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Starship Shiva

von Thilo

Der erste Kontakt - Teil 1

Diese Geschichte war nach meinem kurzen Erstlingswerken Ein neuer Captain und Der Hinterhalt der erste Versuch eine längere Erzählung zu schreiben. Auch wenn sich inzwischen mein Schreibstil verändert und hoffentlich verbessert hat, möchte ich diese drei Geschichten in ihren weitgehend ursprünglichen Fassungen lassen und nicht weiter überarbeiten, beziehungsweise neu schreiben.

Ursprünglich war diese Geschichte unter dem Titel Die erste Mission als Beginn der Serie vorgesehen, aber diese Position hat sie dann im Laufe des Schreibens an Anfang der Reise abtreten müssen.

 


Im Jahr 2258 …

 

 

„Captain’s Log USS Virginia NCC-1715 – Sternzeit 2258.2402: Die Virginia wird in zwei Tagen Starbase 6 erreichen. Wir werden dort Sonderbotschafter Robert Fox an Bord nehmen, um ihn zu Verhandlungen auf Circinus zu deren beabsichtigtem Beitritt in die Föderation zu bringen. Zu meinen Bedauern wird auf Starbase 6 mein langjähriger Wissenschaftsoffizier Lieutenant Commander Ineiau Cher-kira-Ke das Schiff verlassen, um ihren neuen Posten als Erster Offizier und Wissenschaftsoffizier der USS Shiva NCC-1602 unter dem Kommando von Captain Reinhard von Pohl anzutreten.“

 

Captain Lance Cartwright trat auf die Brücke der Virginia und ging direkt zur Wissenschaftsstation hinter seinem Kommandosessel. Lieutenant Commander Ineiau sah von ihren Bildschirmen auf und begrüßte ihn mit einem Nicken. Cartwright sah eine außergewöhnlich große Frau in blauer Starfleet-Tunika, deren langes schwarzgrünes Haar zu einer keltischen Zopffrisur geflochten war. Nach einem kurzen Moment erkannte er, was nicht mit ihr stimmte.

„Sind Sie heute asiatisch, Ineiau?“, fragte er mit freundlichem Spott.

Sie stutzte und schien kurz im Geiste ihr Aussehen zu prüfen. „Entschuldigung, ich habe heute recht lange und intensiv mit Lieutenant Lee Chandrasan und Ensign Emiko Tanabe zusammengearbeitet. Das scheint etwas abgefärbt zu haben. Möchten Sie, dass ich es korrigiere?“

Cartwright schüttelte mit einem Lächeln den Kopf. „Nein, dann beschweren sich wieder einige, dass sie die nächsten Nächte nicht schlafen können.“

Vom Kommandosessel aus blickte der Erste Offizier Mackenzie auf, während andere Mitglieder der Brückencrew leise lachten.

„Ich habe mir Shivas Daten angesehen, und ich bin etwas irritiert, was Starfleet da eigentlich plant“, wechselte Cartwright das Gesprächsthema.

Ineiau rief eine neue Datei auf einen ihrer Bildschirme auf und deutete mit einer Handbewegung darauf. „Ja, die Personaldaten sind wirklich ungewöhnlich“, erwiderte sie.

„Ich habe mir eigentlich nur das Schiff selbst angesehen. Die Mannschaftsliste habe ich noch gar nicht überprüft. Was ist Ihnen daran aufgefallen?“

Ineiau gab einige kurze Befehle in ihre Konsole ein, um die Liste in verschiedene Gruppen aufzuteilen. „Die bisherige Besatzung wechselt vollständig mit Captain Gabriel Lorca auf die neu fertiggestellte Bellatrix. Shiva wird also von Grund auf neu besetzt. Aber ich habe noch nie eine derart bunt gemischte Crew gesehen. Es sind etwa zu je einem Viertel Erdmenschen, Andorianer, Vulkanier und Ani. Und dazu kommen noch zwölf Mitglieder anderer Spezies.“

„Wie soll eine so zusammengewürfelte Besatzung überhaupt als Team zusammenarbeiten oder auch nur zusammenleben? Und dann noch mit so vielen Chamäleons“, mischte sich Raoul Mackenzie, der Erste Offizier ein. Im Gegensatz zu Cartwright bestand er auf eine Anrede mit Rang und Familienname und lehnte die sonst auf der Virginia übliche Vornamensbasis ab.

Cartwright sah seinen Ersten Offizier einen Moment an, bevor er antwortete: „Commander Mackenzie, wir stammen beide aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Noch im Zwanzigsten Jahrhundert hätte man uns bei der US Navy aufgrund unserer unterschiedlichen Hautfarben nie gemeinsam auf einem Schiff eingesetzt. Selbst die Blutbanken waren damals nach ethnischen Gruppen getrennt.“

„Lance, Hautfarben und ethnische Gruppen haben doch keinen Einfluss auf Blutgruppen innerhalb einer Spezies“, warf Ineiau ein.

„Die damaligen Rassentrennungen beruhten auf keinerlei wissenschaftlichen Grundlagen, sie basierten nur auf Vorurteilen und sozialen Machtgefügen“, erwiderte Cartwright. „Dass Starfleet bisher weitestgehend homogene Mannschaften gebildet hat, ist historisch und kulturell begründet. Starfleet entstand aus den jeweiligen Raumflotten der Gründungsmitglieder der Föderation. Es liegt in der Natur der Sache, dass Menschen bevorzugt mit anderen Menschen zusammenarbeiten statt mit Mitgliedern anderer Spezies. Und das Gleiche gilt für Andorianer, Vulkanier und erst recht Tellariten. Trotzdem gibt es normalerweise bei derartig homogenen Mannschaften mit den üblichen Minderheiten anderer Spezies keine nennenswerten Probleme.“

Mackenzie schauderte etwas. „Ob Starfleet auch ganze Schiffe voller Chamäleons hat?“

Ineiau blickte ihn vorwurfsvoll an. „Die Aufklärer Lowell und Ursa Minor haben fast vollständige Ani Besatzungen“, erwiderte sie.

Mackenzie sah sie überrascht an. „Moment, die Ursa Minor hat doch eine andorianische Mannschaft …“ Er unterbrach sich und starrte Cartwright und Ineiau entsetzt an.

Ineiau zögerte einen Moment, bevor sie antwortete: „Nein Sir, als ich vor sechs Jahren von der Ursa Minor auf die Virginia versetzt wurde, hatten wir drei Andorianer an Bord. Nach meinem aktuellen Wissensstand sind es zurzeit fünf. Alle anderen Besatzungsmitglieder einschließlich Commander Akhanhse sind an Andorianer angepasste Ani.“

„Ich weiß nicht, ob ich das auch nur im Entferntesten beruhigend finde. Zwei Chamäleons hier an Bord sind schon zu viel.“

„Commander, es reicht jetzt!“, fuhr ihn Cartwright an. „Sie kommen in zehn Minuten in meinen Bereitschaftsraum!“ Nur wenig freundlicher fuhr er fort: „Sie sind erst seit ein paar Wochen an Bord, aber auch wenn ich und viele weitere Mannschaftsmitglieder anfangs ähnliche Vorbehalte gegenüber Ineiau und Hekari hegten, bedaure ich inzwischen sehr, dass ich beide an die Shiva verliere. Und nicht nur ich stehe inzwischen der Aufnahme von weiteren Ani als zukünftige Besatzungsmitglieder offen gegenüber.“

„Ich möchte für meine Äußerung um Entschuldigung bitten, Sir“, antwortete Mackenzie.

Cartwright ließ es erst einmal darauf beruhen, auch wenn für ihn Mackenzies Entschuldigung nicht wirklich aufrichtig klang. „Okay, Ineiau, wir haben also eine fast zu gleichen Teilen aus Menschen, Vulkaniern, Ani und Andorianern zusammengesetzte Mannschaft. Ist Ihnen sonst etwas Ungewöhnliches aufgefallen?“

Ineiau nickte. „Nur dass es mehr Besatzungsmitglieder sind als üblich. Es sind 449 Personen. Ein Forschungskreuzer der Siegfried-Klasse hat eine Standardbesatzung von 412 Personen.“

„Dann kommen wir zu meinen Entdeckungen. Shiva gehört nicht zu den acht in Forschungskreuzer umgebauten Einheiten. Sie ist immer noch mit ihrem Kaminari-II Superphaser bewaffnet. Dieser nimmt zusammen mit dem Warpkern fast den gesamten Raum im Sekundärrumpf ein. Das lässt nicht viel Platz für die notwendigen Vorratsräume, Labors, und was man sonst noch alles braucht für eine Fünf-Jahres-Mission. Dazu kommt die sechzig Mann starke Geschützcrew des Superphasers. Das Riesending benötigt Hunderte Wartungsstunden pro Woche, selbst wenn es nicht verwendet wird. Die Waffe ist zwar im wahrsten Sinne des Wortes ein Schiffskiller, aber die effektive Reichweite ist auf nur wenig mehr als die Hälfte der von normalen Phasern begrenzt.“

„Ich hatte mich schon gefragt, warum man eine so mächtige Waffe bei den meisten Schiffen wieder ausgebaut hat. Aber das würde die größere Mannschaft erklären.“ Ineiau gab wieder einige kurze Befehle in ihre Konsole ein und zeigte auf das Ergebnis. „Sehen Sie, Lance, es sind neunzig Phaserspezialisten auf der Liste. Dafür gibt es gerade die Hälfte an wissenschaftlichem Personal im Vergleich zu den Constitutions oder den umgebauten Siegfrieds. Das würde aber trotzdem bedeuten, dass Shiva im Vergleich zu ihren Schwesterschiffen mehr Personal und Ausrüstung auf weniger Platz unterbringen muss.“

Cartwright nickte und erlaubte sich ein Lächeln. „Vielleicht sind Sie deshalb als ihr Erster Offizier ausgewählt worden. Sie teilen sich ja bereits Ihr Quartier mit jemand anderes.“

 

Ineiau verließ über die Gangway die Virginia und betrat Starbase 6. Sie hatte vor dem Verlassen des Schiffs der Gewohnheit der letzten Jahre widerstanden, sich an die Menschen im Besucherterminal der Sternenbasis anzupassen. Schließlich galt für sie jetzt nicht mehr Captain Cartwrights Anweisung eine menschliche Gestalt zu benutzen. Einige der Menschen, sowohl Stationspersonal als auch Zivilisten, guckten sie verstohlen an, und Einzelne gingen in einen möglichst weiten Bogen um sie herum.

