung inne, trat zu Jim hinüber und hauchte ihm einen Kuss auf den Kopf.

Gerade als er zurück zur Küchenzeile gehen wollte, hielt Jim ihn auf, nahm seine Hand und sah mit glänzenden blauen Augen zu ihm auf. „Danke.“

Jim hatte keinen Grund dankbar zu sein, fand Leonard. Wäre er vorsichtiger gefahren oder hätte nicht am Radio herumgespielt, wäre der Unfall nie passiert und Jim könnte Weihnachten bei seiner Familie verbringen. Jetzt war es an Leonard, ihm trotz allem einen möglichst schönen Heiligabend zu bieten.

***

Nach dem gemeinsamen Essen bat Jim darum, Leonard möge Weihnachtslieder auf dem Klavier spielen. Es dauerte ein paar Versuche, bis Leonard wieder drin war. Er fing zunächst mit simplen Melodien an, die er teils noch auswendig spielen konnte, doch nach und nach wagte er sich an die besseren Stücke heran.

Als Leonard nach einem Schluck Wein ein weiteres Lied anspielte, erkannte Jim es sofort als ‚Winter Wonderland‘. Es schien ewig lange her, dass er Weihnachtslieder gesungen hatte, aber Jim setzte sich schließlich neben Bones auf das Bänkchen vor das Klavier und sang die Strophen, die ihm auch nach vielen Jahren noch einwandfrei im Gedächtnis waren.

„Du hörst dich wie Sinatra an“, kam es am Ende des Liedes fast schon ehrfürchtig über Leonards Lippen. „Hat dir das schon mal jemand gesagt?“

„O nein, so gut bin ich nicht“, winkte Jim verlegen ab. Dann lehnte er sich beschämt zu dem Notenbuch vor und blätterte ablenkend darin herum, bis er noch ein Lied fand, das ihm gefiel. „Wie wäre es jetzt mit diesem?“

„'Have yourself a merry little Christmas' … Ja, das passt“, nickte Leonard, küsste Jim wie beiläufig und konzentrierte sich dann auf das Stück.

Während sie ein Weihnachtslied nach dem anderen spielten und dazu sangen, vergaßen sie vollkommen, dass sie in der kleinen Hütte eingeschneit waren. Dieses minimalistische Weihnachten erinnerte sie beide daran, worauf es eigentlich ankommen sollte. Der Kommerz und aller Weihnachtstrubel waren in weite Ferne gerückt, jedoch blieb ihnen die oft verdrängte die Besinnlichkeit des Heiligabends.

Ich wünsche euch allen ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest!
Rezensionen