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XIII Eine Reifeprüfung

von Racussa

Kofferpacken

Während Jono ihm staunend zuschaute, flambierte Icheb einige Pfirsiche in einer Pfanne. Neben dem Herd stand schon eine Tarte, die mit Äpfeln, Rippelbeeren, risanischen Sasowas und rötlichen Mobafrucht-Scheiben belegt war.

„Die flambierten Pfirsiche werden dem Ganzen noch eine besondere Geschmacksnuance hinzufügen.“, dozierte Icheb, während er weiter Rum auf die brennenden Früchte träufelte. „Die Aromastoffe werden durch die Hitze aufgeschlossen und durch den Alkohol verstärkt. Das zusammen mit der gebackenen Tarte und ihrer Honigglasur wird euch wirklich erfreuen. Und es ist kein einziges nicht-pflanzliches Material in dem Gebäck.“

Jono runzelte die Stirn: „Brauchst du keine Eier, keine Milch oder kein Salz?“

„Wie barbarisch: Tartteige enthalten doch auch auf der Erde kein Salz. Der Mürbteig hier ist mit Sonarmilch gemacht, ein pflanzliches Produkt auf Risa, das man durch das Auspressen von kokosnussähnlichen Früchten erhält. Und anstelle von Eiern verwende ich zerquetschte Marambabohnen. Die halten genauso…“

„Habt ihr meine Mutter gesehen?“, fragte Wesley, der gerade vom oberen Stockwerk herunterkam und durch das Terrassennanonetz nach draußen schaute.

Icheb nahm die Pfirsiche vom Herd und wartete, bis die letzten Flämmchen erloschen waren. Jono antwortete stattdessen: „Sie war doch mit Duncan auf dem Balkon? Ist sie nicht mehr dort?“

„Nein, und Duncan ist auch weg.“, murmelte Wesley.

„Du musst dir keine Sorgen machen, wir sind allein auf der Insel.“, versuchte Jono zu trösten. „und wenn sie spazieren gegangen sind, kann Duncan auf deine Mutter aufpassen.

Wesley lachte: „Na, da kennst du die beiden aber schlecht. Meine Mutter war Chefärztin des Flaggschiffs der Föderation, die hat schon ganz andere Sachen überstanden als hereinbrechende Dunkelheit an einem Smaragdsandstrand.“

„Ich hoffe nur, die beiden sind zurück, bevor die Tarte auskühlt. Man sollte sie am besten warm verzehren. Vor allem die flambierten Pfirsiche verlieren sehr schnell den durch die Hitze erweiterten Geschmackshorizont.“

Mit einer zweizinkigen Dessertgabel stibitzte Wesley eine der Pfirsichspalten, die Icheb gerade auf die Fruchttarte balancierte. Vergnügt kaute er das Stück.

„Du hast recht, das sollte man nicht kalt werden lassen. Fangen wir schon mal an, die beiden können ja wirklich nicht weit sein.“

Jono nahm fünf kleine Teller und Gabeln, Wesley die mit risanischen Blumen bedruckten Stoffservietten und ein Kuchenmesser. Icheb trug wie ein feierliches Präsent mit beiden Händen die Tarte. So zogen die drei vom Gemeinschaftsraum der Strandhütte auf den Balkon am Wasser, wo sie den Tisch vorbereiteten. Icheb schnitt die Tarte in fünf gleiche Teile.

„Oho, das sind aber ganz schön große Stückchen, meinst du nicht.“, fragte Wesley.

Icheb schüttelte den Kopf: „Durch den Garprozess sind die Früchte gut verdaulich. Sie werden uns sicher weniger Verdauungsarbeit bereiten als die Lammkoteletts und die Krabbenpaste von vorher.“

„Risanische Krabbenpastete.“, korrigierte Jono.

Von weiter weg am Strand hörten man helles Lachen.

„Da kommen die beiden anderen. Ich freue mich, wenn Mutter wieder etwas lacht. Der Verlust des Admirals hat sie sehr getroffen. Vielleicht ist Duncan mit seiner unkomplizierten Art jetzt genau der richtige Unterhalter für sie.“

Dann rief er lauter in die Richtung des dunklen Strandabschnitts: „Mutter, Duncan, Ichebs Tarte ist fertig, kommt, bevor sie kalt wird!“

Icheb hatte mit steigender Beunruhigung in die Dunkelheit gestarrt. Seine nanitengestützten Sinne zeigten, was Wesley und Jono in der Dunkelheit verborgen war. Duncan und Beverly gingen zu eng umschlungen nebeneinander im flachen Wasser des Strandes, als das es irdischen Gewohnheiten entsprochen hätte. Icheb schaltete schnell.

