TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Im Sturm der Ereignisse

von Seveny

Wahrheit - ein Titan auf dem Umschlagplatz der Enttäuschungen

Mit einem Seufzer der Erleichterung trat Janeway in die kühle Nachtluft. Sie hatte ihre Pflicht getan, jetzt brauchte sie einige Minuten Ruhe, zumal sie die Wirkung des Sekts und die emotionale Anspannung des Tages deutlich spürte. Es war wohl das Beste, sich die Füße zu vertreten, bevor sie für eine letzte Nacht auf die Voyager zurückkehrte.

Nachdenklich schritt sie durch die spärlich beleuchteten Grünanlagen, die ans Hauptquartier angrenzten und bis zum Akademiegelände herüberführten, ohne dass sie die Springbrunnen, Blumenrabatten oder akkurat geschnittenen Buchsbaumhecken überhaupt wahrnahm. Dabei irrten ihre Gedanken genauso ziellos umher wie ihre Schritte selbst.

Eine Odyssee, ein Irrflug durch die unerforschten Weiten des Delta-Quadranten, hatte im Bankettsaal der Sternenflotte einen würdigen Abschluss gefunden. Verantwortung, Pflicht und Sorge waren erdrutschartig von ihr abgefallen. Doch statt der erwarteten Entspannung hinterließ die Rückkehr nichts als eine große Leere; ein Vakuum, das mit einer tiefen emotionalen Erschöpfung einherging - so etwa hätte sie ihren gegenwärtigen Zustand beschrieben.

Vielleicht hing es damit zusammen, dass sie nun kein Ziel mehr vor Augen hatte? Mindestens sechs Monate dauerte die Freistellung nach einer Tiefenraummission. Was kam danach? Welches Schiff übertrug man ihrer Verantwortung? Würde sie mit einer fremden Mannschaft - einem neuen Ersten Offizier - zurechtkommen?

Ein tiefer Seufzer entwich ihrer Kehle, in dem ebenso viel Wissen wie Einsicht lag. Aus der Voyager war über die lange Zeit ein Zuhause geworden, aus den Kollegen Freunde. Der Abschluss der Mission ging mit dem Ende der beruflichen und privaten Freundschaften einher - etwas, das sie nie für möglich gehalten hätte.

Sie verließ den Kiesweg und schlenderte auf eine Bank zu, die unweit des festlich beleuchteten Hauptquartiers stand. Von hier aus sah sie die eindrucksvollen Konturen der Voyager. Paris hatte das dreihundertvierzig Meter lange Schiff auf der großzügigen Freifläche zwischen Hauptgebäude und Gartenanlage gelandet. Ein dünnes Lächeln huschte über ihr Gesicht - sicherlich eine fliegerische Meisterleistung, auch wenn sie bei dem Befehl, einen Landeplatz zu suchen, eher an die offizielle Freifläche vor dem großen Shuttlehangar gedacht hatte. Die spektakuläre Landung hatte zumindest die Medien gefreut.

Der Anflug von guter Laune erlosch im Nu, als sie über das Kommende nachdachte. Schon morgen Nachmittag flog eine unbekannte Crew aus Technikern und Ingenieuren das Schiff zur Utopia-Planitia-Flottenwerft, um die Technologie einer sechzehn Jahre entfernten Zukunft auszubauen; eine Vorstellung, die sie befremdete. Die Voyager war ihr offenbar über die Zeit mehr ans Herz gewachsen, als sie sich eingestehen mochte. Nur das Thema Karriere versprach einige positive Aspekte.

Schon vor der Odyssee im Delta-Quadranten galt sie als aufsteigender Stern der Flotte. Das war wenig überraschend, denn ihre Familie gehörte seit Generationen zum führenden Admiralsstab. Nach der siebenjährigen Tiefenraum-Mission standen die Chancen ausgezeichnet, dass das Oberkommando ihr ein Schiff der Galaxy-Klasse anbot oder eine Beförderung in Erwägung zog - Hayes hatte ja derlei schon angedeutet. Sie sollte sich über diese Aussichten freuen, doch in ihrem Innersten rührte sich nichts. Das leere Gefühl blieb.

Sie rieb sich die kalten Finger, in der Hoffnung, durch warme Hände die trostlosen Gedanken vertreiben zu können. In wenigen Minuten würde sie auf die Voyager zurückkehren, scherzen und lachen und ganz die starke Persönlichkeit sein, die die Crew von ihrem Captain erwartete.

