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Gute Geister

von Laurie

Kapitel 1

Es begann, wie so oft, mit einer Explosion.

Später würde Fähnrich Flemming behaupten, nicht die geringste Ahnung zu haben, wie es dazu hatte kommen können: Er hatte sämtliche Schutzmaßnahmen eingehalten, hatte das gesamte Gelände sorgfältig gescannt, die korrekten Mengen an zu untersuchenden Stoffen verwendet und hatte seine Versuche zudem in sicherer Entfernung von jeder potentiellen Störquelle abgehalten. Auf den ersten Blick war es völlig unerklärlich, wie etwas dabei schiefgehen konnte, bei näheren Überlegungen nur ein Grund zum Seufzen – Enterprise und schiefgehen, diese beiden Wörter waren praktisch Synonyme.

Typischerweise gab es einen lauten Knall und eine spektakuläre Rauchwolke, und als sich die Schwaden verzogen hatten, blieben nur die traurigen Überreste von Flemmings Arbeitsmaterialien zurück.

„Was war das?“

Lieutenant Commander Scott – von der gesamten Besatzung, mit Ausnahme von Commander Spock, liebevoll Scotty genannt –, der ihm am nächsten gewesen war, rappelte sich zeitgleich mit Flemming auf. Der Aufprall hatte ihm sekundenlang die Luft genommen, doch wenigstens schien sein Schutzanzug nicht beschädigt zu sein, und nach dem ersten Schreck fand er die gesamte Situation eher komisch als ärgerlich. Niemand hätte dem Fähnrich angesichts dessen verdatterter Miene lange böse sein können.

„Ich weiß nicht, Sir“, antwortete Flemming. Vorsichtig näherte er sich der verkohlten Masse, die einmal sein Tricorder und diverse Petrischalen gewesen waren, und stieß mit dem Stiefel versuchsweise gegen einen angekokelten Klumpen des Gesteins, das er ursprünglich hatte untersuchen wollen. In einer eindrucksvollen Sterbeszene zerbröselte der Klumpen in seine Einzelteile, und Flemming seufzte. Da gingen sie dahin, seine Träume von einer bedeutenden wissenschaftlichen Entdeckung ...

„Ich habe nur dieses Gestein untersucht und dabei mit einigen anderen Materialien experimentiert, und offenbar haben einige davon miteinander reagiert. Was dann passiert ist, haben Sie ja gesehen“, erklärte er seinem Vorgesetzten.

Inzwischen waren auch die anderen Mitglieder ihrer kleinen Außenmission herangekommen: Fähnrich Mason, Lieutenant D’Armato und Lieutenant Sulu. Scotty wischte die besorgten Anfragen seiner Kameraden mit einer Handbewegung beiseite und wandte sich stattdessen dem unglücklichen Fähnrich ihm gegenüber zu.

„Machen Sie sich nichts draus, Junge, Sie sind nun mal Ingenieur und kein Wissenschaftler. Überlassen Sie das Herumgeforsche besser denjenigen, die was davon verstehen. Wir können Proben von diesem Zeug mit aufs Schiff nehmen, dann kann sich Mr Spock daran austoben.“

Die Vorstellung, wie sich ihr unnahbarer Erster Offizier an irgendetwas austobte, war genug, um Flemming seine Trauer um jämmerlich verendete Ambitionen vergessen zu lassen. Trotzdem – dieses Gestein war interessant gewesen, zweifelsohne eine bisher noch nicht klassifizierte Substanz, und wäre es nicht schön gewesen, als Entdecker eben dieser Substanz in die Geschichte der Wissenschaft einzugehen?

Mit einem Klaps auf die Schulter riss Scotty ihn aus seinen Grübeleien. „Kommen Sie schon, machen wir uns an das, wofür wir hergekommen sind.“

Schicksalsergeben folgte Flemming seinem Vorgesetzten, das halb spöttische, halb amüsierte Grinsen seiner restlichen Kollegen ignorierend. Es wäre schön gewesen ... Wahrscheinlich hatte Scotty recht und es war besser, dass er keine wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen hatte. Die Fähigkeit, chemische Substanzen zum Explodieren zu bringen, kam auf Geburtstagsfeiern zwar gut an, war jedoch nichts, was einem Forscher großartig weiterhalf.