Sie kannte diese Reaktion, wenn Menschen und Andorianer sahen, dass sie eine Ani war. Seltsamerweise reagierten sie nicht so abweisend, wenn sie angepasst war, obwohl eben die Gestaltwandlung der Hauptgrund für die ablehnende Haltung war. Was aber wiederum einfach damit zusammenhängen könnte, dass sie im Gegensatz zu Ani die Anpassung nicht erkennen konnten.

Sie ging weiter, als sie von der Seite angesprochen wurde: „Ich darf annehmen, dass Sie Lieutenant Commander Ineiau Cher-kira-Ke sind?“

Sie blickte sich um und sah einen ihr unbekannten, alten, weißhaarigen Vulkanier in einer traditionellen Robe. Ineiau stellte leicht überrascht fest, dass er fast genauso groß wie sie war, was sowohl bei Vulkaniern wie auch bei Menschen sehr selten vorkam.„Das ist korrekt. Sie kennen mich offenbar?“

Der Vulkanier nickte. „Ich kannte Sie bisher nur indirekt. Zwar habe ich noch unzureichende Übung, verschiedene Ani zu unterscheiden, aber ich wusste, dass von der USS Virginia Sie und Krankenpflegerin Hekari Cher-kira-Ke kommen würden. Ich habe mich für die Identifikation auf die Uniform und den Rang beschränken müssen.“ Er hob seine rechte Hand zum vulkanischen Gruß. „Leben Sie lange und Frieden. Mein Name ist Vrenaak. Ich werde die Stellung des Chefarztes auf der USS Shiva übernehmen.“

„Freier Himmel, Doktor Vrenaak“, erwiderte Ineiau mit einer leichten Verbeugung. „Ich habe von Ihnen in den Besatzungslisten gelesen. Es hat mich überrascht, dass Ihr Rang nicht dabeistand.“

„Das könnte daran liegen, dass ich keinen habe. Ich gehöre nicht Starfleet an. Ich bin ein ziviler Spezialist, wie es offiziell heißt.“ Er zögerte kurz, bevor er fortfuhr: „Bitte entschuldigen Sie, falls ich mit meiner folgenden Frage ein mögliches Tabu verletze. Ich bin noch nicht ausreichend mit Ihrer Kultur vertraut. In den meisten Kulturkreisen deutet ein gemeinsamer Familienname eine Familienzusammengehörigkeit an, aber in Ihrer und Hekaris Patientenakte gibt es keinen Hinweis darauf oder auf eine Ehe.“

Ineiau lächelte. „Wir sind weder verheiratet, noch irgendwie verwandt oder miteinander liiert. Es ist kein Familienname. Am ehesten lässt es sich als Name der Herkunft übersetzen. Wir stammen beide aus der gleichen Stadt und Provinz.“ Sie fuhr fort: „Bitte verstehen auch Sie mich nicht falsch, aber die Zusammenstellung unserer Besatzung ist bereits ungewöhnlich: Wie kommt es, dass wir Sie dabei haben?“

„Captain von Pohl und ich kennen uns seit längerer Zeit. Er bat mich, wegen meiner medizinischen Erfahrungen mit anderen Spezies als Schiffsheiler auf die Shiva zukommen, auch wenn ich bisher noch keine praktische Erfahrung mit Ihrer eigenen Spezies habe. Die meisten Starfleet-Ärzte sind aus verständlichen Gründen nur für ihre eigene Art und vielleicht noch für einzelne andere qualifiziert.“ Er fuhr nach einer kurzen Pause fort: „Starfleet hat Shiva als soziales Experiment angesetzt. Um zu sehen, wie eine aus verschiedenen Spezies gebildete Besatzung sich im Vergleich zu den normalen homogenen Besatzungen bewährt. Es wird gehofft, dass wir das Beste aus unseren vielfältigen Fähigkeiten einbringen. Ich persönlich bin vorsichtig optimistisch. Ein Mensch, eine Ani oder ein Andorianer findet durch seine oder ihre andere Art zu denken Lösungsansätze, die der vulkanischen Logik entgehen. Und auch umgekehrt erscheint mir die Kombination verschiedener Gedanken- und Lösungsansätze vielversprechend.“

Sie erreichten das Terminal, an dem Shiva angedockt lag. Durch die großen Fenster war der massige Rumpf des Dreadnoughts zu sehen. Obwohl etwas kleiner und kompakter als ein Schwerer Kreuzer der neueren Constitution-Klasse, hatte die Shiva doch eine größere Verdrängung. Sie entsprach der klassischen Sternenschiff-Bauart mit einigen Unterschieden. Der Primärrumpf, bestehend aus einem Diskus mit vier Hauptdecks, ließ sie plump und schwerfällig erscheinen. Der Hauptnavigationsdeflektor saß am Bug des Diskus, statt am Sekundärrumpf. An seiner Stelle ragte wie ein überdimensionierter Kanonenlauf der Kaminari-II Superphaser aus dem tonnenförmigen Sekundärrumpf, an dem auch die drei Warpgondeln angesetzt waren.

„Ich nehme an, dass Captain von Pohl uns beide bereits erwartet. Wollen wir ihn gemeinsam aufsuchen?“ Auf Ineiaus zustimmende Geste fuhr Vrenaak fort: „Dann sollten wir weitergehen und ihn nicht warten lassen.“

 

Ineiau meldete sich und Doktor Vrenaak, nachdem sie an Bord von Shiva gekommen waren, über das Intercom bei Captain von Pohl. Wie erwartet bat er sie beide gemeinsam in sein Quartier.

Als sie in seine Kabine eintraten, wurden sie von Reinhard von Pohl begrüßt. Er war ein älterer, ausgetrocknet wirkender Mann mit einem asketischen, grimmigen Gesicht eingerahmt von hohen Geheimratsecken. Er empfing sie mit einem erstaunlich freundlichen Lächeln, das seinen vorherigen mürrischen Gesichtsausdruck Lügen strafte. „Commander Ineiau, willkommen auf der Shiva.“ Zu Ineiaus Überraschung umarmte er den alten Vulkanier herzlich, der es stoisch geschehen ließ. „Es ist gut, dich endlich wiederzusehen, alter Freund!“

Als er Ineiau jedoch die Hand geben wollte, hielt Vrenaak ihn auf, indem er seine Hand auf den bereits ausgestreckten Arm des Captains legte. „Wie auch Vulkanier schütteln Ani keine Hände zur Begrüßung. Sie sehen es als eine intime Geste an.“

„Dann möchte ich Sie natürlich nicht bedrängen. Wir haben anscheinend alle noch viel übereinander zu lernen“, antwortete von Pohl mit einem Lächeln und deutete seine Besucher zur Sitzecke. Ineiau hatte sich kaum auf die Couch gesetzt, als wie aus dem Nichts sich ein großer, getigerter Kater zu ihr gesellte und sie laut schnurrend beschmuste, als würde er Ineiau schon seit Ewigkeiten kennen. „Entschuldigen Sie bitte, Frau Ineiau. Das ist Makarov, und er scheint Sie wirklich zu mögen. Falls er Sie stört oder Ihnen unangenehm ist, setze ich ihn natürlich sofort ins Schlafzimmer“, erklärte von Pohl.

„Ich mag Katzen. Es gibt inzwischen auch welche auf Areka“, erwiderte Ineiau und kraulte Makarov zwischen den Ohren, worüber er sein Wohlgefallen mit einer weiteren Ganzkörperschmuseeinlage bekundete. „Ist er immer so zutraulich bei Fremden?“

Vrenaak antwortete für den Captain: „Nein, bisher war er bei der ersten Begegnung nur bei Vulkaniern so zugänglich. Gegenüber fremden Menschen ist er eher scheu.“

„Wie Sie vielleicht schon erfahren haben, hat Starfleet uns als Versuchskaninchen ausgewählt.“ Von Pohl zögerte kurz mit einem Blick auf seine beiden nichtmenschlichen Besucher, bevor er ergänzte: „Ich meine damit, dass wir für eine soziale Studie über gemischte Besatzungen ausgewählt wurden.“

Verstehend nickte Ineiau, während sie sich fragte, was denn ein Kaninchen sei. „Ja, Doktor Vrenaak hat mich bereits darüber informiert.“

„Sehr gut!“ Von Pohl holte ein Datenpad von seinem Arbeitstisch. „Bisher haben wir deswegen drei Besatzungsmitglieder verloren, die um Versetzung auf andere Schiffe gebeten haben.“ Er errötet leicht.

