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Den Himmel berühren

von Laurie

Kapitel 2

Christine wartete, bis McCoys Schritte in den Untiefen der Krankenstation verklungen waren, bevor sie sich in einer verräterischen Geste der Erschöpfung durch die Haare fuhr.

Vorsichtig ließ sie sich auf der Kante des Schreibtisches nieder, kaute auf ihrer Unterlippe herum (eine Angewohnheit, die sie seit Jahren loszuwerden versuchte, bisher mit mäßigem Erfolg) und starrte auf das Chronometer. Sie gab McCoy fünf Minuten, dann befahl sie dem Computer, ihn zu orten – eine Maßnahme, die sie nur dank der außergewöhnlichen Umstände mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte.

Das Ergebnis stellte keine große Überraschung da.

„Doktor McCoy befindet sich auf Deck 9, Sektion 2, Raum 3F 127“, informierte die unerträglich fröhliche Computerstimme sie, und seufzend malte Christine mit ihrem Zeigefinger ein Fragezeichen auf die Tischplatte, gefolgt von mehreren kleineren Ausrufezeichen.

Natürlich. Natürlich hatte dieser mit erstaunlich geringem Selbsterhaltungstrieb ausgestattete Idiot den ersten Teil ihrer Anweisungen ignoriert und sich direkt in seinem Quartier verkrochen, ohne sich zuvor etwas zu essen mitzunehmen, andernfalls hätte er nie so schnell dort sein können. Wahrscheinlich sollte sie froh sein, dass er wenigsten den zweiten Teil der in sanften Druck verpackten Befehle befolgt hatte ... Es blieb nur zu hoffen, dass er die Zeit tatsächlich nutzen würde, um zu schlafen. Wäre Christine auch nur ein wenig paranoider gewesen, als sie war, hätte sie einen Weg gefunden, um sich in McCoys PADD zu hacken und sicherzustellen, dass ihr Chef nicht heimlich arbeitete, während er sich eigentlich erholen sollte.

Erholung ... Der Gedanke daran strich um ihre Beine wie eine streunende Katze, und nur mit Mühe gelang es Christine, ihn zu verscheuchen. Auch für sie waren es zwei anstrengende letzte Wochen gewesen, für sie alle, aber an so etwas Banales wie Erholung war noch nicht zu denken – nicht, solange sie nicht das Gegenmittel gefunden hatten.

Entschlossen streckte sie die Hand nach der Kommunikationsschaltfläche aus. Wenigstens hatte McCoy sich endlich einen Ruck gegeben und mit seiner Tochter gesprochen, was ein Anfang war; den Rest würde jemand anderes erledigen müssen, jemand, der größeren Einfluss auf ihn hatte als Christine. Sie hatte das Gespräch mit Joanna nicht direkt belauscht, doch auch hier griff einer der alten Grundsätze: Sie kannten einander zu gut, um viele Geheimnisse voreinander zu haben.

„Captain?“

Sie wartete kaum ab, bis sich die Verbindung aufgebaut hatte, und sie spürte Kirks Anspannung, bevor sie den Grund für ihren Anruf nannte. Natürlich wusste er, um was oder vielmehr um wen es ging, und zwar nicht nur, weil sie mit Bedacht einen privaten Kanal gewählt hatte. Die Sorge um gemeinsame Freunde war ein starkes Band, und manchmal beschlich Christine das Gefühl, dass die Enterprise durch nichts als dieses Band zusammengehalten wurde.

„Schwester Chapel. Ist Doktor McCoy ...?“

Und ja, da war sie wieder, diese übermächtige Sorge. Christine beeilte sich, sie einzudämmen, bevor die Vorstellungskraft des Captains ein zu verzerrtes Bild der Wirklichkeit malte.