»Darf ich dir Gesellschaft leisten?«

Erschrocken drehte Janeway den Kopf, lächelte aber, als sie die dunkle Gestalt erkannte. »Chakotay ... was machst du hier? Warum bist du nicht bei den Anderen?«

»Annika unterhält sich gerade mit ihrer Tante Irene. Ich wollte den beiden einige Minuten alleine gönnen«, erklärte er und setzte sich neben sie.

»Also deshalb spazierst du in den düsteren Grünanlagen herum?« Sie schenkte ihm einen spöttischen, aber liebevollen Blick. Er war schon immer ein denkbar schlechter Lügner gewesen. »Eher hätte ich geglaubt, dass du ebenfalls etwas frische Luft brauchst.«

»Du hast Recht, das ist nicht ganz die Wahrheit«, bekannte er zögernd. Entgegen seiner sonstigen Art wirkte er verunsichert, so als hätte er etwas auf dem Herzen, das sich nur schwer in Worte fassen ließ. »Um ehrlich zu sein ... ich habe zufällig beobachtet, wie du den Saal alleine verlassen hast - und bin dir gefolgt.«

»Die Feier hat mich stärker mitgenommen, als ich vermutete. Aber kein Problem, es geht schon wieder.«

Sie rang sich zu einem Lächeln durch, von dem sie glaubte, es würde ihn davon abhalten, besorgt zu sein. Dabei hoffte sie inständig, dass er nicht nachfragte. Ihr emotionaler Zustand glich ohnehin schon einem Trümmerfeld. Weitere tiefschürfende Gespräche vertrug sie im Moment nicht.

Doch Chakotay hatte offenbar nicht vor, sie sofort wieder der Einsamkeit zu überlassen. Verlegen zupfte er sich am Ohr - eine Geste, die sie nur allzu gut kannte und die meistens ein Geständnis oder eine Wahrheit einleitete.

»Kathryn ... unsere Freundschaft ist seit Annika etwas in den Hintergrund gerückt. Ich hatte gehofft, dass wir auf der Voyager eine ruhige Minute finden, um darüber zu reden, aber ...« Er unterbrach seinen Satz und schwieg verunsichert.

»Ich wusste nicht, dass es etwas zu besprechen gibt«, antwortete im gleichen Tonfall, mit dem sie sonst auf der Brücke den Statusbericht anforderte. Irgendwie hoffte sie, dem Gespräch auf diese Weise aus dem Weg gehen zu können, doch Chakotay fasste sich wieder und sprach in unverändert sanfter Stimmlage weiter.

»Es kam mir unpassend vor, ohne Erklärung zu gehen. Sowie die Nachbesprechungen vorbei sind, fliege ich mit Annika nach Dorvan.«

»Du musst dich nicht erklären.«

»Kathryn ... wir standen uns lange Zeit recht nahe. Ich bedauere, dass es so gekommen ist.«

Sie legte ihre Hand auf seine und strich sanft darüber. »Es ist in Ordnung. Ich freue mich für dich. Du hast jemanden gefunden, der zu dir passt.«

»Ich werde Annika auf Dorvan heiraten.«

Für einen Moment hatte sie das Gefühl, der Satz durchbräche ihre letzten emotionalen Mauern. Ungläubig suchte sie in seinen Augen nach der Wahrheit. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass er Annika heiraten wollte. Sie hatten doch gar keine Gemeinsamkeiten. Wie lange lief die Beziehung überhaupt? Konnte das in so kurzer Zeit wirklich sein Wunsch sein? War der Altersunterschied nicht zu groß? Gerade noch rechtzeitig schaltete sie in den professionellen Modus, eine unbewegliche Maske, hinter der sie sich sicher fühlte. Sie atmete tief ein, straffte sich und reichte ihm die Hand.

»Herzlichen Glückwunsch, Chakotay.« Sie gab ihrer dunklen Stimme einen warmen Unterton. »Annika ist eine liebenswerte Person. Ihr werdet bestimmt glücklich werden.«

Sie meinte, was sie sagte. Nie würde sie ihm das Glück neiden, derlei stand außer Frage. Trotzdem senkte sich eine bedrückende Stille über das Gespräch, so, als ließen beide gleichzeitig die Vergangenheit Revue passieren.