Ineiau hatte den sonderbaren Eindruck, dass die Röte langsam aus seinen Kragen kroch, um bis zu seinem Haaransatz aufzusteigen.

„Alle drei sind Menschen“, setze er mit leicht beschämtem Tonfall fort. „Zwei von ihnen konnten wir bereits ersetzen, bevor sie an Bord kamen. Aber unser Navigator, Lieutenant Commander Raymond Stiles wird trotzdem zumindest vorerst bei uns Dienst tun müssen, bis wir einen Ersatz bekommen.“

„Hat Commander Stiles seinen Wunsch nach Versetzung weiter begründet?“, fragte Vrenaak.

„Nein, außer dass er durchklingen ließ, dass er eine stark ausgeprägte Abneigung gegenüber Ani hat. Zu meiner Überraschung hat er aber keine Einwände gegen andere Nicht-Menschen auf dem gleichen Schiff. Zumindest hat er mir zugesichert, dass es von seiner Seite aus keine Probleme geben wird. Ich hoffe, dass das auch zutreffen wird.“ Er sah auf das Datenpad, bevor er fortfuhr: „Commander Ineiau, Sie und Winter, meine Adjutantin, haben dankenswerterweise bereits die Verteilung der Quartiere auf dem Schiff erledigt. Nur warum sind alle Ani, einschließlich Sie selbst, in Doppelkabinen untergebracht? Wir haben ausreichend Platz, um alle gemäß ihrer Dienstränge einzuquartieren. Es können doch nicht alles Ehepaare sein!“ Er blickte Ineiau streng an, zog dann eine Augenbraue hoch, bevor er mit leichter Überraschung in der Stimme ergänzte: „Interessant, ich wusste nicht, dass sich Ihre Gesichtszeichnungen violett verfärben können.“

Ineiau versuchte, ihre eigene Überraschung und damit auch ihre Gesichtspigmentierung unter Kontrolle zu kriegen, während Doktor Vrenaak eine Erklärung einbrachte: „Die Zeichnungen bei Ani zeigen auch Emotionen an. Die Farbe violett kann man allgemein als Zeichen von Überraschung oder Schock ansehen“. Beinahe lächelnd fügte er hinzu: „Diese Veränderung der Pigmente erfolgt unbewusst. Es hat einen Grund, dass Ani von keinem Geheimdienst der Föderation als Agenten oder Spione eingesetzt werden, obwohl man meinen sollte, dass sie ihre Fähigkeiten zum Gestaltwandeln dafür besonders prädestinieren würden.“

Ineiau beschloss, den Exkurs über Emotionen und deren Sichtbarkeit bei Ani zu ignorieren und auf die Frage zur Einquartierung zurück zukommen. „Nein Sir, es sind keine Ehepaare unter den Ani in der Besatzung, und meines Wissens sind auch nur einige wenige miteinander verwandt. Wir bevorzugen es einfach, paarweise zusammenzuleben. Crewmember Winter und ich sind bei der Zuteilung von den bisherigen Stationierungen und den jeweiligen Herkunftsorten ausgegangen. Ich vermute aber, dass wir in den ersten Wochen einige schiffsinterne Umzüge haben werden. Ich hoffe, dass Sie dagegen keine Einwände haben.“

Captain von Pohl nickte. „Es ist zumindest eine Erklärung. Ich hätte zwar einen Einwand gehabt, aber Winter hat den Punkt auf meine Bitte hin bereits ausgemerzt.“ Mit einem Lächeln fuhr er fort: „Sie und Ihre Mitbewohnerin werden sich keine normale Doppelkabine teilen. Sie beziehen selbstverständlich das Ihnen zustehende Quartier nebenan, das für den Ersten Offizier vorgesehen ist.“

 

Die nächsten vier Wochen waren Mannschaft und Offiziere damit beschäftigt, sich mit der Shiva vertraut zu machen und zu einen funktionierenden Team zu werden. Neben Notfallübungen gehörten auch Manöver zusammen mit der Bellatrix dazu, deren Mannschaft sich zwar schon zum überwiegenden Teil kannte, aber ebenfalls erst mit ihrem neuen Schiff vertraut werden musste.

Sowohl zu Ineiaus wie auch zu Captain von Pohls Erleichterung lernte Shivas Crew trotz ihrer vielfältigen Herkunft, schnell zusammenzuarbeiten. Es entstanden an Bord neue Freundschaften, und alte wurden erneuert. Zwar gab es fast unvermeidlich auch Streit und Missverständnisse zwischen Mitgliedern gleicher und auch verschiedener Spezies, aber von Pohl war der Ansicht, dass es nicht mehr war als bei den üblichen homogenen Besatzungen.

Captain von Pohl stellte außerdem befriedigt fest, dass die Mehrheit der Ani an Bord sich nicht angepasst hatte, sondern anscheinend in ihrer eigenen Gestalt ihren Dienst verrichteten. Ineiau war peinlich berührt, als sie ihm erklären musste, dass tatsächlich fast die Hälfte sich an ihr als ranghöchste Ani angepasst hatte und nur sie selbst und eine sehr kleine Minderheit wirklich unangepasst waren.

 

Das Quartier für den Ersten Offizier lag neben dem des Captains auf Deck 6 und war doppelt so groß wie die bisherige Kabine von Hekari und Ineiau auf der Virginia. Sie hatten sich dafür entschieden, sich auch weiterhin den Schlafbereich mit einem doppelstöckigen Bett zu teilen, sodass die Größe des Wohnbereiches unberührt blieb. Ineiau hatte befriedigt festgestellt, dass die Kabine weder unmittelbar bei den Turboliften, noch an dem großen Korridor lag, der traditionell als dreihundert Meter langer Rundkurs von Joggern benutzt wurde.

Eine ganze Reihe Besatzungsmitglieder hatte sich bereits zufrieden darüber geäußert, dass der Rundkurs länger und im größeren Radius angelegt war als auf den neuen Schiffen der Constitution-Klasse und dabei ohne das Zickzack um den Maschinenraum herum, wie bei der Valley Forge-Klasse auskam.

Weniger zufrieden hatte die Besatzung darauf reagiert, dass ein Teil der Freizeiträume der Erweiterung von Laboren und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen geopfert wurden und auch die große doppelstöckige Lounge im Verbindungshals zwischen den beiden Rümpfen und zwei der vier Sporthallen in zusätzliche Frachträume umgewandelt wurden. Aber immerhin verblieben die beiden letzten Sporthallen, die beiden Arboreten, das Theater und das Schwimmbecken als die größten Freizeitbereiche auf dem Schiff unberührt.

Hekari saß am Schreibtisch und bemalte kleine Figuren, als Ineiau nach ihrer Schicht in die Kabine kam. Ineiau besah sich die Figuren. „Die sind ja wirklich winzig. Zu welchem Spiel gehören sie?“, fragte sie.

„Kein Spiel, sie gehören zu einer Miniaturlandschaft. Ensign Sarah Kitzinger und ich hatten über Tabletop-Spiele gesprochen, und sie hatte mich gefragt, ob ich auch H0-Figuren bemalen würde.“

„Ha-Null? Gehört das zu dem Betriebsmodell für Schienenfahrzeuge, das im Aufenthaltsraum 6 auf Deck 3 gebaut wird?“

„Ja, es scheint, dass es eine komplette Landschaft nach Vorbildern aus den europäischen Provinzen auf der Erde erhalten soll.“ Und mit einem Grinsen fügte sie hinzu: „Und selbst zwei Andorianer haben schon ihr Interesse zum Mitmachen bekundet, vorausgesetzt es gibt auch eine Eislandschaft.“

„Ich könnte mir vorstellen, dass es dann langsam eng wird in dem Aufenthaltsraum. Da ist es kein Wunder, dass Lieutenant Enrico Ferro eigentlich die großen Räume auf Deck 5 oder 6 haben wollte. Er hatte mir einen Probeaufbau auf den Boden in seiner Kabine gezeigt, und das einfache Gleisoval hatte schon mehr als zwei Quadratmeter benötigt. Er nannte es übrigens Modelleisenbahn.“

„Sarah sagte mir, dass seit Jahrhunderten dieses Hobby als vom Aussterben bedroht bezeichnet wird. Trotzdem gibt es auf der Erde immer noch einige Hersteller dafür, die auch davon leben können. Aber sehr viel einschließlich der Figuren kommt aus dem 3D-Drucker.“

„Warum verkünden Menschen immer ihre Hobbys als dem Untergang geweiht? Das Gleiche prophezeien sie doch auch buchstäblich seit Hunderten von Jahren den Tabletop-Spielen.“

„Zumindest unter Menschen sollen Tabletop-Spiele ja fast vollkommen durch Computerspiele ersetzt worden sein. Die meisten Spielerinnen sind wohl wirklich inzwischen Ani und Andorianer. Aber die Figuren werden weiterhin von vielen Menschen gesammelt, obwohl nur noch wenige damit wirklich spielen.“ Hekari deutete mit einer pinselbewehrten Hand auf die unbemalten Figuren. „Möchtest Du mitmachen?“

Ineiau begutachtete weiterhin die winzigen Figuren. „Ist das eine Herausforderung? Die sind ja wirklich nicht einmal halb so groß wie Fantasy-Figuren.“ Sie streckte sich und lächelte. „Ich hole mir einen Kaffee, und dann werden wir ja sehen, wer die bessere Figurenmalerin von uns beiden ist.“

 

Ineiau hatte das Kommando auf der Brücke, während Captain von Pohl im Maschinenraum zusammen mit dem Chefingenieur S’Rana Vorgehensweisen für Notfälle besprach. Gleichzeitig liefen Shiva und Bellatrix in Formation, um den Konvoischutz zu üben. Der „Konvoi“ wurde durch den alten Erzfrachter Valencia III dargestellt, der unberührt von der Aufmerksamkeit der beiden Sternenschiffe auf seiner üblichen Route pendelte.

