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1.06 - Dafür sind Freunde da

von Emony

Kapitel 2

„So eine bescheuerte Simulation!“, schimpfte Gary Mitchell am Abend, als sie an der Bar ihres Stammclubs standen und bestellte sich einen doppelten Tequila zu seinem Bier. Die verwunderte Augenbraue des Barkeepers nahm er gar nicht zur Kenntnis.

Er und Jim hatten beschlossen ihren Frust zu ertränken, nachdem sie ihr simuliertes Raumschiff in einem wilden Feuergefecht gegen Klingonen verloren hatten.

„Dieser Test war unfair“, stimmte Jim ihm uneingeschränkt zu. Allerdings war er auch nicht gänzlich mit Garys Kommandos einverstanden gewesen. Da jedoch Garys Befehle auf dem Prüfstand gewesen waren, und nicht etwa seine eigenen, hatte Jim seine Bedenken lieber für sich behalten. Dieser Test kam früher oder später auch auf ihn zu. Er würde noch beweisen können, dass er ein fähigerer Kommandant wäre als Gary. Für den Augenblick hielt er es jedoch für klüger, seinem Freund beizupflichten und ihm Verständnis entgegen zu bringen. „Du hast dich gut geschlagen, Kumpel.“

Gary kippte seinen Tequila runter und bestellte gleich zwei weitere. Der zweite Tequila war für Jim, der ihn dankbar annahm. Wenn er die Nacht wieder in seiner eigenen Unterkunft verbringen musste und Finnegan am Hals hatte, wollte er lieber nicht nüchtern bleiben.

=A=

Jim hatte an diesem Abend vollkommen das Zeitgefühl verloren. Es war recht spät in der Nacht, als es ihm mühsam gelang den Zugangscode zu seinem Quartier einzugeben. Er hatte Schwierigkeiten das Gleichgewicht zu halten und sich gleichzeitig im Dunkel des Raumes zurecht zu finden. Er stolperte über irgendwas am Boden und fiel geradewegs auf ein Bett. Zum Glück für ihn auf sein Eigenes, überlegte er träge und war bemüht den Drehschwindel zu ignorieren, was ihm nicht besonders gut gelang. Schwerfällig kroch er im Bett so weit nach oben, dass sein Kopf schließlich auf dem Kissen landete. Er schlief sofort ein.

Als er am nächsten Vormittag erwachte, waren die ersten vier Unterrichtseinheiten bereits gelaufen und er hatte sie unentschuldigt verpasst. Doch das war bei weitem nicht sein einziges Problem. Er schob die Hände unter sein Kissen, um es unter dem Kopf in eine angenehme Form zu knautschen, als er sowohl etwas Scharfkantiges als auch Schleimiges an den Händen fühlte. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis die ungewohnte Empfindung in seinen Verstand sickerte, der an diesem Vormittag nicht der Schnellste war. „Was zum …“

Träge hob er den Kopf. Hinter seinen Schläfen hämmerte ein dumpfer Schmerz, doch Jim ignorierte ihn. Er richtete sich gerade genug auf, um unter sein Kissen sehen zu können. „Dieser Bastard!“ Ein Dutzend rohe Eier hatten unter seinem Kopfkissen gelegen, die jetzt natürlich allesamt zerbrochen waren und das gesamte Bettzeug verklebten! Dafür würde er Finnegan eine Lektion erteilen. Was sollte er sich denn noch alles gefallen lassen? Das würde ein Nachspiel haben! Wutentbrannt schlug der die Bettdecke zurück und sah sich in dem gemeinsamen Quartier um. Natürlich war Finnegan nicht anwesend. Jim nahm an, dass er beim Unterricht war, wo er selbst ebenfalls sein sollte. Rasch zog er einfach nur die schmutzige Bettwäsche ab, duschte sich und machte sich auf den Weg zu den letzten paar Unterrichtseinheiten des Tages.

