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Familiäre Fesseln

von Harald Latus

Kapitel 10

Die Vorsitzende hatte verfügt, dass eine erneute Beurteilung durch den Schiffsarzt und seinen Kollegen das Hologramm durchgeführt werden durfte und William van Dyke war nun zu Fuß unterwegs in die Krankenstation gebracht worden. Ein eindeutiges Indiz dafür, dass die mobile Plattform nur einem Ziel dienen sollte, nämlich seinen eigentlichen Zustand zu verschleiern. Doktor Darian Wells assistierte in diesem Fall nur, er hatte den Wink von Captain van Dyke sofort verstanden, das Hologramm war der perfekte Untersuchungsarzt, der keinerlei Gefühle oder auch Zuneigungen kannte und daher als das optimale Beispiel einer neutralen Bewertung angesehen wurde.
„Mister van Dyke, wollen Sie sich bitte auf den Diagnosetisch legen, dann werden wir die Überprüfung schnell hinter uns haben.“, erklärte das Hologramm, während es zu dem kleinen Beistellschrank ging, um einige Sensorgeräte zu entnehmen. Er schaltete bei der Gelegenheit auch gleich den Deckensensor ein, der für den gesamten Körper eine Tiefenabtastung vornehmen konnte und damit wertvolle Angaben herausfiltern konnte.
Unwillig schob sich Captain van Dykes Vater auf den Tisch und positionierte sich unter dem Scanner. Es war ihm anzusehen, dass ihm dies sehr missfiel, er schien sich jedoch sicher zu sein, dass man ihm keine weiteren Dinge nachweisen konnte, deshalb erklärte er, „Machen Sie nur, Sie werden bestätigen, dass meine aktuelle Situation genau dem entspricht, was im Gutachten steht. Als Fachmann kenne ich sowohl die Prüfmaßnahmen als auch die Ergebnisse dieser Prüfung ganz genau. Ich erwarte dann am Ende der Prozedur Ihre Entschuldigung.“
Der Holodoktor setzte ein gewinnendes Lächeln auf „Aber natürlich, Sie werden bestimmt zufrieden sein. Ich bin absolut neutral, unparteiisch und folge nur meiner Programmierung, die selbstverständlich einen enormen Wissensschatz beinhaltet, da in meiner Matrix die Erfahrungen der gesamten Ärzteelite von 134 Welten enthalten sind.“
Damit begann der Holodoc mit der Überprüfung. Zunächst ließ er über den Deckenscanner eine Ganzkörperabtastung vornehmen, die er auf den großen Wandschirm übertrug. Nun konnte man durch die Verschiedenen Prüfergebnisse schalten. Sowohl eine Ansicht der Knochen, wie sie einer Computertomografie ähnelte, wie auch eine Abbildung des Zellgewebes, was einer aus früheren Jahren als Magnetresonanztomografie ähnelte, wanderten neben einigen Fehlfarbbildern über den Bildschirm. Anhand der einzelnen Farben waren dann die Unterschiede im Zellgewebe zu erkennen.
Zwei weitere Einzelscanergebnisse fertigte der holografische Doktor noch an, dann hatte er seine Prozedur abgeschlossen. Auf einem Bild, was auf dem Wandschirm erschien, verweilte sein Blick fast drei Minuten, dann schüttelte er den Kopf. William van Dyke fasste dies so auf, dass er keine markanten Unterschiede zum Gutachten gefunden hatte und wollte schon aufstehen, als sich der Holodoc noch einmal zu ihm umdrehte.
„Bitte noch einen Moment, ich muss noch eine Möglichkeit ausschließen, die mir Kopfzerbrechen bereitet. Übrigens eine sehr nette menschliche Phrase die auf mich nicht wirklich zutrifft, denn mein ‚Gehirn‘ steckt schließlich in einem Rechner,“
Damit zog er unter dem Behandlungstisch einen Hebel heraus, der nach einem Klappmechanismus aussah. Ein zirka fünfzig Zentimeter langer Arm ließ sich nach oben stellen und zusätzlich an seinem oberen Ende genau so lang um neunzig Grad abwinkeln. Darin war ein schmaler Flachscanner angebracht. Von der Optik her sah es fast aus wie eine Schreibtischleuchte.
Das Gerät wurde am obersten Ende des Tisches angebracht und als es der Doktor einschaltete, setzte es sich mit einem leisen Summen in Bewegung. Ein grüner Lichtstrahl traf auf William van Dyke und fuhr über seinen ganzen Körper bis hinunter zu den Fußspitzen.
Danach schaltete der Scanner ab und der Holodoktor verbarg ihn nach dem Zusammenklappen wieder unter dem Untersuchungstisch.
„So, Sie sind fertig“, erklärte er, “so gut wie neu, oder vielleicht sogar besser.“ Als sich William van Dyke wieder aufsetzte und auf die Anwesenden blickte, konnte er sich deren unverständliche Mine zunächst nicht erklären.
William van Dyke hatte sich auf wundersame Weise um nahezu zwanzig Jahre verjüngt, was seinem wahren Alter eher entsprach.
„Doktor, könnten Sie uns das bitte erklären, Sie sollten hier nur scannen und keine Regenerativen Maßnahmen durchführen.“, erklärte Captain van Dyke.
Der Holodoc setzte eine wissende Mine auf. „Nun, wie ich aus dem Schiffscomputer und durch Ihre Beauftragung erfahren habe, ging es um die Frage der Vitalität des Individuums.
Wie mir beim Scan aufgefallen ist, wurden vor allem im Bereich der sichtbaren Hautpartien dermatologische Veränderungen vorgenommen, die man mit ungeübtem Blick nicht erkennt. Dadurch wurde eine künstliche Alterung vorgetäuscht, auch wenn das tiefere Gewebe dies nicht widerspiegelt. Eine bemerkenswerte Arbeit, wenn ich das so sagen darf, aber leider nicht perfekt und viel zu leicht zu durchschauen.“ Mit stolz geschwellter Brust erklärte der holografische Arzt nun, wie er das erkannt hatte, wurde aber von Captain van Dyke erneut unterbrochen.
„Doktor, Sie hatte nicht den Auftrag eine dermatologische Veränderung vorzunehmen.“, warf ihm der Kommandant vor.
„Ganz im Gegenteil, ich habe keine Veränderung vorgenommen, sondern die Veränderung rückgängig gemacht. Der Patient wurde nach meiner Einschätzung absichtlich in diesen Zustand versetzt. Außerdem habe ich keine unnatürliche Veränderung hervorgerufen. Das Gerät dient einer Zurückversetzung in den Urzustand. Zellen haben ein Gedächtnis, sie wachsen immer wieder auf die gleiche Art, auch wenn man sie verändert oder oberflächlich entfernt, wie zum Beispiel Altersmale oder Muttermale. Lediglich, wenn man die entsprechenden Partien zu einer gewissen Tiefe und Größe entfernt, kann man sie dauerhaft tilgen.
In den Hautschichten waren Partikel eingearbeitet, die für bestimmte Krankheiten typisch sind oberflächliche Prüfungen lassen daher die Gebrechen als existent erscheinen. Aber für jemanden, der sich mit Genetik auskennen würde, wäre es ein leichtes, zumindest aber nicht unmöglich, sich solcher Praktiken zu bedienen.“
Roger van Dyke nickte. „Ich danke Ihnen, sie haben sehr gute Arbeit geleistet. Bitte lassen Sie ihren Bericht umgehend in die Medizinische Akte übertragen, damit man darauf zugreifen kann.“
Damit schickten sich die Personen an, den Behandlungsraum zu verlassen und wieder zum Holodeck zu gelangen.