„Ihm geht’s gut, Sir. Ich habe ihn dazu gebracht, eine Pause einzulegen, und er ist direkt in seinem Quartier verschwunden. Gegessen hat er allerdings nichts.“

Kirk benötigte weniger als einen Wimpernschlag, um zu antworten. „Gut. Danke, Schwester. Ich werde nach ihm sehen.“

„Danke, Sir“, sagte sie. Ein Teil ihrer Anspannung schmolz bei diesen Worten dahin und ließ die Erschöpfung nur noch stärker hervortreten. Wenigstens diese Last wurde ihr teilweise abgenommen; Kirk hatte sich schon immer mehr als jeder andere an Bord um McCoy gekümmert, und er wüsste, was zu tun war.

~°~


Der Captain zog kaum Aufmerksamkeit auf sich, als er mit einem hastig zusammengestellten Lunchpaket in der einen und einer Flasche saurianischen Brandys in der anderen Hand die Gänge entlang hastete, und das sagte Einiges über das Leben auf der Enterprise aus. Abweichungen von der Norm waren auf diesem Schiff eher die Regel als die Ausnahme, vor allem, wenn die Führungsoffiziere betroffen waren; inzwischen hatte es der Großteil der Besatzung aufgegeben, die verworrenen Beziehungen der Offiziere in den obersten Rängen durchschauen zu wollen. Bei all dem Wahnsinn, der einen tagtäglich umgab, fragte man irgendwann nicht mehr nach, sondern freute sich einfach nur, wenn man eine weitere Mission unbeschadet überstanden hatte.

In diesem Fall war die stille Akzeptanz der Crew mehr denn je ein Segen. Sie vermuteten, dass irgendetwas nicht stimmte, aber sie stellten keine offensichtlichen Nachforschungen an, was die Lage nur verschlimmert hätte. Stille Hilfe war gut, zu viel Neugier schädlich; und wenn McCoy eines nicht brauchen könnte, dann wäre es Mitleid vonseiten der Besatzung.

Kirk wusste genau, was in seinem Freund vor sich ging. Das Gefühl, die Sorge nicht verdient zu haben, der Drang, sich abzuschirmen und damit den Schmerz für sich und andere möglichst gering zu halten ... Er verstand es zu gut und genau deswegen konnte er McCoy an diesem Abend nicht alleine lassen.

Automatisch glitt die Tür für ihn auf, wenigstens das – McCoy war noch nicht so weit, dass er seine Umwelt aktiv aussperrte, ein gutes Zeichen. Die dunklen Ringe unter seinen Augen, sein blasses Gesicht und sein misstrauisches Stirnrunzeln dagegen ließen sich als schlechte Zeichen werten.

„Hat Chapel dich geschickt?“, fragte er missgelaunt, noch ehe Kirk vollständig über die Schwelle getreten war.

Gespielt unschuldig hob Kirk die Hände und zog die Aufmerksamkeit seines Freundes dadurch auf seine Mitbringsel.

„Ein Lunchpaket? Ernsthaft, Jim?“

„Irgendjemand muss sich ja um dich kümmern, wenn du selbst es nicht tust.“

„Das ist mein Satz“, knurrte McCoy und Kirk lächelte – der schwerste Teil war überstanden, und die Spannung, die seit den Ereignissen auf Yonada zwischen ihnen geschwebt hatte, verringerte sich mit jedem Schritt, den er auf McCoy zuging. Ganz verschwand sie allerdings nicht. Dafür war es noch zu früh, dafür war der Schock noch zu frisch.

„Tu mir und auch Chapel und allen anderen einen Gefallen und iss was, Bones“, sagte er und ließ sich neben dem Angesprochenen auf dem Sofa nieder, nicht in seiner Funktion als Captain, sondern als Freund. „Es hilft niemandem von uns, wenn du verhungerst, bevor wir ein Gegenmittel finden.“

Die Art, wie McCoy seine Augen verdrehte, war so vertraut, dass etwas in Kirk sich zusammenzog. Ein Jahr, vielleicht weniger ... Er wagte es nicht, daran zu denken, mit welchem Loch in seinem Leben er in einem Jahr fertigwerden müsste, falls sie das Heilmittel nicht rechtzeitig fänden.

