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Day of Confession (Teil 2)

von Julian Wangler

Kapitel 2

Die zweite Nacht, die so verlief. Seit achtundvierzig Stunden hatte er kein Auge mehr zugetan, und nur seinen Implantaten machte das herzlich wenig aus.

Im Laufe seines Lebens an Bord von Raumschiffen hatte Geordi LaForge viele lange Nächte erlebt. Schlaflos waren sie gewesen, aus einer Vielzahl von Gründen. Als er noch als junger Fähnrich auf der Victory diente, hatte er an der Seite von Susanna Leijten eine jeglicher Menschenseele bare Föderationskolonie auf Tarchannen III durchkämmt, bis die Morgendämmerung einsetzte. Auf der Hood hatte Captain DeSoto den jungen Steuermann ganz schön auf Trab gehalten, und auf der Enterprise schließlich war es nicht nur die Borgkrise gewesen, die ihn die nächtliche Ruhe kostete.

Die Erinnerung an all diese Ereignisse, die er sich vor dem geistigen Auge Revue passieren ließ, rang ihm ein hauchdünnes Lächeln ab. So sehr die Zeit auch nach vorn galoppierte wie ein wildes Pferd, so wenig schienen sich manche Dinge zu ändern. Schlaflose Nächte gehörten offenbar dazu.

Er drehte den Kopf nach links, dann nach rechts, besah sich Worf und Martin Madden, die wie bestellt und nicht abgeholt neben ihm auf der Couch seines Quartiers saßen, jeder bestückt mit einem Raktajino. Gelegentlich kam es vor, dass sie die Tassen mit dem klingonischen Muntermacher an die Lippen hoben, gedankenverloren nippten und sie gleich wieder senkten. Erst hatten sie sich mit denobulanischem Rommee die Warterei vertrieben. Dann hatten sie einfach nur noch mit dem herben Kaffee da gesessen und zur Wand gestarrt, an die Stelle, wo ein großer Chronometer hing.

Geordi nahm an, genug garantiert erholungsfreier Nächte verbracht zu haben, um zu sagen, dass diese hier eine der längsten und hartnäckigsten gewesen war. Aber gleich hatten sie es geschafft. Jetzt handelte es sich nur noch um Minuten. Wie einem Countdown schienen sie dem Ende der Session stillschweigend entgegenzufiebern.

Eigentlich sind wir ziemlich bescheuert., dachte er. Worauf warteten sie eigentlich? Darauf, dass eine künstlich festgelegte Frist verstrich? Vermutlich war die Übereinkunft der drei Führungsoffiziere ein Ergebnis ihrer unterschiedlichen Charaktere, ein klassischer halbgarer Kompromiss.

Worf wollte nach alter Manier am liebsten nach vorn stürmen, wo Engel furchtsam weichen, während Madden Zeit einforderte. Der Erste Offizier war nach seiner kürzlichen Eskapade zwar bereitwillig zu Geordi und Worf zurückgekehrt, doch wollte er schon auf Nummersicher gehen, wenn sie aufbrachen, um Captain Picard zurückzuholen. So bat er um etwas Bedenkzeit. Geordi war also die Rolle des Ausgleichers zugefallen, weshalb er den Vorschlag unterbreitet hatte, dass sie bis Punkt sechs in der Frühe warteten.

Die Nacht war keineswegs so betätigungslos verlaufen, wie es jetzt den Anschein machte. Sie hatten sich genauestens durch den Kopf gehen lassen, wie sie ihr Vorgehen lancieren würden.

Gleich würden sie gemeinsam auf die Brücke gehen und ihre Schicht antreten. Gut möglich, dass sie ein paar überraschte Blicke seitens der Gamma–Crew ob ihrer zerzausten Erscheinungen ernteten. Aber worauf es ankam, war etwas anderes: Sie hatten einen wasserdichten Plan gefasst.

Auf direktem Weg ins Tzenkethigebiet aufzubrechen, würde zu einem glatten Schuss ins Blaue verkommen, denn die Sternenflotte würde anhand der Warpspur sofort ahnen, dass ihr Ziel – aus welchem Grund auch immer – Arvada darstellte. Daher war ein kleiner Umweg unvermeidlich. Ein Umweg, der ihnen ein Alibi verschaffte.