„Wesley, ich habe leider vergessen, eine Tortenschaufel mitzunehmen. Kannst du mir von drinnen eine holen, bitte? Ich habe beim Koffer packen eine mitgenommen. Sie müsste oben bei meinen Sachen sein.“

„Kannst du das Stück nicht mit dem Messer herausheben?“, fragte Jono, doch Icheb warf ihm einen mahnenden Blick zu.

„Nein, kann ich nicht. Das Stück würde zerfallen und der ganze Fruchtquatsch auf den Tisch glitschen!“

Wesley stand auf und ging zum Nanonetz. „Kein Problem. Bei deinen Sachen hast du gesagt. Da finde ich die Schaufel schon.“

Kaum war Wesley durch das Netz gegangen, flüsterte Icheb zu Jono: „Da stimmt etwas nicht. Du bleibst hier und hältst Wesley auf. Ich laufe Doktor Crusher und Duncan entgegen. Irgendetwas kommt mir komisch vor.“

„Bist du nicht ein bisschen paranoid? Ich meine, du schwimmst in voller Kleidung, damit keine Seeschlange dich beißt. Und jetzt willst du Wesleys Mutter überprüfen?“

Icheb hörte nicht und sprang die Stiegen zum Strand mehr hinunter als dass er ging. Nach wenigen Schritten am Strand fand er Duncan und Beverly eng umschlungen und küssend im seichten Wasser stehen.

„Doktor Crusher! Mrs. Beverly, bitte! Duncan, hör auf!“

Beverly drehte sich zu Icheb, der sofort ihre glasigen Augen bemerkte. „Jean-Luc, bist du das? Wer ist dann hier? Jack?“

Unsanft drehte Icheb Duncans Gesicht zu sich und bemerkte den selben glasigen Glanz auch auf dessen Augen. Dann roch er an Duncans Gesichtshaut.

„Du bist über und über mit risanischem Hanfsekret bedeckt. Das enthält eine hohe Konzentration von Auxin, einem Pheromon, das Halluzinationen und gesteigerte Libido verursachen kann.“

„Du hast ja keine Ahnung, Beverly!“, sagte Duncan und küsste Icheb heftig.

Beverly zog ihn zu sich. „Aber ich bin doch Beverly, Jack!“

Icheb überlegte kurz, dann gab er beiden einen heftigen Stoß und stürzte sie ins Wasser.

„Das Meerwasser sollte diese Hanflösung von euren Körpern waschen, aber ich weiß nicht, wie lange die Wirkung des Auxins anhält.“ Beverly und Duncan nützten aber die Lage im Wasser, um sich wieder näher zu kommen.

Jonos Stimme rief Icheb aus der Betrachtung des unglaublichen Tollens: „Wesley, bleib, hier, die drei sind doch gleich da. Ich gehe nochmal mit dir hinauf und durchsuche Ichebs Gepäck. Der Botanikschussel hat den Tortenheber sicher zwischen Büchern und Pflanzenpräparaten versteckt.“

Doch Jono konnte Wesley nicht davon abhalten, auch die Stiegen herunterzukommen. Icheb griff schnell nach Beverly und zog sie zu sich auf die Beine. Ihre Kleidung war durchnässt, aber ihre Augen schienen wieder klarer. Duncan blieb im Sand liegen, doch seine Erektion war durch die Strandhose deutlich zu erkennen.