„Christine hat vorhin etwas Ähnliches zu mir gesagt“, bemerkte McCoy. Oberflächlich wirkte er noch immer wie der permanent schlecht gelaunte, grummelige Landarzt, als der er sich selbst so gerne ausgab, aber immerhin griff er gehorsam nach dem Lunchpaket. „Ich hätte wissen müssen, dass ihr alle miteinander Intrigen schmiedet.“

„Gib’s zu, du hast es seit Ewigkeiten gewusst“, gab Kirk trocken zurück. Er versuchte, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen, als McCoy widerspruchslos begann, das für ihn mitgebrachte Sandwich zu verzehren. Offensichtlich gelang es ihm nicht sonderlich gut, denn ein weiteres Augenrollen fand seinen Weg zu ihm.

„Jim, hör auf, mich so anzustarren. Ich bin kein Kind mehr; ich weiß, wie man isst“, sagte McCoy mit vollem Mund.

„Und du behauptest, ich hätte schlechte Tischmanieren“, kommentierte Kirk; alleine McCoys verächtlich-amüsiertes Schnauben war die Sache wert. Er würde diese unbeschwerten Sticheleien vermissen, wenn ... Nicht daran denken.

„Es wird schon, Jim“, sagte McCoy leise, wie immer beängstigend gut darin, ihm seine Gedanken vom Gesicht abzulesen.

„Ich weiß, Bones.“

Und war es nicht ironisch, dass McCoy ihm das erzählte, als wäre nicht er, sondern Kirk der todkranke Mann, der Trost brauchte? Hätte Kirk nicht gewusst, dass McCoy schon immer besser als er darin gewesen war, sich um andere Leute zu kümmern, hätte er hiermit einen endgültigen Beweis präsentiert bekommen.

Krampfhaft suchte er nach einem Weg, das Gespräch in erfreulichere Bahnen zu lenken – selbst Spocks endlose wissenschaftliche Abhandlungen wären besser als das derzeitige Thema gewesen –, doch es war McCoy, der ihnen beiden einen Stoß in eine andere Richtung gab, weg von Xenopolycythemia und mehr in Richtung Alltag, zumindest vorläufig.

„Und was ist das? Willst du mich abfüllen? Ganz wie in guten, alten Zeiten?“

Er deutete auf die Flasche saurianischen Brandys. Kirk folgte seinem Blick, betrachtete erst die Flasche und dann seinen Freund, und plötzlich blühte eine Idee in ihm auf, verrückt und unausgegoren und trotzdem seltsam richtig.

„Jetzt noch nicht, Bones“, sagte er, bevor er es sich anders überlegen konnte. „Die ist für später.“

McCoy musste die Antwort bereits kennen, aber er fragte dennoch nach: „Wann später?“

„Wenn wir das Heilmittel gefunden haben. Damit wir etwas haben, womit wir feiern können. Es ist ein guter Jahrgang, wie du siehst.“ Er sprach es mit der Entschlossenheit des Captains aus, und McCoys Gesichtsausdruck verriet ihm, dass zumindest diese spontane Idee nicht komplett nach hinten losgegangen war.

„Ah, Jim ...“

„Wir geben nicht auf, Bones, das verspreche ich dir.“ – Und das war das eigentliche Versprechen, das, worum es wirklich ging, so viel mehr als nur die Aussicht auf einen gemeinsamen Drink.

„Ich weiß, Jim. Ich weiß.“

Der Schein der Raumbeleuchtung fing sich in der gewölbten Oberfläche der Flasche, und in jedem winzigen Fragment an Licht, das von ihr reflektiert wurde, verbarg sich ein weiteres kleines Stück vorsichtiger Hoffnung.

~°~


Die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen wirkte wie ein Kinderspiel im Vergleich zu ihrer jetzigen Aufgabe.