„Sulu, wenn Sie fertig sind mit der Untersuchung dieser Pflanzen – oder dem, was Sie Pflanzen nennen ...“

Scotty als leitender Offizier dieser Mission verteilte munter Befehle, und mit einem gottergebenen Schulterzucken nahm auch Flemming seine eigentliche Arbeit wieder auf, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass für seinen Tricorder jede Hilfe zu spät kam.

Die eigentliche Arbeit bestand darin, Planet Era-270, einen unbewohnten Planeten der Klasse K, zu untersuchen. Der Großteil der Katalogisierungsarbeit war bereits vom Schiff aus erledigt worden, doch Captain Kirk hatte es sich nicht nehmen lassen, seinen Leuten ein wenig Spaß zu gönnen und eine kleine Außenmission zusammenzustellen. Für D’Armato als Geologe war der Planet aufgrund seiner Vielfalt an Rohstoffen interessant, für Sulu als Botaniker wegen der spärlichen, aber bislang noch nie zuvor angetroffenen Pflanzenwelt, und Scotty war mit seinen beiden „Jungs“ aus dem Ingenieurwesen mit von der Partie, um ein mögliches Vorhandensein von Duranium zu überprüfen und vor allem herauszufinden, ob dieses Duranium den Ansprüchen der Föderation genügte, so dass Era-270 in entfernter Zukunft zu einem Abbauort dieses begehrten Metalls werden könnte.

Sie waren mit diesen Aufgaben so gut wie fertig und hatten sich bereits auf dem Rückweg befunden, weshalb Flemming es nicht als störend erachtet hatte, ein wenig auf eigene Faust zu experimentieren. Die resultierende Explosion war zwar unerwartet gewesen, allerdings nichts, wovon sich ein routiniertes Besatzungsmitglied der Enterprise aus der Fassung bringen ließ.

„... und dann packen wir’s langsam wieder, sonst wir der Captain noch ungeduldig.“

Scotty ging noch immer voll und ganz in seiner Anführerrolle auf, und wie aufs Kommando meldete sich auch ihr höhergestellter Anführer per Kommunikator zu Wort.

„Kirk an Scott. Hören Sie mich, Scotty?“

„Scotty hier, Captain.“

Mit seinen Schutzhandschuhen fiel es Scotty sichtlich schwer, an den kleinen Knöpfen seines Kommunikators den Kanal zu justieren, aber nichtsdestotrotz fand er die Zeit, seinen Kollegen ein Hab-ich’s-doch-gesagt-Grinsen zukommen zu lassen.

„Scotty, gibt es Probleme?“, drang Kirks durch statisches Rauschen leicht verzerrte Stimme zu ihnen. „Wir haben kurzzeitig unnatürlich hohe Werte einer noch nicht näher bestimmbaren chemischen Substanz gemessen.“

„Nein, Sir, alles in Ordnung“, erwiderte Scotty so beruhigend, wie er damit davonkam, ohne als nachlässig bezeichnet zu werden. „Nur ein kleiner Zwischenfall. Davon abgesehen verläuft alles normal.“

Das Schnauben ihres Captains ließ die pro forma aufrechterhaltene Formalität endgültig in ihre Einzelteile zerfallen.

„Wieso habe ich das Gefühl, dass normal auf diesem Schiff immer mindestens einen Mordversuch und ein unerklärliches, gefährliches wissenschaftliches Phänomen impliziert?“, sagte Kirk, irgendwo zwischen Resignation und Belustigung; und jeder von ihnen konnte förmlich sehen, wie sich irgendwo dort oben auf dem Schiff eine vulkanische Augenbraue hob.

