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Verhandlungen

von Ena

Kapitel 1

Warum nur musste dies hier sein? Es kam ihr falsch und unwirklich vor. Die Nervosität wurde immer größer. Die Wände des Bereitschaftsraums schienen sich zu bewegen, sie einzuschließen, sie zu erdrücken. Um das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken, stemmte sie sie in die Hüften. In der Hoffnung Freiheit zu finden, trat sie ans Fenster ihres Bereitschaftsraums und blickte in die Weiten des Alls. Der sonst so beruhigende Anblick half ihr nicht. Im Gegenteil, sie sah nur die Kälte des einsamen Weltraums und ihr wurde bewusst, dass sie sich genauso leer fühlte. Es konnte einfach nicht wahr sein, es durfte nicht wahr sein. Sie musste die Sache klären, jetzt. In dieser Ungewissheit konnte sie nicht weiterleben.

"Computer, wieviel Uhr ist es?" Ihre eigene Stimme kam ihr fremd vor.

"18.34Uhr und 19 Sekunden", antwortete die unpersönliche Computerstimme.

Es war Zeit.

Alle Crewmitglieder, die ihr auf dem Weg in die Offiziersmesse begegneten, es waren ungewöhnlich wenige für diese Uhrzeit, wichen ihrem Blick aus, grüßten nur mit einem verhaltenen "Captain!". Keine Unterhaltungen, kein Lachen war zu hören.

Zögernd hielt sie vor der Tür der Offiziersmesse an. Wenn sie jetzt durch diese Tür ginge, würde Kathryn für immer verschwinden und nur Captain Janeway würde zurückbleiben und letztere musste ihre Pflicht erfüllen, wie sie es in den letzten vier Jahren jeden Tag und jede Stunde tat ... Nur in den wenigen Augenblicken, die sie mit Chakotay allein verbrachte, konnte sie manchmal ihre Maske aus Pflichtgefühl und Verantwortung gegenüber ihrer Crew ablegen und eine andere Person werden. Doch diese hatte sie gestern endgültig verloren, egal was gleich in diesem Raum geschehen würde. Die Enttäuschung war einfach zu groß. Und gerade die Enttäuschungen waren es doch, die sie immer vermeiden wollte, die ihr so nachgingen, die sie nie überwinden konnte. Um nicht enttäuscht zu werden hatte sie auf soviel verzichtet: Den Jungen in der Schule zu fragen, ob er mit ihr ausgehen wollte, Mark zu bitten sie zu heiraten und jetzt Chakotay, dem sie nie ihre Gefühle offenbart hatte ... Und obwohl sie es immer hatte vermeiden wollen, war sie bei all diesen Anlässen enttäuscht worden. Von sich selbst, ihrer Feigheit und ihrer Unfähigkeit zu ihren Emotionen zu stehen, von dem Jungen in der Schule, der eine andere Freundin fand, von Mark, der heiratete und sie vergaß, von Chakotay ...

Kathryn gab sich einen Ruck und betätigte den Türöffner. Die zur Seite gleitenden Türen offenbarten einen Großteil der Crew. Alle, die nicht gerade Dienst hatten, waren gekommen und saßen oder standen leise tuschelnd in der Offiziersmesse. Janeway schritt durch den Raum und nahm hinter dem Tisch Platz, der am Ende des Zimmers aufgestellt worden war. Vor ihr befanden sich zwei kleinere Tische und ein einzelner Stuhl. In der vordersten Reihe saß ihr gesamter Führungsstab: Tom, Harry, B‘Elanna, Seven, Tuvok, Neelix, der Doktor. Neben ihnen hatten die Vertreter der Elani Platz genommen. Mit verschlossenen Minen warteten sie auf die kommenden Dinge.

Seltsam, wie sich unser Kontakt entwickelt hat, und dabei hatte doch alles so gut angefangen, dachte Kathryn. Sie musste jetzt beginnen, sie hatte die Angelegenheit schon zu lange herausgezögert. Es war nicht gut für ihre Beziehungen zu den Elani und es war nicht gut für sie selbst.

