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Targala Prime

von Brigitte, Jana

Verdeckte Ermittlungen

Ein milder, warmer Wind blies Kathryn ins Gesicht. Die Luft roch unglaublich frisch - nach ... Leben. Zwar verfügte die Voyager über sehr gute Umweltkontrollsysteme, dennoch roch es irgendwie ständig nach den elektronischen Geräten an Bord. Der Unterschied zu dem kräftigen Geruch hier im Wald war geradezu fühlbar.

Der Captain der Voyager schloss kurz die Augen und tat einen tiefen Atemzug, geräuschvoll ließ sie die Luft wieder entweichen. Wie lange war es her, dass sie sich zuletzt an wirklicher frischer Luft befunden hatte und diese nicht nur vom Holodeck simuliert worden war? Sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern. Vielleicht war dies der Grund, weshalb sie plötzlich so sentimental wurde und so intensiv an die Erde denken musste. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie das Schmunzeln Chakotays, der zu bemerkt haben schien, was in ihr vorgegangen war in diesen Augenblicken. Er kannte sie wirklich gut, ihm etwas vorzumachen war nahezu unmöglich. Sie lächelte ebenfalls und schaute befangen zu Boden.

"Hier drüben. - Ich denke, ich habe die Sträucher gefunden", brachte Lieutenant Ayalas Stimme sie zurück.

"Kein Wunder", brummelte der Doctor, als er die Pflanzen erblickte.

"Was wollen Sie damit sagen, Doctor?" Kathryn trat näher, um ebenfalls einen Blick auf die Objekte werfen zu können.

Das MHN schob sich an einem mit Dornen bestückten Ast vorbei. "Als Premierminister Turat berichtete, dass es von diesem Kyrbeliastrauch nur wenige Exemplare gibt, konnte ich mir das zunächst nicht erklären. Eine Population mit nur wenigen Individuen ... stellen Sie sich die Anzahl der Möglichkeiten vor, wie eines ausgelöscht werden könnte. Schlechte Umweltbedingungen, Fraßfeinde und so weiter."

Kathryn folgte dem Doctor, der zu einer weitschweifigen Erklärung angesetzt hatte, durch die blattlosen, dornenübersäten Äste, wobei sie aufpassen musste, nicht an selben hängen zu bleiben und sich die Kleidung daran zu zerreißen, denn die Verzweigungen ragten auf bizarre Weise in den Raum.

"Aber sehen Sie sich doch diese Sträucher an: Keine Blätter, überall Dornen, eine sehr dicke Rinde. Ich bezweifle, dass es einen einheimischen Fraßfeind gibt."

"Ich verstehe", murmelte Janeway, "verteilen Sie sich. Suchen Sie nach Spuren", befahl sie den anderen Mitgliedern des Außenteams, während sie selbst bereits ihren Tricorder hervor holte.

Der Doctor bückte sich und hob mit den Händen ein Loch nahe des Hauptstammes einer Pflanze aus. Nach einigem Graben fand er eine knollenartige Verdickung, welche er als Wurzel identifizierte.

"Wenn die keine Blätter haben, ...", hörte man Toms Stimme aus einiger Entfernung, "... wie betreiben sie dann Photosynthese?"

"Sehen Sie die grünlich schimmernde Schicht auf der Rinde? Ich denke, dass man dort bei näherer Untersuchung photosynthetisch aktive Teilchen finden wird. - Eine Anpassung an trockenes Klima, ähnlich wie beim Ginster auf der Erde." Das medizinisch holographische Notfallprogramm führte den kleinen zylindrischen Scanner über eine Wurzel und fand die Angaben des targaleanischen Arztes bestätigt, die Wurzeln waren toxisch.

"Captain?", ertönte der Ruf von Lieutenant Ayala. "Hier ist etwas."

Kathryn kämpfte sich sofort durch das Gestrüpp und stand wenig später neben Ayala. Die anderen hatten sich ebenfalls bereits angefunden.

"Die Erde um diesen Busch ist ganz feucht und locker. Ich würde sagen, hier hat jemand vor kurzem erst gegraben und seine Spuren versucht zu verwischen", erklärte der eigentlich schwarzhaarige Mann, der nun aber wie alle anderen den typisch blonden und kurzen targaleanischen Haarschnitt trug.

Tom kniete sich nieder, schaufelte die Erde beiseite und förderte so einen Teil des Wurzelwerks zu Tage. "Volltreffer, würde ich sagen." Deutlich war eine hellere Schnittstelle zu sehen, an der Wurzelknollen abgetrennt worden waren.

"Davon bin ich nicht so überzeugt. Dass das Nervengift aus den Wurzeln des Kyrbeliastrauches hergestellt wurde, haben wir auch schon zuvor vermutet", warf der Erste Offizier der Voyager ein, worauf sich alle verwundert zu ihm umdrehten. "Dies ist lediglich die Bestätigung, aber den Tätern sind wir dadurch kein Stück näher gekommen."

Janeway nickte, Chakotay hatte Recht, "Also gut, suchen wir weiter."


Nach einer halben Stunde versammelten sich die Mitglieder des Außenteams an der Stelle, wo sie materialisiert waren, nur der Doctor fehlte noch. Ihren Gesichtern konnte man ansehen, dass es keine nützlichen Hinweise gegeben hatte. Das Gebiet war relativ überschaubar und so konnten sie sich sicher sein, alle Sträucher untersucht zu haben.

"Hat jemand den Doctor gesehen?", fragte Janeway in die Runde, sah aber nur in ratlose Gesichter.

Plötzlich hörte man einen lauten Aufschrei. Augenblicklich zogen alle ihre Phaser und rannten in die Richtung, aus der die Geräusche gekommen waren. Dort angekommen erblickten sie den Doctor, wie er sich über einen Zweig beugte. Janeway erkannte, dass keine Gefahr drohte und signalisierte ihren Leuten ihrem Beispiel, den Phaser einzustecken, zu folgen.

"Was gibt es, Doctor?", fragte sie noch etwas außer Atem.

"Blutreste an einem Dorn", meinte dieser fröhlich und scannte besagtes Objekt gerade intensiv.

"Damit könnten wir die DNA des Täters ermitteln!", rief Tom mit erhellter Miene.

Das Gesicht des Doctors verfinsterte sich jedoch und enttäuscht ließ er den Tricorder sinken, "Ja, das hätten wir können, Mr. Paris." Betrübt verstaute er seine Gerätschaften wieder in seinem medizinischen Koffer. "Doch leider handelt es sich bei dieser Blutprobe um die eines einheimisches Tieres. Es tut mir leid."

Für einen Moment herrschte gespenstische Stille, in der nur die Geräusche des Waldes zu vernehmen waren.

"Also schön", griff Janeway ein, bevor die Moral noch weiter sank, "Hier kommen wir nicht weiter. Kehren wir zurück nach Targala Prime."