„Ah, Sir, vielleicht sollten Sie mal mit Doktor McCoy über Ihre Befürchtungen sprechen, Paranoia in so jungen Jahren ist bestimmt nicht gesund“, entgegnete Scotty mit breitem Lächeln und noch breiterem schottischen Dialekt, und natürlich hätte niemand von ihnen zugegeben, wie sehr er dieses gut einstudierte verbale Tischtennisspiel genoss.

Kirk murmelte etwas, das entfernt nach „Den Teufel werde ich tun“ klang – was sicherlich nur ein durch die schlechte Verbindung bedingter Verhörer war –, bevor er zurück zum offiziellen Teil kam.

„Geben Sie uns Bescheid, wenn Sie da unten fertig sind, dann beamen wir Sie herauf. Viel mehr dürfte es hier für uns nicht zu tun geben.“

„Aye, Sir.“

Scotty klappte den Kommunikator zu, immer noch schmunzelnd, und hatte von Neuem eindeutig zu viel Vergnügen daran, seine Leute herumzukommandieren.

Niemand von ihnen ahnte, wie recht Kirk auch dieses Mal hatte.

~°~


Montgomery Scott besaß das einzigartige Talent, sich selbst mit verbundenen Augen mühelos auf der Enterprise zurechtzufinden. Das Schiff war seine Freundin, seine Vertraute und seine Heimat zugleich, und er kannte es besser als jeder andere, sogar besser als der Captain. Er wusste genau, wann etwas nicht stimmte, konnte aus dem leisesten Summen und dem unauffälligsten Flackern einer Lampe sofort eine Diagnose erstellen und sich zielstrebig eine Lösung einfallen lassen.

Jeder Ort auf dem Schiff hatte seinen eigenen Geruch und seinen eigenen Klang – von der in Desinfektionsmittel getauchten Stille der Krankenstation zu dem niemals endenden Konzert der Motoren im Maschinenraum –, und Scotty musste seine Umgebung niemals wirklich sehen, um zu wissen, wo er sich befand.

Auch wenn er nicht gewusst hätte, dass in ihrem ersten Transporterraum derzeit Wartungsarbeiten stattfanden, wäre ihm direkt nach dem Materialisieren sofort klargewesen, dass er sich in Transporterraum Drei befand. Die Luft hier roch ein wenig anders, das Summen der Apparaturen klang ein wenig anders ... Das Einzige, was eine universelle Konstante bildete, waren die Gestalten des Captains und des Ersten Offiziers, die mangels dringlicher Beschäftigungen neben dem Bedienpult darauf warteten, den Landetrupp in Empfang zu nehmen.

„Warten Sie einen Moment“, wies Kirk den übereifrigen Fähnrich Mason an, der, wie immer voller Tatendrang, unverzüglich vom Empfangs-Pad steigen wollte. „Wir dekontaminieren Ihre Schutzanzüge, nur zur Sicherheit. Zwar beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie sich da unten etwas eingefangen haben ...“

„0,49 Prozent“, ergänzte Spock auf einen hilfesuchenden Blick seines Captains hin.

„O,49 Prozent“, wiederholte Kirk ganz selbstverständlich, und so lief es nun einmal ab: Er übernahm das Reden, Spock das Rechnen, und alle waren damit zufrieden, meistens jedenfalls. „Aber wir möchten kein Risiko eingehen.“

Manch einer hätte behauptet, dass die Begriffe Risiko und Captain Kirk Hand in Hand einhergingen, aber wer den Captain tatsächlich kannte, der wusste, wie sehr er darauf bedacht war, sein Schiff und seine Besatzung möglichst aus der Gefahrenzone herauszuhalten. Vorschriften waren nun einmal Vorschriften, und niemand konnte Kirk einen Vorwurf daraus machen, dass er sich um seine Leute kümmerte; darum ließen sie die wie immer etwas unangenehme Prozedur des Dekontaminierens klaglos über sich ergehen.

Sobald das Dekontaminationsfeld aufgehoben war, zogen sich die Mitglieder des Landetrupps in einer fast synchronen Bewegung die Schutzhelme von den Köpfen.

