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1.06 - Dafür sind Freunde da

von Emony

Kapitel 3

Leonard McCoy suchte den Pausenraum der Krankenschwestern auf Station 6 des medizinischen Zentrums auf. Er hatte sich die Mühe gemacht, Chapels Schichtplan für diese Woche herauszufinden, da sie aneinander vorbei rotierten und er sie andernfalls gar nicht sehen würde. Im Pausenraum richteten sich zunächst sämtliche Blicke in seine Richtung, kaum dass er die Tür öffnete und einen Schritt hinein wagte. Fünf Krankenschwestern und zwei Schwesternschülerinnen waren anwesend, die gemeinsam zu Mittag aßen.

„Guten Appetit allerseits“, ließ er sich vernehmen.

Chapel wischte sich eilig mit einer Papierserviette über den Mund und erhob sich. „Doktor McCoy, wie schön Sie wieder auf den Beinen zu sehen.“

„Haben Sie einen Augenblick?“ Er deutete mit einem Kopfnicken nach draußen und sie folgte ihm hinaus in den Gang. Den übrigen Frauen nickte er zu und entschuldigte sich höflich für die Störung. Er trat aus dem Sensorbereich und ließ die Tür zugehen. Sobald er mit Chapel allein auf dem Gang stand, reichte er ihr die Frischhaltebox. „Vielen Dank nochmals. Es war sehr köstlich. Sie sind eine ausgezeichnete Köchin.“ Was der absoluten Wahrheit entsprach. Als Jim die Reste entdeckt hatte, hatte er sich eine Gabel geschnappt und den Rest verdrückt. Und das trotz Leonards Warnung, es sei gesund! Das sagte viel über die Kochkunst der Schwesternschülerin aus.

Ihre Wangen färbten sich rosa. „Es freut mich, dass es Ihnen geschmeckt hat, Doktor. Sie sehen schon sehr viel besser aus.“

„Es geht mir auch deutlich besser“, bestätigte er. „Wenn ich mich irgendwann revanchieren kann, lassen Sie es mich bitte wissen.“

Sie sahen sich einen seltsam langen Moment an, dann seufzte Chapel. „Viel Erfolg bei den Prüfungen.“

„Sehen wir uns vorher nicht mehr?“ Immerhin waren es noch zwei, beinahe drei Wochen, bis zu den Prüfungen.

Chapel schüttelte den Kopf. „Wohl nicht.“ Ob Dr. Fisher bemerkt hatte, dass sie ein gutes Team abgaben und sie deshalb trennte? Letztlich war er für die Schichten des Personals auf seiner Station verantwortlich, zumindest musste er die Dienstpläne absegnen.

„Das ist bedauerlich. Ich glaube, dass niemand meine Launen besser erträgt als Sie.“

Chapel konnte sich darauf ein leises Lachen nicht verkneifen. „Sie sind wesentlich erträglicher als Dr. Fisher, das können Sie mir glauben. Sie wissen wenigstens, wie man bitte und danke sagt.“

Leonard verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. Er wusste, dass Dr. Fisher sich hier bei den Schwestern recht unbeliebt gemacht hatte. Er hielt nichts von allzu viel Nähe zwischen Kollegen, auch nicht auf professioneller Ebene. „Lassen Sie sich nicht verrückt machen“, sagte er, während er sich zum Gehen wandte.

„Ich gebe mir Mühe“, erwiderte sie lächelnd und nickte ihm zum Abschied.

Für einen Moment stand Christine noch im Gang und sah dem Arzt nach. Anfangs hatte sie regelrecht Angst vor ihm gehabt, doch inzwischen schätzte sie ihn wirklich sehr. Im Vergleich zu Dr. Fisher war McCoy wirklich ein umgänglicher Mensch. Als sie den Pausenraum wieder betrat, waren sämtliche Blicke auf sie gerichtet. Schwester Anja reckte den Hals, um nachzusehen, ob McCoy noch vor der Tür stand und schien enttäuscht, als dies nicht der Fall war.

„Ein Arzt, Christine? Das ist so klischeehaft!“, meinte die andorianische Stationsleiterin T‘Jalla.

Die Schwesternschülerin spürte wie sich ihre Wangen tiefrot färbten. „Er hat mir nur was zurückgebracht“, verteidigte sie sich.

