TrekNation

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Acht Charaktere und zwanzig besondere Begegnungen

von Seveny

Kapitel 4

Chakotay muss für einige Tage den Doktor im eigenen Quartier aufnehmen.


Alles in einem Aufwasch!

 

Mit raumgreifenden Schritten eilte er den Korridor entlang. Dem MHN zu erklären, dass die Krankenstation vorübergehend geschlossen werden musste, war eine undankbare Aufgabe, aber er hatte heute schon einige undankbare Aufgaben hinter sich gebracht. Diese würde auch nicht anders sein. Als die Krankenstation in Sichtweite kam, verlangsamte Chakotay den Schritt. Er atmete einige Male durch, dann gab sich einen Ruck und betrat das Reich des Doktors.

 

„Commander!" Überrascht stellte das MHN ein Reagenzglas in die Halterung zurück und wandte sich ihm freundlich zu. „Was kann ich für Sie tun?"

 

„Es tut mir leid, Doktor. Wir werden in nächster Zeit auf Modus grau wechseln, damit wir in drei Tagen einen Klasse-J Nebel erreichen können. Wir legen daher die Quartiere zusammen und schalten alles, was nicht zwingend erforderlich ist, ab. Die ganze Sektion hier wird geschlossen." Schon bei seinen letzten Worten konnte Chakotay sehen, wie die Mundwinkel des MHN nach unten wanderten und sich an der Nasenwurzel eine Zornesfalte bildete.

 

„Sie halten mich für ‚nicht zwingend erforderlich? Ich bin Arzt!" Unruhig lief der Doktor durch den Raum, um schließlich am Terminal stehenzubleiben. „Sie wissen ja gar nicht, was auf dem Spiel steht! Ich stehe kurz vor einem wichtigen Experiment."

 

Der Doktor sah, wie der Commander fragend die Brauen hob, und wies auf den Bildschirm. „Ich habe meinen Subroutinen Teraquads an Daten bezüglich der Nahrungsaufnahme hinzugefügt. Wenn ich nicht wieder eine Kaskadenüberladung riskieren will, sollte ich diese Dateien nur temporär in meinem Programm integrieren und dazu muss ich aktiviert bleiben." „Sie können ab jetzt Nahrung zu sich nehmen und verdauen?", interpretierte Chakotay die Zahlenkolonne am Terminal.

 

„Das dürfte eine interessante Erfahrung für Sie werden."

 

„Mehr als das, Commander! Ich werde drei Tage wie ein Mensch leben - mit allen Vor- und Nachteilen." Visionär sah er in die Ferne, als könne er die einzelnen Vorgänge jetzt schon deutlich spüren. „Ich werde nachempfinden können, was es heißt, zu kauen, zu schmecken, zu verdauen, Bauchweh oder Verdauungsprobleme zu haben und ..." Er stoppte kurz und rieb sich das Kinn. „Na ja ... ich werde auch bestimmte stille Orte aufsuchen müssen." Er fasste dem Commander nachdrücklich an den Arm. „Drei Monate Arbeit - bitte!"

 

Chakotay seufzte. Manchmal war er einfach zu weich für diesen Job.  Die Mühe, die sich das MHN machte, um die menschliche Natur besser zu verstehen, sollte eigentlich unterstützt werden. „Sie müssten trotzdem die Krankenstation verlassen, die Energie wird auf der gesamten Sektion abgestellt."

 

„Ich könnte mit dem mobilen Emitter aktiviert bleiben und in Ihrem Quartier meine Versuche weiterführen. Sie verfügen über ausreichend Platz und einen Herd. Ich könnte dort kochen und meine Beobachtungen und Messwerte eintragen."


Chakotay rieb sich das Kinn. Natürlich wäre das eine Möglichkeit, aber wollte er das? Er hatte an einen pflegeleichten Partner wie Harry oder Jenkins gedacht. Er sah zu Boden, als könnte er dort eine Ausrede finden, dann schloss er kurz die Augen und atmete tief durch.


„Na schön, es sind ja nur drei Tage ...", antwortete er, obwohl er ahnte, dass es ein Fehler war.

 

 

Gleicher Tag, abends nach Dienstschluss

 

Hastig steuerte der Erste Offizier auf sein Quartier zu. Jetzt erstmal eine Dusche! Wenn ich bis zum Abendessen mit Kathryn wieder zu den zivilisierten Menschen gehören will, sollte ich mich beeilen.