Die einzige Föderationsniederlassung unweit der Tzenkethigrenze war Zemblin II, halb verborgen in einem Nebel. Es war ein tristes, nur äußerst dünn besiedeltes Fleckchen, und der dortige Kolonieadministrator war nicht gerade gut auf die Sternenflotte zu sprechen. Es hatte Geordi und seine Mitstreiter einiges an Recherche gekostet, doch nun wussten sie, dass Zemblin II schon vor Monaten eine umfassende Anfrage betreffend Materialnachschubs per Subraum an das Hauptquartier geschickt hatte.

Sie waren vom Oberkommando auf die lange Bank geschoben worden. So etwas geschah dieser Tage nicht selten. Noch immer litt die Sternenflotte unter chronischem Schiffsmangel, der eine bis auf weiteres anhaltende Hypothek aus dem Dominion–Krieg darstellte. Forschungsmissionen waren zurzeit purer Luxus, aber der Verzicht auf sie war längst nicht alles, was zurzeit von der Föderationsarmada abverlangt wurde. Die Arbeitstiere der Flotte sprangen von dort nach hier und quer durch den ganzen Quadranten, um die gröbsten Löcher zu stopfen. Anfragen, die nicht dringend waren, wurden in der Regel auf den Sankt–Nimmerleins–Tag verschoben – bis sich ein neues Loch auftat.

Besser konnten die Vorgaben nicht sein. Die Enterprise war einsatzbereit und noch ohne Mission, was bedeutete, dass sie die offen stehende Lieferung für Zemblin II ausführen würde.

Niemand würde auch nur den Hauch eines Verdachts schöpfen.

Der Chronometer piepste insgesamt sechsmal, und die drei Männer musterten einander, bevor sie sich, wie auf den Taktstock eines unsichtbaren Dirigenten hörend, von der Couch erhoben.

Das Warten war vorbei.



„Wie weit ist es noch?“

„Wir sind gleich da! Nur noch diese Hügelreihe!“

Picard spürte, wie sein Herz flatterte. Der Lauf war zuletzt immer zehrender und unsteter geworden. Aus verschiedenen Richtungen kamen Tzenkethi auf sie zu, weshalb es erforderlich wurde, den geraden Weg zum Shuttle zu vermeiden und Ausweichrouten einzuschlagen.

Nun schienen die Früchte des Pfads, den sie besonnen und kühlen Kopfes hindurch die erwachten feindlichen Truppen nahmen, beinahe greifbar.

Aus Dutzenden Kilometern waren noch ein paar hundert Meter geworden.

Mittlerweile humpelte Jack beträchtlich und stöhnte regelmäßig auf vor Schmerz. Auch stützte er sein Gewicht immer stärker auf Charlie und den Captain.

Schweiß rann Picard den Hals entlang. Er ächzte und riss sich den Uniformkragen auf, weil er plötzlich glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Dann richtete er sich mit einem Schuss Unverfrorenheit wieder auf, gewann wieder festeren Schritt.

Es war nicht mehr weit.

„Beverly,“, rief Picard, „wirf einen Blick auf den Tricorder! Du solltest die nähere Umgebung der Shuttles scannen!“

Sie tat, wie ihr geheißen. „Die Luft ist rein! Die Tzenkethi scheinen die Schiffe noch nicht entdeckt zu haben!“

Wir sind so gut wie weg von diesem unseligen Ort., sagte Picard sich.

Jetzt erklommen sie die letzte Anhöhe. Beverly, die weiter voraus lief, erhöhte den Abstand, drehte sich mehrmals um die eigene Achse, um sicherzugehen, dass nicht doch irgendein maskierter Tzenkethi im Unterholz lauerte.

Immer noch nichts. Keine Aktivität. Sie hatten es fast geschafft.

Picard merkte, wie seine abgeschnürte Kehle wieder mehr Atem zuließ. Gleich! Gleich!