Weiße Augenbrauen hoben sich, während die beiden Antennen der Andorianerin sich ihr entgegenbogen. „Ist das so?“

„Ja“, erwiderte Christine ein wenig unwirsch und steckte die Frischhaltebox hastig in ihre Tasche, die neben ihrem Sitzplatz stand. „Da läuft nichts. Ich schätze ihn - als Kollegen. Nicht mehr und nicht weniger.“

„Als ich vor ein paar Wochen mit Grippe im Bett lag, hast du mir nichts zu essen gebracht“, frotzelte Schwester Anja und zwinkerte ihr aus jadegrünen Augen zu.

„Ihr könnt denken, was ihr wollt. Da ist nichts zwischen uns. Ich bin in einer Beziehung und sehr glücklich damit.“ Das war zwar nur halb richtig, musste ihren Kolleginnen jedoch als Rechtfertigung genügen. Sie sah Roger in der letzten Zeit viel zu selten. Immer wieder war er auf Missionen unterwegs auf verschiedenen Raumschiffen und immer seltener als Dozent an der Academy tätig. Sie vermisste ihn sehr.

Ohne weiter auf die Spitzen ihrer Kolleginnen einzugehen, aß Christine ihren Salat auf und beschloss, die bohrenden Blicke zu ignorieren.

Sie und McCoy, das war wirklich lächerlich …

=A=

McCoy wischte sich die feuchten Hände an der Uniformhose ab. Er konnte selbst nicht fassen, wie nervös er war. Herrgott noch eins, er hatte kein Problem damit, am offenen Herzen eines Patienten zu arbeiten, bekam aber Panik beim Anblick einer Navigationskonsole.

„Alles okay, Bones?“

Jims Stimme neben ihm, schreckte ihn ein wenig aus seiner Starre. Trotzdem bekam er lediglich ein Kopfschütteln zustande.

„Das hast du doch schon gemacht. Halb so wild. Wir schauen uns erst mal nur die Kontrollen an.“

Jim hatte leicht reden. Leonard streckte die flachen Hände vor sich aus; sie zitterten! „Ich bin total tachykard. Ich kann das nicht.“

„Versuch nicht mich mit deinem medizinischen Geplapper abzulenken. Du bist nervös, schon klar. Aber das musst du nicht sein. Ich bin doch bei dir. Wir gehen vorerst nur die Theorie durch. Die kannst du eigentlich schon. Aber ich möchte, dass sie dir in Fleisch und Blut übergeht. Stell dir vor, du musst zu einem Patienten, den nur du retten kannst. Und du musst schnell zu ihm, weil er sonst stirbt. Und dieses Shuttle ist die zweitschnellste Möglichkeit, zu ihm zu gelangen.“

Leonard blinzelte irritiert. „Was wäre die Schnellste?“

„Beamen“, sagte Jim nur knapp und wusste, dass das für Bones erst recht keine Option war. „Also, was machst du als erstes, bevor du überhaupt ans Abheben denken darfst?“

Leonard schloss in einem Moment der Kontemplation die Augen. „Ich aktiviere die Trägheitsdämpfer.“

„Warum?“

Sein Kopf ruckte in Jims Richtung, der sich auf den Platz des Co-Piloten gesetzt hatte. „Weil wir sonst als Biomasse am rückwärtigen Teil des Shuttles enden und nicht mehr voneinander zu unterscheiden wären.“

Jim wiegelte den Kopf hin und her. „Ja und nein. Wir fliegen ja üblicherweise nicht sofort mit Warp los. Auf Impuls würden wir nicht sofort sterben, wenn die Trägheitsdämpfer inaktiv wären. Aber die enormen G-Kräfte würden uns dennoch ziemlich in die Sitze pressen. Und wer nicht sitzt, stürzt höchstwahrscheinlich und könnte sich dabei verletzen.“

„Als ob ich das nicht wüsste.“

„Dann begründe es richtig, ohne sofort vom schlimmsten Fall auszugehen. Du wirst solche Fragen in der Prüfung beantworten müssen, Bones. Und ich will doch nur sicher sein, dass du nicht an den Fragen für die Idioten scheiterst.“

Leonard ließ sich demonstrativ rücklings in die Sessellehne fallen und seufzte hörbar.