"Fähnrich Kim, ist jetzt genügend Energie vorhanden, um die ersten Modifikationen in die Sensorenphalanx zu laden?" Seven of Nine sah Harry bei diesen Worten so durchdringend an, dass dieser wie meistens den Kopf senkte und sich mit seiner Konsole beschäftigte, während er antwortete. "Noch nicht, ich warte noch auf den Transfer aus dem Maschinenraum, aber wir müssten in zwölf Minuten so weit sein."

Die ehemalige Borgdrohne runzelte verärgert die Stirn. "Es ist einfach nicht möglich, effizient zu arbeiten, wenn auf diese Art Zeit vergeudet wird. Wieso wurde der Energietransfer so spät in die Wege geleitet? Sie wissen doch, dass der Captain die neuen Scans dringend benötigt."

Harry Kim, wurde aufgrund Sevens harscher Worte nun auch ärgerlich. Er war schließlich nicht mehr der grüne Junge, der vor sechs Jahren frisch von der Akademie gekommen war, der sich alles gefallen lassen musste. Er antwortete ihr in scharfem Tonfall. "Liebe Seven, hätten Sie mir früher über die benötigte Zusatzenergie genaue Informationen gegeben, wäre der Transfer inzwischen komplett. Außerdem lohnt sich diese Debatte doch wegen zwölf Minuten nun wirklich nicht. Oder... wir debattieren weiter, um auf diese Art die Zeit zu verkürzen." Bei seinen letzten Worte grinste er die Blondine frech an.

"Solche Diskussionen sind irrelevant. Wir können die Zeit effektiver nutzen, indem wir den nächsten Schritt der Sensorenmodifikationen vorbereiten." Seven drehte ihm hocherhobenen Hauptes den Rücken zu und begann sofort wieder, an ihrer Konsole zu arbeiten.

"Bei Ihnen ist alles irrelevant, das Ihnen nicht passt und wobei Sie kein Recht bekommen." Diese Schlussbemerkung konnte Harry Kim sich beim besten Willen nicht verkneifen.

Seven arbeitete ungerührt weiter. Harry, der hinter ihr stand konnte nicht sehen, wie sich ein Lächeln auf ihre Lippen stahl und sie in leichter Bewunderung des Fähnrichs eine Augenbraue hob.


Kathryn Janeway blickte die fünf Männer, die um sie standen an. Die Gruppe war außerhalb des Regierungsgebäudes an einem verschwiegenen, uneinsehbaren Platz materialisiert.

"Wir werden uns in Zweiergruppen aufteilen. Wenn wir zu sechst im Regierungsgelände herumlaufen, fällt das zu sehr auf. Dann können wir uns gleich Schilder um den Hals hängen."

Ein leichtes Schmunzeln machte sich in der Gruppe breit, somit war die Moral wieder am Steigen.

"Doctor, Sie bilden zusammen mit Lieutenant Ayala eine Gruppe. Sie beide werden sich unauffällig im ganzen Gelände um das Regierungsgebäude umsehen. Vielleicht finden Sie Hinweise oder Spuren. Benutzen Sie diskret Ihre Tricorder. Versuchen Sie aber, direkten Kontakt mit den Leuten hier zu vermeiden, gehen Sie einfach nur... spazieren."

Der Arzt machte sich zusammen mit Ayala nach einem kurzen bestätigendem Kopfnicken auf den Weg.

Der Captain wandte sich als nächstes an Tom. "Mr. Paris, Sie gehen mit Neelix. Da sich unser Botschafter mit den Gebräuchen und Sitten Targalas bestens vertraut gemacht hat, können Sie beide es wagen, unauffällig das Regierungsgebäude zu inspizieren." Bei diesen Worte lächelte Kathryn Neelix freundlich zu. "Dort drinnen wird es sich nicht vermeiden lassen, mit Einheimischen zu sprechen. Neelix, versuchen Sie dann bitte diese Gespräche zu leiten, da Tom noch relativ wenig über die Targaleaner weiß."

Neelix, dem die Aufgabe der Gruppenleitung sichtlich behagte, klopfte Tom grinsend auf die Schulter. "Halten Sie sich nur schön hinter mir, Mr. Paris, dann kann nichts schief gehen."

Tom lächelte schief, verdrehte die Augen und trottete dann aber brav hinter dem Talaxianer her, wobei er versuchte, seinen Gang trotz der ungewohnten Kleidung würdevoll erscheinen zu lassen.

Kathryn Janeway blickte nun zu ihrem ersten Offizier. "Commander, wir beide werden jetzt Premierminister Turat einen Besuch abstatten. Wir brauchen mehr Informationen über diesen Gelben Kreis, vielleicht gibt es auch sonst Neuigkeiten. Zu schade, dass Targor sich von uns nicht helfen lassen will. Eine Zusammenarbeit mit ihm würde vieles erleichtern." Bei diesen Worten schwang leichtes Bedauern in Kathryns Stimme mit.

Chakotay legte mitfühlend seine Hand auf ihre Schulter, so wie er es in letzter Zeit immer öfter tat.

"Kathryn, wir werden auch ohne Targor zurechtkommen. Lassen wir dem Mann seinen Willen. Wir können nicht von jedem erwarten, dass er uns vertraut. Die Leute hier hatten noch nie mit Fremden zu tun."

Kathryn Janeway lächelte ihren ersten Offizier an.

"Sie haben natürlich recht, Chakotay. Lassen Sie uns gehen."


Molot, Premierminister Turats persönlicher Assistent, klopfte leise an die Tür zu dessen Räumen.

Von innen ertönte ein müdes "Was ist?" Molot wusste natürlich um die Probleme von Turats Familie umfassend Bescheid und antwortete mit sanfter Stimme. "Premierminister, darf ich eintreten, es gibt Neuigkeiten."

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Turat stand erwartungsvoll vor ihm.

"Was ist los, Molot? Was gibt es Neues?" Die Ungeduld war ihm direkt anzumerken.

"Dr. Trewis schickt mich, Premierminister. Die beiden Wachen und das Kindermädchen Ihrer Tochter sind inzwischen wieder einigermaßen ansprechbar. Sie sind zwar noch etwas geschwächt, aber man kann jetzt wieder ein vernünftiges Gespräch mit ihnen führen. Ich soll Sie und Minister Targor zu einer weiteren Befragung der beiden bitten."

Das war zwar nicht unbedingt die Antwort, die Turat sich erhofft hatte, aber wer weiß, vielleicht konnte eine weitere Aussage der drei Personen sie weiterbringen.

"Gut, Molot, ich komme sofort."

Dieser antwortete seinem Vorgesetzen pflichtbewusst. "Danke, Premierminister. Ich verständige sofort noch Minister Targor und komme dann mit ihm direkt zu Dr. Trewis." Molot nickte seinem Vorgesetzten noch kurz zu und machte dann kehrt.