„Ich hasse diese Teile“, murmelte Flemming gerade laut genug, dass Scotty ihn hören konnte. Auch Spocks vulkanische Ohren fingen die Beschwerde ein, zumindest wenn man von der missbilligend angehobenen Augenbraue ausging.

Scotty selbst hegte den Schutzanzügen gegenüber ähnliche Gefühle, war allerdings erfahren genug, um seine Energie nicht mit Klagen zu verschwenden. Was sein musste, musste sein, und lieber lebte er mit durch den Helm plattgepressten Haaren, als auf einem nur eingeschränkt bewohnbaren Planeten zu ersticken.

„Worin genau bestand eigentlich das Problem dort unten?“, wollte Kirk wissen, als Scotty an ihn vorbei in Richtung des Bedienpults ging, um sich zu vergewissern, dass Transporterchef Kyle während seiner Abwesenheit nichts Unsittliches mit seinem Heiligtum angestellt hatte. „Auf unseren Bildschirmen sah es aus wie eine Explosion.“

„Es war eine Explosion“, antwortete Scotty gutgelaunt.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Flemming zartrosa anlief und sehnsuchtsvoll zur Tür schielte, und mit einem leichten Nicken erteilte er dem Fähnrich die Erlaubnis, sich aus dem Staub zu machen. Flemming ließ sich die Chance, einer Rüge des Captains zu entkommen, nicht entgehen. Er lächelte Scotty halb verlegen, halb dankbar zu und verließ den Raum, dicht gefolgt von Mason, D’Armato und Sulu, der es kaum erwarten konnte, seinen Errungenschaften ein neues Zuhause im Gewächshaus zuzuweisen. Zurück blieben nur Kirk, Spock und Scotty – das alteingesessene Team.

„Eine Reaktion irgendwelcher unbekannten Substanzen, aber nichts Gefährliches. Nur ein Tricorder und ein paar Petrischalen mussten dran glauben.“

Lächelnd schüttelte Kirk den Kopf. „Wenn das so ist. Leiten Sie einen Schadensbericht weiter und wir vergessen die Sache.“

Mit dem Anflug eines Grinsens nickte Scotty. Er hatte nicht vor, Flemming zu verpetzen, und ohnehin kannte Kirk seine Leute gut genug, um sich zusammenreimen zu können, was genau passiert war; es gab keinen Grund, sich noch länger mit der Sache zu beschäftigen, nicht, solange sie keine negativen Folgen mit sich gezogen hatte.

Zumindest dachte er das, naiv, wie er gerne war.

„Ach ja, Scotty ...“

Scotty blickte gerade rechtzeitig vom Schaltpult auf, um zu sehen, wie Kirk, schon auf dem Weg nach draußen, so abrupt innehielt, dass Spock nur seine übermenschlich guten Reflexe davor retteten, mit seinem kommandierenden Offizier zu kollidieren. Bei jedem anderen Betroffenen hätte Scotty gelacht, allerdings war er nicht so lebensmüde, dass er es bei Spock versucht hätte; ihm blieb nichts übrig, als sich auf ein noch ein wenig breiteres Grinsen zu beschränken.

„Ja, Sir?“

„McCoy hat vorhin mit mir gesprochen.“

Nur mit Mühe gelang es Scotty, ein Aufstöhnen zu unterdrücken. McCoy, ja ... das hatte er völlig vergessen, besser gesagt, er hatte es vergessen wollen. Er schätzte McCoy als guten Freund, aber wenn er sich im Arztmodus befand, machte Scotty lieber einen Bogen um ihn. Ein echter Schotte hatte keinen Arzt nötig, nicht wahr?

„Er meint, Sie hätten die Routineuntersuchung für dieses Quartal schon viermal verschoben und seien der Letzte, der noch untersucht werden müsse?“

Es half nichts – Kirk anzulügen, wäre keine gute Idee, schon gar nicht, wenn sein vulkanischer Schatten direkt neben ihm lauerte.

