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Starship Shiva

von Thilo

Der erste Kontakt - Teil 2

Im Besprechungsraum trafen sich Captain von Pohl, die Senior-Offiziere und die Mitglieder beider Außenteams. Ineiau sah, dass S’Rana und der zweite Caitianer seines Außenteams immer noch ihr Fell gesträubt und ihren Schwanz aufgeplustert hatten. Sie widerstand dem Drang, die unpassende Frage zu stellen, wo sie ihre Schwänze im Raumanzug hatten. Das zweite Außenteam hatte im Maschinenraum nur wenige Tote gefunden, hatte aber wegen geschlossener Schotten auch nur einen kleinen Bereich untersuchen können. Aber zumindest hatte es S’Rana gereicht, um eine grobe Übersicht über die Technik des Wracks zu erhalten.

„Das Schiff wurde mit zwei primitiven Atomreaktoren betrieben. Und mit primitiv meine ich unglaublich primitiv. Da die Erde trotz der damit verbundenen Probleme eine der größten historischen Anwenderinnen von Atomkraft war, vergleiche ich es jetzt auch mit deren Technik. Die Reaktoren entsprechen grob den frühen Versuchsreaktoren, wie dem Chicago Pile aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhundert, aus denen dann die ersten Atomkraftwerke und Atomantriebe in den Fünfziger Jahren des gleichen Jahrhunderts entwickelt wurden. Dementsprechend gibt es nur sehr rudimentäre Sicherheitseinrichtungen, kaum redundante Bauteile und mit großer Wahrscheinlichkeit auch eine starke Anfälligkeit für Fehlfunktionen.“ S’Rana zögerte kurz, bevor er seine Rekonstruktion des eigentlichen Unfallvorganges beschrieb: „Bei einem der beiden Reaktoren kam es zu einem Pumpenversagen des Kühlkreislaufes. Das Bedienpersonal versuchte, den Ausfall zu kompensieren, indem sie ihn über den Kühlkreislauf des zweiten Reaktors kühlten, statt den betroffenen Reaktor sofort herunterzufahren. Was wiederum dazu führte, dass auch die Pumpen des zweiten Reaktors überlasteten und ausfielen, bevor die des ersten Reaktors repariert werden konnten. Es gelang dem Personal noch, beide Reaktoren herunterzufahren, aber durch die bis dahin entstandene Überhitzung waren beide bereits beschädigt und anscheinend mit Bordmitteln nicht mehr zu reparieren.“ Er setzte mit traurigen Tonfall fort: „Wenn sie den ersten Reaktor während der Pumpenreparatur abgeschaltet hätten, statt ihn an den Kühlkreislauf des zweiten zu hängen, wäre es wahrscheinlich nicht zum Ausfall beider Reaktoren und damit zum Tod aller gekommen.“

„Warum haben sie den ersten Reaktor nicht gleich abgeschaltet? Waren sie so unerfahren mit der Technik?“, fragte Thalin sichtlich erschüttert.

„Vielleicht auf Anweisung der Schiffsleitung. Oder sie waren sich nicht sicher, ob sie den Reaktor nach einer Abschaltung wieder hochfahren könnten. Wie ich schon sagte, ist die gesamte Technik wirklich erschreckend primitiv“, antwortete S’Rana. „Und auch nur für geringe Warpgeschwindigkeit müssten beide Reaktoren auch auf einem gefährlich hohen Niveau betrieben werden.“

„Dann stammen die Warpsignaturen wirklich von diesen Schiffen. Das passt doch überhaupt nicht zusammen. Was ist das für eine Frankenstein-Technik?“, warf Stiles ein.

Ineiau, S’Rana, und die meisten anderen nichtmenschlichen Anwesenden sahen Stiles fragend an. Captain von Pohl klärte sie auf: „Frankenstein ist ein fiktiver Wissenschaftler, der künstliche Menschen aus Teilen von unterschiedlichen Toten geschaffen hatte. Deshalb gilt sein Name als Synonym für aus nicht zusammenpassenden Komponenten geschaffene Einheiten.“

Verstehend antwortete S’Rana auf Stiles: „Ja, sie haben einen Warpantrieb. Wir haben mit Shivas Sensoren vier einfache Warpspulen entdeckt. Wir konnten uns nur Zugang zu einem Teil des Warpantriebes verschaffen, aber mein Eindruck ist, dass dessen Technik deutlich fortschrittlicher und andersartig wie die des restlichen Schiffes ist.“

„Würden Sie vermuten, dass die Fremden ihre Warptechnik von Dritten erworben haben?“, fragte Ineiau.

„Nein, zumindest glaube ich nicht, dass sie ihren Warpantrieb durch Handel erworben haben. Es sieht für mich eher aus, als hätten sie ihn nach einem vorhandenen Muster nachkonstruiert, möglicherweise, ohne die grundlegenden Prinzipien vollständig zu verstehen. Das würde auch die Kombination mit ihren primitiven Atomreaktoren und des allgemeinen erheblich niedrigeren Technikstandes erklären,“ erwiderte S’Rana.

„Dafür müssten sie Kontakt mit einer anderen technisch weiter entwickelten Zivilisation gehabt haben. Gibt es dafür weitere Hinweise?“, forschte von Pohl nach.

„Ja, unsere Aufklärer sind zwar noch auf dem Rückweg zur Shiva, aber wir haben zumindest den ersten Teil der gesammelten Daten erhalten“, antwortete Thalin. „Die meisten der erkundeten Objekte entsprechen in ihrer Bauart den bisherigen Schiffswracks. Ein Schiff ist jedoch sowohl äußerlich wie auch wahrscheinlich technisch völlig anders.“

Er gab in sein Datenpad einen Befehl ein, und auf dem großen Wandbildschirm des Konferenzraumes erschien das Abbild eines tonnenförmigen Raumschiffes mit zwei abgesetzten Warpgondeln. Mehrere große Löcher waren über seine ganze Länge in den Rumpf gerissen.

„Romulaner!“, entfuhr es Stiles.

„Es ähnelt zwar dem romulanischen Ellbow-Typ aus dem Erde-Romulanischen Krieg, aber ich bezweifele, dass die Romulaner nach mehr als einem Jahrhundert noch welche im Einsatz haben. Sie galten schon kurz nach Kriegsbeginn als veraltet und sind zusammen mit dem größeren Cabbage-Typ durch modernere Typen in der Produktion während der letzten beiden Kriegsjahren ersetzt worden“, erwiderte von Pohl und fügte nachdenklich hinzu: „Hinzu kommt, dass das Romulanische Imperium auf der von uns entgegengesetzten Seite der erforschten Sphäre liegt. Selbst falls ihre Raumschiffe die entsprechende Reichweite hätten, müssten sie entweder das Föderationsgebiet vollständig durchqueren oder umfliegen, ohne dabei entdeckt zu werden.“

S’Rana studierte das Bild und schüttelte den Kopf. „Auch ich glaube nicht, dass das ein romulanisches Schiff ist. Wir haben ja bereits vor unserer Ankunft festgestellt, dass niemand in diesem Sonnensystem Antimaterie verwendet oder erzeugt hat. Ein mit Fusionsenergie betriebenes Raumschiff hätte selbst auf dem direkten Weg quer durch die Föderation Jahrzehnte für eine derartige Reise benötigt und wäre auch ganz bestimmt aufgefallen, wenn es sich nicht einfach unsichtbar gemacht hätte.“

Ein Teil der Anwesenden musste trotz der düsteren Situation über die absurde Idee eines unsichtbaren Raumschiffes lachen.

Immer noch grinsend ergänzte Thalin: „Es könnte sich um das Ergebnis einer konvergenten Entwicklung handeln. Immerhin ähneln mehrere frühe Warpschiffe, einschließlich andorianischer und irdischer Typen dieser Bauart.“

„Beispiele?“, knurrte Stiles.

„Die irdische Mauretania-Klasse und die andorianische Jokarra-Klasse“, erwiderte Thalin ohne langes Überlegen.

„Wir sollten die beiden Zivilisationen zumindest mit Codenamen versehen, bis wir ihre richtigen Namen herausfinden. Sonst wird es langsam unübersichtlich. Nennen wir die Benutzer der häufigeren ehemaligen Seeschiffe Mariner und die des einzelnen anderen Schiffes Spacer“, beschloss von Pohl. Er wechselte das Thema zum nächsten Punkt: „Was ist mit den Unterlagen und dem Tagebuch? Haben unsere Linguisten genügend Ansatzpunkte, um sie zu entschlüsseln?“

Ineiau sah auf ihr Datenpad, bevor sie antwortete: „Sie haben genügend Ansatzpunkte, aber es wird noch eine Weile dauern, bis sie uns Ergebnisse liefern können. Ein zusätzliches Hindernis ist dabei auch, dass die meisten Texte von unterschiedlichen Personen und von Hand geschrieben worden sind. Tatsächlich verspricht das Tagebuch, der beste Ansatzpunkt zur Übersetzung zu sein, da es von einer einzelnen Person verfasst wurde und wahrscheinlich auch Datumsangaben und ganze Sätze beinhaltet.“ Sie sah auf, als sie fortfuhr: „Die Funksignale, die wir empfangen, scheinen eine Art Morsealphabet zu sein, das mittels Funktelegraphie übermittelt wird. Da die Signale wahrscheinlich zusätzlich verschlüsselt sind, könnte bei deren Übersetzung die Schriftsprache möglicherweise nicht weiterhelfen, da wir keine Ansatzpunkte für den Code haben. Ich fürchte, dass die Codebücher zu den von der Person im roten Overall vernichteten Dokumenten gehören. Bisher haben wir auch keine Sprach- oder Bildübermittlung per Funk empfangen, was möglicherweise bedeutet, dass die … Mariner so etwas nicht haben. Was wiederum bedeuten würde, dass wir bei einer möglichen Kontaktaufnahme ebenfalls deren Morsealphabet benutzen müssten.“

Von Pohl nickte verstehend. „Also müssen wir möglicherweise bei einer Kontaktaufnahme improvisieren. Ich würde höchst ungern ohne Vorankündigung mich auf eines ihrer Schiffe beamen lassen.“

„Wenn wir die Schriftsprache der Mariner entschlüsselt haben, könnten wir vielleicht Nachrichten ausgeschrieben auf eine Oberfläche projektieren. Allerdings müssten wir uns dafür sehr dicht einem ihrer Schiffe nähern, damit sie es auch lesen können. Nach dem, was wir auf dem Wrack gesehen haben, haben sie möglicherweise nichts Besseres als Ferngläser“, überlegte Ineiau.