„Bellatrix an Shiva. Sie gehen vorab mit Warpgeschwindigkeit ins Groombridge 1830 System, um die Ankunft von Valencia III dort zu sichern. Wir bleiben beim Frachter“, hörten sie Captain Lorca von der Bellatrix befehlen.

„Ensign T’Lin, bitte bestätigen Sie den Befehl“, wies Ineiau die Vulkanierin an der Kommunikationskonsole an. „Commander Stiles, ist unser Kurs bereits berechnet?“, fragte sie dann den Navigator, der schon während der ganzen bisherigen Dienstschicht einen missmutigen Eindruck auf Ineiau gemacht hatte.

„Der Kurs ist berechnet. Wir können in vier Minuten auf Warp gehen“, antwortete Stiles und brummte einen unverständlichen Nachsatz.

„Ich habe einen Teil Ihrer Antwort leider nicht verstanden.“

„Es war nicht an Sie gerichtet. Es hat Sie gefälligst nicht zu interessieren!“, entgegnete Stiles unwirsch.

„Jetzt interessiert es mich aber erst recht. Was haben Sie gesagt? Und bitte behalten Sie ihre Emotionen unter Kontrolle“, erwiderte Ineiau mit einem deutlich kälteren Tonfall in der Stimme.

Stiles sah sie wütend an, bevor er halblaut antwortete: „Es ist nichts.“ Er drehte sich wieder zurück zu seiner Konsole.

Ineiau wandte sich an den jungen Andorianer an der Pilotenkonsole. „Lieutenant Artax, bitte gehen Sie auf Warp 5,5, sobald Sie das Zeitzeichen von Commander Stiles erhalten haben.“

„Aye, Madam!“, bestätigte Artax zackig.

„Danke.“ Ineiau zögerte einen Moment, bevor sie sich erneut an Stiles wandte. „Commander Stiles, falls Sie Ihr Problem mit mir besprechen wollen, können wir das vertraulich nach Ende unserer Schicht in meinem Büro machen.“

Stiles drehte sich zu ihr an und erwiderte mit kaum unterdrücktem Zorn und Hass: „Ich glaube nicht, dass das notwendig ist oder, dass Sie es verstehen würden. Und es geht Sie überhaupt nichts an!“

„Ich sehe das anders“ erwiderte Ineiau jetzt wieder mit einem harten, kalten Tonfall, obwohl sie über seine heftige Reaktion beunruhigt war. „Sie werden nachher ein Gespräch mit mir oder mit dem Captain führen. Mit wem überlasse ich Ihnen zur Auswahl. Aber bis dahin habe ich das Kommando, und Sie werden tun, was ich Ihnen befehle. Ich hoffe, ich habe mich klar genug ausgedrückt!“

Stiles riss sich sichtbar zusammen und wandte sich dann wieder seiner Konsole zu, während er mit gepresster Stimme antwortete: „Ja, Sir!“

 

In seiner Kabine hörte Captain von Pohl sich ruhig Ineiaus Beschreibung des Zwischenfalles an.

„Hat Commander Stiles das Gesprächsangebot in Ihren Büro dann doch angenommen?“, fragte er.

„Nein, Sir, als ich ihn am Schichtende nochmals ansprach, hat er mich komplett ignoriert. Lieutenant Artax, Lieutenant Angela Grey, Ensign T’Lin und Ensign Antonio Molina sagten mir, dass sie ihn noch nie so erlebt hätten. Lieutenant Neniau und Ensign Mateka erzählten dagegen, dass Commander Stiles ihnen gegenüber bereits mehrfach unhöflich und grob gewesen sein soll.“

„Das ist ziemlich dicht an Insubordination, und ich hätte ihn dafür von der Brücke geworfen!“ Von Pohl nahm einen Schluck Kaffee aus seiner Tasse, bevor er fortfuhr. „Er stammt aus einer Familie mit einer langen Tradition in Starfleet, und er hat bisher eine tadellose Laufbahn hinter sich. Wenn er beides unnötig riskiert, sollte es dafür ein sehr starkes Motiv geben, wie etwa einen tief liegenden Hass oder Ähnliches.“ Er nahm ein Datenpad vom Couchtisch und studierte es stirnrunzelnd. „Es gibt in seiner Akte keinen Vermerk über ähnliche Vorfälle. Möglicherweise hat er aber bisher auch einfach keinen Kontakt mit Ani gehabt, und es hat damit keine Gelegenheit für derartige Ausbrüche gegeben.“ Er zögerte einen Moment, bevor er weitersprach: „Lieutenant Thompson, unser Sicherheitsoffizier und Lieutenant S’Rana, unser Chefingenieur haben mir zwei weitere Beschwerden über Commander Stiles zugetragen. Die beiden Betroffenen sind ebenfalls Ani.“

„Darf ich fragen, wer?“, fragte Ineiau, die das Gefühl hatte, dass sie etwas Wichtiges und Offensichtliches übersah, und stellte ihre eigene Kaffeetasse auf den Tisch, während Makarov sich zufrieden schnurrend an sie kuschelte.

Captain von Pohl gab einen Befehl in sein Datenpad, las den neuen Text und reichte das Pad Ineiau mit einem entschuldigenden Lächeln. „Es tut mir leid, aber ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich diese Namen aussprechen soll. Der eine Name hat zu viele Vokale und der andere hat zu wenige.“

Ineiau las die Namen auf den Datenpad. „Crewmember Aaaioha und Ensign Wnhrne.“ Mit einem Lächeln fügte sie hinzu: „Und ja, ich kann absolut nachvollziehen, dass Sie mit diesen Namen Probleme haben.“

„Ich werde versuchen, mir die Aussprache zu merken“, erwiderte von Pohl. Seine Miene wurde kalt. „Und ich fürchte, dass ich mit unserem Commander ein sehr ernstes Wort sprechen muss. Dieses Verhalten ist nicht akzeptabel. Weder hier noch sonst irgendwo in Starfleet.“ Er aktivierte das Intercom neben sich. „Captain von Pohl an Commander Stiles, bitte kommen Sie in mein Quartier.“

Sie hörten Stiles antworten: „Wann wünschen Sie mich zu sehen, Sir?“

„Jetzt, ansonsten hätte ich einen Zeitpunkt genannt. Von Pohl Ende.“ An Ineiau gewandt, die sich gerade gegen den Widerstand von Makarov erheben wollte, um sich zu verabschieden, sagte er: „Commander, ich hätte es gerne, dass auch Sie bei dem Gespräch dabei sind. Und sei es nur als Zeugin.“

„Wie Sie wünschen, Sir. Aber ich weiß, nicht ob das wirklich hilfreich sein wird, wenn ich oder allgemein meine Art aus seiner Sicht das Problem darstellt.“

„Warten wir erst einmal ab, was er zu sagen hat“, antwortet von Pohl mit einem freundlichen Lächeln.

 

Nach einiger Zeit wurde der Türsummer betätigt, und Captain von Pohl gab seine Bestätigung zum Öffnen. Commander Stiles betrat die Kabine, blieb stehen und starrte Ineiau mit mühsam unterdrücktem Zorn an.

„Bitte nehmen Sie Platz, Commander“, begrüßte von Pohl seinen neuen Gast und deutete auf die Couch ihm gegenüber, auf der bereits Ineiau mit Makarov saß. Stiles zögerte, bevor er sich stattdessen auf dem zweiten Sessel neben dem Captain setzte. Dieser nahm es mit einem Stirnrunzeln zur Kenntnis, ließ es aber darauf beruhen, drehte jedoch seinen Sessel, damit er beide Untergebenen im Blickfeld hatte. „Ich nehme an, dass Sie bereits eine Vermutung haben, weshalb ich Sie hierher gebeten habe?“, fragte er ruhig und nicht unfreundlich.

„Sie hat mich angeschwärzt, richtig?“

Von Pohls Stimme wurde kalt und sein Gesichtsausdruck hart, als er immer noch ruhig antwortete: „Es hat mehrere Beschwerden über Ihr Verhalten gegenüber Besatzungsmitgliedern der Shiva gegeben. Sämtliche Betroffene sind Ani. Was haben Sie dazu zu sagen?“

„Sir, es sind hinterlistige Formwandler! Sie sind eine Gefahr für Starfleet und die Föderation.“

„Bitte erklären Sie das. Inwiefern sollen sie eine Gefahr darstellen?“, fragte von Pohl kalt.