"Dr. Trewis, können wir sofort zu Ihren Patienten? Wir brauchen dringend ein paar Antworten." Targor konnte seine Ungeduld kaum mehr zügeln, alle seine Ermittlungen verliefen buchstäblich im Sande. Er trat auf der Stelle und wusste nicht mehr weiter.

Der hagere Arzt erhob sich sofort von seinem Arbeitstisch. "Natürlich meine Herren, bitte kommen Sie. Aber überanstrengen Sie die armen Leute nicht."

Dr. Trewis ging zum Krankenzimmer voran, öffnete leise die Tür und ließ Turat und Targor eintreten.

Die drei Personen lächelten den hereinkommenden Männern freundlich, wenn auch noch sehr geschwächt, entgegen. Targor richtete ohne große Umschweife sofort das Wort an die Männer und die Frau, die vor ihnen in ihren Betten lagen.

"Bitte denken Sie genau nach, versuchen Sie sich zu erinnern. Was haben Sie außer dem Zylinder noch bemerkt, bevor Sie bewusstlos wurden?"

Ein Leuchten ging plötzlich über das blasse Gesicht der Frau, "Da war etwas ... ein Geräusch, und ein Schatten. Ein großer Schatten ... ich meine, eine große Gestalt."

Targor hakte sofort nach, "Wie groß war die Gestalt, können Sie das Geräusch genauer beschreiben."

Die Frau blickte zu einem der Männer, der im Bett rechts neben ihr lag und der sich daraufhin zu Wort meldete. "Ich erinnere mich auch ganz vage an einen Schatten, sehr groß, bestimmt wesentlich größer als Sie, Minister Targor, dann ... ziemlich kräftig. Mehr weiß ich leider nicht. Doch ... da war ein Geräusch, ein Klirren, als ob etwas zerbrochen wäre ... und dann fing das Baby an zu schreien. An weitere Dinge kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern." Er schloss resigniert die Augen. "Tut mir leid."

Turat senkte niedergeschlagen den Kopf. "Targor, ich bin in meinem Büro." Er hinterließ einen sehr nachdenklichen Minister für Innere Sicherheit.


In seinem Arbeitszimmer angekommen setzte sich das targaleanische Regierungsoberhaupt niedergeschlagen an seinen Schreibtisch und stützte den Kopf in die Hände. Er bemerkte nicht das leise Öffnen der Tür und das Eintreten der beiden Gestalten.

"Premierminister, dürfen wir Sie sprechen?" Kathryn Janeway war zusammen mit Chakotay neben Turat getreten und hatte fast flüsternd zu ihm gesprochen. Turat fuhr hoch und starrte sie an.

"Wie sind Sie hier hereingekommen? Wo sind die Wachposten?" Er war sehr erstaunt, was sich auch in seinen Worten widerspiegelte.

"Keine Sorge, wir haben sie nur ein wenig abgelenkt. Wir wollen unsere Tarnung noch nicht auffliegen lassen. Sie ist wichtig für weitere Ermittlungen."

In Turats Augen glomm ein Hoffnungsschimmer auf.

"Captain, Sie sind bestimmt nicht ohne Neuigkeiten zu mir gekommen."

Kathryn musste seine Euphorie dämpfen.

"Premierminister, leider haben uns die Untersuchungen der Pflanzen keinen Schritt weitergebracht. Wir müssen in andere Richtungen ermitteln. Meine Leute sehen sich bereits im Gelände und im Gebäude um. Können Sie uns vielleicht Genaueres über den Gelben Kreis sagen, oder noch besser, wo könnten wir Informationen darüber bekommen?"

Der Targaleaner überlegte kurz. "Ich kann mich erinnern, dass die Mitglieder dieser Gruppe damals in der Stadt einen Treffpunkt hatten. Es handelt sich um ein Lokal, der Wirt muss auch in die Aktivitäten eingeweiht gewesen sein. Es hieß, alle Anweisungen und Informationen liefen über ihn und wurden so an die Mitglieder verteilt. Er betreibt die Gaststätte immer noch, da man ihm eine Beteiligung am Gelben Kreis nicht nachweisen konnte."

Chakotay hakte nach. "Wissen Sie noch den Namen des Lokals und wo wir es finden?"

"Das Lokal heißt", Turat überlegte angestrengt, wobei sich zwischen seinen Augenwülsten eine Falte bildete, "'Zum Kellergewölbe', es befindet sich im alten Zentrum von Targala Prime. Molot, mein Assistent kann Sie dort hinführen. Es wäre vielleicht sogar besser, wenn er Sie hinein begleiten würde. Die Leute dort sind sehr misstrauisch, besonders Fremden gegenüber."

Noch während Turat sprach, hatte er einen Knopf an seinem Schreibtisch betätigt, die Tür öffnete sich und Rigar, der zweite Assistent Turats betrat den Raum.

"Rigar, ich wollte Molot sprechen, ist er nicht hier?"

Der Mann sah unsicher zu Turat und seinen Besuchern, räusperte sich kurz und gab dann die gewünschte Antwort. "Tut mir leid, Premierminister, Molot musste wegen einer dringenden persönlichen Angelegenheit in die Stadt."

Turat wollte schon wütend auffahren, da ihm diese Eigenmächtigkeit seines Assistenten während der Dienstzeit nicht behagte, überlegte es sich dann aber, da es das Ganze nicht wert war. Er übergab Rigar die entsprechende Anweisung, die für Molot gedacht war.

"Gut, dann werden Sie meine beiden Gäste in die Stadt begleiten. Das sind übrigens Captain Janeway und Commander Chakotay vom Raumschiff Voyager."

Der Assistent schaute die beiden verblüfft an, ihm war buchstäblich der Mund offen geblieben. Nie wäre er auf die Idee gekommen, die beiden Gestalten vor ihm könnten keine Targaleaner sein.

Turat fuhr fort. "Meine Freunde ermitteln verdeckt gegen den Gelben Kreis. Da Targor bis jetzt noch nichts herausfinden konnte und uns auch die letzte Aussage meiner Leibgarde nicht viel weitergeholfen hat, muss ich diesen Weg einschlagen. Begleiten Sie bitte den Captain und den Commander in das Lokal 'Zum Kellergewölbe' in der Altstadt. Stellen Sie den beiden dort einfach als entfernte Verwandte von Ihnen vor. Danach verlassen Sie das Lokal unter einem Vorwand wieder."

Rigar hatte sich sofort pflichtbewusst an Kathryn Janeway und Chakotay gewandt.

"Selbstverständlich, wenn Sie bitte gleich mit mir kommen wollen."


"Dieser wundervolle Park, er erinnert mich ein wenig an meinen Heimatort auf der Erde." Lieutenant Ayala blickte sich beeindruckt um und konnte sich gar nicht satt sehen. In seinen Augen lag eine gewisse Sehnsucht.