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Zum letzten Mal hatte man sich in Holodeck drei eingefunden, um den Beschluss der Jury zu hören. Die Vorsitzende war sehr erstaunt den Vater von Roger van Dyke wiederzusehen. Er sah um nahezu zwanzig Jahre jünger aus, seine Haut war nicht mehr von dunklen Tönen überschattet, sah nicht mehr eingefallen aus und war scheinbar nicht mehr auf seine mobile Plattform angewiesen.
Nachdem sich alle gesetzt hatten, kam die Vorsitzende zur Verlesung der Untersuchungsergebnisse. Sowohl Doktor Darian Wells, als auch das MHN waren anwesend und hatten der Vorsitzenden während der Entscheidung die komplexen Ereignisse erklärt, die zu dem ursprünglichen Zustand geführt hatten.
Es war inzwischen schon spät am Abend und Captain van Dyke hoffte, dass sein Vortrag und die Untersuchungsergebnisse für ihn sprachen, dennoch blieb eine gewisse Unsicherheit, denn auch wenn er vielleicht nicht jetzt mit diesem Schicksal konfrontiert werden würde, so könnte ihn dies in einigen Jahren erneut ereilen und dann könnte er sich dieser Aufgabe möglicherweise nicht mehr entziehen.

Die Vorsitzende Gwendolin Wester erhob sich und alle Anwesenden standen ebenfalls auf.
„Heute hatte ich über den Antrag der Home Care zu entscheiden, die Professor Doktor William van Dyke einen Betreuer auf Lebenszeit zuweisen wollten. Der ursprüngliche Antrag wurde gestellt und im Rahmen einer Abwesenheitsentscheidung gegen Roger van Dyke verhängt.