Wie aus dem Nichts drang ein Röhren an sein Ohr. Zuerst nahm man es kaum wahr, mochte es gar für eine Einbildung halten, ein Scherz seines überlasteten Tinitus. Doch binnen weniger Sekunden schwoll es unüberhörbar an.

„Dort!“, stieß Jack hervor, nur vage mit dem Kopf in eine Richtung deutend.

Picards Blick suchte – und fand. Hoch über den hohen Bäumen wurden zwei krallenförmig gewundene Atmosphärengleiter sichtbar.

Und noch bevor er Beverly, die bereits am nächsten zu den geparkten Shuttleschiffen war, etwas zurufen konnte, eröffneten die Tzenkethiskimmer das Feuer.

Es war kein Sperrfeuer, kein unkoordiniertes Verhalten, um die ungebetenen Gäste aufzuscheuen, das befürchtete Picard sofort. Nach dem, was er über die Tzenkethi und den Krieg gegen sie gehört hatte, war es nicht ihre Art, Beschuss ins Leere laufen zu lassen. Nein, sie wussten ganz genau, worauf sie das Feuer eröffneten.

In der nahe gelegenen Lichtung, die Beverly um ein Haar erreicht hatte, suchten die glühenden Projektile Erdung.

Einen Augenblick später ereignete sich eine gewaltige Detonation, die den Boden erschütterte. Trümmerteile und Splitter wirbelten durch die Luft. Hitze kochte über Picards Wangen, und das grelle Inferno, das in einer Feuerbrunst nach den umliegenden Bäumen tastete, hinterließ Nachbilder auf seiner Netzhaut.

Während seine Trommelfelle noch haderten, ob sie vom grässlichen Lärm reißen sollten, erinnerte sich Picard an den Grund, warum er sich als junger Mann für die Klassiker der Weltliteratur zu begeistern anfing.

All die kultivierten Sprachen, all die stilistischen Variationen waren prächtig, doch letztlich ging es hinter der Fassade überall um eine wesentliche Dramatik.

Sie lautete: Wie gewonnen, so zerronnen…



Martin Madden wusste noch genau, wie er zum ersten Mal den Stuhl seines kommandierenden Offiziers auf der Agamemnon warm halten durfte. Es hatte sich kurz nach Ausbruch des Kriegs gegen das Dominion ereignet. Die Agamemnon war dem Omega–Clan–Kampfverband zugeteilt worden, der als Reaktion auf die gewaltsame Eroberung von Deep Space Nine die cardassianischen Schiffswerften im Torros–System zerstörte.

Während Captain Choudhury für eine Einsatzbesprechung auf die U.S.S. Centaur beamte, um sich mit Captain Reynolds über die Einsatzbilanz und weitere Angriffsziele auszutauschen, durfte er die Brücke der kleinen Sabre–Fregatte hüten. Eigentlich war er zum damaligen Zeitpunkt noch reichlich grün hinter den Ohren gewesen; es hätte ihm nicht zugestanden, den Befehl zu übernehmen. Aber durch den Verlust des Ersten und Zweiten Offiziers im Zuge der Torros–Operation war er quasi über Nacht zu Choudhurys Stellvertreter avanciert.

Umso beeindruckender war es gewesen, zum ersten Mal in ihrem Kommandostuhl Platz zu nehmen. Er hatte es mit einiger Zaghaftigkeit getan, sorgte doch das Bild eines Ungeheuers, das kleine, unerfahrene Junior–Lieutenants mit Haut und Haaren fraß, für regelrechte Angstzustände.

Madden hatte angenommen, die Schuhe, die ihm aufgehalst worden waren, seien viel zu groß, um sie auszufüllen, und mochte es bloß für eine halbe Stunde sein.

Den Sessel des Captains einzunehmen, es bedeutete, einen grundlegenden Paradigmenwechsel zu vollziehen. Es gab keine Konsole, hinter der man sich verstecken, keine Befehle, die man stur ausführen, keine Teilaspekte, auf die man sich konzentrieren und den Rest ausblenden konnte. Hier zu sitzen, bedeutete, Qualitäten zu zeigen, bei denen es weniger um mathematische Präzision ging als um Überblick, Koordination, Verantwortung – sowie ein äußerst diffuses, aber enorm wichtiges Bauchgefühl, das einem als innere Uhr diente.

