TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Voyager Companions In Fate - Teil 1: Home

von Julian Wangler

Kapitel 1

3. Januar 2378
U.S.S. Voyager

Crewman Hars Chell überblickte die leere Messe der Voyager und spürte, wie Wehmut in ihm aufstieg. Tische, Stühle, Schiffsküche, Aussichtsfenster – all das und noch mehr hatte er vom unvergesslichen Neelix geerbt.

Kurz bevor das Schiff zurück in den Alpha-Quadranten fand, war der Talaxianer auf eigenen Wunsch von Bord gegangen. Seitdem hatte Chell bestmöglich versucht, die großen Fußstapfen auszufüllen, die Neelix hinterlassen hatte. Tatsächlich war er mit großem Enthusiasmus gestartet. Der Bolianer hatte seinen Job als Mitglied des Ingenieurteams zugunsten der Arbeit in der Messe stark reduziert. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, die Crew mit ausgefallenen Gerichten zu überraschen und damit über den Verlust ihres langjährigen Schiffskochs und Moraloffiziers hinwegzutrösten. Speisen wie ‚Hühnerwarp-Cordon-bleu‘ und das ‚Roter-Alarm-Chili‘ hatten der ganz große Knüller werden sollen – und erst der Anfang einer grandiosen Speisekarte.

Doch die Maatkarriere Chells hatte nicht lange gewährt. Die Voyager war erneut auf die Borg gestoßen, hatte eine Begegnung mit einer Kathryn Janeway aus einer alternativen Realität gehabt – und zack, ehe man sich versah, befand man sich wieder im Herzen der Föderation. Nun waren es gerade noch ein paar Stunden, bis das Schiff an der McKinley-Erdstation anlegen würde, um nicht nur gewartet, sondern im Hinblick auf alle technologischen Erweiterungen und Umrüstungen gründlich studiert zu werden.

Die Voyager wurde derzeit von einem halben Dutzend anderer Sternenflotten-Schiffe bis ins Sol-System eskortiert. Dort würde eine Menge anstehen. Eine Willkommensfeier mit viel Pomp, etliche Besprechungen und Anhörungen, das Wiedersehen mit Familien und Freunden…wenn man denn das Glück hatte, noch welche zu besitzen.

Chell gehörte zu Jenen, die im Maquis ihre Familie gesehen hatten. Doch die Bewegung gab es längst nicht mehr, und die meisten ihrer Anhänger waren im Vorfeld des Dominion-Kriegs getötet worden. Gestern, zweiundzwanzigtausend Lichtjahre zurück, waren Maquis und Sternenflotte gewissermaßen gleich weit entfernt von ihren Liebsten und Heimen gewesen – in dem Sinne, dass sie unerreichbar schienen. Jetzt jedoch waren die Maquis gezwungen, sich daran zu erinnern, dass ihre Heimat nur noch aus Ruinen und Trümmern bestand.

Der Bolianer fragte sich, was aus ihm und den dreißig anderen ehemaligen Mitgliedern von Chakotays Besatzung werden würde. Im Delta-Quadranten waren sie mit den Sternenflotten-Offizieren zu einer Crew verschmolzen, aber hier, im Raum der Föderation, wurden Anklagen nicht so leicht fallengelassen. Viele hochrangige Admiräle hatten sich dereinst, als die Aufstände in der Entmilitarisierten Zone entflammten, sehr über den Maquis erzürnt und harte Strafen gefordert. Diejenigen, die in die Fänge der Sternenflotte gerieten, wurden oftmals über Jahre in Strafkolonien gesteckt.

Chell hatte sich eingebildet, die Vergangenheit sei mehr oder minder überwunden worden. Doch nun kehrte sie mit Volldampf zurück. Was würde mit den ehemaligen Besatzungsmitgliedern des Maquis-Raiders Liberty passieren, sobald sie die Erde erreicht hatten? Was mit den fünf verbliebenen Mitgliedern der Equinox-Crew, die Captain Janeway dereinst aufgenommen hatte? Was hatte Admiral Paris gesagt, als er die Voyager gerufen hatte?

In einer halben Stunde würde sich die Mannschaft in Frachtraum eins versammeln. Der Captain würde eine Ansprache anlässlich der Heimkehr halten. Ein letztes Mal würde das Gefühl der Gemeinschaft beschworen werden. Aber dann… Was würde dann geschehen?

- - -

Chakotay stand vor dem Spiegel in seinem Quartier und rückte den Kragen seiner Galauniform zurecht. Er hatte sie anlässlich von Kathryns bevorstehender Heimkehransprache angezogen.

Chakotay betrachtete sein Ebenbild, und für einen Augenblick wunderte er sich über das, was er sah. Er sah einen Mann, der in sich ruhte. Einen gestandenen Sternenflotten-Offizier. Jemanden, der voll und ganz an die Prinzipien und Ideale der Föderation glaubte.

Was war mit dem einstigen Maquis geschehen, mit dem verbitterten Mann an Bord seines Raiders, der sich hitzige Gefechte mit cardassianischen Kriegsschiffen lieferte? Wohin war er gegangen?