Gegen diese Entscheidung wurde mit Erfolg das Rechtsmittel eines Verfahrensfehlers nachgewiesen, indem Captain van Dyke rechtssicher erklären konnte, dass ihn die Aufforderung nie erreicht hat.
Ein solcher Verfahrensfehler ist schwerwiegend und muss zur Aufhebung der Entscheidung führen. Eine direkt im Anschluss durchzuführende Neubewertung wurde von mir anberaumt und beide Parteien wurden gehört.
Es hat sich gezeigt, dass im Gegensatz zum ersten Verfahren nicht allein Captain van Dyke eine mögliche Wahl gewesen wäre. Zudem wurde festgestellt, dass der Hilfesuchende nicht berechtigt war eine solche Hilfe in Anspruch zu nehmen, da die Voraussetzungen für eine solche nicht gegeben waren und zudem nicht mehr existent sind.
Im Rahmen meines Amtes ist es nicht an mir dieses Vorgehen zu ahnden. Dieser Kommission obliegt lediglich die Aufgabe eine Entscheidung über die Pflege- und Betreuungsverantwortung zu treffen. Obwohl Professor Doktor van Dyke derzeit weder einen erneuten Antrag stellen kann noch in einer Notlage oder ähnlichen Verfassung ist, habe ich mich dazu entschlossen hier und jetzt eine Entscheidung herbeizuführen, um spätere Verfahren ausschließen zu können.
Ich bestimme die Tochter Saskia Peterson zum bestellten Betreuer auf Lebenszeit, sofern ein notwendiger Fall eintritt. Gegen diese Entscheidung ist kein weiteres Rechtsmittel zugelassen.
Diese Entscheidung deckt sich auch mit den Vorgaben der Sternenflotte, welche die Einsatzbereitschaft der Sicherung der Föderation sicherstellen muss. Hier haben Verteidigungsaufgaben einen höheren Stellenwert als alle anderen Anforderungen.
Beschlossen und verkündet mit heutigem Datum. Die Sitzung ist geschlossen.“
Damit schlug sie mit dem Holzhammer auf die Platte und Gwendolin Wester kam hinter dem Richtertisch hervor. Während die Familie des Captains wütend gestikulierend das Holodeck verließ, war Captain van Dyke an seinem Platz stehengeblieben und wartete auf die Mitglieder der Kommission. Die Vorsitzende trat zu ihm und gemeinsam schritten sie durch den Raum zum Ausgang.

„Auch wenn ich Ihre Gesellschaft sehr schätze, würde ich gerne umgehend wieder auf die Erde zurückkehren. Meine Aufgabe hier ist ohnehin erledigt. Sie haben hervorragend argumentiert. Ich habe selten jemanden gesehen, der so überzeugend vorgetragen hat. Haben Sie denn eine juristische Ausbildung?“, wollte Gwendolin Wester von Captain van Dyke wissen. Dieser lachte leise und sah die neben ihm gehende Frau an: „Nein, das hatte ich nicht, nur den eisernen Willen diese Ungerechtigkeit aufzuheben. Ich hätte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass wir so viele Nachweise finden, aber meine Crew ist sehr gründlich. Es war überraschend und erschreckend, was diese Familie an einem Netzwerk aufgebaut hat. Ich glaube es war eine meiner besten Entscheidungen, dieser Lebensgemeinschaft den Rücken zu kehren und meinen eigenen Weg zu gehen. Wenn es anders ausgegangen wäre, hätte ich es selbstverständlich ebenfalls akzeptiert, aber es roch von Anfang an nach einem abgekarteten Spiel. Ich werde Sie abholen, sobald das Executive Shuttle wieder eingetroffen ist.“
Sie traten aus dem Holodeck und hinter ihnen schloss sich die Tür. Kurz zuvor hatte Gwendolin Wester noch einmal einen Blick in den wunderschönen Sitzungssaal geworfen, der in der Realität leider nicht mehr existierte. Zufrieden und mit einem Lächeln folgte sie dem Crewman, der sie zu ihrem Quartier brachte.