Der holographische Arzt beobachtete den sympathischen Sicherheitsoffizier. Ayala war vor über sechs Jahren als Maquis mit Chakotay auf die Voyager gekommen. Er hatte sich im Gegensatz zu einigen seiner damaligen Kollegen überraschend schnell in das Sternenflottensystem eingefügt und wurde bald von Tuvok in das Sicherheitsteam geholt.

"Lieutenant, Sie werden die Erde und Ihre Familie sicher wiedersehen," versuchte der Doctor den Mann neben ihm etwas aufzumuntern.

"Nur, bis dahin werden meine beiden Kinder mit Sicherheit erwachsen sein." Ayala gab sich einen innerlichen Ruck, "Lassen wir das besser, wir haben eine Aufgabe zu erfüllen," gab er pflichtbewusst von sich.

Die beiden Gestalten in ihren Tunikas spazierten langsam durch die Parkanlagen um das Regierungsgebäude. Immer darauf bedacht, Gespräche miteinander zu führen, damit keiner der Einheimischen auf die Idee kam, sie anzusprechen. Gleichzeitig ließen sie ihre Augen umherschweifen, so dass ihnen nichts verborgen blieb, was auch nur im entferntesten verdächtig oder seltsam erscheinen könnte. Sie hatten keine direkte Ahnung, wonach sie genau suchten und mussten sich so einfach auf ihr Gefühl verlassen. Immer wenn kein Targaleaner in ihrer Nähe war, holten sie unauffällig ihre Tricorder hervor und führten ausführliche Scans durch. Vielleicht konnten diese später noch von Nutzen sein.


"Mr. Paris, ist Ihnen aufgefallen, dass einige Frauen hier ausgesprochen hübsch aussehen?" Neelix blickte gerade einer targaleanischen Schönheit hinterher und wäre dabei beinahe gegen einen Pfeiler gerannt. Tom musste lachen, als er den Talaxianer gerade noch beiseite zog.

"Passen Sie auf Neelix, mit einer Beule am Kopf werden Sie bestimmt keinen Eindruck bei der holden Weiblichkeit hier schinden. Abgesehen davon, was hält Sie ab, sich einige dieser Damen näher anzusehen? Sie sind frei und ungebunden."

"Das hört sich ja beinahe an, als ob Sie es bedauern, eine feste Beziehung zu haben." Neelix blickte Tom fragend an.

"Oh nein, natürlich nicht. Ich liebe B'Elanna über alles. Ehrlich, Neelix, andere Frauen sind für mich absolut nicht mehr interessant. Ich hatte dabei nur an Sie gedacht."

Der selbsternannte Moraloffizier grübelte kurz über diese Möglichkeit nach. "Oh nein, lieber nicht. Stellen Sie sich vor, ich müsste für den Rest meines Lebens mit dieser, dieser... Kutte herumlaufen. Das wäre nichts für mich." Neelix zupfte seine Tunika zurecht, es war ihm anzusehen, wie sehr er seine Hosen immer noch vermisste.

"Tja, Neelix, dann passen Sie in Zukunft doch besser auf, wo Sie lang laufen und schauen Sie nicht immer den hübschen Frauen hinterher." Tom Paris blickte den Talaxianer belustigt an.

"Meine Herren, sind Sie auch auf dem Weg zur Gebetsstunde, damit wir die Götter um Schutz vor den Sturmfluten bitten können?" Tom und Neelix fuhren herum und erblickten eine junge Frau, die sie freundlich anlächelte.

"Ahm, ja, wissen Sie...", begann Tom, doch er wurde sofort von Neelix unterbrochen. "Aber ja, natürlich. Dürfen wir uns Ihnen anschließen?" Paris blickte den verkleideten Talaxianer verständnislos an, dann ging ein Leuchten über sein Gesicht, der Moraloffizier kannte natürlich die Gebräuche auf Targala besser und hatte sehr gut reagiert.

"Gerne", antwortete die Targaleanerin, "Sind Sie neu hier? Ich habe Sie noch nie gesehen. Mein Name ist Jordia. Wie heißen Sie beide?"

Neelix fing sofort an, munter auf die junge Dame einzureden. Tom Paris ging langsam hinter den beiden her, bei dem Gedanken an eine Gebetsstunde war ihm nicht ganz wohl.


Kathryn Janeway und Chakotay folgten Rigar, Premierminister Turats persönlichem Assistenten, durch die Altstadt von Targala Prime. Auf ihrem Weg durch verschiedene Straßen und Gassen betrachteten sie viele wunderschöne alte Gebäude. Der Baustil war dem der Erde des neunzehnten Jahrhunderts nicht unähnlich. Bemerkenswert waren jedoch die vielen Ornamente an den Fassaden, die sich beim Betrachten aus einer gewissen Entfernung zu Bildern zusammenfügten. Rigar hatte ihnen auf dem Wege erklärt, dass die Familien ihre Geschichten an den Fassaden ihrer Häuser verewigten. So hatte jedes Haus seine eigene persönliche Note des Besitzers. Es waren Bilder von Hochzeiten, Frauen mit Kindern, alte Leute, Bauwerke, technische Errungenschaften und viele andere Dinge zu erkennen.

Kathryn wandte sich an Chakotay. "Es ist eine wundervolle Art, Familiengeschichte darzustellen. Jede Front ist individuell gestaltet und spiegelt so viel von Leuten, die dort wohnen, wieder. Ich würde am liebsten durch all diese Straßen laufen und nur die Häuser betrachten."

Chakotay, der sich ebenfalls die ganze Zeit bewundernd umgesehen hatte, lächelte Kathryn zu. "Ich denke, das sollten wir wirklich machen, sobald wir die Probleme hier gelöst haben."

Diese Worte hatten den Captain natürlich wieder sofort an das Kind erinnert, sie straffte die Schultern, zwang ihren Blick zurück auf die Straße und ging festen Schrittes wieder hinter Rigar her. Chakotay sah ihr nach und fand, dass sie in ihrem Kleid mit dem Umhang und den langen Haaren sehr weiblich und einfach bezaubernd aussah.

Eine Frauengestalt in einem wunderschönen, edlen Kleid, ebenfalls mit einem Umhang kam ihnen aus der Seitenstraße entgegen. Kathryn blickte die Frau verblüfft an. Sie fasste Chakotay, der nun wieder neben ihr ging, am Arm, um ihm zu signalisieren, stehen zu bleiben.

"Jewar, ich bin überrascht, Sie hier zu sehen. Sind Sie allein unterwegs?"