Durch die gemeinsamen Abende auf der Voyager kannte sie seine Wünsche recht genau. Ihre Bedürfnisse hätten nicht unterschiedlicher sein können. Er dachte mittlerweile an Familie, an ein Leben in der freien Natur und an sein Volk auf Dorvan. Sie hingegen war Wissenschaftlerin, sie wollte auch weiterhin auf einem Schiff der Sternenflotte neue Welten erforschen.

Es schien, als stünde Spiritualität einem rein wissenschaftlichen Geist unversöhnlich gegenüber; ein Gedanke, der sie verwundert innehalten ließ. Obwohl der Maquis-Führer so gar nicht in ihre Welt passte, war sie bereits vom ersten Kennenlernen an von ihm fasziniert gewesen. Die spirituelle Ader imponierte ihr genauso wie seine festen Grundsätze und die bedingungslose Geradlinigkeit, mit der er durchs Leben ging.

Trotzdem seltsam, befand sie, dass ausgerechnet ein einstiger Rebell sie so sehr vereinnahmt hatte. Aber vielleicht waren gerade die Gegensätze am Geheimnis der Anziehungskraft Schuld? Ihr eigenes risikofreudiges Wesen fand in Chakotays vorsichtigen Überlegungen ein Gegengewicht. Wo sie nur nackte Zahlen sah, entdeckte er spirituelle Sichtweisen. Beruflich hatten sie sieben Jahre lang perfekt zusammengearbeitet. Privat hatte er sich nun anderweitig orientiert.

Vielleicht war es dem Sekt geschuldet oder der nächtlichen Stimmung im Park. Aber vielleicht hatte sie auch einfach das Gefühl, dass sie am Ende der Reise die Dinge beim Namen nennen sollte. Sie fand ihr inneres Gleichgewicht wieder und sprach aus, was an verborgenen Gedanken in der Luft hingen.

»Ich habe lange über uns nachgedacht. Aber eine Beziehung ließ die Situation nicht zu.

Er stutzte kurz und für einen Moment hatte sie den Eindruck, in seinen Augen blitze eine Spur Unglaube auf. Schließlich lächelte er. Der warme Klang seiner Stimme nahm jeder aufkeimenden Peinlichkeit sofort die Schärfe.

»Darüber habe ich auch nachgedacht - ob es nicht mehr sein könnte als eine Freundschaft. Aber du hast recht: Eine Beziehung ließ die Situation nicht zu.«

»Und selbst wenn: Wir wären wohl kaum das ideale Paar gewesen«, sagte sie mit entwaffnender Ehrlichkeit. Dabei schenkte sie ihm einen liebevollen Blick, der ihre Äußerung milderte.

»Vermutlich«, antwortete er zögernd und rieb die Handflächen aneinander. Ihre Bemerkung schien ihn zu beschäftigen. Schließlich wandte er sich ihr wieder zu. In seinen Augen funkelte etwas auf, das sie nicht deuten konnte.

»Wahrscheinlich hast du recht. Wir sind nicht das ideale Paar ... zumindest solange die Sternenflotte das Wichtigste in deinem Leben ist.«

Sie ließ seine Worte eine Weile auf sich wirken, bevor sie mit schmerzlichem Lächeln zugab: »Ja, es stimmt. Die Sternenflotte hat für mich von jeher eine gewisse Priorität gehabt. Vermutlich liegt darin der Fehler.«

"Du musst dich nicht rechtfertigen, Kathryn. Es ist ein Teil deiner Persönlichkeit.«

Die gegenseitige Offenheit überraschte beide, aber was gab es in dieser Situation schon zu verlieren? Vielleicht war Ehrlichkeit der letzte Luxus, den sie miteinander teilten, bevor sich ihre Wege für immer trennen würden.

Seine Hand wanderte zu ihrer und umfasste sie in einer innigen Geste. »Ich möchte dich zur Hochzeit einladen. Es wäre schön, wenn du im Herbst unsere Trauzeugin wärst, Kathryn.«

»Selbstverständlich ... es ist mir eine Ehre«, hörte sie ihre eigene Stimme wie durch Watte sagen. Es war so weit. Sie standen an einer Wegkreuzung und hatten sich für unterschiedliche Richtungen entschieden. Sie durfte seinem Glück nicht im Wege stehen, sofern ihr tatsächlich etwas an ihm lag. Sie verdrängte das Ziehen in der Brust, das diesen Gedanken begleitete. Um seinetwillen wollte sie danebenstehen und lächeln und wenn es sein Wunsch war, würde sie das Paar auch zum Traualtar begleiten.

