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von Ena

Kapitel 1

Sie saß an der Theke über ihr Glas gebeugt. Ihre langen, hellbraunen Haare fielen ihr ins Gesicht und verbargen ihre Augen, die durch die dunkle, überfüllte Taverne schweiften. Ein völlig betrunkener Werto taumelte auf dem Weg zum Ausgang und fiel, da er sein Gleichgewicht nicht mehr halten konnte, mitten auf einen Tisch. Glas splitterte mit einem schneidenden Klang und plötzlich wurde es trotz der vielen Anwesenden unterschiedlichster Rassen plötzlich still in der Bar. 
Sie beugte sich noch ein wenig tiefer über ihr Glas mit der ungenießbaren bläulichen Flüssigkeit, aus dem sie nur hin und wieder, um nicht aufzufallen, ein paar Schlucke genommen hatte. Die drei Borantu, die um den Tisch gesessen hatten, erhoben sich langsam. In ihren Bewegungen lag die Geschmeidigkeit von Raubtieren. Der gestürzte Werto rappelte sich mit viel Mühe auf und als er schwankend stand, murmelte er etwas kaum Verständliches und spukte auf den Boden vor die Füße der Borantu. 
Sie schloß ihre Augen, die Geräusche sagten ihr, was dann geschah. Ein kurzes Gerangel, dann ein erstickter Schrei und dann schlug ein schwerer Gegenstand auf den Boden der Taverne auf. Die Borantu bestellten eine neue Runde Getränke und ließen sich wieder an dem Tisch nieder. Sofort hob sich der Lautstärkepegel in der Bar erneut als sei nichts geschehen. Und was war auch geschehen? Niemand würde etwas gesehen haben, wenn sich daraus Unannehmlichkeiten ergaben.
Eine Hand berührte sie an der Schulter. Sie schrak zusammen. Sie hatte den Ankömmling nicht bemerkt, da sie immer noch die Augen geschlossen hielt. Du mußt vorsichtiger sein!, schalt sie sich selbst. Obwohl ihr Herz ihr vor Angst und Vorfreude wie rasend schlug, schaffte sie es dennoch sich unter Kontrolle zu bringen. Sie öffnete ihre Augen und blickte die Person, die sich mittlerweile neben ihr an der Theke niedergelassen hatte, mit ihren dunklen, beinahe schwarzen Augen durchdringend an. Der Mann war ausgesprochen groß, noch im Sitzen überragte er sie um fast zwei Kopflängen. Seine Spezies hatte sie noch nicht gesehen, doch aus irgendeinem Grund erschien ihr diese Person nicht vertrauenserweckend. Sein Gesicht war vollständig behaart, durch das dichte dunkle Fell konnte man nur seine Augen schimmern sehn. Sie zuckte bei seinem Anblick unwillkürlich zusammen. Noch ein Raubtier, schoß es ihr durch den Kopf.
"Eine so schöne junge Frau wie Sie sollte sich nicht ohne Begleitung hier aufhalten", die Stimme des Mannes war ein tiefes Grollen.
"Ich komme schon allein zurecht", meinte sie abweisend. Sie fühlte sich immer unbehaglicher und wollte dieses Gespräch zu einem schnellen Abschluß bringen. "Ich habe gehört, daß Sie Informationen für mich haben", fuhr sie mit scheinbar unbewegter Stimme fort. Innerlich jedoch glühte sie vor Anspannung.
Der Man lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. "Eventuell", antwortete er unbestimmt.
Sie verstand sofort, was er meinte und winkte den Barmann heran, der ihrem Gegenüber ein Glas hinstellte. Dieser nahm einen tiefen Schluck, stellte das Glas dann wieder auf die Theke und rutschte mit seinem Stuhl näher an sie heran. Sie widerstand dem Drang auszuweichen und spürte beinahe die borstigen Haare auf ihrer Gesichtshaut.
"Sie suchen also andere Ihrer Spezies?", sein Atem brachte sie beinahe zum Würgen. Sie biß die Zähne fest zusammen und nickte bloß.