Die Ehefrau des Premierministers von Targala blickte hoch und sah Kathryn Janeway in die Augen. Der Captain sah, dass ihr schönes Gesicht verhärmte Züge angenommen hatte, die Mundwinkel waren leicht nach unten gezogen. Sie hatte tiefe Ringe unter den Augen, welche von feinen Fältchen umrandet wurden. Nach einigen Sekunden erkannte Jewar, wer ihr gegenüber stand. Ihr Gesicht verhärtete sich noch mehr und aus ihren Augen, schienen giftige Blitze zu schießen.

"Captain Janeway. Sie sind schuld, dass mein Kind entführt worden ist. Warum mussten Sie auf unseren Planeten kommen?"

Janeway war vollkommen überrascht von den unbegründeten Anschuldigungen.

"Mein Baby ist vielleicht schon lange tot, nur weil Sie meinen Mann nicht in Ruhe lassen konnten." Jewars Stimme war schneidend.

"Wir hatten ein Handelsabkommen...", versuchte der Captain nun doch, sich zu verteidigen und blinzelte dabei irritiert. Ihr Auftreten war nicht mehr so selbstsicher, wie noch vor wenigen Minuten, als sie durch die Straßen gewandert waren. Die Behauptung, sie würde das Leben des kleinen Mädchens auf dem Gewissen haben, lähmte sie nahezu. Wie konnte sie dieser Frau verständlich machen, dass sie alles in ihrer Macht stehende tun würde, um ihre Tochter zu finden?

"Reicht es Ihnen nicht, dass Sie meine Familie zerstört haben? Müssen Sie jetzt noch zurückkommen und sich an meinem Leiden ergötzen?" Jewar schien blind vor Wut und rationalen Argumenten nicht zugänglich.

Janeway wusste nur zu gut, dass alles, was die Frau des Premierministers hervorbrachte lediglich mit der Absicht geschah, ihr seelischen Schaden zu zufügen. Doch diese verstandesmäßige Erkenntnis half ihr nicht, sich davor zu schützen.

"Unser Schicksal kümmert Sie nicht, Sie werden einfach weiter reisen und uns vergessen! Also gehen Sie lieber sofort, bevor Sie noch mehr Unheil anrichten können!" Ohne ein weiteres Wort ließ Jewar die beiden Offiziere stehen und stürmte davon.

In sich gekehrt starrte Janeway zu Boden.

Wären sie jetzt allein gewesen, hätte Chakotay versucht, sie mit einer Berührung aufzumuntern, so stellte er sich nur dicht hinter sie, "Zweifeln Sie an der Richtigkeit Ihrer Entscheidung?", fragte er behutsam.

"Nein, nicht an der Richtigkeit meiner Entscheidungen", kam es erstickt zurück. Langsam wandte sich Kathryn zu ihrem Ersten Offizier um. Ihr Gesicht entbehrte jeder Gefühlsregung. "An mir." Mit diesen Worten folgte sie Rigar, der bereits einige Schritte voraus gegangen war.


Vielleicht, so überlegte Fähnrich Jenkins, könnte sie auf dem nächsten Talentabend zusammen mit Harry Kim etwas aufführen. Der junge Fähnrich spielte ihres Wissens nach Klarinette, sie selbst beherrschte das Saxophon und sie kannte auch noch einige andere Crewmen, die Blasinstrumente spielten. Eventuell ließ sich eine kleine Band zusammen stellen und bei den Proben hätte sie viele Gelegenheiten, Harry näher kennen zu lernen, zur Abwechslung in einer Umgebung, die ungezwungener war, als die Nachtschicht auf der Brücke. Ein Lächeln umspielte den Mund der Pilotin. - Ja, das war definitiv eine gute Idee, es war nicht zu offensichtlich, dass sie Interesse für ihn hegte. Außerdem wären sie nicht alleine, was noch mehr den Verdacht eines Rendezvous nehmen würde. Dennoch formte sich bei dem Gedanken daran ein mulmiges Gefühl in ihrem Magen. Ob sie sich noch auf das Saxophonspielen konzentrieren könnte?

Ein akustisches Signal von rechts ließ sie von den Konsolen vor ihr aufblicken. Flink war sie hinüber gerollt und hatte es deaktiviert. Schon glitten ihre Finger über die glatte Oberfläche, um nach der Ursache für die Benachrichtigung zu suchen. Sie scrollte das Protokoll hinauf und fand den Grund: Eine viel niedrigere Umlaufbahn, als sie programmiert hatte. Das war doch diese Schicht bereits einmal geschehen. Sie verzog den Mund und korrigierte die Höhe. Um dem Spuk nachzugehen, flog sie die Voyager eine Minute lang manuell und sie hatte den Eindruck, als ob die Manövrierdüsen heute etwas schwerfälliger reagierten als üblich. Tom Paris würde mit seiner risikofreudigen Flugweise dieses Schiff eines Tages in einen Haufen Schrott verwandeln. Verärgert schüttelte sie den Kopf, als sie den Autopiloten wieder aktivierte und B'Elanna eine Nachricht über die leichte Macke der Manövrierdüsen zukommen ließ.


Unauffällig hatten sich der Doctor und Lieutenant Ayala dem Regierungsgebäude genähert. Bis auf den Umstand, dass die Parkanlagen überaus gepflegt erschienen, war ihnen nichts Besonderes ins Auge gesprungen. So hatten sie, in der Hoffnung in der Nähe des Gebäudes eventuell noch Spuren der Entführer zu finden, ihre Kreise immer enger geschlagen und direkt neben dem Pfad, den sie nun entlang schritten, zog sich die Mauer des Regierungssitzes von Targala in die Höhe.

Plötzlich hielt Ayala inne, schaute zu Boden und hob sein Bein, um sich die Schuhsohle besehen zu können. Kurz zuvor hatte es unter selber geknirscht und tatsächlich zeigten sich dort nun feine Spuren von Glassplittern.

"Was ist?", erkundigte sich der Doctor, der nun zurück blickte.

"Glassplitter", konstatierte Ayala und war der Überzeugung, dass diese Information ausreichend sein müsste.

"Ja und?"

"In Tuvoks Bericht stand, dass am Tatort keine Scherben zu finden waren, obwohl die Scheibe eingeschlagen war."

Der Doctor schaute sich alle Fenster über ihnen an, "Das mag ja sein, aber hier ist kein Fenster eingeschlagen."

"Würden Sie ein Fenster in einem Regierungsgebäude über Nacht beschädigt lassen? Ich denke, dass sie es so schnell wie möglich ersetzt haben und auch hier im Park wurden versehentlich die Spuren beseitigt, bis auf diese winzigen Splitter."

"Und was sagt uns das jetzt?", wollte der Doctor etwas genervt wissen. Es wurmte ihn, die ganze Zeit herum zu laufen und rein gar nicht weiter zu kommen.

"Jetzt wissen wir, dass Commander Tuvok recht in der Annahme ging, dass die Täter nur den Eindruck erwecken wollten, von außerhalb eingedrungen zu sein."

