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Außenseiter

von Oriane

Kapitel 3

Am Abend trafen sich die fünf Außenseiter wieder im Casino. Sie hatten sich einen abgelegenen Tisch gesucht – was gar nicht so einfach gewesen war -, um dem ganzen Trubel zu entgehen, den die Station mit sich brachte. Captain Janeway hatte die Pforten für nahezu jedermann geöffnet und offenbar waren Neelix Kochkünste irgendwo hoch angepriesen worden. Jedenfalls war das Casino überfüllt mit Leuten, die gerne eine Portion von seinem Leolawurzelauflauf erhaschen wollten. Beinahe die gesamte Crew der Voyager konnte das natürlich nicht nachvollziehen. Die einzige, von der Marla wusste, dass sie die Wurzeln gern aß, war Seven und die hatte sicher keine Werbung auf der Station betrieben. Es kam ihnen heute zugute, dass niemand von der Crew Zeit mit ihnen verbringen, oder auch nur in ihrer Nähe sitzen wollte, also leerte sich der Tisch, an den sie sich dazu gesellten, recht schnell und sie waren allein. Geschützt von der allgemeinen Geräuschkulisse konnten sie sich unbemerkt unterhalten.
Noah und James waren den ganzen Tag dazu eingeteilt gewesen, zusammen mit dem Doktor eine Inventur der medizinischen Vorräte zu machen und danach alles ins Verzeichnis einzutragen, was sie an Aufstockungen erhalten hatten. Beide beschwerten sich über maßlose Langeweile dabei, aber Angelo übertrumpfte die beiden schnell.
»Ich habe den ganzen Tag damit zugebracht, Plasmainjektoren zu schrubben. Der Staub hängt mir nach drei Durchgängen in der Schalldusche immer noch in den Haaren und diversen Körperöffnungen.«

Brian, der es diesmal nicht besonders schwer getroffen hatte, schmunzelte, hütete sich aber, einen Kommentar abzugeben. Er war der einzige, der es halbwegs in die Nähe der Station geschafft hatte, denn er war als Sicherheitsmann an der Luftschleuse eingesetzt worden. Daher war er nun auch die Quelle der spannenden Geschichten diesen Abend. Eigentlich hatte man seinen Kollegen und ihn angewiesen, sich nicht mit den eintreffenden Gästen zu unterhalten, aber das hatte sich als kaum möglich herausgestellt. Zu gesprächig waren die Leute hier, also hatten die beiden sich kurzerhand über ihre Befehle hinweggesetzt. Brian hatte die Initiative ergriffen und sich nach dem Leben auf der Station umgehört.
»Der Komplex gehört nicht einer einzigen Spezies, oder wird von ihr verwaltet. Zwar wurde der Kern irgendwann mal von den Aelar erbaut, aber es haben sich schnell andere Spezies angeschlossen und eine Art Allianz erschaffen. Sie existiert sein ungefähr 500 Jahren. Selbst zu Kriegszeiten war die Station immer neutraler Boden. Hier ist es egal, woher man kommt, jeder ist Willkommen, vorausgesetzt, man hält sich an die Regeln.«
»Das klingt wirklich nicht schlecht«, seufzte Angelo. »Wie viele Leute leben auf der Station?«
»Darüber waren sich meine Gesprächspartner nicht ganz einig. Zwischen zwei und dreitausend vermute ich. Es gibt viele, die nur zeitweise ein Quartier hier haben und eigentlich auf ihren Schiffen leben. Oder Händler, die zwischen ihren Planeten und der Station pendeln. Aber es muss einen festen Kern geben, der das ganze Ding am laufen hält. Ich bin sicher, der ein oder andere Techniker oder Ingenieur ist nicht unwillkommen, wenn nicht sogar dringend gesucht.« Er warf Marla einen Seitenblick zu.
»Ich habe heute Aschenputtel gespielt und Schrott von nützlichem Schrott getrennt«, berichtete sie. »Ich fühle mich kaum mehr wie ein Ingenieur. Es ist Wahnsinn, was Neelix erhandelt hat. Ich hoffe, er hat dafür nichts allzu wertvolles weggegeben. Bis auf diesen merkwürdigen mit Dilithium durchzogenen Topf war kaum etwas dabei, das annähernd einen Wert für uns hat.«
Sie startete einen erneuten Versuch, Neelix Leolawurzelauflauf herunterzukriegen. Bisher war sie kläglich gescheitert und auch diesmal wurde es nicht besser. Angewidert gab sie schließlich auf und schob ihre Portion von sich.
»Hört sich an, als wartet für uns alle dort ein besseres Leben. Du wärst wieder Ingenieur, wir müssten keine Replikatorrationen mehr sparen, Marla«, argumentierte Noah und warf ihr dann einen verschwörerischen Blick zu.
»Wir bekommen keine Replikatorrationen, die wir sparen könnten, schon vergessen?«, entgegnete sie.
»Und keine Leolawurzeln mehr«, fuhr er unbeeindruckt fort. Da musste sie ihm nun rechtgeben.
Und auch Angelo nickte zustimmend. »Endlich wieder tun, was einem Spaß macht. Ich hatte wahrscheinlich seit Jahren keinen Spaß.«
»Auf der Equinox sicher nicht«, brummte James. Sein Gesicht verfinsterte sich und Marla konnte sich lebhaft vorstellen, woran er gerade dachte. Die vielen Tode, der tägliche Kampf ums Überleben, der schließlich dazu geführt hatte, dass sie alle ihre moralischen Vorstellungen Stück für Stück aufgegeben hatten. Seit sie zurück auf der Voyager waren, wurden alle fünf täglich mehrmals hart von der Moralkeule getroffen, die die Atmosphäre auf dem Schiff ausmachte und es am Leben hielt. Sie alle wussten, dass sie Fehler gemacht hatten, aber sich dem auch emotional bewusst zu werden, dazu waren sie noch nicht bereit. Wäre ein Counselor an Bord gewesen, er hätte die helle Freude mit ihnen. Und was Marla selbst anging, Verdrängung schien ihr im Moment die wirksamste Methode zu sein. Wenn sie auf der Station ein bisschen Spaß und Lebensfreude wiederentdeckte, würde das ihrer Verfassung wirklich nicht schaden.
»Ihr wollt das also wirklich durchziehen?«, fragte sie schließlich. Die vier Männer sahen sich an, dann nickten sie einer nach dem anderen. Ein mulmiges Gefühl stieg in Marla auf. Als hätten sie alle einen Schalter umgelegt, legte sich eine verschwörerische Stimmung um den Tisch.
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte James schließlich, und besiegelte damit den Entschluss, von Bord gehen zu wollen. Sie gingen also tatsächlich in die Planungsphase über.
»Ich würde gerne vorher die Station besichtigen», warf Angelo ein.»Vielleicht gefällt es uns dort trotz aller positiven Geschichten nicht. Außerdem müssen wir auch einiges an Vorbereitungen dort treffen. Wer weiß, ob wir einfach so eine Unterkunft dort finden. Irgendwo müssen wir bleiben in der ersten Zeit. Außerdem haben wir kein Geld und nichts zum tauschen außer unseren persönlichen Sachen und ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich bin nicht bereit, das wenige, was ich noch habe, einzutauschen.»
Die drei anderen Männer nickten zustimmend, dann richtete Noah sich auf. Marla hatte erwartet, dass er die Führung übernehmen würde, es wunderte sie also gar nicht, als er begann, die Fäden zusammenzunehmen.