"Ihre Spezies nennt sich selbst Menschen. Ich begegnete ihnen vor ungefähr einem Jahr. So weit ich weiß ist das Schiff, dem ich begegnete, ihr einziges. Doch ich habe vorgezogen lieber nicht darauf zu vertrauen und mich so schnell wie möglich aus dem Staub gemacht." Der Mann lachte. Wenn man dieses heisere Knurren so interpretieren kann, dachte sie.
"Es gibt einige Geschichten und Gerüchte", fuhr der Mann fort. "Dieses Schiff, wie hieß es doch gleich? So etwas mit `Koi...´, oder `Voi...´ - soweit ich mich erinnern kann - ist in der ganzen Gegend berüchtigt. Angeblich stammen diese Menschen nicht von hier. Man erzählt sich" - das haarige Gesicht kam noch näher an ihres heran - "daß sie von den Borg beschützt werden. Diese Menschen sollen wilde und grausame Kreaturen sein. Sie sollten sich am besten von ihnen fernhalten. Sie hingegen scheinen mir ein sehr netter Mensch zu sein." Er brachte seine Augen genau vor ihre. Sie konnte einen verschlagenen, gierigen Ausdruck darin erkennen. 
"Wir sollten jetzt einmal über meine Bezahlung reden." Bei diesen Worten hob er seine haarige Hand und begann ihr Haar zu streicheln. Bevor sie etwas tun konnte preßten sich seine Lippen auf ihre. Ekel stieg in ihr auf. Mit aller Macht stemmte sie sich gegen den festen Griff des Mannes, der sie mit beiden Armen an sich drückte. Sie schaffte sich aus seinem Griff zu entwinden, sprang von ihrem Stuhl auf und atmete befreit tief ein. Sie hatte kaum Zeit wieder zu Atem zu kommen als ihr der hünenhafte Mann folgte. Als er sie wieder ergreifen wollte, schnellte ihr Arm vor und versetzte dem Angreifer einen schlag vor die Brust. Der Mann taumelte durch die unerwartete Wucht des Schlages. Jetzt sah sie, wie sich sein Gesicht wütend verzog. Er spannte seine Muskeln an - das Raubtier setzte zum Sprung an.
Sie spürte den harten Griff, der ihr die Blutzufuhr des linken Armes abschnürte. Blitzschnell drehte sie sich in seinen Armen und versetzte ihm einen Schlag auf die Nase. Ein jäher Schmerz ließ sie aufschreien. Der Mann drehte ihr brutal den Arm auf den Rücken, so daß sie in die Knie ging. Sofort stand er über ihr, hielt ihr immer noch den Arm in einem eisernen Griff auf den Rücken gepreßt. Wieder spürte sie seine Lippen auf ihrem Gesicht. Seine Zunge versuchte gewaltsam in ihren Mund einzudringen. Trotz heftigen Würgens ließ sie es zu. Dann biß sie mit aller Kraft zu. Sie spürte, wie sein warmes Blut ihre Mundhöhle füllte. Der Mann schrak zurück und ließ sie los. Sie würgte immer noch, versuchte sein Blut auszuspucken, da traf sie etwas mit voller Wucht auf die Wange. Sie hörte ein knirschendes Geräusch, das ihr Schauer über den Rücken jagte und spürte, wie der Wangenknochen nachgab. Der jähe Schmerz ließ sie plötzlich ihre Übelkeit und Angst überwinden. Sie merkte, wie ihre Sinne plötzlich scharf und sensibel wurden. Ein Schrei entfuhr ihr, als sie sich mit aller Kraft gegen ihren Angreifer warf. Sie schlug zu ohne genau zu wissen wohin, doch sie spürte, daß sie traf. Einige Schläge von ihm trafen ihren Körper, doch sie ignorierte es. Sie wußte nicht genau, wie es geschehen war, doch plötzlich stand sie schwer atmend über seinem bewegungslosen Körper. Blut strömte ihr aus der Nase, tropfte an ihrem Kinn hinab. Sie zitterte vor Anspannung und Anstrengung. Stöhnend bewegte sich der Mann, rollte sich auf die Seite und spukte eine blutige Masse und mehrere Zähne auf den Boden. Seine Augen blickten sie haßerfüllt an. "Du Mensch!", in seiner Stimme schwang Verachtung mit. "Kehr zu deinesgleichen zurück! Verschwinde von hier!"