„Ihre Heimatwelt liegt an der neutralen Zone im ehemals romulanischen Territorium. Nach dem Romulanischen Krieg hat die Föderation sie törichterweise aufgenommen. Möglicherweise sind sie sogar Romulaner! Und sie können zu allen Überfluss alles und jeden einfach imitieren. Das sollten eigentlich mehr als genug Gründe sein!“

Von Pohl betrachtete Stiles mit ausdruckslosem Gesicht. „Wir wissen sehr wenig über die Romulaner, aber es ist gelinde gesagt unwahrscheinlich, dass Ani Romulaner sind oder auch nur Untertanen des Romulanischen Reiches waren. Sie hatten nachweislich vor dem Krieg keine eigene Raumfahrt und keinen Kontakt mit Außenweltlern. Tatsächlich war ihr erster Kontakt die Bombardierung ihrer Welt mit Atomwaffen, sowohl durch die Erde-Andor-Allianz wie auch durch die Romulaner, weil beide Seiten ihre Heimatwelt Areka für eine Basis oder Kolonie des jeweiligen Gegners hielten.“

Von Pohls Erläuterung zum Romulanischen Krieg ermöglichte es Ineiau im Geiste die fehlenden Punkte zu einen Ganzen zu verbinden. Sowohl von Pohl, wie auch Stiles sahen offenbar ihre Überraschung, als sie die Ursache für Stiles Verhalten endlich erkannte.

„Bitte Frau Ineiau“, forderte von Pohl sie freundlich auf zu sprechen.

„Commander Stiles, sind Sie möglicherweise mit Commodore Julian Stiles verwandt?“, fragte Ineiau vorsichtig.

Stiles konnte seine Wut kaum verbergen, als er zähneknirschend antwortete: „Ja, er war mein Urgroßvater. Jetzt, da Sie es wissen, werden Sie mich ja wohl erst recht hassen!“

„Wofür soll ich Sie hassen? Sie sind nicht er. Und ich kann Sie nicht für etwas verantwortlich machen, was Sie weder getan noch zu verantworten haben. Sie waren zu dem Zeitpunkt oder auch nur zu seinen Lebzeiten noch nicht einmal geboren. Sie sind nur alleine für ihre eigenen Handlungen verantwortlich, aber nicht für die Ihrer Vorfahren.“

Captain von Pohl hob seine Hände in einer kapitulierenden Geste. „Sie haben mich jetzt völlig abgehängt. Was hat es mit Commander Stiles‘ Urgroßvater auf sich?“

Ineiau zögerte einen Moment, bevor sie mit leiser Stimme erklärte: „Commodore Julian Stiles war Befehlshaber des Schlachtkreuzers UES Fearless und der Taskforce 6 während des Erde-Romulanischen Kriegs. Er hatte den Befehl zur ersten Bombardierung von Arekas Städten gegeben.“ Immer noch leise fuhr sie fort: „Nachdem sein … Irrtum festgestellt wurde, wurde er vor ein Kriegsgericht der United Earth Space Navy gestellt. Zwar wurde er in allen Punkten freigesprochen, aber er wurde danach aus dem Dienst entlassen. Er soll noch im Jahr seines Ausscheidens aus der UESN gestorben sein.“

„Er hat sich selbst das Leben genommen“, ergänzte Stiles grimmig.

Von Pohl nickte, bevor er antwortete: „Zumindest könnte es aus Ihrer Sicht eine Erklärung sein für einen Teil Ihrer … Vorbehalte gegenüber Ani. Aber für mich ist es jedoch nicht schlüssig. Wie bereits erwähnt, war es der Konflikt Ihres Urgroßvaters und nicht Ihr eigener. Und wenn Frau Ineiaus Einstellung exemplarisch für alle Ani steht, werden seine Nachkommen und Familienangehörige nicht mitverantwortlich für seinen folgenschweren Fehler gemacht.“ An Ineiau gerichtet fragte er: „Hatte die Regierung von Areka eigentlich Julian Stiles‘ Auslieferung verlangt?“

Ineiau schüttelte den Kopf. „Nein, als mein Volk von den Vulkaniern darüber informiert wurde, was überhaupt passiert war, lebte Julian Stiles bereits nicht mehr. Es hat einzelne Stimmen nach Vergeltung gegeben, aber die Mehrheit hatte damals eingesehen, dass das nicht nur unmöglich war, sondern auch nur zu noch mehr Leid geführt hätte. Das Schuldeingeständnis und die Wiederaufbauhilfe von der Erde hatten wohl auch dabei geholfen, die Wogen zu glätten. Im Gegensatz dazu haben auch heute noch die meisten Ani Vorbehalte gegenüber den Romulanern. Sie haben sich nie für ihre eigene Bombardierung von Areka entschuldigt oder auch nur zu einer Verantwortung bekannt.“

Von Pohl sah Stiles fragend an, aber dieser schüttelte stumm den Kopf. Von Pohl wechselte daraufhin das Thema: „Ihr zweiter Einwand gegenüber der Anwesenheit von Ani in Starfleet basiert auf grundlegenden Ängsten vor den allgemein weit übertrieben dargestellten Fähigkeiten von Ani. Sie sind Gestaltwandler und keine Formwandler. Ihre Fähigkeiten haben enge Grenzen, und sie sind auch nicht in der Lage, jemanden zu ersetzen.“

„Auf dem Schiff wimmelt es geradezu von Menschen, Vulkaniern und Andorianern, die keine sind. Da ist es doch nur eine kleine Stufe, um jemanden komplett zu ersetzen!“

Ineiau setzte zu einer Antwort an, sagte dann aber doch nichts. Abermals bemerkte von Pohl ihr Zögern und forderte sie mit einem zustimmenden Nicken auf zu sprechen. „Bitte Commander, Sie sind zwangsläufig Expertin für ihre Spezies, und ich möchte selbstverständlich auch Ihre Meinung hören.“

„Sir, wir könnten niemanden so perfekt imitieren, dass wir jemanden ersetzen könnten. Zum Beispiel würde niemand auch nur für einen Moment lang getäuscht werden, falls ich versuchen würde, mich als einer von Ihnen beiden auszugeben. Als Gestaltwandler sind wir nicht in der Lage, unsere Größe, Körperform, Stimme oder auch nur Frisur zu verändern. Unsere Gestaltwandlung war ursprünglich eine Schutzfunktion, eine Tarnung vor Raubtieren. Später wurde sie ein Teil unseres Sozialverhaltens als Zeichen der Ehrerbietung, aber auch der Unterordnung. Dass wir uns auch an andere Spezies anpassen können, ist eher Zufall.“

„Danke Commander, viele Außenstehende haben vermutlich eben wegen dieser Verwandlungsfähigkeit Vorbehalte gegenüber Ani. Vielleicht sollten wir erst einmal versuchen, dass sich die Ani auf dem Schiff nicht mehr an andere Besatzungsmitglieder anpassen, und das Ergebnis beobachten. Oder sehen Sie darin Unannehmlichkeiten für die Ani?“, fragte von Pohl.

Ineiau überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. „Nein Sir. Es wird für viele eine Umgewöhnung sein, und nicht wenige werden sich sehr unhöflich vorkommen, wenn sie sich nicht an ihre Vorgesetzten und Freunde anpassen. Aber es sollte sonst keine Probleme damit geben.“

„Sie sehen das Kopieren als Höflichkeit an?“, platzte es aus Stiles heraus.

„Ihr Verhalten macht Sie nicht gerade zum Vorbild für Höflichkeit, Commander Stiles“, erwiderte von Pohl scharf. „Ihre Romulaner-Theorie ist … einfach falsch. Ebenso falsch wie Ihre Vorstellung über die Fähigkeiten von Ani. Sie werden in Zukunft die Ani an Bord als das ansehen und auch so behandeln, was sie sind: Mitglieder von Starfleet und Bürgerinnen der Föderation. Wenn Sie sie für die Handlungen ihres Urgroßvaters und deren Folgen für ihn verantwortlich machen, ist das eine klassische Täter-Opfer-Umkehr und völlig inakzeptabel. Sollte es wieder Vorfälle von Beleidigungen, Insubordination oder Ähnlichem geben, wird es sich nicht auf eine entsprechende Rüge in Ihrer Dienstakte beschränken, sondern Sie werden entsprechend diszipliniert. Ginge es nach mir, würden Sie nach einem weiteren derartigen Fehlverhalten aus Starfleet entlassen werden. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“

„Ja, Sir. Ich bedaure die von mir verursachten Zwischenfälle, es wird nicht wieder vorkommen“, erwiderte Stiles steif. „Bitte um Erlaubnis zum Wegtreten.“

„Erlaubnis erteilt“, antwortete von Pohl und fügte freundlicher hinzu: „Und Commander, bitte nehmen Sie sich die Angelegenheit auch zu Herzen. Arbeiten Sie an Ihrer Einstellung. Nicht, weil ich es Ihnen befehle, sondern, weil es der einzig richtige Weg ist. Rassismus, Hass oder Vorurteile sind niemals gute Ratgeber.“

 

„Captain auf der Brücke!“, meldete die Kommunikationsoffizierin T’Lin, als Captain von Pohl aus dem Turbolift kam. Ineiau erhob sich vom zentralen Kommandosessel und trat beiseite.

