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Außenseiter

von Oriane

Kapitel 4

Marla musste sich sehr bemühen, nicht schuldbewusst auszusehen, obwohl sie noch gar nichts verbrochen hatte. Die fünf waren aufgestanden und hatten das Casino verlassen. Seitdem fühlte sie sich beobachtet. Jedes Mal, wenn ein Crewmitglied sie seltsam von der Seite ansah, dachte sie, sie wären bereits erwischt worden, dabei waren es nur die üblichen misstrauischen Seitenblicke, die sie kassierten.
Der Weg zu Frachtraum zwei schien ihr endlos. Sie hatten vereinbart, sich zwischendurch aufzuteilen. Noah, James und Angelo sollten erst einmal nicht in Richtung Frachtraum gehen. Marla würde sich zusammen mit Brian dort umsehen und erörtern, ob jemand darin arbeitete oder regenerierte. Falls ja, würde Marla so tun, als hätte sie ein PADD vergessen und es abholen. Falls nicht, würden sie schon mit der Operation beginnen. Die andere Gruppe würde Seven of Nine lokalisieren, die Größte Bedrohung bei diesem Plan, und sie im Zweifel zu James treiben, der bereits daran arbeitete, sie eine Weile beschäftigen zu können. Dann wollten die anderen zum Frachtraum kommen, falls Marla den Topf noch nicht gefunden hatte.
Sie hatten es bereits hinunter auf Deck 7 geschafft, als sich ihnen ein ganz unerwartetes Hindernis in Form des Ersten Offiziers den Weg stellte.