"Mit dem größten Vergnügen!", ihre Stimme sollte fest klingen, doch sie konnte nicht das Zittern verbergen. Erst jetzt bemerkte sie, daß sich die Besucher der Taverne im Kreis um die Kämpfenden geschart hatten. Sie sah Angst in den Gesichtern der Anwesenden, aber auch Abscheu und Haß. 
Ich muß raus hier, solange ich noch kann! Betont langsam schob sie sich auf den Ausgang zu. Die Menge wich vor ihr auseinander. Als die kalte Nachtluft ihr Gesicht berührte, begann sie zu rennen.


Ein Blick auf den Chronometer sagte ihr, daß es drei Uhr morgens war. Sie hatte also gerade mal zwei Stunden geschlafen. Sie fühlte sich furchtbar. Jeder Knochen in ihrem ganzen Körper schien weh zu tun. Als sie sich versuchte aufzurichten, spürte sie einen pochenden Schmerz in ihrer linken Schulter. Ihr ganzer linker Arm war taub und geschwollen. Sie zwang sich die Zähne zusammenzubeißen und aus dem schmutzigen kleinen Bett aufzustehen. Das Zimmer, das sie sich hier auf Opak Prime gemietet hatte, war schäbig, doch sie war von Kuhnmla keinen Luxus gewohnt. Mit steifen Schritten ging sie zu dem kleinen Spiegel an der Wand. Mit dem Ärmel wischte sie den Dreck von dem Glas. Als sie in den Spiegel blickte, schrak sie vor sich selbst zurück. Sie fühlte sich nicht nur furchtbar, sie sah auch furchtbar aus. Gestern Abend war sie völlig erschöpft ins Bett gefallen. Sie hatte noch nicht einmal mehr die Kraft aufbringen können ihre Kleidung auszuziehen. Geronnenes Blut klebte ihr im Gesicht und ihr rechtes Auge war zugeschwollen. Sie hatte einen widerlichen Geschmack im Mund und als sie daran dachte, was in dieser Bar hätte geschehen können, wurde ihr schwindlig. Sie schaffte es gerade noch ins Bad, bevor sie sich heftig würgend übergab.
Ungefähr zwei Stunden später fühlte sie sich wieder ein wenig besser. Sie hatte sich geduscht und umgezogen und ihre Verletzungen selbst mit dem Erste Hilfe Koffer versorgt. Es würde zwar noch einige Tage dauern, bevor sie sich wieder völlig kuriert fühlen würde, aber es war ihr gelungen den Knochenbruch, die Muskelrisse in ihrem Arm und die Schwellungen und Abschürfungen zu heilen.
Warum gehe ich bloß dieses verdammte Risiko ein?, fragte sie sich selbst. Ich sollte nach Kuhnmla zurückkehren. Was will ich nur hier? Das Einzige, was ich finde, ist Ärger. Und zudem ist das, was ich bisher erfahren habe, keinesfalls vielversprechend. Die Menschen scheinen eine grausame Spezies zu sein. Ich weiß nicht, ob ich sie überhaupt noch finden will. Sie seufzte tief. Dann erhob sie sich wieder von dem Bett und ging zum Spiegel. Erste Sonnenstrahlen kamen durchs Fenster herein und tauchten den Raum in ein freundliches Licht. Jetzt, nachdem die Schwellung am Auge zurückgegangen war und ihr Gesicht wieder sauber aussah, fühlte sie sich wieder wie sie selbst. Ein seltsames Gefühl, wenn man bedachte, daß sie gar nicht wußte, wer sie war. Sie studierte ihr Gesicht angestrengt, musterte jedes Detail als könne es ihr sagen, wem dieses Gesicht gehörte.