=A=

Leonard war gerade dabei sich einen Tee zu kochen, als die Tür zu seinem Apartment aufglitt und Jim hereinkam. Der Jungspund sah ein wenig erschöpft aus. Als Arzt kam er nicht umhin sofort einen genaueren Blick auf seinen Freund zu werfen. Er kannte Jim inzwischen gut genug, um einen Kater zu erkennen und fühlte Erleichterung aufkeimen, da Jim scheinbar gesund war. „Hey“, grüßte er daher schlicht. „Du siehst aus, als könntest du auch einen Kamillentee vertragen.“

„Pfui.“ Jim winkte ab, warf seine Bücher und Padds auf Leonards Couchtisch und ließ sich auf dem Sofa nieder. „Aber du könntest mir was gegen diese verfluchten Kopfschmerzen geben. Als ich aufwachte waren sie noch einigermaßen erträglich, aber jetzt sind sie extrem stechend. Das Sonnenlicht draußen killt mich.“

Leonard grinste, holte sein Medkit und kümmerte sich um Jim. Endlich gingen diese Dinge wieder ihren gewohnten Gang. „Du schläfst eine Nacht nicht bei mir und schon bist du verkatert, Jim. Was soll ich nur mit dir machen?“

Jim schloss die Augen. Leonard lud den Injektor und gab seinem Freund das ersehnte Analgetikum direkt in die Aorta. Das Gesicht schmerzverzerrt, raunte er ein „Danke, Bones“ und rieb sich anschließend die Stelle am Hals.

Der packte wieder alles zurück ins Medkit und setzte sich neben Jim aufs Sofa. „Erzählst du mir was passiert ist?“

Es dauerte einen Moment bis Jim die Wirkung des Medikaments spürte. Sollte er seinem Freund von Finnegan erzählen? Er wollte nicht wie ein hilfloser Junge vor seinem Freund stehen, der nicht in der Lage war, derlei Probleme allein aus der Welt zu schaffen. Also erzählte er nur von dem anderen Teil des Abends. „Gary ist beim Kobayashi Maru Test durchgefallen.“

„Ah, verstehe. Ihr habt euren Frust ertränkt“, nickte Leonard. „Was ist schiefgelaufen?“

Ein theatralisches Seufzen entrang sich Jims Kehle. Er schüttelte langsam den Kopf und legte diesen schließlich auf der Nackenlehne des Sofas ab. Es vergingen einige Augenblicke, ehe er antwortete. „Die Simulation ist nicht ohne. Wir erhielten einen Notruf von einem Frachter, der Kobayashi Maru, den wir gegen drei Birds of Prey der Klingonen verteidigen mussten.“

„Das erscheint mir ein unfairer Kampf zu sein. So ein Frachter ist minimal bewaffnet. Was für eine Schiffsklasse hattet ihr denn für die Simulation?“

Jim schnaubte verächtlich durch die Nase. „Eine Hermes-Klasse!“

„Ein Wissenschaftsschiff gegen drei klingonische Kriegsschiffe?“ Sie tauschten einen Blick aus. „Ihr hattet keine Chance, Jim. Das weiß sogar ich und ich bin echt nicht bewandert in diesen Dingen. Ihr hättet den Frachter zurücklassen und euch in Sicherheit bringen sollen.“

„Flüchten, Bones? Und über vierzig Personen an Bord des Frachters zurücklassen? Ist dir nicht klar, dass ganze Familien auf solchen Frachtern leben?“ Jim schüttelte den Kopf. „Gary hätte einfach Verstärkung anfordern müssen, als die Klingonen ihre Tarnung auflösten und sich zu erkennen gaben. Dann hätten wir sicher gegen sie gewonnen. Er hat es auf eigene Faust versucht, das war sein Fehler.“

Leonard war sich der Familien auf Frachtern durchaus bewusst, doch Jim schien zu vergessen, dass es auch Situationen gab, die man nicht gewinnen konnte. War es wert sämtliche Leben der eigenen Crew für die Rettung einer anderen aufs Spiel zu setzen? Als Arzt tendierte er selbst auch dazu, möglichst jedes Leben zu bewahren, doch auch er hatte lernen müssen, dass man gelegentlich abwägen musste, welche Leben gerettet werden konnten und welche im Grunde schon verloren waren. Nun ja, es war Garys Test gewesen und er war durchgefallen. Leonard kümmerte es an diesem Punkt nicht weiter, da es sich lediglich um eine Simulation handelte. Es war niemand zu Schaden gekommen.

„Aber lass uns das Thema wechseln. Ich habe mich gestern schon genug darüber geärgert. Wie geht es dir heute?“, erkundigte sich Jim daher.