»Ms Gilmore!» Chakotay stoppte und lächelte den beiden freundlich zu.»Sie wollte ich sprechen. Hätten Sie einen Moment Zeit?»
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Er hatte sie erwischt! Er hatte sie bestimmt erwischt und nun war er furchtbar enttäuscht und würde sie so oder so vom Schiff schmeißen. Halt suchend wandte sie sich an Brian, der genauso alarmiert aussah, wie sie selbst. Dann zuckte er beinahe unmerklich mit den Schultern und nickte ihr zu. Welche andere Wahl hatte sie schon, als der Bitte des Ersten Offizers zu folgen?
»Warte nicht auf mich», gab sie Brian zu verstehen und hoffte, dass klar war, was sie damit sagen wollte. Die Operation war hiermit vertagt worden. Der blonde junge Mann nickte und setzte seinen Weg fort.
»Sir?», fragte Marla dann und nahm Haltung an. Chakotay schien davon nicht besonders beeindruckt zu sein, er wirkte eher erschrocken von ihrer Reaktion.
»Stehen Sie bequem, Marla», versuchte er, sie zu beruhigen. Sie registrierte, dass er sie beim Vornamen nannte. Offenbar sollte dies kein Dienstgespräch werden. Falls er vom Plan der Equinox-Crew wusste, wollte er ihr ins Gewissen reden und sie so davon abhalten, ihren Freunden zu helfen? Aber wie kann der davon wissen, schalt Marla sich in Gedanken. Wir haben nichts getan. Diesen Satz wiederholte sie ein paar Mal im Kopf, bis sie ihn auch glaubte. Was hatte er vor?
»Gehen wir ein Stück?», fragte er dann und sie nickte perplex. Langsam schlenderten beide nebeneinander durch den Gang. Eine Weile schienen beide gegenseitig darauf zu warten, dass der andere etwas sagte, doch Marla hütete sich, ein Gespräch zu beginnen. Das würde nur schief gehen und sie würde sich womöglich verplappern.
Irgendwann ergriff Chakotay das Wort.»Wie geht es Ihnen, Marla?»
Sie hatte alles erwartet, von Vorwürfen bis zu gezielt gestellten Fragen nach ihrem Plan, aber nicht das. »Äh ... gut», antwortete sie automatisch und war sich bewusst, wie hohl das klang.
»Haben Sie und Ihre Kollegen sich mittlerweile etwas eingelebt?»
»Ja, Sir.» Sie blickte stur geradeaus und sah ihn nicht an, weshalb sie überrascht die Luft einsog, als er plötzlich stehen blieb und sie an den Schultern sanft zu sich drehte.
»Marla.» Eindringlich suchte er Blickkontakt.»Als Sie das erste mal auf der Voyager waren, wirkten Sie zwar erschöpft, aber Sie freuten sich über Gesellschaft. Viele in der Crew mochten Ihre angenehme Art, mich eingeschlossen. Jetzt wirken Sie verschlossen und verängstigt.»
Hatte er es wirklich nicht bemerkt? War er so blind, dass er die Blicke nicht sah, die die gesamte Crew ihr und den anderen vier zuwarfen? Sie konnte sich das nicht vorstellen und Wut stieg in ihr hoch.
»Bitte um Erlaubnis, offen zu sprechen, Sir.»
»Bitte.»
»Sir, bei allem Respekt, haben Sie sich mal umgesehen? Niemand möchte mit uns zu tun haben. Wir haben das Vertrauen aller hier an Bord missbraucht und es ist jedermanns gutes Recht, uns dasselbe nun zu verweigern. Fragen Sie sich da wirklich, warum ich meine Geselligkeit verloren habe?»
Als ob sie die nicht schon vor Jahren verloren hätte.
Betroffen schwieg Chakotay. »Es tut mir leid», sagte er dann. »Es war anmaßend von mir zu glauben, Sie würden sich direkt in die Crew einfügen, nachdem was Sie erlebt haben.«
»Machen Sie sich keinen Kopf. Das ist nicht ihre Schuld, sondern meine.»
»Das mag sein. Aber Sie sind jetzt Teil dieser Crew, Marla. Ihre vier Kollegen ebenso. Sie haben sich vorbildlich verhalten, seit Sie wieder hier sind. Das sollte die Crew registrieren und belohnen. Ich fürchte, Captain Janeway ist noch nicht bereit, Ihnen wieder Privilegien zuzusprechen, aber ich denke, das mindeste wäre es, wenn man Sie als Teil der Crew akzeptiert.»
Lächelnd schüttelte Marla den Kopf.»Das ist leicht gesagt, Commander. Aber die Verletzungen sitzen tief. Sie können der Crew nicht befehlen, uns plötzlich zu vertrauen.»
»Das nicht», stimmte er ihr zu.»Aber ich kann mit gutem Beispiel voran gehen. Was halten Sie davon, morgen 1300 im Casino. Ich lade Sie auf eine Replikatorration ein.»
Marlas Herz sackte ein Stück tiefer. War das ein Allmosen, oder meinte er es ernst. Jedenfalls hatte er es nicht besonders verlockend formuliert. Wenn er mit dieser Aktion jemandem half, dann sich selbst und seiner Position und weniger ihr.
»Commander, Sie müssen keine Zeit mit mir verbringen, nur damit ich mich besser fühle.»
Offenbar verstand er jetzt, was er da gesagt hatte, denn sein Gesichtsausdruck änderte sich von freundlich lächelnd zu erschrocken und dann zu verstehend. Er legte sanft eine Hand auf ihre Schulter und sah sie eindringlich an.»Sie sind mir sehr sympathisch, seit Sie das erste mal an Bord kamen. Sie haben Fehler gemacht, die Konsequenzen dafür spüren Sie deutlich und bestraft werden Sie dafür schon genug. Noch bin ich nicht ganz bereit, Ihnen jeden dieser Fehler zu vergeben, aber an einer Stelle muss man den Anfang machen. Ich genieße Ihre Gesellschaft, Marla, egal was in der Vergangenheit gewesen ist.»
Seine Augen sagten ihr, dass er es ernst meinte. Er wollte wirklich Zeit mit ihr verbringen und nicht nur ein guter Offizier sein und die Moral seiner Crew stärken. Sie gab es ungern zu, aber sie war gerührt. Es war lange nicht mehr vorgekommen, dass jemand sie als Person wertschätzte und nicht nur Zeit mit ihr verbrachte, weil eben ein Großteil der Crew tot war. Wann war ihr das Selbstbewusstsein abhanden gekommen, dass sie zuerst annahm, dass niemand sie wirklich mochte, weil sie so war, wie sie war?
»In Ordnung, Commander», stimmte sie schließlich zu und verzog die Mundwinkel zum Ansatz eines Lächelns .»Morgen Mittag im Casino.»
Ihre Zusage brachte das Lächeln auch auf Chakotays Gesicht zurück, sogar noch breiter als zuvor, sodass seine Grübchen zum Vorschein kamen. Kurze Zeit standen beide unschlüssig im Gang voreinander, dann verabschiedete er sich und ging Richtung Brücke.