Ihr Gesicht war schmal, sie hatte nach dem Absturz viel an Gewicht verloren. Doch ihre dunklen Augen blickten lebhaft und schienen unendlich tief zu sein. Manchmal verlor sie sich in ihren eigenen Augen um bis zu dem Geheimnis tief in ihr sehen zu können.
Eine schlanke Nase, ein geschwungener Mund. Sie lächelte sich selbst im Spiegel an, beobachte, wie sich kleine Grübchen in ihren Mundwinkeln bildeten, dann hob sie die rechte Augenbraue, beinahe verärgert über diese endlose Betrachtung ihres eigenen Gesichtes. Danach fiel ihr Blick auf ihre Stirn. Sie hob ihre Hand und legte eine Fingerspitze auf diese Stelle. Langsam begann sie die geheimnisvollen Linien des Tattoos nachzuzeichnen. Und in diesem Augenblick wurde ihr bewußt, daß sie weitersuchen würde. Sie mußte einfach hinter ihr eigenes Geheimnis kommen.
Nach einem letzten Blick in den Spiegel wandte sie sich ihrer Reisetasche zu. Sie war relativ klein, aber sie enthielt alles, was ihr gehörte. Ganz vom Boden der Tasche holte sie ein kleines verschlossenes Kästchen hervor. Sie gab den Zahlencode ein und hörte den Verschluß aufschnappen. Sie schloß ihre Augen und atmete tief durch. Jedesmal wenn sie diese Kiste öffnete, überkam sie ein seltsames Gefühl. Ihre Kehle schnürte sich zusammen und sie spürte Tränen in ihren Augen brennen.
Sie öffnete die Kiste.
Das schwarze Stück Stoff lag zusammengelegt an der Seite. Ihr eigenes Blut klebte noch immer daran.
Daneben lag ein seltsames Gerät. Es mußte wohl früher einmal als eine Art Scanner gedient haben, doch es war kaputt. Jeder Versuch die Displays wieder zum Leben zu erwecken war bis jetzt gescheitert.
Dann ein Stück Metall, beinahe vollständig geschmolzen. Es mußte eine seltsame Form gehabt haben, aber sie hatte keine Ahnung wozu es gedient haben mochte.
Eine Waffe. Der einzige Gegenstand in ihrer Sammlung, der noch vollständig intakt war. Die Waffe sandte einen Energiestrahl aus, dessen Intensität regelbar war.
Vielleicht sollte ich sie nächstes Mal bei mir tragen. Sie könnte mich vor weiteren Unannehmlichkeiten bewahren. 
Sie schloß wiederum die Augen.
Schmerz. Schlimmer als alles, was sie bisher gefühlt hatte. Sie schien zu verbrennen. Sie bekam keine Luft mehr. 
Öffne die Augen! Ein Befehl an sie selbst. Gleißende Helligkeit. Ich will ins Dunkel zurück! Ruhe und Frieden! 
Doch sie hielt die Augen offen. Rauch. Die Luft war so heiß, viel zu heiß zum Atmen. Keine Luft! Ihre Augen brannten, als sie versuchte den Rauch zu durchdringen. Plötzlich züngelten Flammen aus der Konsole neben ihr. 
Das ganze Ding wird gleich in die Luft fliegen! Sie stand auf, stand tatsächlich auf wackeligen Beinen. Ein paar Schritte nur bis zum Ausgang! 
Ihre Finger drückten auf einen Knopf, der so heiß war, daß sie spüren konnte, wie ihre Haut verbrannte, praktisch kleben blieb. Sie blickte nach unten. Ihre Beine standen in einem Meer aus Flammen. 
