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Der Nebel

von Janora, Wolf

Deck 6

Mit dem Turbolift fuhren sie auf das nächste Deck. Der Nebel schien hier dichter zu sein und damit nahm auch das Lichtlevel ab. Glücklicherweise war noch genug Helligkeit vorhanden, dass sie keine Taschenlampen brauchten. Dennoch war alles in diesen hellen Dunst von Nebelpartikeln in der Luft gehüllt, was den Gängen einen unwirklichen Anschein verpasste.
Die beiden setzten ihren Weg auf der Suche nach Verletzten fort.
McCoy hielt den Tricorder in der Hand, und scannte permanent, nur um sicher zu gehen. Dabei war er so konzentriert, dass er nicht schlecht erschrak, als ihn etwas an der rechten Schulter berührte. Chapel war es nicht, denn die stand auf seiner linken Seite.
“Doktor?!”
Die Stimme war weiblich und McCoy glaubte Furcht in ihr mitschwingen zu hören.
Der Nebel war mittlerweile so dicht, dass er nicht viel mehr von der Person sehen konnte, als ihren Umriss.
Doch dadurch, dass er sich umgedreht hatte, erfasste das Gerät in seiner Hand automatisch die Person vor sich und erkannte sie als Mensch.
Er ergriff den Arm, zog ihn näher.
Eine ältere Frau in blauer Wissenschaftsuniform stolperte ihnen entgegen und schien sehr erleichtert die beiden zu sehen.
“Sind Sie verletzt?”, fragte der Arzt direkt und musterte sie eingehend. Äußerlich schien ihr, bis auf die offensichtliche Panik, nichts zu fehlen.
Sie schüttelte den Kopf. “Nein, aber jemand auf dem Observationsdeck.” Sie deutete vage hinter sich in die Richtung, aus der sie wohl gekommen war.
Leonard folgte der Geste mit einem Blick, sah aber außer Nebel natürlich nichts.
“Bringen Sie uns hin.”

Natürlich wusste er selbst recht gut, wo das entsprechende Deck war, aber die eingeschränkte Sicht ließ alles ein wenig anders aussehen und er wollte der Wissenschaftlerin etwas zu tun geben. Eine kleine Ablenkung, damit sie sich etwas beruhigte. Mit schnellerem Schritt als zuvor liefen die drei den Gang entlang, bogen einmal ab und gelangten dann durch eine offene Tür auf das Aussichtsdeck mit dem großen Fenster.
Davon war nicht viel zu sehen, denn der gesamte Raum war von Dunstschwaden eingehüllt und sie mussten beim Laufen aufpassen, dass sie nicht gegen plötzlich auftauchendes Mobiliar stießen.
“Dort drüben.”
Die Wissenschaftlerin war ein paar Schritte voraus und dadurch nur noch schemenhaft sichtbar, weswegen sie mehr ihrer Stimme folgten. Diese nahm wieder eine höhere Oktave an, weswegen Leonard Christine einen schnellen Wink gab, sich um sie zu kümmern, während er sich nach dem Patienten umsah.
Er stieß auf eine Wand und orientierte sich an ihr entlang, als er jemanden sah, der daran gelehnt auf dem Boden saß. Einen Meter weiter bemerkte er, dass sie zu spät waren, denn derjenige starrte mit vor Panik aufgerissenen, aber leblosen Augen ins Leere und sein gelbes Oberteil war über und über mit Blut bedeckt.