Nach diesem einschneidenden Erlebnis hatte er Captain Choudhury noch mehr bewundert als zuvor. Es dauerte Jahre, bis er verstand, dass übertriebene Ehrfurcht unangemessen war, weil es sich mit Captain und Crew eigentlich nicht anders verhielt als den berüchtigten zwei Seiten derselben Medaille. Beide waren wichtig, beide waren wertvoll.
Als Madden jetzt an der Seite von Worf und LaForge die Brücke der Enterprise betrat und sich zielstrebig im Kommandostuhl niederließ, den ihn der diensthabende Fähnrich der Gamma–Schicht räumte, verspürte er keine Aufregung mehr. Im Gegenteil, machte ihm die Abgeklärtheit, die er empfand bewusst, wie sehr er sich über den Krieg hinweg bis heute verändert hatte. Das hier war kein Ungeheuer, nur ein Mark–sieben–Standardsessel, den jemand mit edlem Leder überzogen hatte – und seit Neustem einem Sicherheitsgurt. Der ganze Rest würde von ihm kommen.

„Sir, ich…“

Madden ballte lässig eine Faust auf der Armlehne, spähte zu der jungen Frau auf. „Ja, Fähnrich Makayato?“

Sie betrachtete ihn verdutzt. „Sie sehen so entschlossen aus.“

„Ach, tue ich das?“

„Haben wir etwas Bestimmtes vor?“

Madden sicherte sich mit einem flüchtigen Blick zu Worf und LaForge ab, ehe er sich wieder Makayato zuwandte. „Wo Sie mich schon so fragen, will ich Ihnen nichts verschweigen. Da Captain Picard bis auf weiteres fehlt, werde ich das Schiff bei der kommenden Mission führen.“

Die Augen der Offizierin wurden größer. „Eine Mission, Sir? Davon wusste –…“

„Zemblin II.“, fiel Madden ihr ins Wort, setzte sich dabei eine taffe Miene auf. „Wir werden eine längst überfällige Frachtladung absetzen. Eine kleine Runde um den Block. Ich nehme doch an, Sie sind dieser Aufgabe gewachsen.“

Sogleich schien Makayato unter Minderwertigkeitsgefühlen zu leiden. „Selbstverständlich, Commander. Verzeihen Sie.“

„Schon gut. Wenn Sie möchten, können Sie noch ein Weilchen die Taktik hüten.“ Er deutete zur entsprechenden Station rechts hinter sich. „Die ist zurzeit unbesetzt, denn ich brauche Commander Worf hier.“

„Aye, Sir.“ Wieder versöhnt, stapfte Makayato aufs Hinterdeck, und Worf setzte sich in den Stuhl des XOs, beackerte sofort seine Konsole.

Madden erntete ein zuversichtliches Lächeln von LaForge, das ihn bestärkte. Er adressierte sich nach vorn. „Gonzalez, bereiten Sie unseren Abflug vor. Anschließend programmieren Sie folgende Koordinaten…“ Er wandte sich dem Armaturdisplay zu, brauchte ein paar Sekunden, um sich darauf zurechtzufinden.

„Commander, hereinkommende Transmission von einem sich nähernden Shuttle.“

Makayatos Stimme in seinem Rücken. Diese Rückmeldung erfolgte entschieden zu schnell, und es gefiel ihm nicht.

Er schob die Brauen zusammen, ohne sich zu ihr umzudrehen. Stattdessen schaute er Worf an. „Soweit ich weiß, sind wir vollzählig bestückt.“

„Nein, es ist keins von Unseren.“

„Sondern?“
„Die Fähre hat eine Signatur vom Typ Concorde.“

Er wusste etwas damit anzufangen. Schluckte. „Das kann doch nicht…“

„Sie entschuldigen sich für das unangekündigte Erscheinen. Sie sagen, sie hätten den Präsidenten an Bord. Und ein paar…Gäste.“
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