Zu behaupten, dass die Datenbanken der Fabrini umfangreich waren, wäre eine bodenlose Untertreibung gewesen. Im Grunde musste man nicht von Datenbanken sprechen, sondern von Datenmassen – einer schier endlosen Menge an Informationen, über Jahrtausende hinweg angesammelt und katalogisiert nach einem System, das bisher nicht einmal Spock hatte entschlüsseln können. Noch immer suchten sie auf gut Glück; sie hätten das Heilmittel für Xenopolycythemia jederzeit finden können, und sie hätten es nie finden können, alles war möglich. Manchmal, vorzugsweise in seinen schlaflosen Nächten, bedrängte McCoy der düstere Gedanke, dass es womöglich nicht einmal ein Heilmittel gab und sie umsonst suchten. Vielleicht hatten sich die Fabrini nie mit dieser Krankheit konfrontiert gesehen, und bei seinem Glück hatten sie auch keine ähnliche Krankheit gekannt, auf deren Forschungsdaten sich zurückgreifen ließ.

Es ging zwar trotz allem voran, aber es ging zu langsam voran – und das, obwohl alle verfügbaren Ressourcen in diese Arbeit gesteckt wurden. Niemand fragte nach, niemand beschwerte sich darüber, von einem erbarmungslosen Captain und einem nicht weniger erbarmungslosen Spock rigoros vorangetrieben zu werden („Ihr Bericht kann warten, suchen Sie weiter – Sie werden diese Formel finden, und wenn es die ganze restliche Mission lang dauert!“), und wenn McCoy nicht zu sehr damit beschäftigt war, auf ein Wunder zu hoffen, liebte er sein Personal dafür.

Er selbst verbrachte jede freie Minute, in der keine Patienten seine Aufmerksamkeit einforderten und in der ihn Jim oder Schwester Chapel nicht zu einer Pause zwangen, in seinem Büro oder in den Laboratorien, wohl wissend, dass er, obwohl er sich nicht in bester Verfassung befand, dennoch eine Hilfe darstellte. Jede zusätzliche Hand stellte eine Hilfe dar, jedes zusätzliche Paar Augen eines Crewmitglieds, das sich einigermaßen in diesem Gebiet auskannte; und McCoy war nie jemand gewesen, der sich zurücklehnte und andere die Arbeit für ihn übernehmen ließ.

Er wollte nicht nur hoffen, er wollte aktiv etwas tun, um dadurch wenigstens das Gefühl der Hilflosigkeit einzudämmen. Spock schien das zu verstehen, auf seine eigene, distanzierte Weise, und er ließ McCoy gewähren. Mehr noch: Er nahm McCoy Arbeit ab, wo immer es ging, eine unauffällige helfende Hand im Hintergrund, ohne die er längst in einem Meer aus Verpflichtungen ertrunken wäre. Papierkram erledigte sich von selbst und Berichte, die er schreiben oder Korrektur lesen müsste, fanden auf mysteriöse Weise nie den Weg zu ihm ... McCoy verdächtigte auch Christine und M’Benga, aber den Hauptteil der Arbeit stemmte zweifelsohne Spock.

„Glauben Sie nicht, dass ich nicht weiß, was Sie tun“, bemerkte er am fünfundzwanzigsten Tag nach ihrem Aufbruch von Yonada, während sie darauf warteten, dass der Computer die Ergebnisse der neuesten Datenanalyse ausgab.

„Wie so oft erschwert es Ihre mangelnde verbale Präzision, Ihre Absicht zu erkennen, Doktor.“

Spock natürlich mimte ganz den Vulkanier, kühl und über den Dingen schwebend, und nur, wer ihn gut kannte, bemerkte die Anspannung in seinen Zügen. Auch für ihn waren die letzten Wochen anstrengend gewesen, auch wenn er besser als jeder andere von ihnen darin war, es nicht zu zeigen.

Resigniert stellte McCoy eine Petrischale zur Seite. „Kommen Sie schon, spielen Sie nicht die Unschuld vom Lande.“

„Ich stamme nicht vom –“

„Herrgott, Spock, Sie wissen, was ich meine! Denken Sie wirklich, ich hätte nicht bemerkt, wie viel Arbeit Sie mir in den letzten Wochen abgenommen haben, und das, obwohl Sie selbst mehr als genug ausgelastet sind?“

Eine kurze Pause entstand, unterbrochen nur durch das Piepsen des Computers. Dann –
„Nein, Doktor, das nahm ich nie an.“