Sie nahm einen kleinen Metallstab von ihrem Tisch und klopfte gegen einen Gong, der vor ihr stand.

"Die Verhandlung ist eröffnet!" Ihre Stimme hatte wieder den gewohnten Klang, sie war bereit.

Einer der Elani erhob sich von seinem Platz. Er war offensichtlich der Anführer der kleinen Delegation.

"Captain, ich bin Preskit, Minister des Ersten Rates auf Elanus. Es freut mich, dass wir die Sache jetzt aufklären. Wir haben zugestimmt, den Prozess auf Ihrem Schiff stattfinden zu lassen, um unsere Bereitschaft für eine Kooperation in dieser Angelegenheit zu demonstrieren. Daher hoffen wir, dass sie sich als unparteiischer Richter erweisen werden. Lassen wir die Fakten einfach für sich sprechen. Mögen Sie das richtige Urteil fällen. Durch diesen Zwischenfall soll die freundschaftliche Beziehung zwischen unseren Völkern nicht gestört werden. Lassen Sie uns zu den heiligen Idschahs beten, dass dieser Konflikt nicht eskaliert." Der gedrungene männliche Elani zeigte bei dieser Ansprache keinerlei Gefühlsregung. Seine gelblichen Augen starrten Captain Janeway unverwandt an, so als wolle er in ihren Geist sehen, um ihre Entscheidung schon jetzt zu erkennen oder gar, um sie zu beeinflussen.

Der Bursche gefällt mir ganz und gar nicht, dachte Kathryn, während sie den Blick von dem Gesandten abwandte. Es fühlte sich beinahe so an, als hätte er sich für einen Augenblick Zugang zu meinen Gedanken verschafft. Mit einer leichten Gänsehaut auf dem Rücken setzte sie sich wieder. Trotz der unangenehmen Erfahrung richtete sie ihren Blick wieder auf den vor ihr stehenden Preskit. Diesmal war dieser es, der den Blick senkte.

"Ich denke, wir sollten nicht über den Ausgang dieses Prozesses spekulieren. Doch ich kann Ihnen versichern, dass ich den Fall objektiv beurteilen werde. Lassen Sie uns beginnen."

Preskit setzte sich wieder und gab seinem Nachbarn ein Zeichen. "Ich werde nun den Angeklagten an Bord bringen lassen." Noch immer war kein Zeichen von Gemütsregung in seinem Gesicht ablesbar. Im Raum wurde es augenblicklich still. Die vorher noch flüsternd geführten Unterhaltungen waren verstummt, Anspannung kennzeichnete die Gesichter der Crewmitglieder. Kathryn zwang sich zur Ruhe, als vor ihr drei Gestalten materialisierten. Zwei, mit schwarzen Tüchern verhüllte Elani, richteten ihre Phasergewehre auf einen Mann in ihrer Mitte, dessen Arme durch Handschellen auf dem Rücken gehalten wurden.

Es war Chakotay. Kathryn stockte der Atem.