„Du kannst das“, sagte Jim mit einer Bestimmtheit, an die Leonard selbst nicht glaubte. „Ich weiß, dass es in dir steckt. Du hast die ruhigsten Hände in der Flotte. Wäre doch gelacht, wenn du so ein blödes Stück Technik nicht beherrschen könntest.“

Der Arzt atmete tief durch. „Das Leben eines Patienten hängt davon ab?“ Jim nickte. Leonard stellte sich vor, dass er schnell zum Haus seiner Eltern würde fliegen müssen. „Ich aktiviere die Trägheitsdämpfer und checkte, ob die Luke geschlossen ist.“ Jim nickte erneut. „Nachdem ich die Starterlaubnis habe, hebe ich lediglich mit minimalem Schub der Manövrierdüsen vom Boden ab ...“

Leonard zählte Schritt für Schritt auf, was er zu tun hatte und zeigte währenddessen auf dem Kontrollfeld, wo er drücken würde. Jim nickte, während ein zufriedenes Grinsen in seinem Gesicht wuchs. „Lass es uns versuchen“, schlug er schließlich vor. „Nur eine kleine Runde um den Block. Ich habe die Erlaubnis schon eingeholt.“

„Du spinnst doch … Da draußen ist um die Zeit reger Flugverkehr, das weißt du.“

„Ja, das weiß ich. Und wir beide wissen, dass du die Theorie beherrschst. Es ist anders, wenn man ein echtes Shuttle fliegt und nicht im Simulator sitzt. Du musst lernen Hindernissen auszuweichen, Vorfahrten beachten und vieles mehr. Du hast eine Fahrlizenz, du kennst das von der Straße. Ein Shuttle zu fliegen, ist nicht so viel schwerer.“

„Natürlich ist das schwerer“, beschwerte sich Leonard.

Jim schüttelte den Kopf und verdrehte einmal mehr die Augen. „Nur eine winzige Runde um den Campus. Komm schon, Bones. Willst du, dass das ganze letzte Jahr umsonst war?“ Diesmal war es an Leonard den Kopf zu schütteln. „Ich habe meine Lizenz schon seit drei Monaten. Du hast es ewig vor dir hergeschoben. Willst du es nicht endlich hinter dir haben?“

„Fein, von mir aus. Auf deine Verantwortung.“ Leonard fand den Vergleich nicht unbedingt fair, da Jim anders als er nicht an einer Aviophobie litt. „Gut möglich, dass ich dich vollkotze“, grollte er daher in Richtung seines Freundes und aktivierte die Schubdüsen.

Jim neben ihm grinste selig.

Und dann drehten sie eine Runde um den Campus, flogen unter der Golden Gate Bridge hindurch, am Strand entlang und wieder zurück zur Academy. Leonard stellte fest, dass es gar nicht so schlimm war, wenn das Shuttle erst einmal abgehoben hatte. Zumindest nicht aus technischer Schicht. Speiübel war ihm trotzdem, aber es gelang ihm seinen Mageninhalt bei sich zu behalten und das Shuttle sogar nahezu fehlerfrei zu landen.

„Ich wusste es!“, jubelte Jim, riss Leonard auf seine wackeligen Beine und umarmte ihn herzlich. „Ich bin so stolz auf dich!“

„Ich bin geflogen wie der schlimmste Grünschnabel“, raunte Leonard in Jims Schulter und war dankbar für den Halt, den sein Freund ihm darbot. Seine Beine fühlten sich wie Pudding an.

„Du bist geflogen, Bones! Alles andere ist unwichtig. Du hast es geschafft! Und jetzt brauchst du nur noch Routine. Wir üben das, bis du blind fliegen kannst.“

„Ich werde niemals blind fliegen.“

Jim verstärkte die Umarmung und klopfte seinem Freund behutsam auf den Rücken. „Heute Abend feiern wir. Ich gebe einen aus.“

„Das ist ein Wort“, nickte Leonard und brachte sogar ein Lächeln zustande, als Jim sich löste und sie einander ansahen.

=A=

Vince Finnegan und Baxter Hendorff saßen im 602 an der Bar und stießen mit ihrem Bier an. Während Hendorff einfach nur erschöpft vom Tag an seinem Bier nippte, saß Finnegan grübelnd da und starrte seine eigene Flasche nur an.