   ~~~*~~~

Die Abendsonne färbte die Skyline der Stadt in ein brennendes Farbenspiel. Auch das Büro des Geheimdienstes tauchte kurzfristig in ein warmes Licht. Bullets hob den Kopf. Fast Feierabend, registrierte er überrascht. Die Stunden - angefüllt mit Sitzungen, Dienstanweisungen und bürokratischem Schreibkram - waren viel zu schnell verflogen. Er musste endlich Jack aufsuchen, dessen Büro ebenfalls auf der 48. Etage der Transamerica Pyramid lag. Im Vorbeigehen warf er seinem Sekretär noch einige Anweisungen zu, dann verließ er die eigene Dependance.

Seine Schritte folgten blind dem Korridor, ohne dass er die flammende Skyline, die durch die weitläufige Fensterfront auf den beigefarbenen Veloursteppich schien, wahrnahm. Es lag weniger daran, dass er die Schönheit eines Sonnenuntergangs generell nicht hätte zu schätzen gewusst, sondern eher an der speziellen Situation. Er stand vor einer Entscheidung, die nicht einfach zu treffen war. Welche Strategie würde ihn am sichersten zum Ziel führen? Es gab mehrere Möglichkeiten und noch hatte er sich nicht endgültig festgelegt.

Ich darf mich nicht zu sehr auf Paris konzentrieren. Besser wäre es, die Maquis allgemein ins Visier zu nehmen, vielleicht ein breit angelegter Medienangriff. Wenn unter dem öffentlichen Druck die Immunität kippt, dann habe ich genügend Möglichkeiten, ihn dranzukriegen.

Er dachte an Wu, einen Antiquitätenhändler, der im Untergrund als Meister der Desinformation galt - Spezialgebiet: Medien-Kampagnen. Bullets spitzte grübelnd den Mund. Keine schlechte Idee. Der Chinese hatte schon öfters delikate Aufträge zu seiner Zufriedenheit erledigt. Vor allem könnte er auf diese Weise den eigenen Namen heraushalten.

Material für eine wirksame Kampagne gab es ebenfalls reichlich. In den unzähligen Aufzeichnungen des Geheimdienstes befanden sich Berichte von geplünderten Waffendepots, Überfälle auf Raumstationen, abgeschossenen Schiffen, Kämpfe mit den Cardassianern und vielen Verdachtsfällen. Die Maquis hatten genügend Dreck am Stecken. Wu könnte diese Bluttaten medienwirksam ins Licht der Öffentlichkeit zerren, ohne dass irgendjemand ahnte, dass das Material für die Kampagne vom Geheimdienst kam. Aber noch war es zu früh, um eine endgültige Entscheidung zu treffen. Zuerst muss ich herausfinden, was Jack plant.

Bullets bog in einen Seitengang ein, und schon von Weitem sah er den Eingang zum Büro des Kommandoratsvorsitzenden. Er verlangsamte den Schritt, um den Gedankengang zu beenden. Bei diesem Medieninteresse würde es sicher eine Pressekonferenz geben, in der das Oberkommando offiziell einige Informationen zur Rückkehr der Voyager und der Immunität der Maquis herausgab. Bullets nickte sich selbstbestätigend zu. Ja, er musste das Gespräch abwarten, das war vernünftig.

Zügig trat er an die Milchglas-Türen heran, auf denen lebensgroß das Logo der Sternenflotte prangte und die nur gemächlich - und für seinen Geschmack heute viel zu langsam - auseinander glitten. Hoffentlich saß Jack schon wieder am Schreibtisch. Die Sitzung des Oberkommandos, eine Debatte über den zukünftigen Einsatz der neuartigen Ablativpanzerung, war erst vor einer halben Stunde zu Ende gegangen.

Im Vorzimmer blieb Bullets zunächst stehen. Die junge Frau, die hinter dem Tresen an der Computerkonsole saß, gab mit den kinnlangen schwarzen Haaren den Inbegriff einer Vulkanierin ab. Sie arbeitete erst seit einigen Wochen als Adjutantin für Jack, daher kannte er sie noch nicht allzu gut. Er wusste nur, dass sie einen Platz im vulkanischen Wissenschaftsrat abgelehnt hatte, um diese Stelle in der Sternenflotte anzunehmen. Niemand verstand das so richtig. Bullets schnaubte spöttisch. Sicher steckt eine tiefgründige Logik dahinter, so, wie es bei Vulkaniern immer der Fall ist, und ich bin nur zu einfältig, um sie zu verstehen.