In der Tat fühlte sich Leonard jeden Tag ein bisschen besser. Er erzählte Jim davon, dass er den Vormittag mit Lernen verbracht hatte, um den versäumten Stoff aufzuholen. Das Fieber und die massive Übelkeit waren allerdings komplett überstanden und nun musste er nur wieder zu Kräften kommen. Er freute sich schon auf die kommenden Wochen, die hoffentlich schnell vergingen. Semesterferien bedeutete nämlich, dass er die ersten Prüfungen hinter sich hatte und endlich seine Tochter wiedersehen würde. Er konnte es kaum erwarten!

=A=

Eine Woche später saßen Jim, Leonard, Gary und Gaila im Schatten eines riesigen Ahorn-Baumes im Arboretum des Campus und genossen das sonnige Wetter. Sie hatten sich verabredet die Mittagspause gemeinsam zu verbringen. Ursprünglich hatten sich lediglich die drei Männer miteinander verabredet, doch Gaila hatte sich spontan zu ihnen gesetzt.

„Sie verheimlicht mir irgendwas“, erklärte die Orionerin den Männern, woraufhin sich drei fragende Augenpaare auf sie hefteten. „Uhura, meine ich. Sie hat bisher immer gerne die Pausen mit mir verbracht, aber neuerdings hat sie dauernd irgendwelche Ausreden und lässt mich allein.“

„Sie kann doch nicht deine einzige Freundin auf dem Campus sein“, entgegnete Jim ihr.

Gaila zuckte die Schultern und zog ihre Uniformjacke aus. Darunter trug sie das schwarze, ärmellose Standardshirt. „Eure Welt ist im Sommer unerträglich!“

„Wie ist das Klima denn auf Orion? Du hast bisher kaum was über deine Heimat erzählt“, warf Gary ein.

„Gemäßigter. Selbst im Hochsommer wird es nicht wärmer als fünfundzwanzig Grad. Außerdem ist es trockener und nicht so ekelhaft schwül, wie hier.“

Leonard lachte leise. „Atlanta ist im Sommer noch viel schlimmer, Schätzchen. Da ist San Fran wirklich angenehm im Vergleich. Zumal wir hier die kühle Meeresbrise des pazifischen Ozeans abbekommen.“

Gaila verzog das Gesicht. „Kühle Brise am Arsch.“ Sie fächelte sich mit einem ihrer Padds Luft zu.

„Fliegst du über den Sommer nach Hause?“, wollte Gary von ihr wissen.

Sie schenkte ihm ein verführerisches Lächeln. „Nur, wenn du kein besseres Angebot machst.“

Der ältere Kadett grinste leicht. „Das wird Cloe wohl nicht gefallen.“

„Cloe?“, kam es unisono von Jim und Leonard. Die Geschwindigkeit, mit der Gary seine Freundinnen wechselte, war unglaublich. Da kam selbst Jim nicht mehr mit. Gary machte auch keine Anstalten mehr über seine aktuelle Flamme zu erzählen. Womöglich war sie es ihm nicht wert und daher fragte auch niemand weiter nach.

„Aber ja“, nahm Gaila den Faden wieder auf, „ich fliege zu meiner Familie. Alle wollen wissen, wie mein erstes Jahr an der Academy war. Außerdem ist mein Großvater krank. Vielleicht sehe ich ihn zum letzten Mal.“

„Oh, das tut mir leid“, wandte sich Leonard an sie. „Was fehlt ihm?“

Gaila winkte ab. „Er ist einfach alt. Irgendwann sterben wir alle.“

Ihre Gleichgültigkeit in dieser Sache verblüffte die Männer. Ob es auf Orion normal war, dass man weniger um geliebte Personen trauerte, wenn sie den letzten Lebensabschnitt erreicht hatten? Keiner wagte es weiter darauf einzugehen.

Stattdessen reichte Gaila eine Plastikschüssel mit Obstsalat herum. „Will jemand was abhaben?“

Jim teilte sich gerne die Gabel mit Gaila. Leonard verzichtete. Er sah die süßen Früchte und den Fruchtsaft und wusste, dass er sicher einen Zuckerschock davon bekommen würde. Stattdessen aß er lieber seinen mexikanischen Salat. Gary hatte sich einen Burger und Kartoffelecken aus der Mensa geholt. Jim konnte sich nicht entscheiden, auf was er Appetit hatte, weshalb er lediglich einen Apfel mitnahm, den er jedoch bereits auf dem Weg hierher verputzt hatte.