McCoy stieß einen Fluch von sich und kniete sich neben den Toten, um ihn zu scannen.
Jemand oder etwas hatte ihm die Bauchdecke inklusive Peritoneum aufgerissen und neben Dünndarm auch die Aorta Abdominalis beschädigt. Der Crewman war an dem extremen Blutverlust, innerhalb weniger Minuten verstorben. Die Verletzung musste mit einem langen, scharfen Gegenstand, schnell und mit hohem Kraftaufwand zugefügt worden sein.
Selbst, wenn die Tat vor seinen Augen geschehen wäre, hätte er kaum noch etwas unternehmen können. Die Aorta war bei einem Erwachsenen etwa so dick wie der kleine Finger und stand unter direktem Druck vom Herzen. Selbst ein kleiner Riss hätte sich schnell geweitet und der Patient war schneller tot, als es jedem Arzt lieb war.
Was McCoy aber noch schlimmere Bauchschmerzen bereitete war die Tatsache, dass der oder die Verantwortliche für die Tat noch hier irgendwo durch die Gänge schlich.
Damit hatten sie ein großes Problem.
Er stand auf und ging zurück, wo er die anderen beiden Damen vermutete.
“Chapel?”, fragte er durch den Nebel hindurch, um sich zu orientieren.
“Hier”, kam es gedämpft zu seiner linken und er drehte sich in ihre Richtung. Schneller als vermutet, erreichte er die beiden mit wenigen Schritten.
Christine hatte die Crew-Kollegin auf einen Stuhl gesetzt und legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm, doch sie hatte noch immer diese roten Stresspusteln im Gesicht. Erwartungsvoll blickten sie beide dem Arzt entgegen. Als die Schwester jedoch seine grimmige Miene sah, wusste sie bereits, wie der Stand war und hakte nicht weiter nach.
McCoy wandte sich zunächst an die Wissenschaftlerin.

“Entschuldigen Sie bitte, in der Eile eben konnten Sie sich uns gar nicht richtig vorstellen.” Er hatte einen Ton aufgesetzt, der ganz im Kontrast mit der geschärften Situation stand, aber für Patienten vorbehalten war, die aufgebracht waren und die er in eine sachliche Ruhe bringen wollte. “Ich bin Doktor McCoy und das ist Schwester Chapel.”
Die Wissenschaftlerin nickte.
“Doktor Wilhelmsen”, stellte sie sich vor. Sie sprach hastig und ihre Augen huschten immer wieder umher, als wollte sie sich versichern, dass hier sonst niemand im Raum war. “Else Wilhelmsen. Abteilung für Molekularbiologie. Ich kenne Sie natürlich, Doktor McCoy.”
Dieser nickte. “Und Schwester Chapel hier haben Sie sicher auch schon mal auf der Krankenstation gesehen.”
“Ja, ich denke schon.”
“Gut, erzählen Sie mir bitte, was passiert ist”, bat der Arzt sie.
Wilhelmsen atmete tief durch und strich sich eine verirrte, leicht ergraute Strähne hinters Ohr.
“Ich hatte eigentlich Nachtschicht, wollte aber trotzdem die eine Testreihe noch beenden, also bin ich ein paar Stunden länger geblieben. Als ich dann endlich zu meinem Quartier aufbrach, war ich schon ziemlich müde und in Gedanken habe ich schon mein Bett rufen hören. Als ich dann aus dem Turbolift trat war ich umso mehr erschrocken über den Nebel. Ziemlich schnell war mir klar, dass es kein Rauch war. Trotzdem sah alles anders aus, wenn man nur wenige Meter weit sehen kann. Um ehrlich zu sein habe ich mein Quartier nicht gefunden und bin hier oben wohl mehrfach im Kreis gelaufen. Allmählich habe ich dann Panik bekommen und dann war da dieser Schrei. Ab da hatte ich wirklich Angst und hoffte, so schnell wie möglich mein Quartier zu finden, betend , dass dort nichts von diesem Zeug in der Luft ist. Ich bin aber trotzdem dorthin gelaufen, wo der Schrei herkam; ich hätte es absolut nicht mit meinem Gewissen vereinbaren können, wäre ich der Sache nicht nachgegangen.”

“Das war sehr mutig von Ihnen”, sagte Christine mit einem ermutigenden Ton.