Der Doctor klang reichlich gereizt, "Und bringt uns das dem Kind einen Schritt näher?! Nein!"

"Wir müssen uns den Tatort noch einmal genauer ansehen."

"Sie wollen in das Gebäude hinein? Das ist Wahnsinn, da laufen lauter Wachen herum."

"Vertrauen Sie mir, Doctor. Wir brauchen mehr Informationen. Das haben Sie selbst gesagt." Ayala schaute das MHN fragend an und hoffte, dass seine kleine Rede überzeugend genug gewesen war.

"Also schön, Lieutenant", meinte der Doctor und verzog leicht den Mund, denn der Gedanke, Targor in die Hände zu laufen, behagte ihm ganz und gar nicht, hatte dieser doch eindeutig gefordert, dass sie sich nicht einmischten.


Gerade wollte die Frau die gefliesten Stufen wieder hinauf gehen, als sie ein Geräusch durch die Tür vor der Treppe hörte. Neugierig wie sie war, wollte sie dem nachgehen. Wider Erwarten war der Zugang nicht verschlossen - dahinter war es stockdunkel. In diesem Teil war sie wohl noch nie gewesen. Langsam und aufmerksam lauschend trat sie durch den an einigen Stellen bereits leicht verrosteten Rahmen. Die Tür knarrte und sie konnte nicht verhindern, dass diese mit einem lauten Geräusch zufiel. Jetzt konnte sie nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen. Feuchter Sand knirschte unter ihren Füßen, als sie die ersten Schritte tat, und blindlings tastete sie sich an der Wand entlang. Bisher hatte sich das Geräusch von vorhin nicht wiederholt und sie begann sich zu fragen, ob es eine so gute Idee gewesen war, allein in diesen vom Rest des Gebäudes abgeschirmten Teil zu gehen. Allmählich begannen sich ihre Augen an die Dunkelheit anzupassen, aber alles, was sie wahrnehmen konnte, war ein dunkler Gang. Inzwischen hatte sie sich schon recht weit von der Sicherheit spendenden Tür entfernt, durch die sie eingetreten war. Erschrocken wich sie zurück und wischte sich panikartig über das Gesicht - sie war mitten in ein Spinnennetz gerannt. Langsam wurde ihr wirklich mulmig zumute, aber noch war die Neugier stärker als alles andere.


"Machen Sie mir einfach alles nach, Mr. Paris", flüsterte der Talaxianer Tom hinter vorgehaltener Hand zu, damit Jordia ihn nicht hören konnte. Der Pilot der Voyager hätte sich am liebsten verkrochen, um nicht an diesem spirituellen Ereignis teilzunehmen, aber dafür war es nun zu spät und die Einheimische hätte es wohl auch als höchst unschicklich betrachtet, wenn er nicht ebenfalls um Verschonung vor den Hochwassern gebeten hätte. So zwang er sich ein Lächeln auf und machte Neelix' merkwürdige Verbeugungen, drei Stück an der Zahl und alle in verschiedene Richtungen, beim Betreten der Gebetsstätte nach. Der Raum lag in dem Regierungsgebäude, doch seine gesamte Aufmachung erinnerte eher an eine Art Schrein. Die Verzierungen der Wände waren hier noch exzessiver betrieben, als in den Korridoren, wo nur ein schmaler Streifen von der Geschichte Targalas erzählte. Hier war die Wand vom Boden bis zur Decke mit den bunten Keramikplättchen versehen. In robusten Halterungen loderten Fackeln, die einzigen Lichtquellen im Raum neben der natürlichen Einstrahlung durch die, über dem Altar gläserne, Decke.

Nachdem man sich auf den Boden gekniet hatte, folgten erneut drei Verbeugungen. Tom fühlte sich ein wenig schuldig, da er heuchelte, an Götter zu glauben, deren Namen er nicht einmal kannte. Doch ehe er weiter darüber nachdenken konnte, trat der Minister für Innere Sicherheit, Targor, an den Altar. Stumm schubste Tom Neelix mit dem Ellenbogen an, um dessen Aufmerksamkeit zu erregen und als dieser ihn fragend ansah, nickte er nur nach vorne.

"Was macht er da?", flüsterte Tom gezwungen.

Targor warf zwei Getreidekörner in eine Schale, verharrte einige Sekunden wie erstarrt mit zusammen gefalteten Händen vor dieser und vollzog dann die rituellen Verbeugungen, bevor er die Gebetsstätte so leise verließ, wie er gekommen war.

"Es ist Brauch für jeden Verstorbenen ein Getreidekorn zu geben. Es ist ein Fruchtbarkeitssymbol, ein Zeichen, dass mit dem Tod der Angehörigen das Leben nicht aufhört, sondern weiter geht", antwortete Neelix, wobei sich seine Lippen kaum auseinander taten, um möglichst leise zu sprechen.

"Ich würde zu gerne wissen, für wen diese zwei Getreidekörner bestimmt waren", brummelte Tom zurück und ahmte weiter geflissentlich die Bewegungen des Botschafters der Voyager nach, während sie sich aus dem Raum entfernten. Wieder draußen atmete er erleichtert aus.

Neelix wandte sich an ihre targaleanische Begleitung, "Entschuldigen Sie, Jordia, Sie kennen sich hier doch bestens aus", schmeichelte er der Einheimischen, so dass diese sich zwangsläufig gebauchkitzelt fühlen musste, "Minister Targor kommt sicherlich jeden Tag hierher, gehe ich Recht in dieser Annahme?"

"Oh ja, ich sehe ihn jeden Tag. Der Ärmste", sie schüttelte mitleidig den Kopf, "Letztes Jahr hat er seine Frau und sein Kind verloren. Es war erst einige Monate alt. Die Gute wollte es noch holen, als das Wasser schon kam, doch es stieg viel schneller als erwartet und so wurden die beiden ohne Fluchtmöglichkeit abgeriegelt. Man sagt, er habe die Schreie der beiden noch vernommen, als er nach Hause eilte." Jordia hielt die Hand vor den Mund, konnte ein Schluchzen aber nicht unterdrücken. Neelix nahm sie in den Arm und tätschelte ihr beschwichtigend den Rücken. "Mit anzuhören wie die eigene Frau..."

"Schon gut, schon gut", redete der selbsterkorene Moraloffizier auf die zierliche Gestalt in seinen Armen ein, "Tawar wird gut für sie sorgen und am Ende werden die drei wieder vereint sein."

"Ja, Sie haben Recht. Entschuldigen Sie", bat die Targaleanerin für ihr Verhalten um Verzeihung, "Ich gehe jetzt besser an meine Arbeit zurück. Möge Joral Sie behüten auf Ihren Wegen." Ihre Augen schlossen sich und sie deutete eine Verbeugung an, ehe sie sich durch einen der Korridore von den beiden entfernte.