„Wir haben ein Solarsegel für Notfälle“, griff S’Rana die Idee auf. „Das könnten wir als Projektionswand benutzen.“

„Eine ausgezeichnete Idee! Bitte bereiten Sie alles dafür vor“, erwiderte von Pohl. „In der Zwischenzeit versuchen wir, mehr über die beiden Völker herauszufinden. Befinden sich zurzeit aktive Raumschiffe im System?“

Ineiau schüttelte den Kopf. „Nein, wir haben derzeit keine Kontakte. Falls sie sich in einer Umlaufbahn um einen Planeten befinden, können wir sie bei unseren derzeitigen Abstand nicht entdecken. Dafür müssten wir uns der Heimatwelt des hiesigen Volkes weiter nähern. Als Problem dabei sehe ich, dass sich offenbar beide Völker miteinander im Krieg befinden oder befunden haben und wir bei einer Annäherung an die Heimatwelt oder an Schiffe einer Seite für einen Angreifer gehalten werden könnten. Und wir haben bisher noch keine Kommunikationsmöglichkeit mit ihnen.“

„Dann sollten wir erst einmal auf Abstand bleiben und weiter beobachten, bis wir zumindest die Projektionsidee einsetzen können“, überlegte von Pohl. „Gibt es sonstige Erkenntnisse oder Vorschläge?“

„Können wir das Schiff der Spacer begehen?“, fragte Stiles.

„Wenn ich mir die Zerstörungen auf dem Bild besehe, fürchte ich, dass wir da nicht viel finden und ein Außenteam nur unnötigen Risiken aussetzen würden“, erwiderte S’Rana.

„Brücke an Captain von Pohl“, unterbrach die Kommunikationsoffizierin T’Lin über das Intercom die Diskussion.

„Reinhard von Pohl hier, ich höre“, antwortete von Pohl.

„Sir, der Aufklärer Alpha-2 hat gemeldet, dass er auf einem Wrack Lebenszeichen entdeckt hat“, meldete Ensign T’Lin.

„Bitte nehmen Sie Kurs mit bestmöglicher Geschwindigkeit auf das betreffende Wrack und informieren Sie Transporterraum, Sicherheit und Krankenstation. Wir sind auf dem Weg zur Brücke. Von Pohl Ende“

 

Shiva erreichte zwei Stunden später das Wrack eines Schiffes der Mariner. Nur das Vorschiff war noch halbwegs intakt. Eine gewaltige Explosion hatte das Schiff mittschiffs förmlich ausgeweidet. Ineiau studierte die Sensordaten und sah von ihren Leseschirm auf. „Es sieht aus, als wäre der für Unterlichtgeschwindigkeit verwendete Reaktionsantrieb explodiert. Der Großteil der Besatzung ist wahrscheinlich sofort durch die Druckwelle und die dadurch verursachten Hüllenbrüche und Sekundärexplosionen getötet worden. Es gibt zwei Lebenszeichen im Bug des Wracks. Die Koordinaten habe ich an den Transporterraum weitergeleitet.“

„Transporterraum 2, bergen Sie die Überlebenden, sobald Sie bereit sind“, befahl von Pohl, während er aufstand. „Ineiau, Sie kommen mit mir zur Krankenstation.“

Stiles wandte von der Navigationskonsole aus ein: „Captain, vielleicht sollte ich anstelle von Ineiau mitkommen. Wir wissen, dass die Mariner uns ähneln, während Ineiau …“

Von Pohl unterbrach ihn mit einer abweisenden Handbewegung und beendete den Satz für ihn: „… ebenso wenig ein Mariner ist wie Sie oder ich. Und im Gegensatz zu ihr können wir nicht gestaltwandeln.“

Ineiau sah, dass Stiles den Captain durch die Unterbrechung überrumpelt anblickte. Dann schien er zu bemerken, dass ihn alle Brückenbesatzungsmitglieder überrascht oder verärgert anstarrten, und er begann zu erröten. „Ich bitte um Verzeihung, Sir. Ich wollte nicht unangemessen klingen oder mich aufdrängen.“

Ineiau beschloss, vorsichtig zu intervenieren. „Sir, Raymonds Kenntnisse als Navigator könnten vielleicht hilfreich sein, wenn es gilt, die Herkunft der Mariner zu klären. Sie haben möglicherweise nur wenig astronomische Kenntnisse, und er könnte auch aus kleinen Hinweisen ausmachen, aus welchen System sie überhaupt stammen.“

Von Pohl akzeptierte die offensichtliche Intervention. „In Ordnung. Raymond, bitte schließen Sie sich uns an. Thalin, Sie haben die Brücke.“

„Danke, Reinhard“ Und nach kurzen Zögern fügte Stiles ein immer noch leicht verstimmt klingendes „Danke, Ineiau“ hinzu.

 

Captain von Pohl, Ineiau und Stiles betraten das Foyer der Krankenstation. Sie wurden von Doktor Vrenaak und einer Krankenpflegerin erwartet.

„Die beiden geretteten Mariner sind wach und ansprechbar. Sie sind dehydriert und unterkühlt, sonst sind sie aber fast unversehrt geblieben. Der Universalübersetzer hat keine Probleme mit ihrer Sprache. Sie sind beide mit der aktuellen Situation überfordert und fürchten, dass wir zu ihren Feinden gehören, von denen sie allen Anschein nach so gut wie nichts wissen“, erklärte Vrenaak.

Ineiau bemerkte, dass Stiles die vulkanisch aussehende Krankenpflegerin mit einem verwirrten Blick ansah.

Auch Doktor Vrenaak bemerkte es. „Das ist Krankenpflegerin Hekari. Ich hielt es für wichtig, unsere Gäste möglichst wenig mit aus ihrer Sicht fremdartigen Wesen zu konfrontieren. Sowohl Menschen, wie auch Vulkanier scheinen sie verhältnismäßig wenig zu beunruhigen.“

Stiles warf dem Captain einen gequälten Blick zu, aber von Pohl nickte zustimmend und antwortete: „Eine ausgezeichnete Idee. Wir sollten, solange wir die Mariner an Bord haben, alle Ani sich in Menschen oder Vulkanier verwandeln lassen. Unsere Andorianer, Tellariten und Caitianer können wir aber leider nicht tarnen. Sie werden den Marinern bis auf Weiteres möglichst aus dem Weg gehen müssen.“

Ineiau sah, dass Stiles den Mund öffnete, um Einspruch zu erheben, aber dann doch still blieb.

„Raymond, ich weiß, dass Sie unsere Anpassung als … unangenehm empfinden, aber auch ich halte den Vorschlag des Doktors für die beste Lösung, um unsere unfreiwilligen Gäste nicht weiter zu beunruhigen.“

Stiles schluckte, bevor er nach kurzen Zögern nickte und antwortete: „Vielleicht haben Sie recht, auch wenn es mir ganz und gar nicht gefällt.“ Nach einer abermaligen Pause fügte er leise hinzu: „Mir ist gerade aufgefallen, dass ich Sie selbst noch nie verwandelt gesehen habe.“

„Das könnte stimmen. Soweit ich mich entsinne, habe ich mich, seitdem ich die Virginia verlassen habe, an niemanden angepasst.“ antwortete sie nach kurzen Überlegen mit einen leichten Lächeln. „Was vielleicht auch besser ist, da ich nicht sonderlich gut in der Beständigkeit meiner Anpassung bin.“

Ineiau war überrascht, dass Stiles zum ersten Mal in ihrer Gegenwart einen amüsierten, statt mürrischen Gesichtsausdruck zeigte. „Dann sollten wir vielleicht jedes Mal bei Ihnen einen Kontinuitätscheck machen, wenn Sie eine Gestaltwandlung machen.“

„Ineiau, möchten Sie alleine sein, wenn Sie sich verwandeln?“, fragte höflich von Pohl.

„Mich stört es nicht, wenn mir jemand bei meiner Anpassung zusieht. Aber einige Außenstehende finden den Anblick sehr beunruhigend oder auch zum Teil abstoßend“, erwiderte Ineiau.

„Ich habe es noch nie gesehen und hatte schon länger gehofft, eine Verwandlung sehen zu können. Bitte verwandeln Sie sich, wenn Sie bereit sind“, antwortete von Pohl.

„Wir verwandeln uns nicht, wir passen uns an!“ Ineiau schloss ihre Augen und konzentrierte sich auf ihr Äußeres. Sie spürte die Veränderung am ganzen Körper, als sie sich an Vulkanier anpasste, und hörte dabei vom Captain ein fasziniertes „Interessant!“. Gleichzeitig spürte sie einen unvertrauten Druck in ihrer Brust. Als sie die Augen wieder aufschlug sah sie, dass Stiles sie dafür mit bleicher Mine anstarrte. „Raymond, sind Sie in Ordnung?“

Stiles kämpfte sichtbar um seine Fassung, bevor er antwortete: „Ja, es geht gleich wieder. Aber ich verzichte liebend gerne darauf, das noch einmal zu sehen!“

 

Sie betraten das Patientenzimmer. Die Mariner waren beides Männer. Ineiau konnte jetzt bei ihnen die deutlichen Unterschiede zu Erdmenschen erkennen, die bei den Toten durch die Verwesung nicht mehr sichtbar gewesen waren.

Vrenaak stellte seine Begleiter mit kurzen Handgesten vor: „Dies sind Captain von Pohl, Commander Ineiau und Commander Stiles. Sie würden Ihnen gerne einige Fragen stellen.“

Die beiden Mariner sahen sie misstrauisch an. Von Pohl setzte sich zur sichtbaren Missbilligung von Vrenaak auf das nächste freie Bett und begrüßte seine unfreiwilligen Gäste: „Ich bedaure die Umstände dieser Begegnung. Wie Sie ja bereits von Doktor Vrenaak erfahren haben, waren Sie leider die einzigen Überlebenden, die wir retten konnten.“

Die beiden Männer blieben stumm.

Der Captain fuhr fort: „Wir möchten Sie so bald wie möglich in Ihre Heimat zurückbringen. Stammen Sie vom zweiten Planeten dieses Sonnensystems?“

Diesmal antwortete der ältere der beiden Männer: „Ja, wir nennen unsere Heimatwelt Tand.“

Der Captain wartete einen Moment, ob der Mann noch mehr sagen würde. Als nichts weiter folgte, sprach er ruhig und freundlich weiter: „Möchten Sie uns Ihre Namen nennen?“

Der ältere Mann zögerte, bevor er antwortete: „Ich bin Oberleutnant Melnak, dieses ist Feldwebel Olnak. Unser Schiff war der Große Kreuzer Schild von Gerka der königlichen Raumflotte von Gerka.“

„Kennen Sie das von Ihrer Flotte verwendete Funkalphabet?“, fragte von Pohl

„Ich möchte diese Frage nicht beantworten“, antwortete Melnak steif.

„Wir möchten keine geheimen Codes von Ihnen haben. Wir benötigen das einfache grundlegende Funkalphabet, damit wir mit Ihren Leuten kommunizieren können.“

„Ich möchte diese Frage nicht beantworten!“, wiederholte Melnak.