Plötzlich, frische Luft! Die Tür des Shuttles hatte sich geöffnet. Sie zwang sich einen Schritt nach dem anderen zu machen. Sie fühlte, daß sie jetzt auf Steinen lief. Immer weiter, Schritt für Schritt.
Da, ein ohrenbetäubender Knall. Die Druckwelle der Explosion riß sie von den Beinen. Sie spürte, wie sie auf die harten Steine fiel, dann raste ein gewaltiger Feuersturm über sie hinweg. Sie schrie.
Sie schrie. Dann sackte sie in sich zusammen. Ihr Körper schüttelte sich vor Schluchzern. Sie krampfte ihre Hände um die Schachtel auf ihrem Schoß. Tränen liefen ihr aus den Augen. Erst langsam beruhigte sie sich wieder. Sie hatte diese Bilder schon ab und zu gesehen, doch nur wenn sie schlief und sie waren niemals so real gewesen. Dieses Mal hatte sie viel mehr Einzelheiten wahrgenommen.
Nach diesem Absturz hatte sie lange Zeit in einem fiebrigen Halbschlaf verbracht. Sie erinnerte sich kaum an diese Zeit und schauderte bei dem Gedanken, welche Schmerzen sie gehabt hatte. Nur ab und zu war sie aus ihrem Delirium aufgewacht. Dann erinnerte sie sich an einen dunklen Raum, ein hartes Bett. Gestalten um sie herum. Alles war nur verschwommen und unwirklich gewesen. Später hatte sie erfahren, daß man 2 Monate um ihr Leben gekämpft hatte. Als sie zum ersten Mal bewußt ihre Umgebung wahrnahm, erinnerte sie sich, daß ihr ganzer Körper in feuchte Tücher gehüllt worden war. Eine Frau saß neben ihrem Bett. Sie hielt ihr eine Schüssel mit einer warmen Brühe an die Lippen und bedeutete ihr zu trinken. Obwohl sie die Frau nicht kannte und auch nicht verstehen konnte, fühlte sie sich bei ihr auf eine seltsame Weise geborgen. Die Frau hieß Kara. 
Als sie einmal über den Berg war, ging ihre Genesung schnell voran und genauso schnell erlernte sie die Sprache der Geruntaner, die auf Kuhmnla eine Kolonie errichtet hatten. Sie erfuhr von Kara, die zu ihrer Freundin geworden war, daß sie mit einem kleinen Schiff auf dem Planeten abgestürzt und daß dieses Schiff dabei vollständig zerstört worden sei. Die Geruntaner, eine nicht sehr reisefreudige Spezies, hatten keine Ahnung zu welcher Spezies sie gehörte und woher sie gekommen war. Aber sie selbst wußte es auch nicht. Es wurde bald klar, daß sie bei dem Absturz einen vollständigen Gedächtnisverlust erlitten hatte. Sie konnte sich nicht an ihr Leben vor dieser Katastrophe erinnern und sie wußte noch nicht einmal ihren eigenen Namen.
Die Geruntaner nahmen sie freundlich auf und halfen ihr so gut es ihnen möglich war, doch sie konnten ihr nicht ihre Erinnerung zurückgeben. Nachdem all ihre Verletzungen verheilt waren - die Geruntaner hatten wahre Wunder bei der Heilung ihrer verbrannten Haut vollbracht, es waren keinerlei Narben zurückgeblieben - fühlte sie die Unruhe in sich größer werden. Sie gehörte nicht hierhin, sie mußte wieder dorthin, wo sie hergekommen war, auch wenn sie nicht die leiseste Ahnung hatte, wo das war. 
Ein halbes Jahr nach ihrem Absturz verabschiedete sie sich von Kara, dankte allen für die Rettung ihres Lebens, packte die wenigen Dinge, die sie am Körper getragen hatte, als man sie nach dem Absturz bewußtlos daliegend gefunden hatte, zusammen und nahm den ersten Transport der von Kuhmnla wegführte. Damit ließ sie das kurze Leben an das sie sich erinnerte zurück und machte sich auf nach einem anderen, unbekannten Leben zu suchen. Etwas Großes in ihr zog sie dorthin zurück. Auch wenn ihr Verstand ihr sagte, daß es absolut zwecklos war, siegte ihr Gefühl.