Er gab den Türcode ein und trat, ohne sich umzusehen, in den gedimmten Raum. Ein Rumpeln, ein Krachen - Autsch!

 

Verdammte Stolperfalle!

 

Sprachlos rieb er sich das schmerzende Knie. Wo kamen die ganzen Kisten und Kartons her? Das musste die gesamte Einrichtung der Krankenstation sein! Der Herd, der sonst dezent an der hinteren Wand stand, war nach vorne gezogen worden. Dafür hatte der Doktor die Energieleitungen aus der Verkleidung genommen und über den Boden durch das halbe Zimmer geführt.

 

„Commander!"


Das MHN kam aus dem Bad geeilt und wischte sich gerade die Hände an der Uniform trocken. „Ich war so frei und habe einige Kleinigkeiten, die ich für meinen Selbstversuch benötige, hierhergebracht. Ich werde selbstverständlich noch alles aufräumen."

 

Mit unbeweglicher Miene starrte der Commander das MHN an. Nicht nur das Chaos irritierte ihn, auch der Geruch, der aus dem Bad kam. „Ihr Selbstversuch läuft schon?"

 

„Ja! Ist das nicht fantastisch? Ich hatte das erste Mal in meinem holografischen Leben echten Stuhlgang."

 

„Ich sollte duschen ...", wandte Chakotay vorsichtig ein. „Ich bin um 18.00 Uhr mit dem Captain verabredet."

 

„Nur zu. Ich habe die Umweltkontrollen schon den erhöhten Anforderungen angepasst. Also duschen Sie!" Leise trällerte er vor sich hin und packte die erste Kiste mit allerlei Küchengeräte aus.


Chakotay warf sprachlos einen letzten Blick auf das Chaos, dann ging er ins Bad. Womit habe ich das verdient?

 

 

Dreißig Minuten später

 

 

Prüfend betrachtete sich Chakotay im Spiegel und drehte sich von Seite zu Seite. „Doktor, wenn ich wiederkomme, haben Sie Kartons und Kisten weggeschafft. Ihr Geschirr können Sie im Bad abspülen und vergessen Sie nicht die Umweltkontrollen nach dem Kochen auf Maximum einzustellen."

 

„Commander! Sie können sich ganz auf mich verlassen. Es ist ja nicht so, als wenn ich noch nie gekocht hätte."„Sicher ... aber aufräumen mussten Sie bisher noch nie!"„Ich habe mir schon einen genauen Plan erstellt. Ich habe alles im Griff", grinste das MHN. Chakotay warf ihm einen kritischen Blick zu. Die auffällig gute Laune des Doktors wirkte wie die berühmte Ruhe vor dem Sturm.

„Was werden Sie heute eigentlich kochen?"


„Zwiebelsuppe. Die Fruktane aus der Zwiebeln sind gegen Influenza-A-Viren wirksam. Ich werde erstmal dokumentieren, wie Zwiebelgenuss sich auf den Verdauungstrakt auswirkt, dann werde ich die Fruktane isolieren und mit der levodianischen Grippe kombinieren.

 

"Zwiebeln?" Chakotay atmete nochmal tief durch und verließ fluchtartig den Raum. „Vergessen Sie die Umweltkontrollen nicht, Doktor."

 

 

Spät nachts im Quartier des Captains

 

 

„Ich danke dir für den schönen Abend." Er nahm ihre Hand und zog sie sanft an der Taille zu sich, bis er ihren Atem spüren konnte.

 

Ihr Blick war ganz weich, als sie, ein wenig wie zur Abwehr, ihre Hände auf seine Brust legte. „Ich danke dir auch ... für das Abendessen ..." Sie brach verlegen ab.

 

Seine Hand schob sich langsam von der Taille aufwärts in Höhe der Schultern. Ein warmes Prickeln breitete sich aus und das vertraute Gefühl von Verlangen stieg in ihm hoch. Wie viele Abende hatten sie schon so dagestanden und wie oft hatte er sich möglichst schnell aus ihrer Nähe gelöst? Sein Herzschlag beschleunigte sich. Heute wollte er die Umarmung nicht sofort auflösen. Einmal den Moment auskosten, die magische, elektrisierende Atmosphäre zwischen ihnen spüren und festhalten. Die vielen unausgesprochenen Worte waren fast hörbar, auch ohne dass sie sprachen. Zärtlich strich er ihr einige Strähnen aus dem Gesicht und kam ihr dabei gefährlich nah.