Von Pohl wechselte einen kurzen Blick mit Ineiau und Stiles.

„Nach unserer Sensoranalyse ist der Antrieb Ihres Schiffs ohne Feindeinwirkung explodiert. Und auch ein großer Teil der von uns untersuchten Schiffswracks scheint Unfällen statt Kampfhandlungen zum Opfer gefallen zu sein“, sprach Ineiau mit möglichst sanfter Stimme. „Ich kann nur davon ausgehen, dass Ihr Volk sehr verzweifelt sein muss, um derartig unsichere Raumschiffe zu benutzen. Was ist passiert?“

„Sie gehören wirklich nicht zu unseren Feinden?“, stellte Melnak misstrauisch seine Gegenfrage.

„Nein, wir sind Forscher. Wir haben Ihre Warpsignaturen entdeckt und sind in dieses Sonnensystem gekommen in der Hoffnung, einen ersten Kontakt mit einem neuen raumfahrenden Volk zu knüpfen“, erklärte von Pohl.

Melnak zögerte und schien abzuwägen, wieweit er der Besatzung von der Shiva vertrauen sollte. Mit einen resignierten Achselzucken entschied er sich zu sprechen. „Vor vierzehn Jahren erschienen Raumschiffe über Tand. Sie antworteten aber auf keine Funksprüche. Ein Teil unserer Bevölkerung war erfreut, dass wir nicht alleine im Universum waren. Andere befürchteten eine Invasion. Leider lagen Letztere richtig, und die Fremden erwiesen sich als Monster. Sie zerstörten mit einer einzigen unglaublichen Explosion die Stadt Ashta vollständig. Ashta war die größte Stadt auf Tand. Und galt als die Krone unserer Nationen. Ein Jahr später kam eine zweite Flotte und bombardierte weitere Städte aus der Umlaufbahn. Wir begannen, eigene Raumschiffe basierend auf unseren Seeschiffen zu bauen, die mit der Energie aus einen radioaktiven, giftigen Metall angetrieben werden. Wir konnten kurz danach auch aus zerstörten Schiffen der Angreifer die Maschinen für Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit bergen, und unseren Wissenschaftlern gelang es, diese nachzubauen. Seitdem bekämpfen wir diese Monster, um sie von Tand fernzuhalten.“

Ineiau zögerte einen Moment, bevor sie fragte: „Haben Sie darüber nachgedacht, dass der erste Angriff vielleicht gar keiner war, sondern ein katastrophaler Unfall?“

Melnak und Olnak starrten sie wütend an. Melnak antwortete zornig: „Selbst falls es ein Unfall gewesen sein sollte, was die folgenden Angriffe eindeutig nicht waren, würden Sie nach der Zerstörung zahlreicher Städte und dem Tod von Millionen an den Tätern keine Rache nehmen wollen? Würden Sie sie nicht alle restlos ausrotten wollen?“

Ineiau spürte Stiles‘ Blick nach dieser Frage. Bevor sie antwortete, gab sie in ihren Datenpad einige Befehle ein. Der Wandbildschirm des Patientenzimmers erwachte zum Leben und zeigte eine Welt mit blauen Ozeanen, grünen Inselgruppen, grauen Wolken und großen Eiskappen. Auf der Nachtseite glitzerten beleuchtete Städte wie Juwelen. Sie hörte Stiles nach Luft schnappen, als er die Einblendungen von Datum und Aufnahmequelle las. Ineiau zögerte mit einem kurzen Blick zu Hekari, bevor sie die pausierte Aufnahme abspielte. Achtzehn atomare Feuerbälle erschienen, wo vorher Städte gewesen waren, und die Atmosphäre der Welt schien förmlich in Flammen und Rauch aufzugehen.

Ineiau brauchte einen Moment, um ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen, wobei sie hoffte, dass ihre Tribalzeichnungen nicht durch ihre vulkanische Gestalt sichtbar wurden. Sie zeigte auf das Abbild des gemarterten, brennenden Planeten. „Dieses ist meine Heimatwelt Areka vor etwas mehr als einhundert Ihrer Jahre. Auch wir hatten wie Sie keinen Kontakt mit Wesen von anderen Welten, als ohne Vorwarnung unsere größten Städte im Inferno von Feuer und Radioaktivität verschwanden. Das Höllenfeuer traf uns innerhalb des gleichen Jahres noch einmal, und noch einmal wurden weitere Städte vollkommen ausgelöscht. Mehr als zweihundert Millionen von uns, das war ein Zehntel unserer Weltbevölkerung, sind in dem Inferno gestorben. Ein Jahr nach der Katastrophe kamen Fremde vom Himmel und begannen, uns zu helfen. Sie nannten sich selbst Vulkanier und erklärten uns, dass wir durch einen „Fehler“ Opfer in einem interstellaren Krieg zwischen der Erde-Andor-Allianz und dem Romulanischen Imperium geworden waren. Eine Raumflotte der Erde hatte Areka irrtümlicherweise für eine romulanische Welt gehalten und aus dem Orbit mit Atomwaffen bombardiert. Die zweite Bombardierung geschah durch die Romulaner, die trotz der vorherigen Verwüstung den gleichen Fehler begingen. Die Toten von Areka sind mehr als die Hälfte aller Toten dieses Krieges, eines Krieges, von dem wir vorher noch nie gehört hatten und auch nicht beteiligt waren.“

Ineiau spürte Tränen auf ihrem Gesicht, während sie nach weiteren Worten suchte. Zu ihrer Überraschung spürte sie, wie Stiles ihre Hand in seine nahm und festhielt. Sie sah ihn erstaunt an und erkannte, dass auch er mit den Tränen kämpfte.

„Wir haben uns nicht gerächt“, sprach sie leise weiter. „ja, es hat Stimmen nach Rache gegeben, die aber gar nicht möglich gewesen wäre. Nicht alle, aber die meisten dieser Stimmen verstummten, als auch die Erdenmenschen ihren fürchterlichen Fehler erkannten, uns ebenfalls zur Hilfe kamen und absolut entsetzt waren, über das, was sie uns angetan hatten. Die Erde hatte sich nur ein paar hundert Jahre zuvor fast selbst im atomaren Feuer zerstört, und die Erkenntnis, dass sie die Verwüstung ihrer eigenen Welt auf Areka wiederholt hatten, hat sie zutiefst erschüttert. Im Gegensatz dazu haben die Romulaner sich nie für ihre eigene Bombardierung entschuldigt oder auch nur dazu bekannt.“ Sie sah nacheinander Hekari, Vrenaak, von Pohl und Stiles an. „Ohne die Hilfe von Vulkan und der Erde hätten wir die Katastrophe nicht überlebt. Unser Ökosystem wäre kollabiert, und es wäre zum Massensterben allen Lebens auf Areka gekommen. Für diese Hilfe sind wir immer noch dankbar. Auf dieser Ausgangsbasis wurden Erdenmenschen und Vulkanier unsere engsten Freunde und Verbündeten. Und als nach der Gründung der Föderation die Einladung zum Beitritt von ihnen kam, haben wir zugestimmt und es bis heute nicht bereut.“

Melnak sah sichtbar erschüttert das Bild der verwüsteten Welt an, der Zorn war weitgehend aus seiner Stimme verschwunden. „Aber Sie haben aber doch zumindest Vergeltung an den Besatzungen dieser Raumflotten verübt? Oder ihren Tod von den Erdenmenschen und den Romulanern verlangt?“

„Nein, außer den befehlshabenden Offizieren waren die meisten nicht darüber im Bilde, was sie getan hatten. Und der Befehlshaber und ein Teil der Offiziere hatten zu dem Zeitpunkt der Aufklärung durch die Vulkanier bereits Suizid begangen oder waren im Kampf gegen die Romulaner gefallen. Andere haben sich nach dem Krieg entschuldigt und um Vergebung gebeten. Einige haben sich sogar selbst an uns ausgeliefert. Wir haben sie nicht bestraft, sondern zurückgeschickt, obwohl das vielleicht auch eine Strafe für sie war. Und was die Romulaner betrifft, so haben weder wir noch andere Mitglieder der Föderation Kontakt zu ihnen. Wir wissen nicht einmal, wie sie überhaupt aussehen.“

Sie spürte den fast schmerzhaften Händedruck von Stiles, als er mit brüchiger Stimme an ihrer Stelle fortfuhr: „Der Kommandant der Flotte von der Erde war mein direkter Vorfahre. Bisher habe ich meinen Zorn über seine Entlassung und die Familienschande auf die Bewohner von Areka projiziert, weil ich nicht einsehen konnte, dass es die alleinige Schuld meines Urgroßvaters gewesen sein sollte. Und erst jetzt verstehe ich ihn wirklich, dass er sich selbst das Leben genommen hat, nicht weil ihm das Kommando entzogen und seine Entscheidung verurteilt wurde, sondern weil er erkannt hatte, was er einer unschuldigen Welt und deren Bevölkerung angetan hatte, und mit dieser Schuld einfach nicht mehr leben konnte. Er hat im Gegensatz zu meiner Annahme ... zur Annahme der meisten meiner Familienmitglieder nie seine Täterschaft auf die Opfer umgekehrt. Ich schäme mich nicht für ihn, sondern für meine eigene Voreingenommenheit.“

Die beiden Mariner sahen ihn und Ineiau schockiert an, bevor Olnak Worte für die ungläubige Frage an Ineiau fand: „Sie stehen neben dem Nachkommen des Mannes, der Ihre Welt zerstört hat?“

Ineiau nickte. „Sowohl auf Areka, wie auch auf allen Welten der Föderation sind Personen ausschließlich für ihre eigenen Handlungen verantwortlich. Wir können nicht jemanden wegen ihrer Verwandtschaft oder Abstammung für die Taten einer anderen verantwortlich machen, und erst recht nicht, wenn das auch lange vor ihrer Geburt geschehen ist. Es wäre nicht nur ungerecht gegenüber unschuldigen Angehörigen und Nachkommen, sondern würde auch nur in eine unendliche Spirale der Gewalt von Rache und Gegenrache führen.“

Melnak und Olnak sahen sich gegenseitig an. Diesmal sprach wieder Melnak: „Ich weiß nicht, ob ich oder unsere Gemeinschaft unseren Feinden so vergeben können, wie Sie es anscheinend können. Aber vielleicht ist Ihr Weg wirklich der Bessere. Wir helfen Ihnen mit unserem Funkalphabet, damit Sie mit unserem Flottenkommando sprechen können. Aber wir werden Ihnen keine militärischen Geheimnisse verraten und sind auch nicht in der Lage, Ihnen beim Kontakt mit den Angreifern vom Himmel zu helfen.“

 

Mit der Hilfe der beiden Mariner war es recht schnell gelungen, außer dem Funkalphabet auch das geschriebene Alphabet aufzuschlüsseln. Von Pohl und Ineiau kamen zur gemeinsamen Entscheidung, dass es trotzdem besser wäre, wenn die beiden Männer erst einmal weder von den Unterlagen aus dem Kontrollraum des Wracks noch von dem Tagebuch des Toten erfuhren.