So hatte sie ihren Ersten Offizier noch nie gesehen. Seine Sternenflotten-Uniform war verschmutzt und zerrissen. Getrocknetes Blut aus einer Wunde am Haaransatz bedeckte seine linke Gesichtshälfte. Er atmete schwer. Er versuchte aufrecht zu stehen, den Eindruck zu erwecken, dass es ihm gut ginge. Doch ein leichtes Zittern seines Körpers ließ sich nicht unterdrücken. Seine Augen, unter denen sich dunkle Ringe befanden, schweiften im Raum umher, nahmen die vertraute Umgebung auf, so als sähe er sie zum ersten und vielleicht letzten Mal. Nun berührte sein Blick seine Kollegen, seine Freunde. Er versuchte stark zu sein und ihnen ein Lächeln zu geben. Sogar noch in dieser Situation wollte er Trost spenden und die anderen aufmuntern, so als wäre nicht er es, der ihrer Unterstützung bedurfte. Ihre Gesichter schauten ihn an, konnten, wollten, nicht glauben ihn so zu sehen. Trauer, Besorgnis und Wut konnte er in ihren Augen lesen und beinahe hätte ihn ihr Mitgefühl aus der Fassung gebracht. Langsam, als wolle er diesen Moment so lange wie möglich aufschieben drehte er sich um, um sich dem Blick seines Captains zu stellen. Sie saß hinter dem Richtertisch, wunderschön wie immer. Verzweifelt hoffte er auf eine Reaktion in ihrem Gesicht, in ihren Augen. Nichts. Kein Lächeln, das ihm schon so häufig den Tag gerettet hatte, kein Blick des Verstehens oder des Vertrauens. Traurig senkte er den Blick zu Boden. Er hatte sie verloren. Egal wie diese Verhandlung ausgehen würde, er hatte sie für immer verloren. Es war ihm unmöglich ihr noch einmal in die Augen zu sehen, sie war von ihm enttäuscht worden. Jetzt war ihm alles egal. Der Überlebenswille, der ihn die letzte Nacht während des Verhörs der Elani vor dem Verzweifeln bewahrt hatte, erlosch. Seine Schultern kippten nach vorne, bebten leicht.

Kathryn beobachtete ihren Ersten Offizier. In all den Jahren der Zusammenarbeit hatte sie ihn genau kennengelernt. Sie wusste immer, was sein Gesichtsausdruck ihr sagen wollte, sie verstand ihn auch ohne Worte. Seine Augen offenbarten seine Gefühle und auch in diesem Augenblick, als er vor ihr stand, konnte sie seine Emotionen spüren. Voll Hoffnung blickten seine sanften Augen in ihre. Sie machten ihr deutlich, dass sie seine einzige Chance sei, dass er sie jetzt mehr brauche als jemals zuvor. Seine Augen wünschten sich ein einziges Zeichen von ihr, so dass er weitermachen konnte. Sie versagte es diesen Augen. Sie verdrängte seine Verzweiflung. Sie suchte nach Lüge und Betrug in seinen Augen, nach Illoyalität, Verrat. Als Chakotay den Blick senkte, hatte sie nichts davon finden können, doch bedeutete das, dass es nicht da war?

Preskit räusperte sich und unterbrach damit Janeways Überlegungen. "Commander Chakotay, Erster Offizier der USS Voyager, im Namen meiner Regierung beschuldige ich Sie hiermit der Spionage und des Mordes an unserem Obersten Minister. Die Strafe auf diese Verbrechen ist nach elanischem Recht der Tod." Ein Raunen ging durch die Reihen der Besatzungsmitglieder. "Ich werde als Ankläger in diesem Prozess fungieren."

Als die elanische Regierung sie nach Chakotays Verhaftung über die übliche Vorgehensweise bei Verhören in Kenntnis gesetzt hatte, versuchte Captain Janeway alles in ihrer Macht stehende, um Foltern zu verhindern. Die Elani hatten sich geweigert von ihrer, wie sie sagten, ‚effektivsten Vernehmungsart‘ Abstand zu nehmen und drohten die Voyager von den Verhandlungen auszuschließen. Sogar ein militärischer Konflikt war von ihnen in Betracht gezogen worden. Janeway hatte wohl oder übel ihren Bedingungen zugestimmt. Bei Chakotays Anblick wünschte sie, sie hätte es nicht getan.
Sie ergriff das Wort: "Minister Preskit, wir respektieren Ihre Gesetze und Ihr Rechtssystem und ich bin sicher, Sie werden auch das unsere akzeptieren. Ich werde dem Commander meinen Sicherheitschef Tuvok als Rechtsbeistand zur Seite stellen. Der Prozess wird durch mich geleitet werden. Zur Urteilsfindung werde ich gemeinsam mit einem Repräsentanten Ihres Volkes kommen. Sind Sie damit einverstanden?"

"Voll und ganz Captain. Meranus, mein Begleiter hier, wird als unabhängiger Prozess-Beobachter mit Ihnen die Entscheidung fällen. Und nun, denke ich, sollten wir mit der Beweisaufnahme beginnen."
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