Eine weitere Petrischale folgte der ersten, ebenso ergebnislos wie sämtliche ihrer Vorgänger und höchstwahrscheinlich auch sämtliche ihrer Nachfolger. In der grellen Beleuchtung des Labors fühlte sich McCoy mehr denn je wie ein Forschungsobjekt, von allen begutachtet und dennoch von niemandem erlöst, und vielleicht verstand Spock das. Die Art, wie er den Kopf beugte, war gänzlich unvulkanisch, und das Wissen darum, dass seine Freunde ihr eigenes Wohlbefinden um seinetwillen vernachlässigten, wärmte McCoy von innen her mehr, als die von den Maschinen um sie herum abgestrahlte Hitze es jemals gekonnt hätte. Ihm war oft kalt in letzter Zeit, und zwar nicht nur, weil er als aus dem Süden stammender Mensch Raumschiffe aller Art für zu wenig beheizt hielt. Wenn der Blutdruck regelmäßig in den Keller sank, fror man leichter, das war die traurige Wahrheit und die konstante Erinnerung an das, was mit ihm vorging.

„Hören Sie, Spock ...“, begann er leise.

Spock blickte ihn nicht an, aber das war nicht nötig. Sie wussten beide nur zu gut, worum es ging, worauf es wirklich ankam; vielleicht hatten sie das schon immer. Und war es nicht ironisch, dass sie nur dann Worte dafür fanden, wenn so unglaublich viel auf dem Spiel stand? Ironisch ... und menschlich.

„Danke“, sagte McCoy schlicht, und dieses eine Wort umschloss das gesamte Universum und noch ein wenig mehr. Spocks Kopf blieb über sein Mikroskop gebeugt, aber etwas von seiner kaum wahrnehmbaren Anspannung schmolz.

„Unnötig, Doktor.“

„Klar.“

Mit einem energischen Piepsen verkündete der Computer den Abschluss des neuesten Testvorgangs. Noch ehe die Kontrolllichter der Konsole erloschen waren, war Spocks scharfer Blick über die ausgegebenen Daten gehuscht; und er musste nichts sagen, um McCoy wissen zu lassen, dass auch dieses Mal kein positives Ergebnis herausgekommen war.

~°~


Sie liefen gegen die Zeit an und mit jedem verstreichenden Tag kam es Kirk ein wenig mehr so vor, als dächte die Zeit nicht im Traum daran, sie gewinnen zu lassen.

Was wäre gewesen, wenn McCoy auf Yonada geblieben wäre? Wäre das letztendlich nicht vielleicht besser für ihn gewesen? Wenigstens einige Monate lang glücklich zu sein, anstatt auf der Enterprise mitzuerleben, wie die Chancen auf Heilung jeden Tag ein klein wenig mehr sanken? „Wenn ich dort geblieben wäre, hätte ich es bereut“, hatte McCoy ihm in einem dringend notwendigen Gespräch nach ihrer Rückkehr anvertraut, und wahrscheinlich entsprach das der Wahrheit; dennoch, die Gedanken ließen sich nicht verdrängen, ebenso wenig wie die Hoffnung und die Mischung aus Wut und Resignation, die ihn jedes Mal überkam, wenn Spock ihm einen weiteren negativen Bericht zukommen lassen musste.

Er wusste, dass er die eigentlichen Aufgaben für ihre Fünf-Jahres-Mission schleifen ließ, und es war ihm egal. Es ging um Bones, mehr gab es nicht zu diskutieren; er würde die volle Verantwortung für etwaige Probleme mit der Admiralität auf sich nehmen, aber er würde nicht mit dem Wissen leben, nicht alles in seiner Macht Stehende getan zu haben. McCoy hätte ohne jeden Zweifel dasselbe für ihn getan.

Als Uhura sich während einer ereignislosen Alphaschicht zu ihm umdrehte, ahnte er, was auf ihn zukam. Noch bevor sie ihn überhaupt angesprochen hatte, hatte er sich innerlich für einen jener im Stillen ausgetragenen Kämpfe vorbereitet, die oft kräftezehrender waren als jede offen durchgeführte Schlacht.