“Und als ich ihn da liegen sah, bin ich los um Hilfe zu holen. Als ich dann Sie traf, dachte ich zuerst Sie wären derjenige, der das hier gemacht hat. Das hat mir Angst gemacht. Doch dann erkannte ich, dass sie der CMO sind.” Offenbar durchlebte sie die Situation gerade noch einmal, denn man konnte das Beben in ihrer Stimme hören.
Gerne hätte Christine ihr ein Glas Wasser gereicht, wenn sie gerade eines zur Hand gehabt hätte oder sie wüsste, wo sich der nächste Nahrungsverteiler befand. Sie begnügte sich damit, ihr weiterhin beruhigend auf den Unterarm zu tätscheln.
Leonards Laune sank bei dem Bericht der Wissenschaftlerin noch mehr als ohnehin schon.
“Wo liegt Ihr Quartier? Wir können Sie dorthin begleiten”, bot er ihr dann.
Sie zögerte einen Moment.
“Wenn Sie nichts dagegen haben”, fing sie dann an “würde ich jetzt lieber nicht alleine sein. Kann ich Sie nicht begleiten?”
“Wir könnten Sie zu Weiss bringen”, schlug Christine ihrerseits vor.
Der Arzt wägte ab. Er konnte Wilhelmsens Einwände verstehen, allerdings war es für ihren Gemütszustand sicher auch nicht förderlich, wenn sie weiter mit ihnen beiden durch den Nebel lief. Wer wusste schon, was ihnen noch alles begegnete.
Chapels Idee war somit die beste, da er ohnehin nach Weiss sehen wollte.
“Wir bringen Sie auf die Krankenstation. Dort ist eine Kollegin von uns und kein Nebel.”
Zumindest war dort noch keiner, als sie aufgebrochen waren. Leonard dachte lieber nicht daran, was wäre, wenn sich dieser Zustand geändert hätte.
Wilhelmsen nickte. “In Ordnung.” Sie klang jetzt matt. Wahrscheinlich ließ die Aussicht auf baldige Ruhe ihre Müdigkeit durchschlagen.