"Tawar? Joral? Sie kennen sich aber gut mit den hiesigen religiösen Bräuchen aus, Neelix", zog Tom den Talaxianer auf.

"Sie werden erstaunt sein, was man dadurch alles über ein Volk lernen kann, Mr. Paris", erwiderte dieser nachdenklich, während er immer noch Jordia hinterher blickte, "Es sind verblüffend viele Ähnlichkeiten in allen Religionen zu finden."

"So rührselig diese kleine Geschichte auch gewesen sein mag - Dies ist ganz klar ein Motiv für die Entführung, Neelix. Targor, wütend über den sinnlosen Tod seiner Frau und seines Kindes, rächt sich an dem Mann, von dem er glaubt, dass dieser dafür verantwortlich ist."

"Ummm, ich weiß nicht, Mr. Paris", Neelix drehte seine Daumen in den ineinander gelegten Händen umeinander.

"Kommen Sie, wir bleiben ihm auf den Fersen."

"Aber, aber ich dachte, der Gelbe Kreis sei für den Anschlag verantwortlich."

"Vielleicht sympathisiert der Minister für Innere Sicherheit mit dieser Gruppe - wer weiß. Also kommen Sie."


Der Doctor legte seine Hand auf Ayalas Arm, um seinen Gang ein wenig zu verlangsamen. Ein leichtes Kopfnicken verdeutlichte dem Mitglied der Sicherheit, was dem medizinisch holographischen Notfallprogramm auf dem Herzen lag: Zwei Wachen vor der Tür zum Tatort.

"Überlassen Sie das mir und spielen Sie mit", flüsterte er und ging weiter auf die beiden zu, ohne sich von ihnen irritieren zu lassen.

Die Wachen versperrten synchron die Tür, als Ayala einfach auf diese zu spazierte, "Der Zugang zu diesen Räumlichkeiten ist untersagt", verkündete einer der beiden, ohne groß Rücksicht auf etwaige Höflichkeitsfloskeln zu nehmen.

"P.A.S. Wir sind hier, um die Entführung der Tochter des Premierministers zu untersuchen."

Deutliche Verunsicherung zeigte sich nun auf den Gesichtern der Wachen, "Uns ist nichts von Ihren Ermittlungen berichtet worden."

"Nur sehr wenig Personen wissen davon. Diese Operation unterliegt der allerhöchsten Geheimhaltung", meinte Ayala autoritätsverströmend.

"Können wir bitte Ihre Ausweise sehen?", wollte nun der zweite Sicherheitsbeamte wissen.

Der Doctor trat vor, "Ausweise? Meine Herren, ich bitte Sie, dies ist eine verdeckte Ermittlung. Würden wir Ausweise tragen, könnten wir uns auch gleich Schilder umhängen, damit die Terroristen Bescheid wüssten." Die Worte des Doctors ließen die beiden aussehen, als hätten sie noch nie etwas von Sicherheit gehört und um ihr letztes bisschen Würde aufrecht zu erhalten, öffneten sie den P.A.S.-Agenten die Tür.

"P.A.S.?", fragte das MHN ungläubig, als sie in dem Raum allein waren.

"Planetare Abteilung für Sicherheit, der oberste Geheimnisdienst von Targala", grinste Ayala, "Ich habe die Berichte von Commander Tuvok gelesen."

Der Doctor rollte mit den Augen, für seinen Geschmack war das etwas zu waghalsig gewesen, sie hätten enttarnt werden können, konnten es immer noch und es würde mit Sicherheit einen diplomatischen Zwischenfall heraufbeschwören, würde Minister Targor davon erfahren. Aber sie brauchten in der Tat mehr Anhaltspunkte, wo konnte man diese besser erhalten als am Tatort? Und wie hätten sie sonst hinein gelangen sollen? Einbrechen? Das hätte dem Captain sicherlich noch weniger gefallen.

Im Hintergrund hörte er das Piepsen eines Tricorders. Ayala stand vor dem Bekennerschreiben und analysierte es. "Kein targaleanisches Blut, vielleicht das eines einheimischen Tieres."

In Gedanken versunken rieb der Doctor sein Kinn und hielt den Ellenbogen dieser Hand in der anderen gestützt. Dieses Lekortoxin... Warum sollte es zu den Tätern führen? Sie hatten die seltene Pflanze gefunden, aber das hatte ihnen nicht im Geringsten weiter geholfen.

"Wir sollten die Schrift analysieren lassen, eventuell gibt uns das eine Spur auf die Entführer." Ayala blickte auf und sah den Doctor starr im Raum stehen. "Doctor?"

Dieser fuhr erschrocken auf, "Was haben Sie gesagt?"

"Ich habe vorgeschlagen, dass sich ein Graphologe mal die Schrift ansehen sollte."


"Captain, es wäre besser, wenn ich Sie und Ihren ersten Offizier als befreundetes Ehepaar vorstelle. Auf Targala ist es nicht üblich, dass Frauen ohne Ehepartner in Bars gehen. Das entspricht nicht unseren Sitten und Gebräuchen, Sie würden auffallen." Kathryn und Chakotay warfen sich nach Rigars Worten einen verwunderten und leicht beschämten Blick zu. Dem Captain war sogar eine leichte Röte ins Gesicht gestiegen, was Chakotay mit einem Schmunzeln zur Kenntnis nahm. Kathryn Janeway versuchte, ihre Verlegenheit zu überspielen und sah sich geflissentlich um. "Mr. Rigar, sind wir schon angekommen, ich sehe hier kein Lokal."

"Der Eingang ist an der rückwärtigen Seite des Gebäudes, Captain. Dies ist keine Gaststätte für Touristen. Hierhin kommt nur eine gewisse Gruppe Einheimischer. Jeder Fremde wird misstrauisch beäugt." Rigar war vorangegangen und hatte eine Tür, die wie ein besserer Bretterverschlag aussah, geöffnet. Er deutete den beiden Sternenflottenoffizieren an, ihm zu folgen. Der Hinterhof war ausgesprochen ungepflegt, überall lag Müll. Ein sehr ungewohntes Bild, im Gegensatz zu den sonst so schön hergerichteten Häusern und Anlagen auf Targala Prime.

"Captain, wir brauchen andere Namen für Sie beide. Lassen Sie mich überlegen ... Sie heißen ab sofort Menja, und Sie Commander werde ich Smewor nennen." Rigar ging zielsicher auf einen geschlossenen Eingang zu und betätigte einen Klingelmechanismus, der neben der schweren Tür angebracht war, in einem bestimmtem Rhythmus einige Mal. Diese ging kurz darauf automatisch auf, nicht ohne ein leichtes Knarren von sich zu geben. Die Öffnung gab den Blick auf eine einfache Treppe frei, die steil nach unten ging. Die Decke des Abgangs war in einem Gewölbe gehalten. Links und rechts von der Treppe waren Beleuchtungskörper, die nur spärliches Licht abgaben, in die grob verputzten Wände eingeschlagen. Der Targaleaner ging vorsichtig die Stufen hinunter, es war kein Geländer vorhanden. Janeway und Chakotay tauschten einen skeptischen Blick aus, nickten sich zu und folgten dann, sich an den Händen haltend, Rigar mit vorsichtigen Schritten.