 

„Schlaf gut", flüsterte er leise und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Ohne eine Reaktion abzuwarten, wandte er sich ab und verließ das Quartier.



Kurze Zeit später stand Chakotay vor seinem Quartier und konnte schon von Weitem einen seltsamen Geruch wahrnehmen. Der Doktor hat die Umweltkontrollen vergessen.Ärgerlich öffnete er das Quartier und ein würziger Zwiebelduft schlug ihm entgegen.


„Computer? Lichtintensität auf 100% und Umweltkontrollen auf Umkehrschub."


Erleichtert nahm er das leise Rauschen des Systems zur Kenntnis, dann sah er sich um. Das MHN war nirgends zu sehen, dafür türmten sich Töpfe und Pfannen in schwindelerregenden Höhen übereinander auf. Wütend ballte er die Faust. Ich bringe ihn um! Er wird sofort aufräumen und abwaschen! Immer noch standen Kisten und Kartons kreuz und quer im ganzen Quartier herum. Hatte der Doktor eigentlich die gesamte Einrichtung der Krankenstation inclusive aller Gerätschaften aus Neelix´ Küche hierher gebracht und dann zum Kochen verwendet? Er schob sich ärgerlich daran vorbei, immer bemüht auf keinen der zahlreichen Teller, Kekse und andere Essensreste zu treten. Anscheinend hatte es nicht nur Zwiebelsuppe gegeben. Als er endlich den Hindernis-Parkour hinter sich gebracht hatte, blickte er ins Schlafzimmer. Das MHN lag in einer Decke eingerollt und schnarchte. Gereizt machte er einige Schritte auf den schlafenden Doktor zu, packte ihn am Kragen und zog ihn hoch.

 

„Doktor, haben Sie nicht etwas Entscheidendes vergessen? Wie wäre es mit Abwaschen und Aufräumen?"

 

Die Augenlider des MHN öffneten sich einen winzigen Spalt. „Lassen Sie mich in Ruhe und schreien Sie nicht so. Ich habe ein leichtes Schlafm ..." Schlaff sackte das MHN in sich zusammen.

 

„Verdammt, Doktor! Von was haben Sie genommen?" Wütend rüttelte er ihn, doch er gab nur leise Atemgeräusche von sich. Mit einem festen Stoß beförderte er das MHN auf die Matratze, dann ging er in den Wohnraum zurück.

Fassungslos fuhr er sich mit der Hand über den Kopf. Selbst zu seinen wilden Akademie-Zeiten hatte sein Quartier nie so ausgesehen. Die Aufräumaktion würde Stunden dauern. Nach der Anzahl der Teller zu urteilen, hatte in seiner Abwesenheit ein Gelage für die gesamte Crew stattgefunden. Der Herd war unter einer dick eingebrannten Kruste kaum mehr zu erkennen und überall standen auf dem Boden benutzte Teller mit allerlei Essensreste.

 

Ich lösche sein Programm. Ich schwöre es! Morgen früh ist als erstes ein Gespräch fällig.

 

Er zog den Mund zusammen und schob die Ärmel hoch. Es blieb ihm keine Wahl: Wenn er schlafen wollte, musste er aufräumen. Leise fluchte er vor sich hin und trug die Teller ins Bad.

 

Das hat ein Nachspiel.

 

 

Nächster Morgen

 

 

Chakotay blinzelte verschlafen in den Raum. Seine Beine waren angewinkelt, der Oberkörper auf kleinstem Platz zusammengekauert und sein Kopf lag auf der harten Seitenlehne der Couch. Schmerzerfüllt zog er das Gesicht zusammen und stemmte sich hoch, nicht ohne einige Flüche auszustoßen. Nur nicht zu viel bewegen. Unsicher setzte er die Beine auf den Boden und rieb sich über den Kopf. Sein Körper hatte die Form der engen Couch angenommen und protestierte nun wild. Vorsichtig streckte er sich, um den Schmerz in Hals und Schultern zu verringern, doch der Erfolg blieb aus. Was war gestern Nacht passiert? Warum lag er nicht im Bett? Langsam schaltete sich sein Denken wieder ein - der Doktor!