Die meisten gefundenen Papiere enthielten Berechnungen für die Navigation des verunglückten Schiffes. Es waren auch einige Funktelegramme dabei, von denen etwa die Hälfte verschlüsselt war. Und es gab das Tagebuch. Zusammen ergaben sie ein wenn auch lückenhaftes Bild über die letzte Reise des Schiffes und bestätigten Melnaks Ausführungen über den Krieg.

Die meisten Raumschlachten endeten demnach in Pattsituationen. Die Spacer hielten sich außerhalb der Reichweite der überlegenden Artillerie der Mariner und beschossen ihre Gegner dann mit Lenkraketen. Trotzdem waren die Verluste an Schiffen und Menschen auf beiden Seiten hoch.

Das Schiff mit dem Namen Schwert von Gona war auf seiner dritten Feindfahrt gewesen, als der Reaktorunfall aufgetreten war. Sie gehörte zu einen Geschwader von fünf Schiffen, das ausgeschickt worden war, um drei Warpsignaturen, die von den Tandern Lichtsprünge genannt wurden, abzufangen. Nach dem Versagen der Atomreaktoren war der Besatzung klar gewesen, dass es für sie keine Rettung gab. Der Rest des Geschwaders konnte ihnen nicht helfen und musste sie zurücklassen, um sich ohne ihnen den Feind zu stellen. Und der Kommandant der Schwert von Gona hatte es seinen Männern freigestellt, ob sie im Vakuum sterben oder langsam den Tod erwarten wollten. Was Ineiau wiederum mit einem Schauder klar werden ließ, warum so viele Abteilungen im Schiff ohne Atmosphäre gewesen waren.

Das Tagebuch selbst war von einem Mann namens Omiak geschrieben. Er hatte sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet. In seinen Aufzeichnungen bedauerte er es, dass er gegen den Willen seiner jungen Frau Garnea gegangen war. Aber er befürchtete, dass irgendwann ein Angriff der Feinde vom Himmel auch seine Heimatstadt treffen und seine Familie töten würde. Und der einzige Weg, dieses zu verhindern, war aus seiner Sicht, den Feind zu bekämpfen. Auf den letzten beschriebenen Seiten des Buches drückte er seine Hoffnung darüber aus, dass Garnea ihn verzeihen würde.

Ineiau fühlte einen Druck auf ihrer Brust, als sie die letzte Liebeserklärung und den Wunsch las, dass mythische Wesen, deren Namen sich am ehesten als Drachen übersetzen ließen, seine Familie vor dem Bösen schützen sollten. Ineiau vermutete, dass Letzteres eine Art von traditionellem Abschiedswunsch war.

Sie legte das Datenpad mit der Übersetzung des Tagebuchs auf den niedrigen Tisch, gähnte, streckte sich im Sessel und guckte etwas enttäuscht in ihren leeren Kaffeebecher.

„Du siehst müde aus“, stellte Hekari fest.

„Ich bin müde! Die Außenmission, die Konferenzen und das Gespräch mit den Tandmenschen waren alles ein bisschen viel. Ich hole mir noch einen Kaffee, und dann geht es hoffentlich gleich wieder.“

„Kaffee ist kein Ersatz für Schlaf, das weißt du!“

Ineiau erhob sich mit einen müden Grinsen und wollte zum Wandschrank mit dem Kaffeeautomaten gehen. Sie kam nur ein paar Schritte weit, bevor alles dunkel um sie wurde.

Sie spürte noch, wie sie hart auf den Boden fiel, und hörte noch Hekari an ihre Seite eilen und einen Notruf absetzen.

 

Doktor Vrenaak scannte mit dem medizinischen Tricorder seine Patientin, die in seinen Augen wie eine große Vulkanierin aussah, auf dem Untersuchungstisch und sah dann Hekari an. „Sollte Ineiau nicht ihre Anpassung verlieren ohne Bewusstsein?“

„Ja, das ist ungewöhnlich. Sie ist seit ihrer Verwundung in der Schlacht von Verruca II nicht mehr gut in der Gestaltwandlung, weshalb sie ja auch, seitdem sie auf der Shiva als ranghöchste Ani an Bord ist, sich nicht mehr angepasst hat. Sie hat es als Gelegenheit gesehen, dem sozialen Druck auszuweichen.“ Auch Hekari war weiterhin an Vulkanier angepasst, aber Vrenaak konnte ihre Tribalzeichnungen sehen, die vor Sorge um ihre Freundin blau durch die blassgrüne Haut schimmerten.

„Meine Kenntnisse über Ani sind bisher mit Ausnahme der Untersuchungen an gesunden Besatzungsmitgliedern ausschließlich theoretisch. Könnte der Verzicht auf regelmäßige Anpassungen Stoffwechselstörungen oder Schäden an den für die Gestaltwandlung zuständigen Organen verursachen?“

Hekari schüttelte den Kopf. „Nein, auf Areka gibt es ranghohe Personen, die sich jahrzehntelang nicht anpassen. Mir sind keine gesundheitlichen Komplikationen durch einen Verzicht bekannt. Ansonsten hätte Ineiau auch nicht den Vorschlag des Captains zum allgemeinen Verzicht auf Anpassungen akzeptiert.“

Vrenaak nickte nachdenklich und las die Ergebnisse des Körperscanners weiter ab. „Sie hat eine Fehlfunktion der sekundären Proteindrüse. Und ihr linker Herzschlag ist unregelmäßig. Geben Sie Ihr zehn Milligramm Cordrazine.“

Hekari bereitete ein Hypospray vor und verabreichte es Ineiau in den Hals. Ineiau erschauerte, ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen, und begann dann, ihre vulkanische Anpassung zu verlieren.

Vrenaak vergrößerte den Ausschnitt auf dem Wandmonitor und studierte die sekundäre Proteindrüse, die unter den Lungenflügeln lag. Er rief sich auf einem zweiten Bildschirm eine Referenzaufnahme auf. Hekari trat neben ihm und betrachtete ebenfalls das Bild.

Er vergrößerte weiter die Darstellung und deutete auf die Anomalie. „Zwei der Proteinkanäle sind durch Narbengewebe blockiert, und die ganze Drüse ist angeschwollen und entzündet. Ich werde operieren müssen. Das überschüssige Gewebe muss entfernt werden, um die Kanäle freizulegen, und wir müssen beide Proteindrüsen vollständig durchspülen. Haben Sie bei einem solchen Eingriff schon einmal assistiert?“ Er wechselte das Bild und begann sicherheitshalber, auch Ineiaus primäre Proteindrüse zu untersuchen.

Hekari überlegte. „Ja, wir hatten auf der Ursa Minor einen ähnlichen Fall, das ist aber schon länger her.“

„Wissen Sie noch, um wen es sich da handelte? Und wer der behandelnde Arzt war?“

Hekari nahm ein Datenpad und begann zu suchen. „Lieutenant Ssrea war die Patientin vor sieben Jahren. Die Bordärztin Doktor Aka hatte die Operation vorgenommen. Ich habe den Operationsbericht gefunden, und es gibt auch Verlinkungen zu weiteren Fällen. Es ist eine seltene, aber anscheinend keine ungewöhnliche Folgeerkrankung nach Verletzungstraumata an den Proteindrüsen.“

Vrenaak nahm das Datenpad entgegen und las die geöffneten Berichte. Er dachte kurz nach. „Ineiau hat Glück, dass sie jetzt doch nach längerer Zeit eine Gestaltwandlung vorgenommen und damit ihre Proteindrüsen eingesetzt hat. Hätte Sie es nicht getan, hätten wir das Problem erst bei der nächsten Routineuntersuchung oder noch später erkannt, und dann hätte sie möglicherweise bereits Langzeitschäden davongetragen. Bitte bereiten Sie alles für die Operation vor.“

 

Ineiau öffnete die Augen. Verwirrt stellte sie fest, dass sie im Bett in einem der beiden Patientenzimmer auf der Krankenstation lag. Als sie versuchte, sich aufzusetzen, begann sich der ganze Raum zu drehen.

„Bleiben Sie bitte liegen!“, hörte sie eine freundliche Stimme, während sie sanft wieder auf die Matratze gedrückt wurde. Krankenpflegerin Elisabeth Mori überprüfte ihre Biowerte und informierte dann Doktor Vrenaak über das Intercom, dass Ineiau erwacht wäre.

„Was ist passiert? Ich fühle mich, als wäre ich mit einen Bantha niedergeschlagen worden.“

„Sie haben eine akute Störung Ihrer sekundären Proteindrüse als Spätfolge ihrer vorherigen Verletzungen mit den entsprechenden Folgeerscheinungen“, antwortete anstelle von Mori Vrenaak, der in das Zimmer eingetreten war. „Ich habe Sie gestern operiert. Sie werden glücklicherweise vollständig genesen, aber in den nächsten fünf bis sechs Wochen werden Sie nicht zum Gestaltwandeln in der Lage sein. Die nächsten zwei Tage bleiben Sie hier zur Beobachtung. Und auch die folgende Woche werden Sie sich in Ihrem Quartier schonen.“

„Wir sind mitten in einer Krise, da kann ich doch nicht krank sein“, versuchte Ineiau zu argumentieren.

„Sie sind bereits krank! Außerdem stehen Sie noch unter Schmerzmitteln und der Nachwirkung von der Narkose.“ Und mit einen leichten Vorwurf in der Stimme fuhr er fort: „Haben Sie gewusst, dass ein hoher Koffeinkonsum die Wirksamkeit von Narkosemitteln bei Ani erheblich reduziert, aber andererseits deren Nebenwirkungen verstärkt?“

Ineiau schüttelte als Antwort benommen den Kopf und bereute es fast sofort, als das Zimmer sich abermals zu drehen begann.

„Ruhen Sie sich aus. Das ist ein Befehl und kein Vorschlag. Ich bin zu alt um ständig mit meinen Krankenpflegerinnen eine nicht gerade kleine und einhundertundneun Kilogramm schwere Ani vom Boden aufzulesen“, wies sie Vrenaak nicht unfreundlich an.

 

Von Pohl drehte sich in seinen Kommandosessel um, als Ineiau gefolgt von Doktor Vrenaak aus dem Turbolift auf die Brücke trat. „Schön, Sie wieder dabei zu haben, Ineiau.“

„Danke Reinhard“, antwortete Ineiau während Sie sich immer noch etwas wackelig zu ihrer Wissenschaftsstation begab. Thalin machte ihr dort Platz und setzte sich an die sekundäre Wissenschaftsstation.