Von Pohl nickte ihr dankend zu und setzte sich dann auf den Kommandosessel. „Frau Ineiau, ist alles bereit zum Auslaufen?“ Nachdem Ineiau dieses bestätigte, wandte sich von Pohl an T’Lin: „Bitte öffnen Sie einen schiffsweiten Kanal, Frau T’Lin.“

„Kanal ist offen. Sie können sprechen, Sir“, sagte die Vulkanierin, nachdem sie einige kurze Befehle in ihre Konsole eingegeben hatte.

„Meine Damen, Herren und nichtbinäre Personen, hier spricht Ihr Captain. Der Moment, auf den wir die letzten sechs Wochen hingearbeitet haben, ist gekommen: Wir brechen mit der Shiva zu unserer ersten gemeinsamen Fünf-Jahres-Mission auf. Wir werden viel Fremdes und Wunderbares zu sehen bekommen, Kontakte zu neu entdeckten Zivilisationen knüpfen und außerdem die Grenzregionen der Föderation vor Bedrohungen schützen. Manche haben Zweifel geäußert über unsere gemischte Besatzung, aber wir werden diesen Kritikern beweisen, dass wir gemeinsam alles machen können und das Beste unserer Völker vereinen. Lassen Sie uns gemeinsam einen großen Schritt in die Geschichte tun.“ An den Steuermann gewandt, befahl er: „Herr Artax, bitte bringen Sie uns raus.“

„Aye, Captain“, bestätigte der Andorianer.

Während sich die Shiva schwerfällig aus dem Raumdock der Sternbasis schob, setzte von Pohl seine Ansprache zur gesamten Mannschaft fort: „Ich habe noch einen Punkt. Bisher verwenden rund Dreiviertel von uns nur ihren ersten oder einzigen Namen. Nur die Erdmenschen unter uns werden mit ihren Familiennamen angesprochen. Lassen Sie uns alle einheitlich ebenfalls die Vornamen verwenden.“ Und mit einem überraschend warmen Lächeln fügte er hinzu: „Wie die meisten wissen, ist mein Vorname Reinhard. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Captain Reinhard von Pohl Ende!“

„Sir, wir sind bereit für Warpgeschwindigkeit“, meldete Stiles mit sichtlichem Unbehagen.

„Danke, Raymond. Dann brechen wir auf, wenn Sie soweit sind.“

Ineiau beobachtete auf dem Hauptbildschirm, wie die Sterne scheinbar an der Shiva vorbei flogen, als der Warpantrieb ansprang.

 

„Captain’s Log USS Shiva NCC-1602 – Sternzeit 2258.1107: Wir konnten heute den Beginn des vierten Monates unser Fünf-Jahres-Mission feiern. Crew und Schiff sind inzwischen gut eingespielt und guter Stimmung. Wir haben drei unbewohnte Sonnensysteme kartografiert, ansonsten war unsere Reise bisher weitgehend ereignislos. Aber wir haben vom Observatorium auf Sudeten einen Bericht erhalten, dass sie möglicherweise in den Systemen Baker 302 und Baker 306 Warpsignaturen beobachtet haben. Wir haben Kurs auf Baker 302 genommen, um hoffentlich unseren ersten Kontakt mit einer fremden Kultur auf dieser Reise herstellen zu können.“

 

Ineiau drehte sich im Kommandosessel, als der zweite Wissenschaftsoffizier Thalin sie von seiner Station aus ansprach. „Ineiau, ich habe eben eine Warpsignatur in Baker 302 geortet“, hörte sie den Andorianer mit ungläubiger Stimme sagen.

„Auf dieser Entfernung mit den Schiffssensoren? Das sollte eigentlich unmöglich sein, es sei denn …“ Ineiau unterbrach sich selbst, als ihr die Bedeutung klar wurde. „Können Sie feststellen, ob es sich um eine Warpfeldimplosion handelt?“, fragte sie besorgt Thalin.

Thalin sah konzentriert in sein Lesegerät. „Die Warpsignatur lag bei 580 auf der Kearny-Fuchida-Skala. Entweder haben sie ein Raumschiff von der Größe eines Mondes auf Überlichtgeschwindigkeit gebracht oder es sollte wirklich eine Warpfeldimplosion gewesen sein.“

„Bitte übermitteln Sie die Koordinaten an die Navigation, Thalin.“ Und an Stiles an der Navigationskonsole gewandt fuhr sie fort: „Raymond, bitte sagen Sie mir, dass die Warpsignatur ausreichend Sicherheitsabstand zu möglicherweise bewohnten Welten hatte.“

Sie beobachtete, wie Stiles ohne sein übliches Murren die Daten abglich. In seiner Stimme lag Erleichterung, als er ihr antwortete: „Der zweite Planet im System ist als Einziger bewohnbar. Die Warpsignatur entstand sieben AU von ihm entfernt. Das ist mehr als das Zehnfache zum theoretisch minimalen Sicherheitsabstand.“

„Danke, Raymond“, erwiderte Ineiau und drückte die Intercomtaste an ihren Sessel. „Brücke an Captain von Pohl“

„Reinhard von Pohl hier. Ich höre“, kam nach kurzer Pause die Antwort.

„Sir, wir haben eben gerade eine mögliche Warpfeldimplosion bei Baker 302 beobachtet. Die vermutliche Heimatwelt der einheimischen Zivilisation lag glücklicherweise außerhalb der Gefahrenzone.“

„Ich komme gleich auf der Brücke. Wie lange brauchen wir um Baker 302 mit unserer derzeitigen Geschwindigkeit zu erreichen?“

Artax an der Pilotenkonsole antwortete: „Wir benötigen noch drei Tage und vier Stunden mit Warp 5,5.“

„Gehen Sie auf Warp 6“, befahl von Pohl nach kurzem Überlegen.

 

Als Shiva noch elf Stunden vom Sonnensystem entfernt war, beobachteten sie eine zweite übergroße Warpsignatur. Captain von Pohl berief daraufhin seine Senioroffiziere zu einer Besprechung.

„Entweder bewegen die Bewohner des Systems astronomische Objekte mit Warpgeschwindigkeit, oder wir haben es mit einer außergewöhnlich großen Häufigkeit von katastrophalem Systemversagen und darauf folgenden Warpfeldimplosionen zu tun“, begann von Pohl die Besprechung. „Besteht die Möglichkeit, dass sie ihre Warptechnik nicht als Antrieb, sondern als Waffe entwickelt haben?“

„Eine einzelne Warpfeldimplosion auf einem Planeten würde dessen Oberfläche fast zur Hälfte harter Theta-Strahlung aussetzen, von den Zerstörungen im Megatonnenbereich durch die Impulsschockwelle abgesehen. Sie wäre als Waffe noch suizidaler als Atom- oder Antimateriewaffen in einem globalen Konflikt. Was im Umkehrschluss nicht ausschließt, dass sie möglicherweise in einem interplanetaren Konflikt zum Einsatz käme“, erklärte Thalin.

Der katzenartige Chefingenieur S’Rana schüttelte den Kopf mit seiner schwarzen Löwenmähne. „Warpfeldimplosionen lassen sich nicht einfach durch ein Systemversagen eines Warpantriebes erklären. Tatsächlich sind sie selbst absichtlich fast unmöglich auszulösen. Die Crossfield-Katastrophe vor drei Jahren war der letzte beobachtete Fall nicht nur in der Föderation, sondern im gesamten bekannten Raum einschließlich Klingonen, Kzinti und Romulanern seit über zweihundert Jahren. Und die genaue Ursache ließ sich trotz einer intensiven Untersuchung nicht eindeutig klären, außer dass der Fehler in dem Design des experimentellen Warpantriebes lag. Die meisten Zivilisationen mit Warp- oder einer anderen FTL-Technik haben nie eine Warpfeldimplosion erlebt oder auch nur beobachtet. Auch unser eigenes Wissen stammte vorher nur aus zweiter Hand. Wenn die Bewohner von Baker 302 zwei davon im Abstand von wenigen Tagen ausgelöst haben, widerspricht das jeder Wahrscheinlichkeitsstatistik, egal, ob sie das absichtlich oder versehentlich getan haben sollten.“

„Gibt es Anzeichen, was für eine Energiequelle sie für ihre Warpsignaturen verwenden? Und könnte diese Einfluss auf ihre Warpfelder haben?“, fragte von Pohl.

„Wir haben in der Spektralanalyse keine Hinweise auf Antimaterie gefunden. Da die meisten Zivilisationen Fusionsreaktoren verwenden, wenn sie keinen Zugriff auf M/AM-Technik haben, könnte das auch hier der Fall sein. Fusionsreaktoren lassen sich aber nicht eindeutig per Spektralanalyse identifizieren. Mir fehlen die Kenntnisse, um sagen zu können, ob das einen Einfluss auf die Stabilität von Warpfeldern hat“, erklärte Ineiau.

„Es hat genau wie andere Energiequellen keinen Einfluss. Fusionsreaktoren erzeugen nur einfach zu wenig Energie und verbrauchen große Mengen an Deuterium bei höheren Überlichtgeschwindigkeiten, wenn man denn Warp 3 als solches bezeichnet. Sollte ein Raumschiff aus verschiedenen Gründen sein Warpfeld nicht mehr erzeugen können, erlischt dieses einfach, und das Schiff geht auf Unterlichtgeschwindigkeit herunter, aber die Warpblase implodiert nicht“, antwortete S’Rana.