„Mutter, was ist denn hier los?“, fragte Wesley erstaunt. "Und Duncan, warum liegst du da am Strand? Hast du meine Mutter ins Wasser geschubst? Was fällt dir ein?“

„Ich war das!“, sagte Icheb teilnahmslos. „Ich hatte einige Motten gesehen, die sich im Haar deiner Mutter verfangen hatten. Ich wollte sie daraus vertreiben.“

„Und da hast du sie ins Wasser gestoßen? Ist das BORG-Logik? Wasser gegen Motten? Du hättest sie doch auch einfach herauslösen können. Mutter, ich bringe dich zum Haus, damit du dir etwas Trockenes anziehen kannst. Und dann werde ich dafür sorgen, dass Icheb sich anständig entschuldigt. Zumindest sein Fruchtkuchen wird dir schmecken.“

Beverly winkte ab. Mit völlig klarer Stimme sagte sie: „Nein, Wesley, Icheb muss sich nicht entschuldigen. Er wollte dir helfen.“

„Wohl eher wollte er DIR helfen. Ich hatte ja keine Motten im Haar.“

Beverly schwieg. Duncan stand auf und versuchte, soweit als möglich im Dunkeln zu bleiben, um Wesley nicht auf seinen Zustand aufmerksam werden zu lassen.

„Und du Scherzbold bist gleich nachgesprungen. Wer solche Freunde hat, braucht echt keine Miss Musso mehr als Straftvollstreckerin an der Sternenflottenuniversität. Kommt jetzt, ihr seid sowieso schon viel zu lange hier draußen herumspaziert. Was habt ihr überhaupt gemacht?“

Beverly strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht und blickte zuerst auf Icheb, dann auf Duncan. „Nichts, denke ich, wir sind ein bisschen spazieren gegangen, bis dein Botanikfreund mich ins Wasser geschubst hat. Aber das ist kein Problem, ich trockne mich schnell, dann essen wir den Kuchen, ich meine, die Tarte.“

Erst jetzt bemerkte Wesley, dass die Bluse seiner Mutter falsch zusammengeknöpft war. Es dauerte einen Augenblick, bis er reagierte. „Nein, nein, das ist nicht euer Ernst? Duncan? Wie konntest du es wagen?“

„Wesley, ruhig, es ist anders, als du denkst. Duncan…“, versuchte Beverly zu beschwichtigen. Sie versuchte, Wesley ihren Arm um die Schulter zu legen, doch der stieß sie von sich, so dass Icheb sie auffangen musste.

„Jean-Luc war dein Mann. Er ist gerade einmal zwei Monate tot, da vergnügst du dich mit einem anderen? Mit meinem Studienkollegen und Zimmergenossen. Duncan ist so alt wie ich? Mutter!“

Wütend lief Wesley weg und stieß dabei auch Jono zur Seite, der zum Strand nachgekommen war. Entschuldigend sagte er zu Icheb: „Ich konnte ihn leider nicht aufhalten. Was war denn hier los?“

Beverly ging an ihnen vorbei ins Haus. Duncan blieb mit Jono und Icheb zurück. Er schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn und setzte sich in den Sand.

Icheb erklärte Jono: „Irgendwie hat es eine psychedelische Pflanzeneinwirkung gegeben, und Duncan und Mrs. Beverly...Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Es hat sicher eine verstärkende Wirkung gegeben durch die Pflanzenpheromone des risanischen Hanfs, aber trotzdem ist das keine umfassende Erklärung.“

„Ihr wart in der risanischen Paarungshöhle?“, fragte Jono entgeistert.

„Was ist eine Paarungshöhle?“, fragten Icheb und Duncan gleichzeitig.

„Du schwimmst nackt im Meer herum, du studierst langweiligen Lotus, aber niemand von euch hat die Broschüre gelesen, die oben auf unseren Betten gelegen ist? Es sind darin auch die drei Spezialattraktionen beschrieben, die auf der Insel exklusiv den Gästen der Strandhütte zustehen: ein morphogenetisches Schlammbecken, das besonders regenerative Wirkungen hat, ein hölzerner Aussichtspunkt an der höchsten Erhebung der Insel mit einem eingebauten Limonadenspender und einer Sitzgruppe aus Bastgeflecht und etwas weiter unten am Strand eine romantische risanische Paarungshöhle, in deren Warmwasserbecken mineralisches Platinpolonid gelöst ist, ebenso wie irgend so ein unmerkbares Pflanzenzeugs, das aus risanischem Hanf gewonnen wird und von vor der Höhle gepflanzten Stauden beständig in das Becken tropft. Der Reiseführer warnt noch davor, diese Höhle mit jemandem zu betreten, dem man nicht zu nahe kommen möchte.“

„Das…Pflanzenzeugs…heißt…Auxin.“, stotterte Icheb. Auch Jono schwieg nun.