Instinktiv schlug Marla die entgegengesetzte Richtung ein, nur um ihm nicht direkt wieder über den Weg zu laufen. Sie wollte gerade ihren Kommunikator betätigen, als Noah sich bei ihr meldete.
»Noah an Marla. Wie sieht es aus bei dir?»
»Ich bin wieder allein», antwortete sie. Mehr wollte sie zu dem Gespräch nicht sagen, bestimmt wurde sie sonst wieder damit aufgezogen, dass Chakotay sich für mehr interessierte, als nur für eine Freundschaft. »Alles in Ordnung bei euch?»
»Wir haben den Topf gefunden! Alles, was noch fehlt, ist die Korrektur in deiner Liste. Kannst du das noch machen?»
»Ihr habt was?» Entsetzt blieb sie stehen. Die Jungs hatten das alles also ohne sie durchgezogen. Allerdings musste sie zugeben, dass es sie wenig störte, bisher kein Teil dieser illegalen Aktion gewesen zu sein. Nun jedoch musste sie entscheiden, ob sie ihre Freunde deckte, oder nicht. Eigentlich sollte es ihr nicht schwer fallen. Diese Leute hatten unzählige Male ihr Leben gerettet, da war es das mindeste, was sie tun konnte, dafür zu sorgen, dass sie nicht aufflogen. und trotzdem rang sie mit sich. Der Fall war nicht unähnlich zu den Ereignissen, die dazu geführt hatten, dass sie Ransom zurück auf die Equinox gefolgt war. Der einzige Unterschied: Die Equinox gab es nicht mehr. Sollte sich ihre Loyalität langsam verschieben? Hatte die Voyager das verdient, oder zwang sie sie dazu?
Sie schlug wieder den Weg zum Frachtraum ein. Vielleicht war niemand dort, vielleicht konnte sie einfach hineinspazieren, einen Eintrag ändern, ihre Spuren verwischen und wieder gehen. Es würde am wenigsten Schaden verursachen. Falls sie ihre Freunde meldete, wären wieder alle enttäuscht, sowohl von den vier Männern, als auch von ihr. Und vielleicht würden sie dann doch noch für den Rest der Reise nach Hause in einer Zelle landen. Es war wohl das beste, wenn sie die Aktion deckte. Dann konnten sie immer noch entscheiden, ob sie die Voyager verließen, oder nicht. Nein, korrigierte sie sich, die anderen hatten es bereits beschlossen. Sie musste nur noch entscheiden, ob sie mitging. Falls ja, würde sie die Erde nie wieder sehen. Falls nein, dann bestand die Gefahr, dass ihre Beteiligung am Schwindel aufflog und es ihr hier noch schlechter ging als vorher. Sie dachte an Chakotays ehrliche Augen. Sie würde ihn maßlos enttäuschen.
Trotz allem betrat sie schließlich entschlossen den Frachtraum. Seven of Nine stand ein einer Konsole und fütterte sie mit Daten. Sie sah auf, als sie Marla bemerkte.»Crewman Gilmore. Kann ich Ihnen helfen?»
Eine Weile stand Marla in der Tür. Sie hatte wirklich vorgehabt, es durchzuziehen, aber jetzt, wo Seven vor ihr stand, brachte sie die Lüge nicht über die Lippen.
»Oh! Nein, vielen Dank, ich habe nur...ich habe mich nur im Deck geirrt.«
Beinahe fluchtartig und ohne Sevens Antwort abzuwarten verließ sie den Frachtraum wieder. Erst, als sie mehrere Quergänge neben sich liegen gelassen hatte, bremste sie ihren Schritt und stellte fest, dass sie doch nicht nur beinahe geflüchtet war. Schwer atmend lehnte sie sich gegen die Wandverkleidung und stützte die Hände auf die Knie, sodass mehr Luft ihre Lungen füllten. Was nun? Der Topf war immer noch im Verzeichnis, sobald es jemand kontrollieren würde, würde der Diebstahl also auffallen. Hatte sie morgen bei Schichtbeginn vielleicht noch die Möglichkeit, die Daten zu ändern? Sie konnte nur hoffen, dass Vorik kein Frühaufsteher war.
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