Ihr Blick fiel wieder auf den Gegenstand, den sie immer noch fest in der Hand hielt. Plötzlich wurde ihr klar, was es war. Ein Phaser. Sie hatte keine Ahnung, wie ihr dieses Wort eingefallen war, aber sie wußte tief in ihrem Inneren, daß es stimmte. Aufregung erfaßte sie. Das war eines der vielen Puzzleteile, die es zusammenzusetzen galt. Vorsichtig legte sie den Phaser wieder zurück in die Kiste und nahm das geschmolzenen Stück Metall heraus. Ein Gedankenblitz schoß für den Bruchteil einer Sekunde durch ihr Gehirn. Sie konnte die ursprüngliche Form dieses Metallstücks sehen. Sie konzentrierte sich, kniff die Augen zusammen, versuchte die Bilder festzuhalten. Lange Zeit sah sie gar nichts, hörte nur das aufgeregte Schlagen ihres Herzens, das Blut, das durch ihre Adern strömte. Dann plötzlich, ein weiteres Bild. Schnell und unscharf wie die anderen. Sie konnte eine Person sehen, erkannte nicht ihr Gesicht, alles ging dazu viel zu schnell, aber sie sah, wie die Person diesen Kommunikator an der Brust trug. Die Person tippte mit der rechten Hand darauf, bewegte die Lippen, als ob sie spräche. Ein Kommunikator - genau! Die Person trug eine schwarze Uniform. So etwas mußte sie auch bei dem Absturz getragen haben! Das nächste Puzzleteil im Bild. 
`Das Schiff...so etwas mit `Koi...´ oder `Voi...´´, hatte der widerliche Fremde in der Taverne gesagt. Vor ihrem inneren Auge setzte sie Teil um Teil des Puzzles zusammen und wie von selbst fügten sich die Teile ineinander. Sie hörte immer wieder ein einzelnes Wort in ihrem Kopf, immer und immer wieder: Voyager.


Ein Raum. Ihr Quartier. Sie wußte das instinktiv. Plötzlich erschien ihr alles so vertraut. Hier hatte sie viel Zeit verbracht, es war ihr Zuhause, hier gehörte sie hin.
Sie schrak auf. Schon wieder war sie eingenickt. Sie versuchte die Traumbilder, die gerade eben noch so deutlich und real gewesen waren, wieder zurückzurufen, aber sie verflüchtigten sich so ungemein schnell. Seit zwei Wochen, als sie plötzlich die Gegenstände identifizieren konnte und sich wieder an den Namen des Schiffes erinnerte, hatte sie immer wieder solche Träume gehabt, doch die Erkenntnisse aus diesen Erinnerungen hatten sich nicht so einfach bewahren lassen. Es waren vielmehr Gefühle und Stimmungen, die sie erlebte und nicht chronologische Abläufe. Aber diese Gefühle vermittelten ihr eine unglaubliche Verbundenheit mit diesem Schiff, dieser Voyager.
Sie seufzte, die Bilder waren weg. Sie streckte ihren verspannten Hals und rutschte auf dem Stuhl herum, um eine angenehmere Sitzposition zu finden. 