»Brian, hast du morgen wieder Dienst an der Schleuse?»
Der Angesprochene schüttelte den Kopf.»Nein, aber ich kann versuchen, mit Crewman Liu zu tauschen. Wenn ich ihr sage, dass ich sonst nicht näher an die Station heran komme, weil ich das Schiff nicht verlassen darf und aber so«, er zog das Wort in die Länge, »neugierig bin, könnte sie zustimmen. Ich kann ein bisschen jammern, Liu hat ein weiches Herz und wir verstehen uns aller Feindseligkeit zum trotz ganz gut. Die anderen bei der Sicherheit machen sich immer darüber lustig, dass sie nicht damit klarkommt, wenn jemand weint, sogar wenn dieser jemand eine Waffe auf sie richtet. Ich bin sicher, dass ich sie kleinkriegen kann.»
»Okay, wenn es klappt, sammelst du so viele Informationen über mögliche Unterkünfte und Jobs, wie du kannst. Angelo, meinst du, du kannst über versteckte Kanäle einen Offiziellen der Station kontaktieren und fragen, ob sie Personal gebrauchen können? Am besten jemanden, der nicht mit Captain Janeway in Verbindung steht. Ich will nicht am Ende als Tellerwäscher dastehen, da kann ich auch genauso gut auf der Voyager bleiben und auf die nächste Gelegenheit warten.«
Eindringlich sah er einen nach dem anderen an. »Ich will, dass es uns besser geht, verstanden? Wir geben uns mit nichts weniger zufrieden als dem besten, das wir kriegen können. Und wenn das auf dieser Station nicht auf uns wartet, dann vielleicht auf dem nächsten Klasse M – Planeten. Wir haben so lange darauf gewartet, dass alles besser wird, da werde ich mich nicht mit einem Kompromiss abspeisen lassen.»
Angelo hatte eine Sorgenfalte zwischen seinen Augen entwickelt, während er seinem Freund zugehört hatte, aber er stimmte schließlich zu.»Ich kann versuchen, heimlich jemanden zu kontaktieren, aber nur wenn Torres nicht anwesend ist. Die merkt alles. Und Vorik ist auch zu aufmerksam. Gibt es eine Möglichkeit, die beiden abzulenken?»