„Captain, ein Anruf aus dem Hauptquartier der Sternenflotte für Sie. Admiral Chelsey möchte Sie gerne im Privaten sprechen.“

Nur um der Professionalität willen verkniff Kirk sich ein Seufzen. Natürlich wollte man ihn sprechen; tatsächlich war er fast ein wenig verwundert darüber, dass die Admiralität sich so lange Zeit gelassen hatte. Wahrscheinlich lag es daran, dass er und die Enterprise noch immer als das glanzvolle Aushängeschild der Sternenflotte dienten, und niemand brüskierte gerne sein Aushängeschild. Dennoch, endlos ignorieren konnten seine Vorgesetzten den Rückstand in offiziellen Angelegenheiten nicht.

„Leiten Sie den Anruf in meinen Bereitschaftsraum weiter, ich werde ihn dort entgegennehmen“, wies Kirk seine Kommunikationsoffizierin an. Auch sie hatte, wie sie alle, in den letzten Wochen mehr Überstunden gemacht, als man zählen konnte, um den normalen Fluss des Arbeitslebens an Bord wenigstens halbwegs aufrechtzuerhalten. Er würde ihnen allen seine besten Empfehlungen aussprechen ... sobald dieser Albtraum endlich vorbei wäre.

„Ja, Sir.“

„Sulu, Sie haben die Brücke.“

„Ja, Sir.“

Ausnahmslos die gesamte Brückencrew blickte ihn nach, als er den Turbolift betrat, und er konnte es ihnen nicht einmal verdenken; und noch viel weniger konnte er sie dafür tadeln. Dafür waren die Grenzen zwischen Kollegen und Familie schon vor zu langer Zeit verschwommen.

~°~


Admiral Chelseys Gesicht füllte bereits den Kommunikationsbildschirm aus, als sich die Türen für Kirk öffneten. Er hatte bisher erst ein einziges Mal mit ihr gesprochen, und das war vor drei Wochen gewesen, um die Admiralität darüber in Kenntnis zu setzen, dass sein Erster Medizinischer Offizier eine, nun ja, Auszeit bräuchte und er als Captain einen neuen Kandidaten für diesen Posten benötigte, da M’Benga diese Stelle nicht permanent ausfüllen konnte.

Der Antrag auf einen Ersatz (und ja, es tat weh, dieses Wort zu denken, aber leider beschrieb es die reine Wahrheit) war inzwischen zurückgezogen worden, doch als Kirk nun in Chelseys undurchdringliche graue Augen blickte, ahnte er, dass die Angelegenheit noch nicht so sehr abgeschlossen war, wie er sich gewünscht hatte. Unwillkürlich spannte er sich an. Mit Beschwerden über nicht erledigte Aufgaben konnte er umgehen, mit einem Gespräch über seinen Ersten Medizinischen Offizier – den einzigen, den er je akzeptieren würde – eher weniger. Haltet Bones aus der Sache raus.

„Captain.“

Grüßend neigte Admiral Chelsey den ergrauten Kopf, und respektvoll erwiderte er die Geste.

„Admiral. Wie kann ich Ihnen helfen?“

Ihre Augen vermittelten ihm ein deutliches „Spielen Sie nicht den Dummen, Kirk, Sie wissen, worum es geht“, doch natürlich sprach sie es nicht so unverblümt aus – hoch lebe die Diplomatie.

„Ich freue mich, zu hören, dass es Doktor McCoy besser geht“, sagte sie stattdessen, sachlich und so gefährlich wie ein Raubtier, das sich an seine Beute heranschlich.

Nur mit Mühe gelang es Kirk, nicht das Gesicht zu verziehen. Er kannte das Spiel und er hasste es, und seine Müdigkeit in Kombination mit dem unbequemen, harten Stuhl trugen nicht zu guter Laune bei.