Hoffentlich ist dieser Flug bald zu Ende und ich komme auf Hufas an. Dieser Planet scheint bis jetzt die vielversprechendste Spur zu sein. Der hufanische Transport war ziemlich leer und so hatte sie genug Platz. Angeblich waren diese Flüge immer völlig überfüllt. Sie griff nach dem kleinen Handcomputer, den ihr Kara geschenkt hatte, und rief die letzten Eintragungen auf:
Ich habe heute die borantunische Kolonie am Rande des Euskarit-Nebels besucht. Dort ist die Voyager nicht gewesen, doch man wies mich auf eine weitere Kolonie hin, die vermutlich mit der Voyager Kontakt hatte. Tatsächlich hatte die Voyager dort Lebensmittel erstanden. Die Borantu hatten offenbar eine gute Handelsbeziehung mit dem Schiff. Sie erklärten mir, daß sie Vorurteile über die Voyager und die Föderation, zu der das Schiff gehört, keinesfalls gerechtfertigt seien. Ihr Eindruck war der eines friedliebenden Volkes, das nicht auf Konfrontationen aus ist. Ingenieure der Voyager hätten den Kolonisten sogar bei einem technischen Problem bei der Energieversorgung geholfen. Diese Darstellung ist das genaue Gegenteil von dem, was man sonst in diesem Gebiet über die Voyager hört. Welcher Version soll ich Glauben schenken? 
Das Schiff muß sich relativ lange Zeit in diesem Gebiet des Weltraumes aufgehalten zu haben, obwohl sich bisher alle Informanten einig waren, daß sich die Voyager auf dem Weg in ein weit entferntes System befindet. Scheinbar hat sie es nicht besonders eilig. Jedenfalls gelang es mir den Abstand zu ihr auf ungefähr einen Monat zu vermindern.
Die Borantu sagten mir, die Voyager sei auf der Suche nach einem vermißten Crewmitglied. Bin ich gemeint? Stamme ich von der Voyager? Ist dort wirklich mein zu Hause? Ich stelle mir immer wieder die Frage, ob ich das Richtige tue, indem ich diesem verlorenen Leben hinterher renne.
Jedenfalls erschien es mir bisher ratsam meine Identität als Mensch nicht öffentlich preiszugeben. Zu viele Leute hegen Abneigung oder Angst gegen die Voyager und ihre Besatzung. Ob begründet oder unbegründet, weiß ich nicht. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum ich die Voyager unbedingt finden muß. Um die Wahrheit über den Charakter der Menschen herauszufinden, um mir mein eigenes Bild von der Voyager zu machen und um meine wahre Identität zu finden. Wer bin ich? Ich fühle mich so allein.
Sie blickte von ihren Aufzeichnungen auf. Tränen schwammen ihr in den Augen. Sie schaltete den Computer ab und verbarg das Gesicht in den Händen.


Ganz plötzlich überkam sie dieses Bedürfnis. Zu Beginn konnte sie es nicht deuten, doch dann wurde ihr immer deutlicher bewußt, daß sie meditieren wollte. Seit ihrem Gedächtnisverlust hatte sie nie meditiert. War es vielleicht ein Überbleibsel aus ihrem früheren Leben? Die Person, die sie war, wurde für sie immer undurchschaubarer. Wie paßte das alles zusammen?
Obwohl sie die Technik nicht kannte, wußte sie, wie sie sich zu verhalten hatte. Die Worte kamen einfach von ihren Lippen.
"Akoochimoyah, ich bin weit entfernt von den heiligen Stätten meiner Ahnen und den Gebeinen meiner Vorfahren. Ich habe mich in der endlosen Weite des Universums verloren und finde meinen Weg nicht mehr. Und ich habe mich selbst verloren. Gibt es da draußen einen Geist, der mir den richtigen Weg zeigen kann? Meinen Weg nach Hause."
Sie spürte, wie sie immer ruhiger wurde. Ihr Atem wurde flacher und ihr Herzschlag wurde langsamer. Ihr kleines Zimmer auf Hufas verschwamm langsam vor ihren Augen, es verlor an Bedeutung. Langsam ließ sie die Realität los. Der heutige Tag wurde zu einem lang vergessenen Traum. Es war nicht mehr wichtig, daß sich die Spur als eine Sackgasse erwiesen hatte. Es hatte keine Bedeutung mehr, daß die hufanische Regierung nichts von der Voyager wußte und sie somit die Spur, eventuell unwiderruflich, verloren hatte. Die Realität wurde zum Traum und der Traum zur Realität.