Von Pohl nickte. „Möglicherweise haben die Bewohner von Baker 302 einen grundliegenden Konstruktionsfehler in ihren Antrieben eingebaut, der die Wahrscheinlichkeit drastisch erhöht. Ich fürchte, wir werden das erst herausfinden, wenn S’Rana eines ihrer Schiffe untersucht. Gibt es noch etwas, was wir aus der Ferne feststellen können?“

„Beide Warpsignaturen lagen auf einen Kurs, den Raumschiffe auf den Weg ins Nachbarsystem Baker 306 nehmen würden. Die Systeme liegen bekannterweise mit weniger als zwei Lichtjahren außergewöhnlich dicht beieinander, sodass ich mir auch Reisen mit langsameren Warp- oder sogar Unterlichtgeschwindigkeiten vorstellen könnte“, ergänzte Stiles.

„In Baker 306 gibt es mit je einem K- und M-Klasse-Planeten zwei bewohnbare Welten. Laut dem Observatorium auf Sudeten zeigen alle drei Welten in Baker 302 und Baker 306 Anzeichen dafür, dass sie von einer oder mehreren industriellen Zivilisationen bewohnt werden“, sagte Ineiau.

„Danke, meine Damen und Herren!“, schloss von Pohl die Besprechung. „Also müssen wir unsere Ankunft abwarten, bevor wir herausfinden, was in den Systemen vor sich geht. Hoffen wir das Beste, dass es sich einfach nur um zwei unwahrscheinliche Unfälle gehandelt hat.“

 

„Die Sensoren haben mehrere größere Objekte an unserem Zielpunkt entdeckt. Es gibt keine Energiequellen, und zumindest einige der Objekte sind stark radioaktiv.“ Ineiau sah von der Wissenschaftsstation auf. „Aber sie sind zu weit entfernt von den Koordinaten der beiden Warpfeldimplosionen, als dass es Raumschiffe sein könnten, die dadurch beschädigt oder zerstört worden sind.“

Von Pohl nickte. „Wir sollten es hoffentlich gleich sehen können.“

„Soll ich die Schilde aktivieren?“, fragte Ensign Mateka von der großen taktischen Station neben Ineiaus Platz.

„Nein, es gibt keine offenbare Bedrohung für uns, und wir wollen keinen Krieg beginnen, indem wir uns den Einwohnern als aggressiv oder bedrohlich zeigen“, antwortete von Pohl der kleinen Ani nach kurzem Überlegen.

„Wir kommen gleich aus dem Warptransit“, meldete Artax von der Pilotenkonsole.

Die Sterne schienen abrupt stehen zu bleiben, als die Shiva auf Unterlichtgeschwindigkeit ging. Ineiau las die jetzt genauen Sensorergebnisse über die unbekannten Objekte ab und stellte erschüttert fest: „Reinhard, das sind Schiffswracks. Ich zähle elf Wracks in unserer unmittelbaren Nähe. Sechs weisen schwere Strukturschäden bis hin zur weitgehenden Zerstörung auf. Von den Verbliebenen sind drei stark radioaktiv verseucht. Nur zwei sehen äußerlich unversehrt aus und weisen keine nennenswert erhöhten Strahlungswerte auf, aber auch bei denen kann ich keine Lebenszeichen entdecken.“

„Können Sie erkennen, was die Radioaktivität verursacht hat?“, fragte von Pohl mit besorgter Stimme.

Ineiau studierte ihre Anzeigen, bevor sie antwortete: „Es sieht so aus, als basiere ihre Energiequelle auf Kernspaltung. Bei den verstrahlten Wracks haben offenbar die Sicherheitsmaßnahmen der Atomreaktoren versagt.“ Mit einem kurzen Seitenblick zu von Pohl fügte sie hinzu: „Wir haben ausreichend Sicherheitsabstand zu diesen Wracks.“ Sie gab mehrere Befehle in ihre Konsole und las die Ergebnisse ab. „Das Sonnensystem ist ein einziger großer Schiffsfriedhof. Unsere Fernsensoren zeigen mehr als fünfzig weitere vergleichbare Objekte im ganzen System an.“ Sie las weiter, bevor sie fortfuhr: „Es gibt Anzeichen, dass zumindest ein Teil der Schiffe in unserer Umgebung durch Waffenwirkung zerstört worden ist. Rund die Hälfte von ihnen scheint jedoch Unfällen oder Systemversagen zum Opfer gefallen sein.“ Ineiau sah den Captain erschüttert an. „Ich weiß nicht, über welchen Zeitraum diese Raumschiffe verloren gegangen sind, aber derartige Verluste können doch auch für diese Leute nicht normal oder auch nur irgendwie vertretbar sein.“

„Bringen Sie das nächstgelegene Schiff auf den Hauptbildschirm, Raymond“, wies von Pohl Stiles an.

Stiles betätigte eine Taste, und das Bild auf dem Hauptbildschirm wechselte auf ein dunkles Raumschiff. „Das sieht aus wie ein altes Schlachtschiff aus den ersten beiden Weltkriegen!“, brachte er erstaunt hervor.

Ineiau versuchte einen Sinn, in den Daten ihrer Konsole zu erkennen. „Der Vergleich ist sogar sehr zutreffend. Es sieht aus, als basiere das Design tatsächlich auf einer maritimen Einheit oder wäre möglicherweise sogar aus einer solchen entstanden. Die Geschütztürme und Aufbauten sind alle an der Oberseite, während an der Unterseite des Schiffsrumpfes die Antriebsaggregate eingebaut worden sind. Und das Unterwasserschiff ist sogar mit einem zusätzlichen farblich abgesetzten Korrosionsschutz versehen. Möglicherweise konnte das Schiff vom Meer aus starten und landen. Ich frage mich, wie sie dafür ausreichend Schub mit Atomkraft erreichen konnten. So etwas habe ich noch nie gesehen!“

Sie gab weitere Befehle in ihre Konsole ein und stutzte über die Datenflut auf ihren Bildschirm. „Offenbar muss ich für den Vergleich mit Seekriegsschiffen von der Erde die Parameter beschränken. Es gab doch mehr, als ich angenommen hatte.“

„Warum suchen Sie keine Marineschiffe von ihrer Heimatwelt?“, warf Stiles misslaunig ein.

„Wir hatten nichts Derartiges. Die letzten Seekriege auf Areka fanden vor dem Beginn unseres Industriezeitalter statt.“

Sie überlegte noch, als von Pohl ihr weiterhalf: „Suchen Sie die Schlachtschiffe der Queen-Elizabeth-Klasse oder der Bayern-Klasse heraus. Die erscheinen mir zumindest äußerlich verhältnismäßig ähnlich zu sein.“

Ineiau änderte die Parameter ihrer Suche und studierte das Ergebnis. „Demnach wären die Brücke oder der Kontrollraum im Turm zwischen den vorderen Geschützen und dem Schornstein untergebracht. Das Wrack weist auch dort eine entsprechende Fensterreihe auf. Der Maschinenraum könnte sich in der Mitte des Hauptrumpfes befinden. Dort liegen auf jeden Fall anstelle der Dampfkessel die beiden Atomreaktoren, die bei diesem Schiff richtig heruntergefahren wurden. Ob die Abschaltung automatisch oder durch das Maschinenpersonal geschehen ist, kann ich nicht erkennen.“

Stiles sah sie und dann das Wrack auf dem Hauptbildschirm irritiert an, bevor er fragte: „Wofür braucht ein Raumschiff einen Schornstein? Das ergibt doch keinen Sinn!“

Ineiau zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Vielleicht haben sie damit die überschüssige Wärme des Reaktors abgeleitet, obwohl dafür die Form weniger geeignet sein sollte. Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass der Schornstein ein reines Relikt der Entwicklung aus einem Marineschiff sein sollte. Aber ich bin Botanikerin und keine Raumschiffskonstrukteurin.“

„Vielleicht findet S’Rana vor Ort etwas heraus“, meinte von Pohl. „Wie sind die Umweltbedingungen auf dem Wrack?“

„Das Wrack ist ausgekühlt und hat durch die große Entfernung zur Sonne eine durchschnittliche Innentemperatur von minus acht Grad, es wäre wahrscheinlich noch kälter ohne die Restwärme vom Reaktor. Es gibt in den meisten Abteilungen eine Atmosphäre von 0,6 bar, aber sie ist nicht atembar, da sie fast ausschließlich aus Stickstoff, Kohlendioxid und diversen giftigen Gasen besteht. Etwa ein Drittel der Abteilungen ist luftleer, obwohl ich keine Strukturschäden erkennen kann. Und es gibt keine künstliche Gravitation. Ich empfehle Raumanzüge mit magnetischen Stiefeln, falls wir das Schiff besuchen wollen.“

„Gut, dann setzen wir zwei Außenteams ein. Ineiau, Sie untersuchen die Brücke, während S’Rana sich den Maschinenraum vornimmt. Da das Wrack nicht vollständig zugänglich ist, werden beide Teams unabhängig voneinander arbeiten müssen. Außerdem lassen wir unsere sechs Scoutjäger ausschwärmen, um genauere Daten über die weiter entfernten Schiffswracks zu sammeln. Hoffentlich finden wir ein paar Antworten“, beschloss von Pohl.