Er dachte darüber nach und fand zur Erkenntnis, dass er – anders als andere Weggefährten beim Maquis – niemals ein Rebell aus Leidenschaft gewesen war. Er hatte nicht wie Michael Eddington eine verwegene Rolle als Ritter der Entrechteten für sich gesehen, um eine Art postmodernen Jean Valjean zu mimen. Er lebte keine romantische Vorstellung. Es war ihm einfach nur darum gegangen, sein Volk zu schützen und die cardassianische Barbarei und Willkür in der EMZ zu beenden. ‚Freiheit‘ lautete die Überschrift seines Selbstverständnisses als Maquis*. Chakotay hatte sich stets als Mann des Friedens gesehen, den die Umstände zum Krieg gezwungen hatten.

Tatsächlich hatte er es gehasst, zu Admiral Nimembeh ins Hauptquartier zu gehen und sein Offizierspatent niederzulegen, und wäre nicht sein Vater von den Cardassianern getötet und sein Stamm akut bedroht worden, hätte er diesen Schritt niemals zu tun gewagt.

Der Dienst in der Sternenflotte hatte ihm immer sehr viel bedeutet. Die Föderation und alles, wofür sie stand, hatte ihn bereits als Jugendlicher beinahe magisch angezogen. Eine Gesellschaft der Rechtschaffenheit und des Fortschritts. Aber dann hatten ein paar dumme Politiker leichtfertig den Cardassianern die Hände gereicht – zum Leidwesen ihrer eigenen Kolonisten in der Entmilitarisierten Zone. Alles, was darauf folgte, war vorprogrammiert gewesen. Und Chakotay war letztlich keine andere Wahl geblieben als zur Verteidigung seines Volkes den Dienst zu quittieren.

Dennoch hatte er dies stets zutiefst bedauert. Die Uniform aufzugeben, hatte ihm beinahe körperlich wehgetan. Aber in seinem Empfinden hatte er die Föderation niemals verraten. Gewissermaßen war er zum Maquis übergelaufen, um sie und ihre Werte zu schützen.

Die Zeit auf der Voyager war die Gelegenheit gewesen, die Uhr noch einmal zurückzudrehen. Im Delta-Quadranten bildete diese Besatzung eine Art Mikrokosmos, frei von den Zwängen und hässlichen Seiten der restlichen Föderationspolitik. Kathryn Janeway hatte frühzeitig demonstriert, dass sie gewillt war, die Tugenden der Föderation in diesem fernen Teil der Galaxis hochzuhalten und zum Maßstab ihres eigenen Handelns zu machen.

Dass sie so reinen Herzens war, hatte Chakotay imponiert. Es hatte dazu geführt, dass er einwilligte, seine eigene Maquis-Besatzung restlos in die Voyager-Crew zu integrieren – unter dem Banner der Sternenflotte. So hatte er eine zweite Chance erhalten. Im Delta-Quadranten konnte er die Sternenflotte leben, deren Teil er stets hatte sein wollen: eine Mikrogesellschaft des Anstands und der Tugendhaftigkeit.

Wie wenig selbstverständlich eine Crew war, die weit abseits einer Raumbasis der Föderation an ihren Grundsätzen festhielt, zeigte sich spätestens, als sie der U.S.S. Equinox begegneten. Unter dem Druck der äußeren Not hatte Captain Ransom den Geist und die Gesetze der Raumflotte aufgegeben – und war in tiefe Dunkelheit gestürzt. Die Voyager aber hatte die rote Linie wahrer Unmoral niemals überschritten. Im Gegenteil, sie hatte sich viele Male in Gefahr begeben, um Ungerechtigkeit zu stoppen und Notleidenden zu helfen. Auch, wenn Kathryn und Chakotay bei der Führung des Schiffes nicht immer einer Meinung gewesen waren, war es letztlich die enorme ethische Integrität seines Captains gewesen, die ihn beeindruckte und seiner eigenen Loyalität vergewisserte.

So, wie die Voyager nach außen ein Schiff der hehren Föderationsprinzipien gewesen war, hatte sie auch in ihrem Innern funktioniert. Janeway hatte B’Elanna Torres, eine von Chakotays engsten Freundinnen, durch ihre eigenen Zweifel geführt und ihr dabei geholfen, die verantwortungsvolle Frau zu formen, zu der sie schließlich geworden war. Sie hatte neue Freunde auf der Voyager willkommen geheißen und einer Borg-Drohne den Weg gewiesen, ihre Menschlichkeit zurückzuerobern. Ganz ähnliches galt für den holografischen Doktor, dem erlaubt worden war, zu einem geschätzten und respektierten Besatzungsmitglied sui generis aufzusteigen. Dieses Schiff hatte wahrhaft die Fackel von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit hochgehalten.