„Was tust du da, Wesley? Lass es mich erklären!“, versuchte Beverly.

Wesley antwortete nicht und packte seine Sachen in den kleineren Röhrenkoffer. Ungeachtet der Ordnung stopfte er bunte Hemden, kurze Hosen, Datenbrettchen und das Captain-Picard-Shirt in den Koffer.

„Warum packst du deinen Koffer? Wo willst du hin? Vor übermorgen kommst du von der Insel nicht weg. Und wir haben auch keine Funkverbindung. Wesley, sei doch vernünftig!“

„Ich soll vernünftig sein?“, fuhr er sie an. „Du kannst nicht erwarten, dass ich im selben Zimmer schlafe wie Duncan, nachdem er…nachdem du…Und ich soll vernünftig sein?“

Beverly nickte: „Ich weiß, dass Jean-Lucs Tod uns alle verändert hat. Auch Guinan und ich haben jetzt unsere Probleme. Aber das ändert nichts daran, dass du mein Sohn bist. Und ich dich über alles liebe. Als Jack gestorben ist, wollte ich sterben, um den Schmerz nicht ertragen zu müssen, aber ich bin am Leben geblieben, um dich nicht zu verlassen. Und als Jean-Luc mich gefragt hat, ob ich seine Frau werden will, da habe ich dich zuerst gefragt, bevor ich ihm geantwortet habe. Hast du Angst, du könntest mir nicht mehr wichtig sein?“

„Duncan scheint dir im Moment wichtiger zu sein als ich. Frag doch ihn!“

Beverly setzte sich auf Wesleys Bett und klopfte auf den leeren Platz neben sich, doch Wesley blieb stehen. „Ich weiß nicht, was da draußen wirklich über mich gekommen ist. Duncan trifft keine Schuld.“

Wesley verschloss den Röhrenkoffer. „Ich werde unten auf der Bank schlafen. Ob Duncan seine Koffer packt und zu dir hinüberzieht, ist mir egal. Ich habe das Shirt zum Trost.“

Er nahm den Koffer und ging zur Türe.

„Willst du, dass ich packe und euch vier hier lasse? Du mit Jono oder Icheb hier und Duncan mit dem zweiten im Zimmer drüben? Würde dir das helfen?“

„Rede nicht mit mir wie ein Counselor. Das habe ich schon von Guinan aus nicht ertragen, von dir ist es noch öder. Bei Tageslicht bau ich ein Floss und rudere zum Festland hinüber.“

Beverly kicherte: „Jetzt sei doch nicht so eingeschnappt. Wir sind mit dem Luftkissenboot über fünfzig Minuten gefahren, mit einem Floß brauchst du einen ganzen Tag mindestens, wenn dich nicht Strömungen überhaupt ganz woanders hintreiben.“

Wesley stierte sie böse an: „Lach mich nicht aus! Hast du vergessen, dass ich Quantenphysiker bin? Da werde ich doch wohl ein Floss zusammen bekommen, das mich in derselben Zeit zum Festland bringt wie das rostige risanische Luftkissenboot. Ich bin kein Kind mehr!“

„Duncan auch nicht!“, sagte Beverly jetzt schärfer und stand auf. „Wir sind erwachsene Leute und sollten das ganz erwachsen klären. Und niemand sollte heute noch mehr Koffer packen müssen. Bleib hier, ich lege mich auf den risanischen Polsterhaufen unten.“ Sie schaute sich in dem Zimmer um. „Ich vermute mal, dass dort hinten, wo die Matratzen von dem Bett genommen sind und eine Art Höhle mit Pölstern gebastelt ist, Jono schläft. Lass ihn bei dir, er ist ein guter Freund und trotz seiner Eigenheiten ein wackerer Kerl. Duncan und Icheb können drüben in meinem Zimmer schlafen, bis übermorgen Deanna kommt. Wenn du dann immer noch zurück willst, werde ich dich nicht aufhalten, aber ich denke, dass uns diese gemeinsame Zeit sehr gut tun würde. Bitte, pack deine Sachen wieder aus dem Koffer aus!“

Unschlüssig stand Wesley in der Tür. Der Röhrenkoffer in seiner Hand wurde schwerer.
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