„Na ja“, sagte Scotty so zerknirscht wie möglich. „Es gab immer sehr viel zu tun. Die Wartungsarbeiten im ersten Transporterraum, das -“

„Schon gut, Scotty.“

Schmunzelnd winkte Kirk ab, machte dem Ingenieur allerdings keine falschen Hoffnungen. „Gehen Sie nachher zu ihm, Sie kennen die Vorschriften. Ich hab’s auch überlebt.“

„Nachdem Doktor McCoy Sie, wie sagt man, in die Krankenstation schleifen musste, weil Sie sich standhaft geweigert hatten, sich untersuchen zu lassen“, ergänzte Spock in seinem unschuldigsten Tonfall.

Kirks empörtes Prusten klang definitiv mehr nach einem bloßgestellten Schuljungen als einem welterfahrenen Captain, und diesmal ließ sich das Lachen nicht zurückhalten.

„Aye, Sir, ich werde ihm einen Besuch abstatten“, rief Scotty höchst amüsiert seinem Vorgesetzten nach, der in weiser Voraussicht das Schlachtfeld räumte, gefolgt von einem selbstzufrieden aussehenden Mr Spock – so selbstzufrieden, wie Vulkanier eben aussehen konnten.

Bevor sich die Türen hinter den beiden schlossen, erhaschten Scottys Ohren etwas, das verdächtig nach Verräter klang, und er beugte sich erneut über die Apparaturen, die letzten Reste seines Lachens noch immer auf sein Gesicht geheftet.

Das leise Summen der Schiffsmotoren umfing ihn, eine vertraute, beruhigende Symphonie, und wie immer merkte er, wie sein Geist zur Ruhe kam. Hier war er zuhause, hinter Schaltpulten und zwischen Maschinen, und hierher würde er immer wieder zurückkehren, solange er konnte.

Vorschriften waren Vorschriften, daran gab es in der Tat nichts zu rütteln, und irgendwie ließe sich diese Untersuchung überleben. Vielleicht könnte er McCoy sogar dazu überreden, sich danach mit ihm bei ein, zwei Gläsern Whiskey zusammenzusetzen ...

~°~


Sein Besuch in der Krankenstation wurde später als geplant. Es hatte noch so viel zu erledigen gegeben – eine lose Schraube da, ein geschmolzener Draht dort, flackernde Lichter und ungenaue Anzeigen ... und außerdem war Prokrastination ein schönes Wort, niemand konnte das leugnen.

In der Aussicht auf einen wenig amüsierten Vortrag seines Captains – wenn er wollte, was nicht oft vorkam, konnte Jim Kirk die Vorschriften ebenso ausschweifend zitieren wie sein Erster Offizier – hatte sich Scotty schließlich doch dem Unvermeidlichen gestellt und sich auf den Weg in die Höhle des Löwen begeben. Besagter Löwe erwartete ihn bereits mit verschränkten Armen und einem Stirnrunzeln, das jede Hoffnung auf ein freundschaftliches Gläschen Whiskey schwinden ließ.

„Wird aber auch Zeit“, bemerkte McCoy, nicht so genervt, wie er zu sein vorgab, aber immer noch genervt genug, um in Scotty den Drang wachzurufen, sich zu entschuldigen.

„Tut mir leid, Doc. Ich hatte viel zu tun ...“

Trotz seiner gerne vorgespielten schlechten Laune war allerseits bekannt, dass McCoy niemandem lange etwas übelnehmen konnte, und so überraschte es Scotty nicht, dass der Arzt nach ein paar weiteren Sekunden finsteren Blickens abwinkte.

„Klar, Scotty. Hab’s schon gehört. Bahnbrechende Entdeckungen auf diesem Staubhaufen dort unten und Explosionen ... Kommen Sie mit.“

„Sie hätten mitkommen sollen, Doktor“, bemerkte Scotty, während er McCoy in den nächstbesten Behandlungsraum folgte. „Ein wenig frische Luft schnappen, mal etwas anderes sehen, Sie wissen schon.“

McCoy schnaubte so verächtlich auf, dass ein vorbeihastender Krankenpfleger ihm einen alarmierten Blick zuwarf, bevor er um die nächste Ecke verschwand.