„Was geht dir durch den Kopf?“, wollte Hendorff von ihm wissen. „Machst du dir Sorgen wegen der Prüfungen?“

Finnegan schenkte ihm einen kurzen Seitenblick, ehe er den Kopf schüttelte. „Ich weiß ja was auf mich zu kommt. Nein, den Prüfungen sehe ich einigermaßen gelassen entgegen. Diesmal falle ich nicht wieder durch. Ich bin gut vorbereitet.“

„Was bringt dich dann zum Grübeln?“

„Jim Kirk“, erwiderte Finnegan und zuckte die Schultern. „Ich hätte gedacht, dass es leichter werden würde. Ihn loszuwerden, meine ich. Ich habe ihn das ganze Jahr provoziert, aber er ist immer noch da.“

„Und wenn schon“, gab Hendorff gelangweilt von sich. „Lass ihn doch einfach sein Ding machen. Wenn er ein Idiot ist, wird er durch die Prüfungen und aus der Academy fliegen. Ich weiß nicht, warum du so viel Energie darauf verschwendest, ihn zu vergraulen.“

Finnegans Miene verfinsterte sich. „Es kotzt mich einfach an, dass er einfach so aufgenommen wurde, obwohl er vorbestraft war. Nur weil er den richtigen Nachnamen hat und der Sohn eines berühmten Starfleet-Offiziers ist.“

Hendorff legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Kirk ist vorbestraft?“ Das war eine Neuigkeit, mit der er nicht gerechnet hatte.

Finnegan zuckte abermals die Schultern. „Ja, aber nichts Dramatisches. Er saß wohl hin und wieder wegen Trunkenheit und Körperverletzung für ein oder zwei Tage ein. Allerdings holte ihn seine Starfleet-Mutter ständig raus. Weiß der Henker, warum man ihm alles durchgehen lässt. Aber unsereins muss eine astreine Weste vorweisen, Eignungstests ablegen und sich möglichst tadellos verhalten. Und ein James T. Kirk darf einfach alles! Wer hat behauptet, dass er der Vorzeigeheld Starfleets wird?“

„Er hat den Eignungstest abgelegt und praktisch die volle Punktezahl erreicht“, warf Hendorff ein.

Finnegans Blick verfinsterte sich daraufhin noch mehr. „Der hat doch garantiert beschissen!“

Nach knapp einem Jahr an der Academy teilte Hendorff die Meinung seines Freundes nicht mehr. Er hatte hin und wieder mit Kirk im Unterricht arbeiten müssen. Er hatte erlebt, wie clever der Kerl tatsächlich war, ganz gleich wie viel Unsinn er sich in der Vergangenheit geleistet hatte. „Er könnte der nächst Einstein sein“, gab er schließlich zu bedenken.

„Einstein? Wie kommst du darauf Kirk mit so einem Genie zu vergleichen? Bist du jetzt sein neuer bester Freund, oder was?“

Hendorff wünschte sich in dem Moment, einfach die Klappe gehalten zu haben. „Einstein war auch ein Rebell. Er hat sich gelangweilt, deshalb ging er allen auf den Sack. Ich finde den Gedanken nicht so abwegig.“

„Das ist der dümmste Gedanke, den du je ausgesprochen hast. Am besten wird sein, wenn du deine blöden Ideen künftig für dich behältst“, grollte Finnegan. „Hätte er nicht diesen Nachnamen, hätte sich Captain Pike einen Scheißdreck um ihn geschert, darauf wette ich! Und wer weiß, was der Kerl womöglich tut, damit Pike auch weiterhin in die andere Richtung sieht.“

„Was meinst du damit?“ Hendorff hatte den Faden verloren. Die flache Hand Finnegans klatschte gegen Hendorffs kahl rasierten Hinterkopf. Mit einem Satz war Hendorff von seinem Hocker und stand mit geballten Fäusten vor Finnegan. „Mach das nochmal und ich verarbeite dich zu Hackfleisch!“

„Reg dich ab!“, war alles was Finnegan sagte, bevor er die Augen rollte und an seiner Bierflasche nippte. „Ein Schlag auf den Hinterkopf erhöht bekanntlich das Denkvermögen. Sicher weißt du jetzt, was ich gemeint habe.“

„Kirk ist doch nicht vom anderen Ufer.“ Hendorffs Augen formten sich zu dünnen Schlitzen. „So viele Tussies, wie der ständig abschleppt.“

„Ich wette mit dir, dass er es Pike regelmäßig besorgt. Und nicht nur ihm. Diesem Arzt, mit dem er ständig rumhängt auch. Kirk fickt alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Frauen, Männer und alle anderen Lebensformen, die willig sind und wenigstens ein Loch haben.“

Darauf fiel Hendorff nichts mehr ein. „Möglich, dass er was mit dem Arzt hat. Und wenn schon … Aber, dass er sich hochgefickt hat, glaube ich nicht. Das hat er mit seinem Grips nicht nötig.“

Finnegan trank sein Bier aus und knallte die leere Flasche auf den Tresen. „Hast du dir auch den Schwanz von ihm blasen lassen, oder was? Seit wann verteidigst du diesen Penner?“

„Du bist doch echt nicht mehr normal“, knurrte nun Hendorff sein Gegenüber an. „Krieg dich wieder ein, Mann! Du bist dermaßen blind vor Hass, das geht mir allmählich zu weit. Auf so einen Scheiß kann ich vor den Prüfungen echt verzichten.“ Damit wandte er sich ab und ließ Finnegan allein an der Bar stehen.