 

Ineiaus Außenteam sammelte sich im Transporterraum 2 der Shiva. Außer Ineiau bestand es aus dem Computerspezialisten Lieutenant Tunak, den Technikern Lieutenant Neniau und Ensign Eric Lucien sowie dem Sicherheitsoffizier Lieutenant Ian Thompson. Alle traten in ihren Raumanzügen auf die Transporterplattform und überprüften ihre Ausrüstung. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass alle bereit waren, sah Ineiau die Andorianerin an den Transporterkontrollen an und sagte zu ihr: „Sira, wir sind soweit: Energie.“

Sira bestätigte den Befehl und begann den Beamvorgang.

 

Das Außenteam materialisierte in dem vermuteten Kontrollraum im Turm des Wracks. Ineiau erstarrte vor Entsetzen bei dem Anblick, der sich ihr bot. Neben ihr hörte sie einen kurzen Fluch, den Namen einer religiösen Entität und ein Würgen gefolgt von platschenden Geräuschen. Sie drehte sich um und sah, dass das Helmvisier von Ensign Lucien mit Erbrochenen bedeckt war.

„Ineiau an Transporterraum 2. Sofort Ensign Lucien zurückbeamen! Dies ist ein Notfall!“

Wenige Sekunden später verschwand Lucien im goldenen Schein eines Transporterstrahles.

Ineiau drehte sich zu Lieutenant Neniau um und sah, dass deren Tribalzeichnungen hellblau leuchteten. Sie wurde sich bewusst, dass auch ihre eigenen Zeichnungen die gleiche Farbe von Schock und Entsetzen anzeigten. Sie wandte sich an die verbliebenen Mitglieder des Außenteams: „Ladies, geht es bei Ihnen? Muss jemand zurück?“

Die anderen, obwohl alle sichtbar erschüttert, bestätigten ihr, dass sie den Einsatz fortsetzen konnten.

Die Transportertechnikerin meldete sich: „Ensign Lucien ist in Sicherheit und unversehrt. Das Notfallteam bringt ihn auf die Krankenstation.“

„Danke, Sira“, antwortete Ineiau erleichtert.

„Captain an Ineiau, auf was sind Sie gestoßen?“, hörten sie Captain von Pohl besorgt fragen.

„Sir, die … sterblichen Reste der Mannschaft sind noch auf dem Wrack. Und es war anscheinend noch ausreichend Sauerstoff und Wärme vorhanden, um sie in einen fortgeschrittenen Zustand der Verwesung zu versetzen“, meldete Ineiau mit belegter Stimme und war sehr dankbar, dass ihr Raumanzug sie vollständig von dem sich ihr bietenden Grauen trennte. „Wir setzen unsere Untersuchung fort. Ineiau Ende.“

Vorsichtig schwärmte das Team aus, um den Kontrollraum nach Hinweisen zu durchsuchen. Ineiau begann, mit ihren Tricorder die Leichen zu untersuchen. Es waren Humanoide, die weitgehend dem Erdmenschen-Typus entsprachen. Äußerlich stellten, soweit Ineiau wegen der Verwesung erkennen konnte, die Hände mit vier Fingern den größten sichtbaren Unterschied zu Menschen dar. Sie trugen schwarze Overalls, die mit Abzeichen versehen waren, von denen Ineiau vermutete, dass sie Namen und Rang angaben. Ineiau wies die anderen an, auch diese Abzeichen einzuscannen. Bei dem ersten miteinander umschlungenen Paar konnte sie keine äußeren Verletzungen feststellen. Sie vermutete, dass die Beiden erstickt waren, während sie sich versuchten, gegenseitig warm zu halten, und auch möglicherweise gegenseitig Trost zugesprochen hatten.

Sie ging zu den nächsten Toten, dessen Overall braun verkrustet war. Sie stellte Schnittwunden an den Handgelenken fest und entdeckte ein Klappmesser in einer verkrampften Hand, was sie darauf schließen ließ, das sich die Person selbst getötet hatte, bevor der Sauerstoff ausging.

Weiter hinten im Raum meldete Tunak, dass er bei einer Leiche, die anders als der Rest der toten Mannschaft einen roten Overall trug, die verbrannten Reste von Büchern und Papieren gefunden hatte. Der Vulkanier äußerte die Vermutung, dass es sich um den Kommandanten des Schiffes handeln könnte.

Neniau hatte auf der anderen Seite des Raumes mehr Glück, als sie mehrere Fächer voller beschriebener Papiere entdeckte.

Den nächsten Toten erreichte Ineiau gleichzeitig mit Lieutenant Thompson, dessen Suche bisher ergebnislos geblieben war. Der Leichnam war noch auf seinen Stuhl vor einen Kartentisch, der zentral im Raum stand, angeschnallt. Ineiau vermutete nach einer kurzen Analyse mit dem Tricorder, dass auch diese Person erstickt war. Thompson nahm vorsichtig die linke Hand des Toten vom Tisch, damit er die Glasscheibe, die Karten und andere Papiere auf dem Tisch sicherte, lösen konnte. Ein Foto schwebte unter der Hand hervor. Ineiau konnte es vorsichtig ergreifen. Trauer und Mitleid durchflutete sie, als sie und Thompson sich das schwarz-weiße Familienbild eines Paares mit zwei Kleinkindern ansahen. Sie steckte sorgfältig das Bild in ihre Probentasche.

Beide stoppten mit ihrer weiteren Untersuchung des Tisches, als sie die rechteckige Ausbeulung im Overall des Toten bemerkten. Ineiau brauchte ihre ganze Willenskraft, um den Reißverschluss des Overalls zu öffnen. Während sie diesen aufhielt, griff Thompson mit aschfahlem Gesicht in die Innentasche und förderte ein kleines Buch zutage. Sie sahen sich einige der Seiten im Buch an. Es war etwa zu Zweidrittel mit einer fremdartigen Schrift gefüllt. „Das könnte ein Tagebuch sein“, vermutete Ineiau und fügte auch das Buch ihrer Probentasche hinzu.

Thompson nickte zustimmend. „Wenn bei den verbrannten Dokumenten das Logbuch dabei war, könnte ein privat geführtes Tagebuch uns vielleicht weiterhelfen. Wobei mich erstaunt, dass sie mit so viel Papier gearbeitet haben, statt einfach alles im Computer abzuspeichern.“

Ineiau deutete mit der astronomischen Karte, die sie gerade aufrollte, auf die zahlreichen Skalen, Anzeigen, Handräder und Hebel, die die Wände bedeckten. „Möglicherweise haben sie keine Computer, die mit unseren vergleichbar sind. Es sieht aus, als hätten sie vieles oder alles von Hand berechnet, und ihre Instrumente sind alle analog.“

„Ist es überhaupt möglich, ein Raumfahrtprogramm ohne Computerhilfe zu führen?“

„Es gibt einige Kulturen, die ohne Computertechnik ihre ersten Schritte in den Weltraum unternommen haben. Aber da wir bisher nur diesen Kontrollraum gesehen haben, ist es durchaus möglich, dass die Computer in anderen Räumen untergebracht sind. Der Technik nach, die wir bisher gesehen haben, sollte es sich um für unsere Verhältnisse große und leistungsschwache Geräte handeln, die einen oder mehrere Räume möglicherweise vollständig ausfüllen.“

Als hätte er auf ein Stichwort gewartet, erreichte sie die Stimme von Tunak aus einem anschließenden Raum. „Commander, Neniau und ich haben hier eine einfache Rechenanlage gefunden. Es sieht aus wie ein früher elektronischer Computer basierend auf Röhrentechnik.“

„Gibt es irgendwelche Datenträger, die wir auswerten können?“, fragte Ineiau.

„Es sind Lochkarten als Datenträger mit sehr begrenzter Kapazität und Ausdrucke auf Papier vorhanden“, antwortete der Vulkanier.

„Okay, dann sichern Sie bitte die Lochkarten, Papiere und was Sie an transportabler Hardware für notwendig erachten.“

„Wird gemacht, Commander“,bestätigte Tunak.

Thompson schauderte neben ihr trotz des Raumanzuges sichtbar. „Ob es auf den anderen Wracks genauso aussieht?“

„Das ist möglich, wir haben bei keinem der Wracks Rettungskapseln oder Beiboote entdecken können. Und ich befürchte, dass das eher technische als kulturelle Gründe hat.“ Nach einer kurzen Pause fügte sie sich umschauend hinzu: „Oder wir haben die Beiboote bisher nur nicht gesehen, aber dafür sind hier einfach zu viele Tote.“

Sie fanden unter dem zentralen Tisch weitere bereits aufgerollte Karten. Während sie auch diese einpackten, stießen Neniau und Tunak zu ihnen. Der Vulkanier war ebenso blass wie Thompson. Neniaus Tribalzeichnungen waren hellblau, und das ganze Team wirkte niedergeschlagen und geschockt.

„Sind Sie alle fertig, oder haben Sie noch etwas, was unsere weitere Aufmerksamkeit erfordert?“, fragte Ineiau.

Alle Teammitglieder bestätigten ihr, dass sie bereit zur Rückkehr wären.

Ineiau faltete ihre Hände und verbeugte sich vor den Toten. Die anderen folgten ihrem Beispiel oder gaben ihre jeweils eigene Ehrerbietung ab. Ineiau rief den Transporterraum, damit sie das Schiff der Toten verlassen konnten.

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