Er fixierte die dunkelhäutige Frau, die bislang noch keinerlei Anstalten gemacht hatte, von ihm Notiz zu nehmen. Erst als er sich wiederholt räusperte, hob sie den Kopf, die Brauen zu einer fragenden Geste nach oben gezogen.

»Guten Abend, Miss Asil. Ist Admiral Hayes in seinem Büro, oder ist er bereits in den Feierabend geflüchtet, weil ihn die Sitzung des Oberkommandos geärgert hat?«

»Ich habe Sie bereits dem Admiral gemeldet. Sie können jetzt reingehen«, erwiderte Asil und schenkte ihm einen missfälligen Seitenblick. Offenbar schätzte sie derlei Scherze nicht besonders.

Typisch Vulkanier, dachte er und verkniff sich eine Erwiderung. Einmal mehr registrierte er die große Ähnlichkeit, die Asil mit ihrem Vater Tuvok verband - ein Gedanke, der ihn amüsierte. Sie hatte nicht nur dessen Aussehen geerbt, sondern auch seinen Mangel an Humor, stellte er belustigt fest. Dankend hob er die Hand, dann betrat er das geräumige Büro des Kommandoratsvorsitzenden.

Wie zu erwarten, saß Jack am Schreibtisch. Kein Ärger der Welt hätte ihn dazu bewogen, den Dienst vorzeitig zu beenden - von daher war die Bemerkung über Hayes‘ mögliche Flucht rein rhetorischer Natur. Seine Dienstzeit begann stets pünktlich um 8:00 Uhr und endete erst weit nach Einbruch der Dunkelheit, egal welche Verpflichtungen er sonst noch haben mochte. Das Leben in diesen engen Bahnen gehörte zu Jacks unumstößlichen Lebensprinzip und schien so Gott gegeben wie das Gesetz der Schwerkraft.

»N´Abend, Jack. Du siehst müde aus. War die Sitzung unerfreulich?«, fragte Bullets, während er das Gesicht des Freundes musterte. Er wirkte abgekämpft, wie jemand, der schon lange nicht mehr geschlafen hatte.

»Antony ...!«

Hayes erhob sich und strebte mit ausholenden Schritten auf ihn zu. Die Freude war nicht gespielt, denn er zog den fast einen Kopf größeren Bullets zu einem kameradschaftlichen Schulterklopfen heran; eine vertrauliche Geste, die der Kommandoratsvorsitzende nicht für jeden bereithielt.

»Gestern erst das Festbankett - die Letzten sind in den frühen Morgenstunden gegangen -, heute Morgen das Gespräch mit dem Föderationsrat und am Nachmittag die Sitzung des Oberkommandos.« Hayes schüttelte missbilligend den Kopf. »Die würden jetzt noch diskutieren, wenn ich die Debatte nicht schonungslos beendet hätte. Im Moment reicht es mir wirklich.«

Bullets gab ein belustigtes Schnauben ab. Er kannte Jack und war sich sicher, dass er seine Vorstellungen von der Verwendung der Ablativpanzerung durchsetzen würde - egal, was die anderen Mitglieder des Oberkommandos davon halten mochten. Doch genug des allgemeinen Geplänkels. Er gab seiner Stimme einen beiläufigen Klang.

»Die Berichterstattungen überschlagen sich heute regelrecht mit Mutmaßungen. Hast du schon einen Termin für die Pressekonferenz festgelegt, damit die Medien endlich mehr Tatsachen und weniger Unsinn verbreiten?«

»Du kommst genau richtig.« Hayes rieb sich die Hände. »Heute Abend gab es eine kleine Abstimmung. Du wirst nicht glauben, auf was wir uns geeinigt haben.«

»Es scheint dir ja ausgesprochen wichtig zu sein.«

»Das ist es. Der Beschluss ist nicht nur von grundlegender Bedeutung, Antony. Er ist historisch.«

Bullets fixierte Jack. Fragwürdige Entwicklungen roch er zehn Meilen gegen den Wind, das gehörte zu seinem Job - und diese hier stank bis zum Himmel. Was in drei Teufels Namen hatte er bloß vor?

Rezensionen