„Mir wäre es lieber gewesen, wenn sie sich noch ein paar weitere Tage ausgeruht hätte“, brachte Doktor Vrenaak gegenüber von Pohl ein.

„Ich weiß, aber ich brauche meinen Ersten Offizier hier und jetzt. Und du hast Ineiau zumindest eingeschränkte Dienstfähigkeit bescheinigt“, antwortete von Pohl.

„Nur leichter Dienst, keine körperlich anstrengende Tätigkeit und keine Außeneinsätze!“ Vrenaak kehrte zum Turbolift zurück. Bevor sich dessen Türen schließen konnten, wiederholte er die für Ineiau schlimmste Einschränkung: „Und kein Kaffee!“

„Kein Kaffee? Das klingt grausam“, rutschte es Ensign Mateka an der taktischen Station neben Ineiau heraus. Auf Ineiaus vernichtenden Blick hin konzentrierte sie sich schnell wieder auf ihre Konsole.

„Zurück zu unserem Problem. Wir wollten Kontakt mit einer der beiden Spezies herstellen. Stattdessen haben wir Flotten von beiden Seiten, die Kurs aufeinander genommen haben. Und ich bezweifele, dass sie bei ihrem Zusammentreffen ein Freudenfest feiern werden“, brachte von Pohl seine Brückencrew zurück zur Arbeit. Er zeigte gleichzeitig auf die taktische Anzeige, auf der sich von dem zweiten Planeten aus sechs rote Punkte und von ihren Sprungpunkt aus vier blaue Punkte der Bildmitte und damit der Shiva näherten.

„Wir sind dichter an den Marinern als an den Spacern dran“, gab Stiles von der Navigationskonsole aus zu bedenken.

„Und wir haben jetzt sowohl Kenntnisse über die Sprache wie auch dem Alphabet, um mit den Marinern mittels Funktelegraphie zu kommunizieren, während wir noch nichts über die Spacer wissen“, ergänzte T’Lin von der Kommunikationsstation.

„Dann versuchen wir es zuerst mit den Marinern. Artax, bitte nehmen Sie Kurs auf deren Flotte“, stimmte ihnen von Pohl zu.

Auf der Taktikanzeige begann Shiva, sich von den blauen Punkten zu entfernen, und näherte sich dafür den roten Punkten.

„Sir, die Mariner beginnen ein Ausweichmanöver … Nein, ich berichtige mich, sie nehmen eine Feuerlinie ein und beginnen, ihre Geschütztürme auf uns auszurichten. Offenbar haben sie doch eine Art von Fernsensoren, dass sie uns auf diese Entfernung schon entdecken konnten“, meldete Ineiau.

Von Pohl überlegte kurz, bevor er die vulkanische Kommunikationsoffizierin anwies: „T’Lin, bitte senden sie eine Grußmitteilung. Identifizieren Sie uns, schreiben Sie, dass wir in Frieden kommen und zwei Überlebende des Raumschiffes Schild von Gerka an Bord haben.“

T’Lin gab die Nachricht in Textform in ihre Konsole ein und verschickte sie als Funktelegramm an die Mariner. Alle auf der Brücke warteten ungeduldig die Antwort ab.

„Hier ist das Schlachtschiff Verteidiger von Lurr der königlichen Raumstreitkräfte von Gerka auf Tand. Wir haben Ihre Nachricht empfangen. Nähern sie sich auf zwanzig Khel - das ist möglicherweise ein Längenmaß - und gehen Sie auf einen Parallelkurs zu uns, damit wir Ihr Raumschiff sehen können“, las T’Lin vor.

Ineiau studierte ihre Daten. „Ein Khel entspricht 1,83 Kilometer. Wir sollen uns also auf 36,6 Kilometer annähern.“

„Sir, auf die kurze Entfernung haben wir nur ein bis zwei Minuten Vorwarnzeit, falls sie mit ihren Kanonen das Feuer eröffnen“, wandte Mateka ein. Ihre Besorgnis ließ ihre Tribalzeichnungen durch ihre menschliche Anpassung violett sichtbar werden. „Soll ich die Schilde aktiveren?“

„Nein, wir wissen nicht ob sie es erkennen können und es möglicherweise als feindseligen Akt auslegen. Aber bleiben Sie bitte wachsam“, antwortete von Pohl. Und befahl dann dem andorianischen Piloten: „Artax, bitte bringen Sie uns auf 36,6 Kilometer ran.“ An T’Lin diktierte er dann: „Wir befolgen Ihre Anweisung. Wir wissen, dass Sie sich in einen bewaffneten Konflikt mit einer dritten Partei befinden. Können Sie das bitte bestätigen.“

„Wir sind im Krieg mit einem uns unbekannten Angreifer. Wir haben die Lichtsprünge von vier Feinden geortet und sind unterwegs, um sie abzufangen, bevor sie unsere Heimat angreifen können. Ihr Raumschiff hatten wir vorher nicht im Sonnensystem entdeckt, bis Sie sich uns näherten.“

Von Pohl sah Ineiau fragend an.

„Unsere Warpsignatur ist wegen unserer besser entwickelten Technik und dem Feintuning von S’Rana sehr viel schwächer ausgeprägt wie die der Spacer“, beantwortete Ineiau die stumme Frage.

An T’Lin gerichtet fuhr von Pohl fort: „Wir sind seit fünf Ihrer Tage in diesen Sonnensystem. Es gelang uns erst jetzt, eine Kommunikationsmöglichkeit mit Ihnen zu erstellen. Es war unsere ursprüngliche Absicht, uns Tand zu nähern für eine Kontaktaufnahme. Als wir Ihre Flotte den Orbit verlassen sahen, haben wir stattdessen Sie direkt angesprochen.“

„Haben Sie auch mit unseren Feinden gesprochen?“

„Nein, wir wollten erst mit Ihnen sprechen, da wir dafür die Möglichkeit haben. Wir wissen noch nicht, ob und wie schnell wir mit den anderen einen Kontakt aufbauen können.“

„Was wollen Sie von uns?“

„Wir möchten Ihnen unsere Hilfe anbieten, diesen Krieg zu beenden. Und wir bieten Ihnen einen friedlichen Kontakt mit unserer Föderation an.“

„Sie sind Söldner?“

„Nein, und wir haben nicht die Absicht, für oder gegen eine Seite dieses Krieges zu kämpfen. Wir möchten eine friedliche Lösung vermitteln.“

„Ihr Funker soll langsamer schreiben. Ich würde dieses Vermittlungsangebot prinzipiell annehmen. Wir stehen aber kurz vor einer Schlacht mit den Angreifern. Bringen Sie die beiden geretteten Soldaten nach Tand und sprechen Sie dort mit unserem Vereinigten Flottenkommando. Ich schicke eine codierte Nachricht dorthin, damit sie dort Bescheid wissen.“ T’Lin veränderte eine Einstellung. „Der erste Satz dieser Nachricht war offensichtlich an mich gerichtet, Sir. Ich habe die Übertragungsgeschwindigkeit reduziert.“

„Sie machen sich gut als Sprecherin für die Tander“, erwiderte von Pohl mit einen Lächeln, bevor er weiter diktierte: „Ich danke Ihnen. Ich würde es vorziehen, die Schlacht zu vermeiden und stattdessen hier und jetzt mit Ihnen zu sprechen. Vorzugsweise sollte das auch wegen der Einschränkungen durch die Telegraphie ein persönliches Gespräch auf Ihrem oder unserem Schiff sein.“

„Die Schlacht lässt sich leider nicht vermeiden, es sei denn, dass Sie die Feinde vernichten, falls Sie dazu in der Lage sein sollten. Aber wie wollen Sie ein persönliches Gespräch mit jemandem auf einem anderen Raumschiff führen? Sie können nicht einfach mit einen Boot übersetzen.“

„Wir sollten in der Lage sein, Angriffe beider Seiten zu unterbinden, ohne dabei Raumschiffe zu zerstören oder zu beschädigen.“

„Reinhard, ist das nicht etwas wagemutig? Bei einem Angriff der Mariner sollte das stimmen, aber wir kennen nicht den aktuellen Technikstand der Spacer“, brachte Ineiau ein.

„Es ist ein kalkuliertes Risiko, Ineiau. Wenn die Mariner mit sechs ihrer Schiffe trotz ihrer ungelenkten Projektilwaffen und auch sonst sehr einfachen Technik eine Flotte von vier Schiffen der Spacer mit Aussicht auf Erfolg angreifen, selbst falls es als Himmelfahrtskommando angesehen wird, dann sollte Shiva wiederum in der Lage sein, sie vor einen Angriff der Spacer zu schützen.“ Er fuhr mit dem Diktat fort: „Tatsächlich könnte ich wirklich einfach mit einen Boot übersetzen. Aber wir haben eine bessere und schnellere Möglichkeit. Ich kann mich auf Ihr Flaggschiff teleportieren.“

„Wiederholen Sie das! Sie sind zur Teleportation in der Lage?“, selbst von der stoischen Vulkanierin vorgelesen, konnte Ineiau die ungläubige Überraschung des Absenders hören.

„Sie haben richtig verstanden. Wir haben eine Technik zur Teleportation von einen Schiff aufs andere. Wenn Sie es wünschen, könnte ich zusammen mit meinem Ersten Offizier und den beiden geretteten Soldaten in den Kontrollraum Ihres Flaggschiffes teleportieren oder beamen, wie wir es nennen.“

„Reinhard, Doktor Vrenaak wird Einspruch dagegen erheben, wenn ich mit Ihnen auf das Mariner-Schiff beame“, wies Ineiau von Pohl hin.

„Stimmt, und wenn Sie mir dort umkippen, wäre das auch nicht hilfreich. Abgesehen davon dürften Sie jetzt ohne Anpassung noch fremdartiger als ich für die Mariner aussehen. Aber das Schlimmste wäre trotzdem danach der Zorn von Vrenaak“, stimmte von Pohl ihr zu. „Raymond, Sie werden mit mir kommen und offiziell bei den Marinern als mein Erster Offizier auftreten.“

„Sehr gerne, Sir“, erwiderte Stiles nach einem kurzen Zögern und einen vorsichtigen Seitenblick zu Ineiau.

„Gratulation zur temporären Beförderung“, konnte Ineiau sich mit einem Grinsen nicht verkneifen.

Zu ihrer Überraschung lachte jetzt auch Stiles. „Das wird wohl erst richtig was, wenn Sie Ihr eigenes Kommando haben oder ich auf einen anderen Schiff bin, Ineiau.“

T’Lin schien den kurzen Wortwechsel zu ignorieren und las die Antwort der Mariner vor: „Alleine, um das sehen, würde ich sofort einem Treffen zustimmen. Ich bin bereit, mich mit Ihnen auf der Verteidiger von Lurr zu treffen. Bringen Sie die beiden Geretteten mit.“

„Ich danke Ihnen, und wir nehmen Ihre Einladung für ein direktes Gespräch an. Wir werden in kurzer Zeit auf die Verteidiger von Lurr kommen“, antwortete von Pohl.