Die eine Hand stemmte er sich ins Kreuz und mit der anderen drückte er sich langsam von der Couch hoch. Er musste mit ihm reden - zumindest, wenn er schon ansprechbar war. Er schleppte sich bis in den Schlafraum und blieb erstaunt stehen. Das zerwühlte Bett war leer!Ärgerlich tippte er auf den Kommunikator.

 

„Chakotay an den Doktor! Wo sind Sie?"


„Ich bin bei einem medizinischen Notfall. Ich kann nicht so lange schlafen wie Sie!"

 

Er schluckte seinen Ärger runter. „Doktor ... falls Sie heute wieder in meinem Quartier kochen und dann nicht abwaschen oder aufräumen, schmeiß ich Sie höchstpersönlich raus! Habe ich mich da klar ausgedrückt?"

 

„Aber sicher, Commander. Das war nur ein kleines Problem mit der Verdauung und dann konnte ich mit vollen Magen nicht schlafen und dann ..."

 

„Chakotay ENDE." Grimmig schlug er auf den Kommunikator ein. Ich bring ihn um.

 

Gleicher Tag, nach einer Doppelschicht

 

Ein sechzehn Stunden Tag ging zu ende, als er abends um zehn auf sein Quartier zusteuerte. Erschöpft rieb er sich mit dem Handrücken über die Unterlider - die letzte Nacht machte sich bemerkbar. Hoffentlich hatte der Doktor nicht wieder Chaos hinterlassen, sonst konnte er für nichts garantieren. Zumindest kamen ihm nicht schon auf dem Gang unangenehmen Gerüche entgegen. Er gab den Türcode ein, betrat das Quartier und stoppte entsetzt. Wasser rann in kleinen Bächen über den Fussboden und bildete im ganzen Raum Pfützen. Aufgebracht stürzte er ins Badzimmer und betrachtete die Überschwemmung.

Im Waschbecken stapelten sich die verschmutzten Teller, Essensreste verstopften den Abfluss und das Wasser lief immer noch munter zu Boden. Fluchend deaktivierte er den Wasserstrahl. Der ganze Boden schwamm und manche Reste waren vom Waschbecken nach unten gespült worden.

Angewidert sah er an sich herunter: Das Wasser stieg in seinen Hosenbeinen hoch und ließ den Stoff kalt an den Beinen kleben. Er verengte die Augen und versuchte, seine Atmung zu kontrollieren. Er würde sich jetzt nicht vom Doktor mit irgendeiner fadenscheinigen Ausrede abspeisen lassen und er würde jetzt auch nicht alleine aufräumen. Er würde jetzt einfach gehen, denn die Gefahr, in blinder Wut das Programm des MHNs für immer zu löschen, war schlechtweg zu groß. Er watete durch das Wasser, das es nur so spritzte, riss einige Kleidungsstücke aus dem Schrank und stürmte aus dem Quartier.

 

 

Nächster Morgen

 


Tom Paris wartete still an der Ecke. Von diesem Platz aus hatte er eine gute Sicht. Noch schläfrig, lehnte er mit der Wange an der kalten Verkleidung. Hoffentlich dauerte es nicht mehr so lange. Er straffte sich, als er das Zischen der Schotts hörte. Vorsichtig spähte Tom um die Ecke. Was er dort sah, ließ seine Mundwinkel in die Höhe wandern.

 

Endlich!


Kurz später stand Tom im eigenen Quartier und gab dem Doktor, der dort geschlafen hatte, Entwarnung.


 „Wir können die Aktion abbrechen! Er hat bei ihr übernachtet und ...", er zog amüsiert die Mundwinkel nach unten, „so wie es aussieht, nicht auf ihrer Couch ..."


„Das wurde auch Zeit. Lange hätte ich das nicht mehr durchgehalten. Er hat mir schon fast leidgetan. Hoffentlich verzeiht er mir."


Tom legte dem Doktor vertraulich den Arm auf die Schulter. „Wissen Sie - manchmal muss man eben nachhelfen. Dafür konnten wir mit dieser Aktion alles zusammen erledigen: Ihre Kochkünste aufrüsten, Ihren Selbstversuch durchführen, etwas Spaß haben und dem Commander liebes-technisch unter die Arme greifen ... alles in einem Aufwasch, sozusagen!"

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