Dieser bestellte sich auf den Streit hin einen doppelten Whiskey und kippte diesen in einem Zug hinunter. Er bemerkte nicht, dass er aus der Ferne von Jim und Leonard beobachtet wurde.

„Sieht aus, als hätte Hendorff eben mit ihm Schluss gemacht“, frotzelte Jim und stieß daraufhin mit seinem Freund an.

Leonard sah noch einen Moment länger zu Finnegan hinüber. „Ich frage mich, was die Ursache für den Streit war.“

„Ist mir total egal.“ Jim zuckte die Schultern. „Hey, lass uns eine Runde Darts spielen.“ In einem der Hinterzimmer des Clubs gab es diverse Möglichkeiten, sich die Zeit abseits der Bars und der Tanzfläche zu vertreiben.

Leonard ging auf die Ablenkung ein, schnappte sich seinen Whiskey und folgte Jim durch die tanzende Menge.

=A=

Jim schlief bereits tief und fest, als Finnegan in dieser Nacht sturzbetrunken das gemeinsame Quartier betrat. Er hörte das leise Schnarchen des Schlafenden und war augenblicklich versucht, Jim einen Stoß zu versetzen, damit dieser sich vom Rücken zur Seite drehen würde. Im letzten Moment hielt er in seiner unkoordinierten Bewegung inne. Eine viel bessere Idee nahm in seinem umnebelten Verstand Form an. Und so ging er ins gemeinsame Badezimmer, holte die Tube Zahncreme, die Jim gehörte, und gab eine sehr reichliche Portion davon auf Jims rechte Hand, die ausgestreckt vom Bett hing.

Er musste sich ein fieses Lachen verkneifen, als er Jim im Gesicht kitzelte. Wie zu erwarten, fasste sich Jim im Schlaf an die besagte Stelle im Gesicht und rieb sich unwissentlich mit der Zahnpasta ein. Natürlich war er sofort hellwach und schreckte im Bett hoch. Nun konnte Finnegan sich nicht mehr zurückhalten und begann schallend zu lachen.

Schneller als Finnegan es erwartete, war Jim auf den Beinen und stieß den anderen mit voller Wucht gegen die Tür zu ihrem Quartier. „Ich hab die Schnauze voll von dir!“, schrie Jim ihn an und schlug ihm die geballte Faust ins Gesicht.

Finnegan war zwar betrunken und deshalb nicht so koordiniert in seinen Bewegungen wie Jim, dafür aber mindestens genauso wütend. „Was denn, Jimmy, verstehst du keinen Spaß?“ Er holte seinerseits aus, doch Jim konnte sich unter der Faust hindurch ducken.

Die wenigen Sekunden, die Jim gebraucht hatte, um vollends wach zu werden, waren vorüber. Er rammte Finnegan von der Seite, so dass dieser gegen den Wandschrank knallte. Die dünne Schiebetür gab unter dem Aufprall nach und zerbarst krachend unter dem Gewicht der beiden Männer.

Jim verfing sich unglücklich in der Wäsche, die sie in ihrem Gefecht von den Bügeln rissen und verlor die Orientierung. Finnegan konnte die Situation zu seinen Gunsten nutzen, wickelte in Windeseile noch ein Kleidungsstück um Jims Gesicht, so dass dieser nichts mehr sehen konnte, und hieb mehrfach mit der geballten Faust auf ihn ein.

=A=

Leonard hörte in weiter Ferne das Zirpen seines Kommunikators und weigerte sich zunächst, dem Ruf zu folgen. Er hatte das Gefühl, erst vor wenigen Minuten die Augen zugemacht zu haben, doch als er schlaftrunken auf das Chrono sah und realisierte, dass es kurz vor Morgengrauen war, war er plötzlich hellwach und schnappte sich das kleine Gerät. „McCoy“, meldete er sich. Es war noch stockdunkel in seinem Apartment und die Leuchtschrift auf dem Display blendete ihn dermaßen, dass er nicht sehen konnte, wer ihn anrief.