T’Lin las die folgende Antwort vor: „Wir erwarten Sie hier. Wir sind erwartungsvoll, Fremde vom Himmel persönlich zu treffen, die uns nicht vernichten wollen wie die ersten Fremden, die als Feinde gekommen sind.“

„Raymond, Sie kommen mit mir. Ineiau, Sie haben die Brücke.“

„Ich habe die Brücke“, bestätigte Ineiau.

Stiles und von Pohl begaben sich zum Turbolift, um sich zusammen mit den beiden geretteten Marinern auf die Verteidiger von Lurr beamen zu lassen.

Ineiau wechselte immer noch etwas schwerfällig und vorsichtig ihren Platz von der Wissenschaftsstation zum Kommandosessel. Thalin nahm ihren vorherigen Platz ein, während Lieutenant Angela Grey die Navigationsstation übernahm.

„Artax, bitte halten Sie uns zwischen den beiden Flotten“, wies Ineiau den Piloten an.

 

Es war etwas über eine Stunde vergangen, seit der Captain sich auf das Flaggschiff der Mariner hatte beamen lassen. Die blauen Punkte der Spacer rückten immer näher zur Bildmitte der taktischen Anzeige.

„Commander, ich empfange Sprechfunk von den Spacern“, meldete T’Lin. Sie gab einige Befehle in ihre Konsole ein, bevor sie fortfuhr: „Der Universalübersetzer kann die Sprache verarbeiten. Es ist unverschlüsselt und eine Variante der Handelssprache von Tand. Es klingt nach taktischen Absprachen für einen Angriff.“

„Eine Variante der gleichen Sprache? Sind es möglicherweise abtrünnige Tander? Aber wie können Sie dann eine so sehr viel bessere Technik haben?“, fragte Thalin irritiert, obwohl niemand ihm das beantworten konnte.

„Können wir ebenfalls mit ihnen sprechen?“, forschte Ineiau nach.

T’Lin überprüfte ihre Anzeigen. „Das sollte möglich sein.“

Thalin unterbrach sie, als er meldete: „Die Spacer sind auf einen Parallelkurs zu uns und den Tand-Schiffen gegangen und haben gerade acht Raketen auf die Tander abgefeuert. Die Raketen erreichen ihr Ziel in vier Minuten.“

Ineiau hatte immer gehofft, dass sie nie eine Raumschlacht schlagen müsste. An Thalin gewandt fragte sie: „Sind diese Raketen unbemannt?“

Ohne von seinen Lesegerät aufzusehen, antwortete Thalin: „Ja, es gibt keine Lebenszeichen auf den Raketen.“

„Wir gehen auf Alarmstufe Rot“, befahl Ineiau.

T’Lin drehte sich zu ihrer Konsole um und betätigte den Alarm.

„Mateka, erfassen Sie die Raketen und zerstören Sie sie.“

Die kleine Taktikoffizierin befolgte den Befehl mit bemerkenswerter Schnelligkeit. Die vier rechten Phaserbatterien feuerten jeweils zwei Mal: „Die Ziele sind zerstört, Commander!“, meldete Mateka mit unangebrachter Begeisterung.

„Captain, die Spacer haben einen Raketenangriff auf die Mariner gestartet. Wir haben die erste Welle abgewehrt“, berichtete Ineiau über das Intercom dem Captain auf dem Flaggschiff der Tand-Flotte.

„Bestätigt. Die Tander haben den Angriff ebenfalls gesehen und auch die Zerstörung der Raketen. Ich versuche, sie von Gegenangriffen abzuhalten. Stoppen Sie weitere Angriffe der Spacer! Aber bleiben Sie wenn möglich defensiv.“

„Wir tun unser Bestes. Und wir haben möglicherweise eine Kommunikationsmöglichkeit mit den Spacern.“

„Dann versuchen Sie bitte Ihr Glück und sprechen Sie mit den Spacern, Ineiau. Das Gleiche werde ich auch hier weiterhin mit den Tandmenschen tun. Ich bleibe auf Empfang. Von Pohl Ende.“

„Sie haben eine zweite Raketensalve gestartet. Es sind wieder acht Raketen“, meldete Thalin.

„Mateka, halten Sie bitte unsere Raketenabwehr aufrecht. Sie dürfen nicht zu den Marinern durchkommen.“

„Kein Problem, Commander!“, antwortete die kleine Ani grinsend. Wieder feuerten die Phaser und ließen die Raketen ausnahmslos in Feuerbällen verschwinden.

„Commander, ich denke die Spacer sollten uns empfangen können. Ich bin bereit, wenn Sie es sind“, meldete hinter ihr T’Lin.

„Sehr gut, bitte Kanal öffnen.“ Und an die Spacer gewandt fuhr Ineiau fort: „Hier ist das Sternenschiff Shiva der Föderation der vereinigten Planeten. Ich bin Commander Ineiau Cher-kira-Ke. Stoppen Sie Ihren Angriff. Wir kommen in Frieden und möchten mit Ihnen sprechen.“

Sie horchte angespannt auf eine Antwort. Thalin klang frustriert, als er die Antwort verkündete: „Sie haben uns jetzt als neues Ziel erfasst. Es sind wieder acht Raketen. Zwei Raketen pro Schiff könnte das Maximum sein, was sie in einer Salve verschießen können.“

Abermals erwachten die Phaser und zerstörten sämtliche Raketen.

Shiva an die fremden Schiffe: Stellen Sie sofort Ihre Angriffe ein, oder wir sehen uns gezwungen, uns möglicherweise nicht länger auf die Abwehr Ihrer Angriffe zu beschränken und das Feuer direkt zu erwidern!“

Eine unbekannte männliche Stimme erklang über die Lautsprecher: „Halten Sie sich aus den Kampf heraus! Wir müssen diese Monster zerstören, und ich werde mich nicht durch ein dummes Weib davon abhalten lassen!“

Ineiau und T’Lin wechselten einen Blick.

„Nun zumindest sprechen Sie mit uns“, sagte Ineiau leise, aber wütend und betätigte eine Taste an ihrer Armlehne um den Angreifern zu antworten. Sie unterdrückte den Zorn in ihrer Stimme, als sie antwortete: „Ihre Gegner, die Tandmenschen sehen Sie ebenfalls als Monster an. Zumindest in der Beziehung gleichen Sie sich. Es wird Zeit, eine friedliche Lösung zu finden.“

„Sie wollen uns doch nur in eine Falle locken, um uns zu vernichten!“

„Wenn wir Sie vernichten wollten, hätten wir es schon lange getan. Unser Sternenschiff wäre in der Lage, die Flotten von beiden Seiten ebenso mühelos zu zerstören, wie wir Ihre Raketen vernichtet haben. Dafür bräuchten wir auch keine Falle. Wir sind nicht Ihr Feind. Brechen Sie Ihren Angriff und ihren Anflug auf die Schiffe der Tander ab, und wir können eine friedliche Lösung in diesen Konflikt finden.“

„Wir geben nicht auf! Und wir werden nicht zulassen, dass die Ungeheuer weiterhin Rogan bedrohen!“

Ineiau hatte den Eindruck, dass in der Stimme des Spacer jetzt nicht nur Zorn, sondern auch Verzweiflung mitklang.

T’Lin schaltete die Verbindung stumm und flüsterte Ineiau zu: „Commander, ich habe in der Übertragung ein Videosignal entdeckt. Ich kann es in beide Richtungen nutzen.“

„Gut, dann versuchen wir es damit. Vielleicht ist er von Angesicht zu Angesicht zugänglicher. Und sie haben zumindest das Feuer eingestellt und scheinen auch ihren Abstand zu uns und den Tandern beizubehalten. Möglicherweise sind ihnen auch einfach die Raketen ausgegangen.“

Auf dem Hauptbildschirm erschien das Abbild eines kahlköpfigen Mannes in einem Kontrollraum. Ineiau war überrascht, als sie sah, dass die Spacer offenbar der gleichen Spezies angehörten wie die Tandmenschen. Sie öffnete wieder den Kanal. „Ich kann Sie jetzt sehen. Theoretisch sollten auch Sie mich sehen können. Wir haben erst seit wenigen Tagen Kontakt mit Ihren Gegnern. Und ich bin überrascht, dass Sie sich wie Geschwister gleichen. Haben Sie das vorher gewusst?“

Der Mann auf dem Bildschirm verzog höhnisch das Gesicht. „Was soll das Gerede? Wie sollen die Monster von Gorana wie Menschen von Rogan aussehen? Aber ich will mir Ihre Fratze ansehen.“ Er griff mit einer vierfingrigen Hand außerhalb des Aufnahmebereiches und betätigte offenbar dort einige Schalter. Er sah überrascht in die Kamera. „Soll das ein Trick sein?“

„Ich habe keinen Trick angewandt. Worauf bezieht sich Ihre diesbezügliche Vermutung?“

„Sie haben sich als Drache, der unter Menschen wandelt, maskiert. Was soll das?“

Ineiau versuchte ihre eigene Verwirrung zu verbergen, als sie antwortete: „Dies ist meine wahre Gestalt. Ich habe zwar von Drachen in den Legenden Ihrer Gegner, den Tandmenschen, gelesen, aber mir war zum einem nicht bewusst, dass meine Art denen ähneln sollte, und zum anderen bin ich überrascht, dass Ihrer beide Mythologien anscheinend so starke Parallelen aufweisen.“ Und basierend auf dem Tagebucheinträgen fuhr sie fort: „Auf Tand sprechen die Legenden von Drachen, die in der Gestalt von Männern und Frauen unter den Menschen wandeln, die sie als ihre Kinder ansehen, um sie vor dem Bösen zu beschützen.“

Der Mann sah sie misstrauisch an. „Das sagen fast wortwörtlich auch unsere Mythen. Aber wie sollten Sie oder die Monster das Gleiche kennen?“

„Ich weiß es nicht, aber ich hoffe, dass wir es gemeinsam herausfinden. Die Ähnlichkeit mit ihren mythischen Drachen ist wirklich nur ein Zufall. Mein Volk nennt sich Ani. Meine Heimatwelt liegt weit weg von hier. Das Licht ihrer Sonne benötigt Hunderte Ihrer Jahre, um dorthin zu gelangen. Und zum Entstehungszeitpunkt Ihrer Drachenmythen hatten wir unsere eigene Welt noch nicht verlassen, um zwischen den Sternen zu reisen.“

Der Mann sah immer noch misstrauisch Ineiau an. „Sie haben nicht einmal versucht, Ihre Ähnlichkeit mit den Drachen auszunutzen, um uns zu beeinflussen?“

„Nein, das wäre eine Lüge. Und Lügen sind keine gute Vertrauensbasis für Verhandlungen. Ich bin eine Fremde für Sie. Aber unabhängig davon wünsche ich mir, dass dieser Krieg ein Ende findet. Ihre beiden Völker ähneln sich zumindest äußerlich sehr, und sie scheinen auch in Ihren Mythen mehr als oberflächliche Gemeinsamkeiten zu haben. Außerdem benutzen Sie beide Varianten der gleichen Sprache.“

„Sie verwenden auch die roganische Handelssprache“, warf der Mann ein.