Die drei Blauhemden bahnten sich ihren Weg zurück zum Turbolift. Für den Weg brauchten sie gefühlt die doppelte Zeit.  Der Nebel drückte auf’s Gemüt. Die weiße undurchdringliche Wand, die alles umhüllte und bedrückend wirkte.
Sie waren heilfroh, als sie den Lift erreicht hatten.
McCoy gab den Befehl, auf Deck sieben runterzufahren.
Die Türen öffneten sich und sie verließen die Kabine. Froh wieder auf bekanntem Terrain zu sein, welches sie bereits einmal durchquert hatten, bewegten sie sich durch den Nebel. Allerdings waren sie kaum ein paar Schritte weit gekommen, als eine Gestalt mit einem wütenden Schrei aus den Nebel sprang und mit seiner Waffe in Christines Richtung ausholte. Sie sprang zur Seite weg und konnte gerade noch der gekrümmten Klinge entkommen.
Der Angreifer richtete sich auf. Jetzt konnte man sein Gesicht erkennen und alle hielten den Atem an: er war ein Klingone.
McCoy hatte bereits reagiert, seine Arme um Chapels Schultern geschlungen, um sie zurück in den Lift zu ziehen und die Tür wieder zu schließen. Ihr selbst saß noch der Schreck in den Gliedern, den anderen ging es nicht anders.
“Also da kommen wir nicht durch. Nicht solange er da Wache hält”, sagte McCoy.
“Wie ist er denn an Bord gekommen?”, fragte sich Chapel. Sie fühlte wie ihr Arm ganz warm wurde.
Überrascht schaute sie an sich herunter; der Klingonen hatte sie wohl doch mit seinem Bat’leth getroffen. Jetzt rann Blut ihren Arm hinunter und tropfte über ihre Fingerspitzen zu Boden. Der Schnitt war mehrere Zentimeter lang.
“Vielleicht so wie der Nebel”, sagte Wilhelmsen.
Christine drehte sich zu den anderen um und nahm das Medkit von der Schulter. McCoy grübelte darüber nach, wie sie verfahren sollten.
“Wir müssen die Sicherheit informieren”, entschied er schließlich.
Die beiden Damen blickten ihn an.
“Pardon?”
“Erst dieser Nebel und jetzt der Klingone, das ist kein Zufall. Die Kommunikation ist noch immer unterbrochen. Vielleicht wissen die anderen noch gar nicht Bescheid, was hier vor sich geht.” Der Arzt ging langsam in dem kleinen Raum auf und ab. Bewegung half ihm immer gut, seine Gedanken zu ordnen. “Wir müssen die Sicherheit infor-... meine Güte, Chapel!”
Erst jetzt bemerkte er, dass seine Kollegin gerade dabei war, sich den Arm zu verarzten.
“Es ist nicht so schlimm”, wehrte sie ab, konnte McCoy aber nicht daran hindern, sich das ganze selbst einmal anzusehen.
“Nur ein Schnitt, dafür haben wir etwas dabei”, stellte er erleichtert fest.
Christine verdrehte die Augen. “Danke, das habe ich auch diagnostiziert. Zufällig bin ich auch im Gesundheitswesen tätig.”
Diese kleinen Kabbeleien waren zwischen den beiden nicht unüblich, weswegen Leonard nachgab und sie stumm ihre Arbeit machen ließ.
Sie hatte die Blutung im groben gestoppt und war dabei den Schlitz mit dem Dermal-Regenerator zu verschließen. Kein Mediziner mochte es verarztet zu werden, frei nach dem Zitat ‘Ich will keine Hilfe. Ich helfe Leuten.’
“Und wie bewerkstelligen wir das?”, fragte Wilhelmsen und kam damit zurück zum Thema.
“Wir schlagen uns bis zu Brücke durch”, antwortete McCoy, auch wenn er sie damit einer weiteren psychischen Belastung aussetzte.
“Wir sollten an einem Waffenschrank halt machen, falls wir nochmal einem Klingonen begegnen”, schlug Chapel vor. Sie war fertig damit den Schnitt zu verschließen und was übrig blieb war eine dünne dunkelrote Linie aus Grind. Sie verstaute die Ausrüstung wieder im Koffer.
“Wissen Sie, was mich wundert?” Wieder war es die Wissenschaftlerin, die die Frage stellte. Sie blickte nachdenklich auf die Tür des Lifts und bemerkte die abwartenden Blicke der beiden Mediziner gar nicht. “Warum versucht der Klingone nicht, uns zu töten? Ihn und uns trennt nur diese schmale Wand hier.” Sie legte eine Hand auf die Tür. “Für einen Klingonen ein Kinderspiel.”
“Wir werden bestimmt nicht aufmachen und nachsehen”, erwiderte McCoy und drückte stattdessen auf den Knopf, der sie zur Brücke fahren lassen sollte. Allerdings bewegte sich der Turbolift kein Stück. “Oh bitte, das jetzt nicht auch noch”, fluchte er und versuchte das Problem zu lösen, indem er mehrmals hintereinander auf den Knopf haute. Ein Ruck ging durch den Lift, bevor er langsam nach oben stieg.
Christine atmete erleichtert auf, hatte gar nicht bemerkt, dass sie die letzten Sekunden die Luft angehalten hatte.
“Was auch immer die Klingonen vorhaben, wir sollten uns beeilen.”
Leonard nickte. Er checkte erneut seinen Kommunikator, doch an der blockierten Leitung hatte sich nichts geändert.
Die Tür des Liftes, der viel zu schnell stehen geblieben war, um schon auf der Brücke angekommen zu sein, öffneten sich und Nebel waberte ihnen langsam entgegen.
“Deck Fünf”, las Chapel vom kleinen Display an der Wand. “Wir könnten in die Offiziersmesse gehen und von dort weiter hinauf.” Ihr Blick fiel auf Wilhelmsen, die seit der Begegnung mit dem Klingonen außerordentlich still geworden war. Sie sah auch sehr blass aus.  “Geht es Ihnen gut?”
“Nein”, erwiderte die Wissenschaftlerin und straffte ihre Schultern ein wenig. “Aber es wird schon gehen.”
Nicht, dass sie eine große Wahl hätte.
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