„Frische Luft auf einem Klasse-K-Planeten, sicher. Darauf kann ich verzichten. Und rennen Sie mal den ganzen Tag irgendwelchen Feiglingen hinterher, die sich vor dieser lächerlichen Routineuntersuchung drücken, dann sehen Sie schon, wie viel Lust Sie haben, noch etwas anderes als Ihr Bett und eine Flasche Brandy zu sehen.“

Schuldbewusst zog Scotty den Kopf ein. Vor der Routineuntersuchung drücken ... Von dieser Anklage könnte er sich nicht ohne Weiteres befreien. Flasche Brandy klang da schon besser. Vielleicht bestand ja doch noch Hoffnung ...

„Kommt nicht wieder vor, Doc.“

„Das sagen sie alle“, erwiderte McCoy, wies seinen Patienten an, auf der Liege Platz zu nehmen, und drehte sich zum Schrank, allerdings nicht so schnell, dass Scotty den Ansatz seines Lächelns nicht sehen konnte.

Die Behandlung an sich ging problemlos vonstatten und fiel natürlich wie immer nicht so unangenehm aus wie das Bild, das sich die Phantasie davon in ihrer Unwilligkeit erschuf. Geduldig ließ Scotty die diversen Tests über sich ergehen, und viel schneller als erwartet legte McCoy seinen Tricorder beiseite und befreite ihn mit einer lässigen Handbewegung und einem schwachen Grinsen von seiner Tortur.

„Für dieses Mal haben Sie’s wieder geschafft. Und wenn Sie mir eine Freude bereiten wollen, schieben Sie’s beim nächsten Mal nicht so lange auf, ja?“

„Klar, Doc.“

Sie beide wussten ganz genau, dass es auch beim nächsten Mal nicht im Geringsten anders liefe, und wenn sie ehrlich waren, hatte keiner von ihnen vor, etwas daran zu ändern. Die symbolische Flucht vor McCoys Untersuchungen gehörte einfach zum Leben dazu, ebenso wie die regelmäßigen Filmeabende oder die verwirrenden Erstkontakte.

McCoy hinter ihm kramte wieder im Schrank, Scotty zog sich das Hemd über den Kopf und überlegte, ob er es wagen könnte, den Arzt doch noch auf einen Drink nach Schichtende einzuladen, als er es hörte – ein leises, undeutliches Ich wünschte, die Beleuchtung hier wäre weniger hell.

„Was haben Sie gesagt?“, fragte er, überzeugt davon, dass McCoy wieder einmal in seine Lieblingsbeschäftigung zurückgefallen war, die darin bestand, Beschwerden in seinen nicht vorhandenen Bart zu murmeln.

„Wie bitte?“

McCoys verwirrte Rückfrage war die eines aus Tagträumen aufgeschreckten Mannes, und geduldig wiederholte Scotty seine Bemerkung: „Na, Sie haben doch eben etwas gesagt. Über die Beleuchtung?“

An der Art, wie sich McCoy zu ihm umdrehte und ihn mit zusammengekniffenen Augen musterte – mit seinem Ärzteblick, jenem Röntgenblick, unter dem selbst Spock zusammenzuckte –, erkannte Scotty, dass irgendetwas nicht so ablief, wie es sollte.

„Ich habe nichts gesagt, Scotty.“

Unbehaglich zuckte Scotty mit den Schultern. „Vielleicht habe ich mich getäuscht. War ein langer Tag.“

Das stimmte, es war ein langer Tag gewesen, und trotzdem ... irgendetwas fühlte sich seltsam an, beinahe so, als hätte das Schiff plötzlich unbemerkt den Kurs geändert. Am Schiff jedoch lag es nicht, das konnte Scotty mit Bestimmtheit sagen – es lag an McCoy und vor allem lag es an ihm selbst.