„Nein, wir sprechen über ein Gerät miteinander, das wir Universalübersetzer nennen. Es ermöglicht es uns, in Echtzeit trotz unterschiedlicher Sprachen miteinander zu kommunizieren. Ich benutze derzeit die englische Sprache, die in der Föderation Handels- und Amtssprache ist.“

Er sah zur Seite und schien auf jemanden außerhalb des Aufnahmebereiches seiner Kamera zu lauschen. Dann sah er immer noch misstrauisch, aber auch nachdenklich wieder in die Kamera. „Die Monster haben bisher nicht versucht, auf die Schussweite ihrer eigenen Waffen aufzuschließen. Würden Sie auch umgekehrt unsere Schiffe vor deren Angriff schützen?“

Ineiau nickte. „Selbstverständlich ja. In gewisser Weise tun wir das auch gerade. Mein Kommandant ist zurzeit auf dem Flaggschiff der Tand-Flotte und spricht mit ihnen. Falls Sie wünschen, können wir ihn und den Flottenbefehlshaber der Tandmenschen in unser Gespräch zuschalten. Oder wir beide führen unser Gespräch weiter. Das ist Ihre Entscheidung.“

„Unsere … Feinde haben noch nie auf unsere Funksprüche geantwortet“, warf der Mann ein.

„Sie haben bisher keine andere Technik außer einfacher Funktelegraphie entwickelt. Ihren Sprechfunk oder gar die Videoübertragung können sie nicht empfangen. Anderseits vermute ich, dass Sie deren Funktelegraphie entweder nicht als solche erkannt haben oder nicht entziffern konnten.“

„Wir haben die Signale nie entziffern können“, gab der Mann zu. Er griff zu seiner Kontrolltafel und schaltete den Ton in der Übertragung stumm. Ineiau konnte sehen, wie er sich mit jemandem außerhalb des Kamerabereiches beriet. Er schaltete den Ton wieder an. „Wir sind bereit für ein Gespräch mit dem Feind mit Ihnen als Übersetzer.“

„Sehr gut, bitte warten Sie ein paar Minuten … Zeitteile, während ich meinen Kommandanten darüber informiere.“ Sie schaltete die Verbindung zu dem Spacer stumm und wechselte auf den Kanal vom Captain. „Sir, Sie haben mitgehört?“

„Ja, ich habe mitgehört. Der Kommandant der Tand-Flotte ist ebenfalls bereit für ein direktes Gespräch. Und er hat aufgrund dessen, was Sie und der Spacer gesagt haben, den Wunsch geäußert, auch Sie zu sehen“, antwortete von Pohl. „Sie sollten jetzt von Raymonds Datenpad ein Videosignal empfangen können.“

„Ich empfange es“, bestätigte T’Lin, und auf dem Hauptbildschirm erschienen neben den Abbild des Spacers von Pohl und ein großer, bärtiger Mann in einem roten Overall aus der Perspektive des von Stiles gehaltenen Datenpads. Sie befanden sich schwerelos in einem Kontrollraum, der dem des untersuchten Wracks ähnelte.

Der bärtige Mann sah beeindruckt auf das Display. „Was für eine wunderbare Technik. Und Sie sind Ineiau? Was für ein herrlicher Anblick! Sie sehen wirklich aus wie in den Legenden.“

Ineiau wollte protestieren, aber der bärtige Mann ergänzte bereits: „ Ich weiß, ich weiß! Ich habe mich von diesen ganzen neuen Sensationen und Entwicklungen mitreißen lassen. Ihr Captain hat mir von dem Forschungsauftrag Ihres Schiffes erzählt. Wie viel lieber würde auch ich fremde Welten erkunden mit einen so großartigen Raumschiff, statt den Tod in diesem Krieg zu riskieren. Ich bitte um Entschuldigung für meine spontane Äußerung. Ich wäre bereit für das Gespräch mit dem Feind. Ich hoffe, dass wir etwas Positives erreichen, auch wenn ich nach den bisherigen Erfahrungen eher skeptisch bin. Aber eine Frage stellt sich mir: Warum haben die beiden geretteten Soldaten eigentlich nicht darüber berichtet, dass Sie wie ein Drache aussehen? Sie haben doch mit Ihnen gesprochen.“ Er sah dann auch fragend außerhalb des Aufnahmebereiches, wo offenbar die beiden geretteten Männer waren.

„Wir hatten Ineiau … ähm … getarnt, als Sie mit Melnak und Olnak sprach. Sie sah für die beiden aus wie ein Mitglied meiner Spezies“, brachte von Pohl ein.

Nachdem T’Lin die Konferenzschaltung aktivierte, sprach als Erstes von Pohl, dessen Haar in der Schwerelosigkeit wie ein Heiligenschein sein hageres Gesicht umgab: „Ich grüße Sie. Ich bin Captain Reinhard von Pohl, Kommandant des Sternschiffes Shiva von der Föderation der vereinigten Planeten. Ich bin zurzeit an Bord des Flaggschiffes der Flotte von Tand. Bevor wir mit diesem ersten Gespräch beginnen, möchte ich vorschlagen, dass wir Begriffe wie Monster, Dämonen, Ungeheuer und ähnliche Unfreundlichkeiten weglassen und uns stattdessen mit unseren eigenen Namen und denen unserer jeweiligen Partei vorstellen. Das wäre schon ein erster Schritt in die richtige Richtung.“

Dem Spacer- und dem Tand-Kommandanten stand trotz der vorherigen Information die Überraschung ins Gesicht geschrieben über die gegenseitige Ähnlichkeit. Der Spacer sprach als Erster mit misstrauischer Stimme: „Ich bin Admiral Gogol von der republikanischen Garde der Union von Rogan. Ich spreche von meinen Flaggschiff dem Angriffskreuzer Erzkanzler Mal.“

Der bärtige Mann neben von Pohl antwortete feierlich: „Ich bin General Mamak aus dem Königreich von Gerka auf Tand an Bord des Schlachtschiffes Verteidiger von Lurr.“

„Warum haben Sie unsere erste Expedition nach Gorana angegriffen?“, fragte Gogol ohne weitere Einleitung.

„Was ist Gorana?“

„Der zweite Planet in diesen Sonnensystem!“

„Das ist unsere Heimatwelt Tand. Und Sie haben uns angegriffen!“

„Die erste Expedition war unbewaffnet. Sie können Sie nicht angegriffen haben!“

„Sie haben ohne Vorwarnung die Hauptstadt Ashta des Landes Anan mit einer riesigen Bombe zerstört und entvölkert. Das ist ein Angriff!“

„Die überlebenden Schiffe der Expedition haben gesehen, dass Sie das Flaggschiff in der Umlaufbahn zerstört haben!“

Von Pohl beschloss, in dem mit jeder gegenseitigen Anschuldigung lauter werdenden Wortwechsel einzugreifen. „Haben Sie in Betracht gezogen, dass dieses Schiff der ersten Expedition einem Unfall zum Opfer gefallen ist, der dann auch die Stadt Ashta mit vernichtet hat?“

„Wir hatten es anfangs vermutet“, räumte Mamak ein. „Aber als die Raumschiffe zum zweiten Mal zu uns kamen, haben sie wieder unsere Städte bombardiert. Und wir hatten noch keine Abwehr dagegen.“

„Keine Abwehr? Sie haben die gesamte Strafexpedition vernichtet. Nicht ein Schiff ist entkommen!“

Von Pohl mischte sich vorsichtig ein. „Wann fanden diese Ereignisse der Ersten Expedition und der Strafexpedition statt? Bitte verwenden Sie als Zeitangaben die Jahre von Tand.“

Die beiden Kontrahenten sahen ihn wütend und verwirrt an. Mamak antwortete: „Ashta wurde vor vierzehn Jahren zerstört. Die zweite Bombardierung fand im folgenden Jahr statt.“

Ineiau rief auf ihren Datenpad die Übersetzung des Tagebuches und die bisher zusammengetragenen Informationen auf. „Die Nationen von Tand hatten meines Wissens vor zwölf Jahren mit einer bemerkenswerten Entwicklungsgeschwindigkeit die ersten improvisierten Raumschiffe zur Abwehr gebaut. Und Sie haben im gleichen Jahr, also vor zwölf Jahren aus einem Trümmerfeld zwei intakte Warpantriebe … ich meine Überlichtantriebe von roganischen Raumschiffen geborgen, die Sie dann nachkonstruiert haben, um eigene überlichtschnelle Raumschiffe für Gegenangriffe auf die Heimatwelt der Roganer zu bauen. Ist das soweit korrekt?“

„Ja, das ist richtig“, stimmte ihr Mamak zu.

„Sind diese roganischen Schiffe von Ihnen zerstört worden?“, forschte von Pohl nach, der offenbar erkannte, worauf Ineiau hinaus wollte.

Gogol schien zu einer Antwort anzusetzen, schwieg aber dann doch um Mamaks Antwort abzuwarten.

„Nein, wir wissen nicht, was mit ihnen passiert ist. Unsere Wissenschaftler vermuteten, dass sie auf der Rückreise einen Unfall erlitten hatten. Angesichts unser eigenen Unfallrate fanden wir das nicht abwegig oder ungewöhnlich.“

„Sie wollen behaupten, dass bei einer Flotte von sechs Schiffen alle gleichzeitig einen Unfall hatten? Machen Sie sich nicht lächerlich!“, warf Gogol jetzt doch ein.

Ineiau antwortete ruhig trotz des Einwurfes: „Wir wissen, dass mehrfach die Überlichtantriebe von Raumschiffen in diesen Sonnensystem durch eine sogenannte Warpfeldimplosion zerstört worden sind. Während das betroffene Raumschiff dabei völlig zerquetscht wird, wird die Umgebung einer starken Impulsschockwelle und harter Theta-Strahlung ausgesetzt. Wir haben während unserer Anreise alleine zwei Warpfeldimplosionen beobachtet, wobei wir wegen der großen Entfernung nicht wissen, wessen Schiffe das waren.“

„Bisher sind elf unserer Raumschiffe durch derartige Implosionen zerstört worden. Viele weitere Schiffe wurden durch die Schockwelle und die tödliche Strahlung zerstört oder beschädigt. Wir haben bis heute nicht die Ursache dafür feststellen können“, gab Mamak zu.