Alle Augen richteten sich auf Marla, die dem ganzen bisher skeptisch gefolgt war. Es war keine gute Idee, das Schiff auf betrügerische Art und Weise zu verlassen. Es würde nur das ohnehin verletzte Vertrauen von Captain Janeway vollständig zerstören und wenn alles schief ging, landeten sie vielleicht sogar für den Rest der Reise in einer Zelle. »Wieso fragen wir nicht einfach Captain Janeway, ob wir gehen dürfen?»
Noah seufzte.»Sie würde uns zum bleiben überreden. Und selbst wenn nicht, würde sie uns nicht die Möglichkeit geben, uns vorher umzusehen. Und Startkapital würden wir auch nicht bekommen, da bin ich sicher. Die Frau traut uns nicht. Niemand hier traut uns. Wieso sollten wir uns jemandem anvertrauen?»
Weil gegenseitiges Vertrauen etwas sehr wichtiges ist, lag es Marla auf der Zunge. Eine Seite musste nur anfangen. Aber sie schwieg. Sie erinnerte sich gar nicht mehr, wann sie das letzte mal ihren Standpunkt durchgesetzt hatte. Es musste Jahre her sein, bevor sie im Deltaquadranten gestrandet waren und ihr Überleben abhängig von Entscheidungen ihrer Vorgesetzten war.
»Also, Marla, kannst du Vorik beschäftigen?»
Sie überlegte kurz.»Ich denke schon. Er hat meine Arbeit von heute noch nicht überprüft. Die Liste der Geräte, die ich überprüft habe, ist noch nicht im offiziellen Archiv. Ich bin sicher, ich kann da ein paar Zahlendreher reinbringen, dann hat er gut damit zu tun, jedes Teil nochmal auszupacken.»
»Die Liste ist noch nicht offiziell?», fragte Noah angespannt. Seine Augen huschten aufgeregt hin und her.
»Sagte ich doch. Vorik ist noch nicht dazu gekommen. Er wollte es morgen nachholen.»
»Hast du nicht gesagt, du hast etwas wertvolles gefunden?» Noah stellte die Frage ganz scheinheilig, aber sofort war alle Aufmerksamkeit auf Marla gerichtet. Er musste es nicht aussprechen, jeder wusste, was gemeint war. Unsicher sah sie von einem zum anderen.»Das ist nicht euer Ernst, oder?»
»Wieso denn nicht? Bisher weiß niemand, dass dieses Teil existiert! Du hast selbst gesagt, es liegt genug Schrott unten im Frachtraum, ein Teil mehr oder weniger fällt sicher nicht auf!»
»Wir können doch nicht auch noch Diebstahl begehen!»
»Was hat uns die Voyager bisher gegeben? Wir haben weder Privilegien, noch Freiheit, noch werden wir in der Crew akzeptiert. Ich finde es nur gerecht, wenn sie uns das bisschen Startkapital schenkt. Also, wie schwer wäre es, nochmal auf deine Liste zuzugreifen, den Eintrag zu löschen und das Ding mitzunehmen?»
Marla wog den Kopf hin und her.»Der Kram liegt in Frachtraum zwei. Seven ist die meiste Zeit dort. An ihr schmuggeln wir sicher nichts vorbei.»
»Dann müssen wir eben die Borg ablenken.» Marla sah Noahs Kopf auf Hochtouren arbeiten.»James, eine Idee?»
»Wir könnten sie zu einem technischen Problem zurate ziehen. Da fällt mir sicher etwas ein, das man später darauf zurückführen kann, dass ich einfach zu dumm war, das Problem zu lösen.»
»Sehr gut», lobte Noah feixend.»Also, James lenkt Seven ab, Marla, Angelo und ich suchen im Frachtraum nach Marlas PADD und dem Objekt. Zu dritt finden wir das sicher schnell. Brian, du stehst Wache.»
Die Männer nickten verschwörerisch, Marla kniff besorgt die Lippen zusammen. Ihr gefiel der Plan nicht. Sie wollte nichts stehlen, sie wollte das Vertrauen von Janeway und ihrer Crew nicht schon wieder missbrauchen. Aber ihr gebeuteltes Selbstbewusstsein sagte ihr, dass ihre Freunde sicher recht hatten. Ihren Optimismus hatte sie auf der Reise ebenso verloren. Sie würden niemals hier akzeptiert werden, wieso also nicht mit fliegenden Fahnen die Flucht ergreifen?
»Wann legen wir los?», fragte Angelo.
»Am besten natürlich, wenn die Borg noch nicht regeneriert», überlegte Noah.»Sonst müssten wir sie wecken. Sind Leute von der Gamma-Schicht für den Frachtraum eingeteilt?»
Marla schüttelte den Kopf.»Vorik wollte Chaos vermeiden und hat nur eine Schicht darauf angesetzt.»
»Perfekt! Dann würde ich sagen, wir legen gleich nach dem Essen los.»
Wieder zustimmendes Nicken.
»Essen ist sowieso vorbei», stellte Brian fest und deutete auf die fünf beinahe unberührten Teller mit Leolawurzelauflauf.
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