„Es scheint, als wäre die Diagnose etwas vorzeitig gewesen.“

„Vorzeitig, soso.“

Sie durchschaute ihn, das wusste er, und trotzdem – oder gerade deswegen – konnte er nicht zurückrudern. Er kannte die Politik der Sternenflotte zu gut, um sich falschen Illusionen hinzugeben. Hinter der schönen Fassade ging es letztendlich wie immer ums Geschäft, und ein unheilbar kranker Mann hatte in dieser gnadenlosen Maschinerie nichts zu suchen. Sobald McCoy sein Arbeitspensum nicht mehr zufriedenstellend erfüllte – und sie waren beängstigend kurz davor, diese Grenze zu überschreiten –, würde man ihn ersetzten.

Er hätte den Antrag nicht stellen sollen. Wieder und wieder hatte er sich dafür verflucht, so voreilig gehandelt zu haben. Natürlich hatte er nichts von den Fabrini und einer Aussicht auf Heilung geahnt, darum war es die nach den Vorschriften der Flotte korrekte Entscheidung gewesen, aber die richtige?

„Beantworten Sie mir bitte eine Frage, Captain. Wenn sich Ihr Erster Medizinischer Offizier nach wie vor bester Gesundheit erfreut, was wir alle ihm natürlich wünschen, wie kommt es dann, dass die Hälfte der Berichte der medizinischen Abteilung aus den letzten drei Wochen nicht von ihm unterschrieben wurde, sondern von Doktor M’Benga, Oberschwester Chapel und teilweise sogar Commander Spock?“

Innerlich verfluchte Kirk sich selbst. Was hatte er gedacht? Dass ihre kleine Scharade lange unbemerkt bliebe? Sie wollten McCoy helfen, indem sie ihm Arbeit abnahmen, aber dass sie dadurch die Aufmerksamkeit der Admiralität auf sich zögen, hatte keiner so recht bedacht, nicht einmal Spock. Vielleicht hatten sie es nicht bedenken wollen.

„Doktor McCoy ist durch die jüngsten Ereignisse noch etwas ... angegriffen. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass sich das legen wird.“

Ein Hauch von Mitleid blitzte in Chelseys Augen auf, und das machte alles nur noch schlimmer.

„Das hoffe ich, Kirk, für Sie beide. Aber sehen wir den Tatsachen ins Auge: McCoy ist krank, und als kranker Mann hat er nichts auf dem Flaggschiff verloren. Die vorschriftsmäßige Handlungsweise besteht darin, ihn in eine medizinische Einrichtung der Föderation zu überführen, wo eventuell noch Hoffnung auf Heilung besteht.“

All den eleganten Worten gelang es nicht, die Wahrheit zu verhüllen: ihn abschieben, flüsterte die allwissende Stimme des Weltalls Kirk zu. Er biss sich auf die Lippen. Die Sternenflotte wusste nichts von den Datenbanken der Fabrini und er hatte nicht vor, sie jetzt schon in dieses Geheimnis einzuweihen. Nicht, solange es noch Hoffnung gab. Sie brauchten McCoy hier, auf der Enterprise, um im günstigsten Fall schnell handeln zu können; alles andere hieße, ihn aufzugeben.

„Das ist noch nicht nötig, Admiral“, erwiderte er beherrscht. Für ihn selbst wäre es niemals nötig gewesen, aber er war nun einmal kein Teil der Admiralität – und in Momenten wie diesen war er froh darum, obwohl das hieß, dass die ganze Sache sich noch mehr verkomplizierte.

Nachdenklich legte Chelsey einen Finger an die Wange.

„Das hoffe ich“, wiederholte sie. „Ich erwarte regelmäßige Berichte über Ihre Fortschritte bezüglich dieser Angelegenheit, Captain. Und vergessen Sie nicht, Ihren Rückstand in den anderen Belangen aufzuholen.“

„Ja, Sir.“

Die beiden Wörter brannten in seiner Kehle wie Säure, selbst lange noch, nachdem die Verbindung beendet worden war. Alle Floskeln bedeuteten nur eines: Wenn sie das Heilmittel nicht rechtzeitig fänden, würde man Bones zwangsweise fortschaffen – und das war etwas, das Kirk nur über seine Leiche zuließe.
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