„Das stimmt wohl, Scotty.“

Einige weitere Sekunden lang wurde Scotty von dem berüchtigten Röntgenblick durchbohrt, dann wandte McCoy sich ab – und genau in diesem Moment hörte er es wieder, ein beinahe wie geflüstertes Die Beleuchtung hier ist wirklich zu grell, davon bekommt man auf Dauer ja Kopfschmerzen. Ausgesprochen in McCoys Stimme, kein Zweifel.

„Was?“

Im selben Moment, da das Wort seinen Lippen entschlüpfte, hätte sich Scotty die Zunge abbeißen mögen. Wieder sah er sich mit McCoys voller Aufmerksamkeit konfrontiert, und wieder ruderte er rasch zurück.

„Entschuldigung, ich dachte nur, ich hätte was gehört.“

McCoy wäre kein Arzt gewesen, schon gar nicht ein guter Arzt, wenn er sich damit zufriedengegeben hätte. Wenn Scotty, nach Spock der am wenigsten für Gespenster anfällige Mann der Besatzung, anfing, Selbstgespräche zu führen, dann war die Welt aus dem Gleichgewicht geraten.

„Sind Sie sicher, dass es Ihnen gutgeht, Scotty? Ihre Werte sind vollkommen in Ordnung, aber vielleicht haben die ganzen Wartungsarbeiten, die in letzter Zeit angefallen sind, Sie doch mehr gestresst, als Sie selbst merken?“

Scotty zog die Schultern hoch, und diesmal war sein Unbehagen ein anders als zuvor, ein gefährlicheres.

„Nein, nein, Doc, mir geht’s gut. Ich bin nur ein wenig müde.“

Mit einem Ruck sprang er von der Liege, entschlossen, McCoy keinen Grund zu geben, ihn länger als nötig in der Krankenstation gefangen zu halten. Vielleicht spielte ihm sein Unterbewusstsein Streiche, vielleicht forderten all die Überstunden der letzten Wochen tatsächlich ihren Tribut ... und wenn es nicht so wäre, dann müsste das niemand wissen, zumindest noch nicht. Nicht, solange Scotty selbst nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, was sich so anders als gewöhnlich anfühlte.

„Hm.“

McCoy war nicht überzeugt, aber er kannte Scotty gut genug, um die Angelegenheit wenigstens dieses Mal auf sich beruhen zu lassen. Auch für ihn war es ein langer Tag gewesen, und auch er legte wenig Wert darauf, diesen Tag unnötig in die Länge zu ziehen.

„Gehen Sie schlafen, Scotty“, sagte er, nicht direkt besorgt, aber auch nicht so unbeschwert wie sonst. Scotty nickte, vielleicht ein wenig hastiger als normal. Jeder Gedanke an einen gemeinsamen Drink mit McCoy war wie weggeblasen.

„Aye, Doktor.“

Er trat den Rückzug an, bevor McCoy auf dumme Gedanken kam, und die skeptische Miene seines alten Freundes entging ihm dabei nicht. Es war nicht so, dass Scotty aus der Krankenstation flüchten wollte, das nicht, er bräuchte nur einige Zeit zum Nachdenken und vielleicht doch noch ein gesundes Glas Whiskey, und am nächsten Morgen wären die seltsamen Geschehnisse in diesem Behandlungsraum längst vergessen; und vielleicht wäre ihm dieses Vergessen sogar gelungen, wenn er nicht in dem Bruchteil einer Sekunde, bevor die Türen hinter ihm den Raum verschlossen, erneut McCoys Stimme in seinem Kopf gehört hätte, diesmal so klar und deutlich, als stünde der Arzt direkt neben ihm.

Ich brauche einen Drink.

Wie erstarrt stand Scotty vor dem Behandlungsraum, ohne auf das um ihn herumwogende, geschäftige Treiben der Krankenstation zu achten, und erst der fragende Blick einer vorbeieilenden Krankenschwester riss ihn aus seiner Erstarrung.

Wenn McCoy ihm nicht von wenigen Minuten erst ein einwandfreies Gesundheitszeugnis ausgestellt hätte, hätte er begonnen, ernstlich an seinem Geisteszustand zu zweifeln.
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