Doch nun würde diese idealistische Hundertfünfzig-Mann-Sternenflotte sehr bald wieder sehr viel größer werden. Und es würden Fragen aufkommen. Die wichtigste davon lautete: Konnte Chakotay weiterhin der Offizier sein, der er in den vergangenen sieben Jahren geworden war, oder würde das Ende der Voyager-Reise auch das Ende des erfüllenden Lebens bedeuten, in das er unter Kathryn Janeways Kommando zurückgefunden hatte?

Was würde geschehen? Er wusste es nicht. Er wusste nur eines: Er würde Kathryn für den Rest seiner Tage dankbar sein. Wäre sie nicht gewesen, wäre sein Glaube an die Sternenflotte vielleicht für immer verloren gegangen. Und vielleicht hätte er dadurch auch sich selbst verloren. Bedachte man, wie sich der Maquis im Vorfeld des Dominion-Kriegs radikalisiert und wie er geendet hatte, ahnte Chakotay, wie sein Leben ausgesehen hätte, wäre er nicht an Bord der Voyager gewesen.

- - -

Icheb fand Naomi Wildman in der Astrometrie, wo sie sich über das große Projektionsfeld eine Partie virtuelles Kadis-kot mit dem Computer lieferte.

„Naomi Wildman.“, sagte er. „Die gesamte Besatzung findet sich in Frachtraum eins ein. Der Captain wird gleich eine Ansprache anlässlich der Heimkehr der Voyager halten.“

„Ich hab‘ keine Lust, Icheb.“

Der Brunali trat neben sie. „Du scheinst schlechte Laune zu haben.“, ermaß er ihren gepressten Gesichtsausdruck.

„Natürlich hab‘ ich schlechte Laune.“ Sie fuhr sich durchs aschblonde Haar. „Sogar dass ich den Computer auf Schwierigkeitsstufe sechs beim Kadis-kot besiegt hab‘, ändert nichts daran.“

Icheb lehnte sich gegen die Konsole. „Gehe ich recht in der Annahme, dass Deine getrübte Stimmung mit der Tatsache zu tun hat, dass die Reise der Voyager in Kürze enden wird?“

Das Mädchen nickte stumm.

„Wieso?“

Naomi wandte den Blick vom Bildschirm ab und sah ihn an. „Gegenfrage: Wie findest Du es, dass wir die Erde erreicht haben?“

„Herausfordernd.“, räumte Icheb ein. „Es wird einige größere Umstellungen bedeuten. Immerhin war noch nie ein Brunali in diesem Teil der Milchstraße. Aber ich sehe auch enorme Chancen. Ich möchte mich an der Sternenflotten-Akademie bewerben. Und was ist nun mit Dir?“, griff er den Faden wieder auf.

„Ich finde es doof.“

„Doof?“

„Ja, doof.“ Naomi verschränkte demonstrativ beide Arme. „Die Voyager ist mein Zuhause. Ich bin hier geboren. Ich möchte nicht weg von hier. Außerdem bin ich doch die Assistentin des Captains.“, setzte sie selbstbewusst hinterher.

„Aber Du wirst Deinen Vater wiedersehen.“, bedeutete Icheb.

„Kann sein.“ Die junge Dame seufzte. „Aber ich kenne ihn nicht mal. Für mich ist er ein Fremder. Außer dass ich zur Hälfte Ktarianerin bin, hab‘ ich nichts von ihm.“

„Du solltest nicht so voreilig sein.“, riet Icheb.

„Aber es ist so.“

Icheb nahm Naomi in Augenschein. „Wenn ich an meinen Vater und auch an meine Mutter zurückdenke, gibt es nichts Positives, was ich sehe. Für sie war ich nur eine genetische Waffe im Kampf gegen die Borg, ein Mittel zum Zweck. Ich glaube nicht, dass sie mich wirklich geliebt haben. Aber Dein Vater – ob Du ihn nun kennen magst oder nicht – liebt Dich. Er hat sieben Jahre auf Deine Rückkehr gewartet. Es wird Dir gut gehen. Ich beneide Dich, Naomi Wildman.“

Ein dünnes Lächeln stahl sich ins Antlitz des Mädchens. Ichebs Worte hatten gewirkt, ihr eine neue Sicht auf die Dinge eröffnet. „Also schön.“, meinte sie. „Aber versprich mir eins, Icheb. Egal, was kommt: Seven, Du und ich – wir bleiben Freunde.“

„Das verspreche ich Dir, Naomi. So wahr ich hier vor Dir stehe.“

Das Lächeln des Mädchens wurde noch etwas breiter. „Dann lass uns besser schnell zu dieser Ansprache von Captain Janeway geh’n, bevor wir sie noch verpassen. Okay?“

Sie streckte Icheb die Hand entgegen, und er ergriff sie. Gemeinsam verließen sie die Astrometrie.
* Aus diesem Grund hatte Chakotay auch entschieden, sein Schiff, das von Eddington ursprünglich Val Jean genannt worden war, nachträglich in Liberty umzubenennen. Die Umbenennung war wenige Wochen vor der Verschleppung des Schiffes in den Delta-Quadranten erfolgt.
Rezensionen