Das, was sie vorher nur in ihren Träumen und Erinnerungsblitzen ungenau gesehen hatte, lag nun in ganzer Klarheit und Schärfe vor ihren Augen:
Warm und geborgen. Kuschelig und weich. Eine warme, weibliche Stimme. Etwas erschöpft, aber ungemein glücklich. Eine sanfte männliche Stimme. Absolute Harmonie. Zwei Stimmen. Zwei Gesichter. Lächelnd. Liebe...


Ein lustiger Mann, mit ganz vielen Haaren. Es gibt immer viele leckere Süßigkeiten bei ihm.
Eine Frau mit komischen Buckeln auf der Stirn, die sich ganz komisch anfühlen.
Die zwei Männer, der eine blond, der andere schwarzhaarig, die mit einem aufs Holodeck gehen und immer viele Späße machen.
Der Mann und die Frau, die nie lächeln, aber immer so lustig die Augenbraue hochziehen. Die sind gar nicht so böse, wie sie aussehen.
Und der Mann, der einfach unsichtbar werden kann, wenn er will.


Der Korridor war so unglaublich groß. Ehrfürchtig strich sie mit den Fingern über die Wand. Ihre scharfen Ohren hörten etwas. Oh oh, schnell weg hier. So schnell sie konnte schlich sie um die Ecke und drückte sich fest an die Wand. Die zwei Erwachsenen bogen in einen anderen Gang ab. Sie hatten sie nicht gesehen. Was für ein Glück! 
Sie tappte weiter durch den Korridor. Da sah sie ein großes, schönes Bild der Voyager. So schön konnte sie nicht malen. Wer das wohl gemacht hatte? Sie reckte sich auf die Zehenspitzen und konnte geradeso mit der Hand das Bild erreichen. Als sie ein paar Tasten drückte, sah sie plötzlich die Voyager von innen. 
Da ergriffen sie plötzlich zwei starke Hände von hinten. Erwischt!, dachte sie etwas enttäuscht, doch dann hoben sie die beiden Hände hoch in die Luft. Oh, kann man von hier oben aus viel sehen. Bestimmt das ganze Schiff. 
"Hab ich dich endlich, du kleiner Ausreißer", raunte eine sanfte Stimme an ihrem Ohr. "Das nennst du also brav im Quartier bleiben?" Sein Atem kitzelte sie am Nacken. Sie kicherte. "Gehorsamsverweigerung?", sie hörte, daß er lächelte. "Jetzt geht es aber mit Warp 9,9 zurück zum Quartier." Sie spürte, wie er sie an den Händen ergriff und durch die Luft wirbelte. Sie quietschte vor Vergnügen...


Sie sah sich selbst, in einem Spiegel. Sie strahlte über das ganze Gesicht. Heute ist der Tag, schoß es ihr durch den Kopf und vor Vorfreude begannen ihre Handflächen feucht zu werden. Sie strich die Uniform glatt, konnte gar nicht oft genug den Stoff anfühlen. Sie war so unglaublich stolz, daß sie jetzt dazugehörte und ein Teil dieser Crew war. Beinahe feierlich hob sie ihren Kommunikator hoch und steckte ihn sich an die Uniform. Ein Blick auf ihren Kragen ließ sie ganz schwindlig werden. Heute würde dort der erste Knopf hinkommen. Heute würde sie zum Fähnrich ernannt werden...


Und immer wieder die beiden wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Ihre Nähe, die Wärme ihrer Körper. Der Ausdruck des Stolzes und der Liebe in ihren Gesichtern - wie hatte sie ihn vergessen können? - als sie ihre ersten Schritte machte oder bei ihrem ersten Schultag in der Bordschule. Ihre Unterstützung, wenn sie sie brauchte, ihr Verständnis und ihre Hilfe. All die gemeinsamen Aktivitäten, die Gespräche.
Die Frau mit den liebevollen Augen.
Der Mann mit dem wunderbaren Lächeln.

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