Vom Ende der Treppe her erklang leises Stimmengemurmel, welches an Lautstärke zunahm, je weiter sie nach unten kamen. Der direkte Eingang zur Bar war nur durch schwere, dunkle Vorhänge verschlossen. Rigar bedeutete Janeway und Chakotay, dicht hinter ihm zu bleiben, er schob den Sichtschutz beiseite und ging festen Schrittes vor den beiden in das Lokal.

Er steuerte direkt auf eine Art Bar zu und begrüßte den dahinterstehenden Mann überschwänglich. "Tschirnak, du alter Gauner. Schön, dich wieder mal zu sehen. Ich hoffe, dein Essen ist genießbarer, als bei meinem letzten Besuch."

Der Targaleaner, der offenbar hier der Wirt war, lachte bei Rigars Worten dröhnend auf und wollte schon zu einer entsprechenden Antwort ansetzen, als er die beiden fremden vermeintlichen Targaleaner hinter Rigar entdeckte. Sein Gelächter verstummte und es machte sich ein misstrauischer und fragender Blick auf seinem Gesicht breit. "Rigar, wen hast du da mitgebracht?"

"Das sind meine Freunde Menja und Smewor", stellte er Janeway und Chakotay vor, "sie haben vor kurzem geheiratet und wollen sich in Targala Prime niederlassen. Ich helfe den beiden bei der Suche nach einem geeigneten Haus."

Chakotay hatte bei Rigars Worten den Arm fest um Kathryns Schultern gelegt. "Ja, leider müssen wir wieder von vorne anfangen. Wir hatten schon ein Haus gekauft, aber es wurde von einer der letzten Sturmfluten zerstört. Die Götter waren uns nicht wohlgesonnen."

Kathryn blickte überrascht und bewundernd zu Chakotay hoch. Sie war mit ihren Gedanken wieder bei dem Streitgespräch mit Jewar gewesen und konnte aus diesem Grund nicht schnell genug reagieren. Aber ihr erster Offizier hatte die Situation gut im Griff. Seine Hand um ihre Schulter fühlte sich so selbstverständlich an, als wären sie wirklich ein Paar. Es war ein wunderbares Gefühl der Geborgenheit, das sie umfing. Sie lächelte dem Gastwirt freundlich zu. "Wir sind müde und hungrig von der Besichtigungstour und hoffen, uns bei Ihnen ausruhen zu können und eine warme Mahlzeit zu bekommen."

Tschirnak, der immer noch etwas skeptisch wirkte, bemühte sich, ein nettes Lächeln aufzusetzen. "Selbstverständlich, wenn Sie bitte dort drüben", er deutete auf einen Tisch in der Nähe der Bar, "Platz nehmen möchten. Ich bringe Ihnen sofort zu Trinken und das beste Tagesgericht."

Janeway sah sich in Richtung des Tisches, den der Wirt vorgeschlagen hatte, um und nahm zum ersten Mal, seit sie hier waren, bewusst die Einrichtung des Kellerlokals wahr. Der Name 'Zum Kellergewölbe' machte den Räumlichkeiten alle Ehre. Die Decke bestand aus mehreren Gewölbebögen, die alle in Säulen nach unten ausliefen. Allerdings waren hier nirgends Verzierungen oder Ornamente vorhanden. Der ganze Raum war in schlichten Grautönen gehalten. Die Tische hatten keine Decken und die Stühle keine Polster. Der Boden war mit einfachem Steinbelag versehen. Überall saßen Leute, die ihnen interessiert und ebenfalls leicht misstrauisch entgegenblickten.

Rigar ging voran zu dem ihnen zugewiesenen Platz, dicht gefolgt von Kathryn Janeway und Chakotay, der weiterhin seinen Arm in vertrauter Art um ihre Schultern geschlungen hatte, was Kathryn etwas ablenkte. *Ich wünschte, er würde seine Hand nie mehr dort wegnehmen. Es ist ein so wundervolles Gefühl.*

Plötzlich blieb der Targaleaner abrupt stehen. Er blickte mit vor Überraschung geweiteten Augen zur hinteren Ecke des Lokals und gab einen verblüfften Ausruf von sich.

"Molot, was machst du denn hier?"


"Fähnrich Vorik, wir müssen eine Diagnose der Manövrierdüsen erstellen. Die Brücke meldete einen Fehler." B'Elanna Torres rollte bei ihren Worten mit entsprechendem Gesichtsausdruck die Augen nach oben. Sie gab nicht viel auf Fähnrich Jenkins' Meinung, da ihr die Träumereien der jungen Frau während der Arbeit und ihre Vorliebe für Harry längst aufgefallen waren.

Der junge Vulkanier deutete den Gesichtsausdruck der Chefingenieurin richtig. "Sie halten die Diagnose für überflüssig?"

"Stimmt, die Meldung kam von Jenkins. Sie war bestimmt mit ihren Gedanken wieder woanders und hatte den Autopiloten falsch eingestellt und schon sind wir wieder schuld."

Die Halbklingonin schnaufte ergeben durch und ließ die erhobenen Hände geräuschvoll an ihre Oberschenkel schlagen. "Aber - wir werden schön unsere Pflicht erfüllen und den Fehler bei uns suchen. Fangen wir also an."

Die beiden Ingenieure arbeiteten beinahe eine Stunde schweigend an ihren Konsolen. B'Elannas mangelnde Begeisterung über diese Arbeit stand ihr ins Gesicht geschrieben. Voriks Miene verriet keine Regung, er zog nur ab und zu eine Augenbraue in die Höhe. Er konnte das beinahe so gut wie Tuvok oder Seven.

"Lieutenant, ich stelle eine Asynchronität der Steuerkontrolle von Null Komma Null Zwei Prozent fest. Das erklärt das Problem auf der Brücke. Ich werde es sofort korrigieren." Der Fähnrich machte sich beflissen an die Arbeit.

B'Elanna runzelte nachdenklich ihre zerfurchte halbklingonische Stirn und sprach mehr zu sich selbst. "Diese geringe Differenz dürfte sich beim Autopiloten nicht so drastisch bemerkbar machen, wie Fähnrich Jenkins gemeldet hat. Also hat die Gute doch wieder geträumt." Sie war verärgert über die verlorene Zeit, es waren schließlich wichtigere Dinge zu tun. "Vorik, machen Sie eine Meldung an die Brücke, sobald Sie fertig sind."

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