„Bones ...“

Das eine Wort genügte, um auch den restlichen Schlaf zu vertreiben. „Jim, was ist passiert?“ Wenn Jim ihn zu so einer unchristlichen Stunde rief, musste es ernst sein. Als keine Antwort kam, wurde er nervös. „Jim? Rede mit mir! Was ist los?“ Er wischte über den Lichtsensor, so dass es hell in seinem Schlafzimmer wurde.

„Ich glaube er … ist … tot.“

Leonard blinzelte und fischte bereits Kleidung aus seinem Schrank. „Wer, Jim? Was ist passiert und wo bist du?“

„Ich hab ihn umgebracht, Bones.“

„Ganz ruhig, Jim. Ich bin in zwei Minuten bei dir. Kannst du nach seinem Puls tasten?“ In dem Moment war ihm egal, um wen es sich dabei handelte. „Versuch den Puls zu ertasten, Jim! Verstehst du mich?“ Was er selbst hörte, war Jims aufgeregte Atmung und … sein Schniefen. „Reiß dich bitte zusammen, bis ich da bin. Du musst unbedingt Erste-Hilfe-Maßnahmen einleiten. Ich bin auf dem Weg zu dir.“

Atmen. Schniefen.

Leonard schnappte sich sein Medkit und rannte los, als wäre der Teufel hinter ihm her. Er erreichte Jims Quartier in Rekordzeit und fand seinen Freund über Finnegans Brustkorb gebeugt vor, als er eine Herzmassage an ihm durchführte. Ohne nachzudenken holte Leonard alles Equip für eine Kardiostimulation aus seinem Medkit und schob Jim bestimmt beiseite. Das Gesicht seines Freundes war mit einer seltsamen Substanz und reichlich Blut verschmiert, Tränen glänzten in seinen Augen. „Ich übernehme, Jim. Ruf das medizinische Zentrum. Wir müssen ihn sofort in die Notaufnahme schaffen.“ Bevor er den Kardiostimulator an Finnegans Brust anbrachte, scannte er den Kadetten. Er hatte Vitalzeichen, die jedoch sehr schwach waren. Leonard fragte sich für den Bruchteil einer Sekunde, was geschehen war, doch er verdrängte den Gedanken sofort. Das war vorerst unwichtig.

„Ich wollte das nicht“, versicherte Jim ihm und sank verzweifelt an der Wand neben der offenen Quartiertür in die Hocke. „Ich schwöre dir, dass ich das nicht wollte, Bones.“

Leonard warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. Müsste er nicht seiner Verpflichtung nachkommen und Finnegans Vitalwerte stabilisieren, hätte er am liebsten Jim in die Arme gezogen und beruhigt. Was war nur passiert? Jim ließ sich leicht provozieren, aber niemals so sehr, dass er dermaßen die Beherrschung verlor.

Es blieb ihnen jedoch keine Zeit darüber zu reden. In weniger als fünf Minuten waren die Sanitäter vor Ort, luden Finnegan auf ein Spineboard und ließen sich zusammen mit ihm zur Notaufnahme beamen. Und noch während Leonard sich rudimentär um Jims Verletzungen kümmerte und versuchte herauszufinden, was geschehen war, kamen zwei Sicherheitsoffiziere und nahmen Jim in Gewahrsam. Leonard versuchte sie mit Regularien davon zu überzeugen, dass er Jim zunächst medizinisch versorgen musste, was ihm jedoch nur unter strenger Beobachtung erlaubt wurde. Als Jims Zustand sich zu unbedenklich gebessert hatte, führte die Sicherheit ihn ab und ließ Leonard allein mit seinen wirren Gedanken in dem Quartier zurück.

Draußen auf dem Korridor versammelten sich zunehmend Kadetten in Schlafgewändern, die neugierige und fragende Blicke in die Räume warfen. Leonard schenkte ihnen jedoch keine Beachtung und sah sich stattdessen in dem Quartier um. Er versuchte nachzuvollziehen, was geschehen sein könnte. Finnegans Zustand war kritisch, aber er lebte. Zumindest hatte Leonard ihn entsprechend stabilisieren können – darauf kam es an. Nicht auszudenken, wenn Jim recht gehabt hätte, und Finnegan tatsächlich seinen Verletzungen erlegen wäre. Allerdings mussten sie jetzt irgendwie klären, was geschehen war und vor allem beweisen, dass Jim nicht vorsätzlich gehandelt hatte. Hätte er doch nur mit Jim reden können ...
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