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„Captain, das Executive Shuttle meldet Abflugbereitschaft“, kam es von der Bolianerin Alisha an der OPS.
„Sagen Sie dem leitenden Decksoffizier, dass es Startfreigabe hat.“, erklärte Captain van Dyke.
Wenige Sekunden später sah man wie das Shuttle über die Untertassensektion davoneilte und durch die großen Raumtore entschwand. Von Roger fiel eine tonnenschwere Last ab. Diese Begegnung mit der Vergangenheit hatte ihm schwer zu schaffen gemacht. Doch letztendlich machte es die Situation auch einfacher. Es war für ihn nicht so schwer sich von Personen zu distanzieren, die einem fragwürdigen Lebenswandel nachgingen.
Er winkte Rebecca Carlisle heran, die an der Wissenschaftskonsole stand. „Nummer eins, wie weit sind wir mit unseren Aufgaben?“ Die junge Frau mit den langen Haaren setzte ein zufriedenes Lächeln auf. „Wir haben alles erledigt. Insgesamt konnten wir einundzwanzig neue Schildkonfigurationen erfolgreich testen. Die Trägheitsdämpfer wurden um fünfunddreißig Prozent verbessert und sind so konzipiert, dass sie problemlos auf anderen Schiffen eingesetzt werden können. Der Auftrag ist also vollkommen abgeschlossen. Wenn Sie hier keine weiteren Aufgaben mehr festhalten, dann sind wir jederzeit abflugbereit, Sir!“
Captain van Dyke erhob sich aus dem Zentralen Stuhl, „Worauf warten wir dann noch? Lassen sie Segel setzen und bleiben Sie hart am Wind, wir holen Ihren Captain wieder ab.“ Damit verließ er die Brücke und begab sich nach hinten in den Bereitschaftsraum.

Der Flug zum Einsatzort der Aviator verlief ohne Störungen. Commander Carlisle hatte Captain Wikland wissen lassen, dass die Alexandria bereits auf dem Weg zum Rendezvous war und in Kürze eintreffen würde. Captain van Dyke hatte den Flug der ersten Offizierin überlassen, die dabei eine sehr gute Figur machte. Sie hatte die Mannschaft gut im Griff und es gab keine Probleme, auch wenn Captain Wikland nicht an Bord war. Im Prinzip wünschte sich das jeder Captain, auch wenn es bedeutete, dass seine Position obsolet wurde, was natürlich nicht den Tatsachen entsprach. Aber ein Team, welches auch ohne den Captain zurechtkam und dennoch alles in seinem Sinne ausführte, war in wichtigen und kritischen Situationen ein echter Trumpf, den andere vielleicht nicht hatten.

Das Türsignal des Bereitschaftsraums ertönte und Captain van Dyke rief „Herein!“
Durch die sich öffnenden Türen trat Jaqueline Jefferson mit einem geheimnisvollen Lächeln.
Nachdem sich die Türen geschlossen hatten setzte sie sich auf den Stuhl vor dem Tisch des Captains und lächelte Roger spitzbübisch an.
„Du weißt, dass Du das nicht hättest machen müssen. Ich wäre sicherlich auch so aus der Sache herausgekommen, auch wenn Du deine Kräfte nicht benutzt hättest.“, erklärte Roger. Er war nicht ungehalten darüber, aber es war ein Risiko, Ein Risiko, dass sie hätte verraten können. „Der Commander war nicht anwesend und die Anderen haben ja keine Ahnung von meinen Fähigkeiten“, erwiderte die Chefingenieurin,
„Sei Dir da mal nicht so sicher. Du weißt genau, dass schon einige Sachen passiert sind, die im Besonderen die Brückencrew mitbekommen hat, also halte dich zurück. Es sei denn Du willst mit Jan Erik darüber sprechen, sie einzuweihen. Ehrlichgesagt wäre es besser. Vielleicht machst Du von ihr auch einmal so einen Faktencheck, wie Du ihn bei meiner Schwester gemacht hast, dann kannst Du das sicher beurteilen.“
„Möglicherweise, aber ich habe da ganz andere Mittel, die einfacher und schneller gehen würden.“, gab J.J. zurück.
Roger verzog das Gesicht zu einer grimmigen und gleichzeitig schmerzhaften Miene.
„Das war nur ein Scherz“, schob sie nach, „ich bin doch nicht bescheuert. Ich werde mit Wikland darüber reden, versprochen.“
Captain van Dyke nickte.
„Bevor Du gehst habe ich aber noch ein Abschiedsgeschenk, dass Du womöglich gut gebrauchen kannst“, sagte J.J. und legte eine große Isolineare Datenplatte auf den Tisch.
„was ist das?“, wollte Roger wissen.
„Das sind die Ergebnisse unserer Schildtests. Die Trägheitsdämpfer sind nur mit einer Hardwarelösung zu verbessern, aber das hier funktioniert auch einfach so. Vielleicht hilft es Dir ja einmal in einer besonderen Situation. Man kann nie wissen. Ich habe es erstmal nur als Teilergebnis an die Flotte reportiert, ohne nähere Unterlagen. Ich muss sagen derzeit traue ich nicht mehr jedem bedingungslos. Du bist die rühmliche Ausnahme.“
Roger fühlte sich geschmeichelt. „Ich werde gut darauf aufpassen und es sparsam einsetzen, das verspreche ich.“
Jaqueline Jefferson lächelte den Captain an und erhob sich. Wir sehen uns nochmal, bevor du wieder auf dein Schiff gehst. Bis dann!“, damit verließ sie den Bereitschaftsraum.



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