Während sie so dasaßen und schweigend ihr Mittagessen zu sich nahmen, gingen hier und da Zivilisten über den Campus. Sehr viele junge Leute, teilweise in Begleitung von Erwachsenen – Eltern – höchstwahrscheinlich. „Was wollen die eigentlich alle hier?“ Jim stellte die Frage niemand bestimmtem.

Gary fühlte sich dennoch bemüßigt darauf zu antworten. „Das sind Anwärter. Um diese Jahreszeit kommen immer wieder welche, um sich die Academy anzusehen. Anfang des zweiten Jahres bekommt jeder von euch so einen Frischling für die ersten Monate an die Backe. Hat euch das noch niemand gesagt?“

Während sich auf Gailas Gesicht ein breites Grinsen ausbreitete, sahen Leonard und Jim ihren gemeinsamen Freund gleichermaßen schockiert an. „Was? Wozu?“, wollte Leonard wissen. „Ich habe keine Zeit den Babysitter für so einen Grünschnabel zu spielen.“

„Dabei hast du schon bewiesen, wie gut du das kannst“, erwiderte Gary und lachte, während er Jim auf den ihm zugewandten Oberarm klopfte.

„Hey“, protestierte dieser sofort, konnte jedoch nicht ganz ernst dabei bleiben. „Bones ist mein Freund, nicht mein Babysitter.“ Die vier Freunde lachten darüber. Während Jims Lachen allmählich verebbte, sah er in einiger Entfernung einen jungen Mann mit dunklen Haaren, der ihm vage vertraut vorkam. Womöglich jemand aus Riverside, überlegte er. Doch er schenkte dem Knaben keine weitere Beachtung, als Gaila ihm eine Gabel mit klein geschnittenen Erdbeer- und Kiwistückchen in den Mund schob.

Leonard tauschte einen kurzen Blick mit Gary aus. Beide waren ein wenig über das zutrauliche Verhältnis zwischen Gaila und Jim verwundert. Ob was zwischen den beiden lief?

=A=

Er hörte Stimmen, die sich langsam näherten. Es war absolut dunkel um ihn herum. Ein Gefühl der Beklemmung schien ihn beinahe zu erdrücken. Er fürchtete sich vor den Leuten, die näher kamen. Sie waren bedrohlich, auch wenn er nicht wusste weshalb. Er wagte es kaum zu atmen, kauerte sich tiefer in die dunkle Ecke, die ihm Schutz bot.

Stimmen. Schritte. Atmen.

Sein ganzes Bewusstsein war davon erfüllt. Sein Herz schlug aufgeregt in seiner Brust.

Die Stimmen kamen noch näher. Er hielt die Luft an. Als sich ihm eine kleine Hand auf den Arm legte, erschrak er dermaßen, dass er einen Aufschrei nicht unterdrücken konnte.


Noch ehe er sich seiner Situation bewusst werden konnte, traf ihn etwas hart am Kopf und riss ihn aus dem Schlaf.

„Halt die Fresse!“, hörte er Finnegans wütende Stimme im Dunkel des gemeinsamen Quartiers.

Jim rieb sich den Schädel. „Hast du gerade einen Stiefel nach mir geworfen?“ Sein Herz hämmerte immer noch wild in seiner Brust, sein Hals kratzte …

„Du schreist im Schlaf wie ein kleines Mädchen!“, erwiderte Finnegan, ohne sich zu entschuldigen.

Jim ballte die Hände zu Fäusten. Er schnaubte durch die Nase. Hatte er einen Alptraum gehabt? Konnte das sein? Er konnte sich nur noch an das Gefühl der Beklemmung erinnern. Womöglich eine Nachwehe des Kobayashi Maru Tests, überlegte er. „Kein Grund Stiefel nach mir zu werfen.“

„Ich werfe nach dir, was ich will und wann ich es will. Und jetzt halt deine Klappe und lass mich schlafen. Der Wecker geht in zwei Stunden los.“

Jim verdrehte im Dunkel des Quartiers die Augen und legte sich auf den Rücken. Finnegan hatte recht, sie brauchten ihren Schlaf. Allerdings gelang es Jim in jener Nacht nicht mehr einzuschlafen. Er dachte an den Traum zurück. Es war ewig her, dass er sich zuletzt an einen Traum erinnern konnte und auch jetzt verschwammen bereits die Einzelheiten. Und so begann er Pläne zu schmieden, sich an Finnegan zu rächen.
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