„Wir haben gesehen, dass Schiffe der … Wesen von Gorana durch ein solches Phänomen zerstört wurden. Aber keinem unserer Schiffe ist jemals etwas Ähnliches widerfahren“, grollte Gogol.

Ineiau zögerte, bevor sie ihre Frage stellte: „General Mamak, war das vor zwölf Jahren gefundene Trümmerfeld vergleichbar mit den Folgen einer Warpfeldimplosion bei Ihren eigenen Raumschiffen?“

Mamak dachte sichtbar angestrengt nach. Einer seiner Offiziere erschien im Aufnahmebereich des Datenpads und sprach leise zu ihm. Mamak schloss kurz die Augen als wäre ihm eine fürchterliche Erkenntnis gekommen. „Ja, die Trümmerfelder und Schäden an den Raumschiffen sind vergleichbar … nein, sie sind identisch.“

„Aber unsere Raumschiffe hatten nie einen derartigen Unfall“, beharrte Gogol. Er schien dann auf etwas außerhalb des Kamerabereiches zu lauschen und verlor einen Teil seiner feindseligen Fassung. „Wirklich? Wann war das?“, fragte er aufgebracht seinen unsichtbaren Gesprächspartner. Nach kurzem Zuhören wandte er sich wieder an die anderen Konferenzteilnehmer: „Es hat anscheinend doch einen derartigen Vorfall gegeben. Ein Angriffskreuzer der Strenge Hand-Klasse ist vor sechszehn Jahren dabei zerstört worden.“

„Waren in der ersten Strafexpedition Schiffe dieser Klasse dabei?“, fragte von Pohl.

Gogol sah zur Seite und schien auf eine Antwort seiner Untergebenen zu warten. Der größte Rest seiner Feindseligkeit verschwand und wurde durch Betroffenheit ersetzt, als er antwortete: „Die erste Strafexpedition bestand ausschließlich aus Schiffen dieser Klasse.“

„Und wir haben deren Überlichtantrieb als Ausgangsbasis für unsere eigenen nachgebaut“, ergänzte Mamak düster.

„Aber das Flaggschiff der ersten Expedition ist keiner Warpfeldimplosion zu Opfer gefallen, es wurde durch eine Explosion vernichtet!“, warf Gogol ein.

„Wir hatten zu dem Zeitpunkt nichts, womit wir ein Raumschiff in der Luft oder gar im Weltraum hätten zerstören können“, knurrte Mamak ihn an.

„Eine Warpfeldimplosion hätte auch den halben Planeten durch die Theta-Strahlung entvölkert. Ihre Raumschiffe benutzen Fusionsreaktoren, möglicherweise erlitt einer von denen eine katastrophale Fehlfunktion. Ich vermute, dass dieser Unfall wirklich nur ein äußerst unglücklicher Zufall war“, brachte von Pohl ruhig ein.

„Ich werde nach meiner Rückkehr eine entsprechende Untersuchung einleiten“, versprach ein nachdenklich gewordener Gogol, ohne diesmal zu widersprechen.

„Eine sehr gute Idee. Außerdem möchte ich vorschlagen, dass wir nach diesen ersten Schritten darüber nachdenken sollten, ein direktes Treffen zwischen Vertretern von Tand und Rogan abzuhalten“, antwortete von Pohl.

„Ich begebe mich nicht auf ein Schiff des Feindes. Wir bräuchten einen neutralen Boden“, erwiderte Mamak.

Gogol antwortete zu Ineiaus Überraschung: „Wäre die Shiva für Sie ein neutraler Ort?“

„Ja, das wäre für mich akzeptabel. Vorausgesetzt Captain von Pohl erhebt keine Einsprüche dagegen.“

„Schön, dass ich auch gefragt werde“, sagte von Pohl mit einem freundlichen Lächeln. „Ich würde mich geehrt fühlen, wenn wir die ersten persönlichen Gespräche auf der Shiva führen können.“

„Dann ist es beschlossen“, sagte Gogol und fügte nach kurzen Überlegen hinzu: „Captain von Pohl ist offenbar in der Lage, von einem Schiff zum anderen zu wechseln. Aber wie komme ich jetzt überhaupt auf die Shiva?“

 

Ineiau erwartete im Transporterraum 2 die Ankunft von Admiral Gogol und seinem Adjutanten. Gogol hatte sich ziemlich ungläubig die Beschreibung des Materietransporters angehört, sich dann aber, wenn auch sichtlich nervös, bereit erklärt, ihn zu benutzen. Mamak hatte hingegen bereits gesehen, wie sich von Pohl, Stiles und die geretteten Tander auf sein Schiff gebeamt hatten und konnte es kaum erwarten, den Transporter selbst zu verwenden.

Sie fragte die Andorianerin an der Transporterkontrolle: „Sira, ist alles bereit?“

„Ja, ich habe die Koordinaten von dem roganischen Schiff erhalten, und sie sind auch bereit zum Beamen.“

„Gut, dann bitte Energie!“

Im goldenen Licht des Transporterstrahls erschienen zwei Männer auf der Plattform.

Admiral Gogol war fassungslos. „Ich hatte das Gefühl, dass ich sehen konnte, wie ich von der Erzkanzler Mal hierher geflogen bin! Durch die Schiffswände!“ Er und sein Begleiter traten von der Plattform, als er etwas verzögert das nächste Wunder aus seiner Sicht bemerkte. „Sie haben Schwerkraft? Wie ist das möglich?“

Ineiau verbeugte sich vor ihm. „Willkommen an Bord von Shiva, Admiral Gogol.“ Mit einen Lächeln fügte sie aus eigener Erfahrung hinzu: „Der allererste Transit mit dem Materietransporter ist ein besonderes Erlebnis, das man nie vergisst. Und ich hoffe, dass die Schwerkraft nach längerer Zeit in Schwerelosigkeit nicht zu stark oder sonst unangenehm für Sie ist?“

„Nein, es ist, wie bei einer Heimkehr. Es ist eine Umgewöhnung, aber es ist angenehm, wieder richtig auf eigenen Beinen stehen zu können.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Wenn ich mir diese ganze futuristische Technik besehe, gehe ich davon aus, dass Sie nicht geblufft hatten, als Sie über die Kampfkraft dieses Schiffes gesprochen hatten?“

„Nein, ich habe nicht geblufft“, erwiderte Ineiau, ohne dabei aber näher auf die wahre Schlagkraft der Shiva einzugehen.

„Und Ich möchte für einige meine Äußerungen zu Beginn unseres Gespräches um Entschuldigung bitten.“

„Ich nehme Ihre Entschuldigung dankend an und trage Ihnen nichts nach. Sie waren im Stress einer Gefechtssituation, als wir uns ungefragt eingemischt hatten.“

„Wenn wir hier und jetzt den Krieg beenden können, war es jede Einmischung wert. Ich hoffe nur, dass auch unsere Feinde das so sehen.“ Er sah sich um und schien erst jetzt die Andorianerin an ihrer Konsole zu bemerken. Er überwand die weitere Überraschung über deren Anblick und fragte: „Wo finden die Gespräche statt?“

„Im Konferenzraum auf diesen Deck. Es ist nicht weit von hier. Captain von Pohl und General Mamak sind auch schon über einen anderen Transporterraum angekommen. Bitte folgen Sie mir.“

Sie führte die beiden Roganmenschen aus dem Transporterraum.

Im Korridor stießen sie auf von Pohl, Stiles, Mamak und dessen Begleiter, die gerade aus dem daneben liegenden Transporterraum 1 gekommen waren.

Mamak sah sich mit einer erstaunlich kindlich wirkenden Begeisterung um. Als er Ineiau und die Roganer sah, trat er ohne zu Zögern auf sie zu: „Commander Ineiau, es ist wundervoll, Sie jetzt in Fleisch und Blut zu sehen! Admiral Gogol, mein Feind, haben Sie jemals etwas so Großartiges gesehen?“

Ineiau versuchte, ihre Erheiterung zu verbergen, und hoffte dabei, dass es ihr besser gelang als Stiles und von Pohl, während ein sichtlich überrumpelter Gogol antwortete: „Meinen Sie jetzt dieses Raumschiff oder Commander Ineiau?“

„Oh, ich meine natürlich die Shiva. Obwohl Commander Ineiau ebenfalls einen herrlichen Anblick bietet. Stellen Sie sich vor, mit einem solchen Raumschiff die Sterne zu bereisen und deren Wunder zu sehen, statt Tod und Verderben zu verbreiten. Wäre das nicht wundervoll?“

Gogol starrte für einen Moment Mamak mit offenem Mund an, sammelte sich dann aber und trat ebenfalls vor und reichte Mamak seine Hand. „Ja, das wäre wirklich wundervoll. Lassen Sie uns zusammen diesen verdammten Krieg beenden!“

Die Dramatik des großen Momentes wurde etwas abgeschwächt, als beide Männer gleichzeitig versuchten, sich auf völlig unterschiedliche Art die Hände zu reichen.

 

Es herrschte endlich Frieden. Die Bewohner von Gerka auf Tand mussten nicht länger die Angriffe durch die Feinde vom Himmel befürchten. Kriegsschiffe verließen nicht mehr die Umlaufbahn von Tand, um einen überlegenden Feind im kalten Weltraum zu bekämpfen, bevor er Tod und Vernichtung über die Welt bringen könnte. Die anderen Fremden vom Himmel, die Fremden aus der Föderation hatten den Krieg beendet. Aber sie hatten es nicht mit Gewalt getan, wie es die Regierungen von Tand versucht hatten. Sie hatten stattdessen weitere Kämpfe verhindert, Gespräche mit den Feind ermöglicht und einen Waffenstillstand vermittelt und so die Kette der Jahre voller Gewalt gebrochen. Die meisten Tander waren erschüttert als sie erfuhren, dass die Roganer, die Feinde, ihnen so viel ähnlicher waren als die Fremden von der Föderation.

Aber für Garnea und die anderen Witwen war auch der Frieden nur ein kleiner Trost. Ihre Kinder waren sicher, aber sie würden ohne ihre Väter aufwachsen, die nie zurückkommen und deren Schicksal sie nie erfahren würden. Ihre eigenen beiden Kinder waren noch zu klein, um es bereits zu verstehen oder sich später auch nur an ihren Vater erinnern könnten.

Garnea hängte Wäsche hinter dem kleinen Haus auf, als sie ihre Nachbarin rufen hörte: „Garnea, da ist eine Motorkutsche vor deinem Haus angehalten.“ Sie ging um das Haus herum und sah, dass es eine Motorkutsche der königlichen Raumstreitkräfte war. Einige ihrer Nachbarn kamen auch neugierig aus ihren Häusern, viele von ihnen hatten ihre Söhne, Väter und Brüder verloren im Krieg. Garnea fragte sich. wofür ihr ein Abgesandter der Flotte geschickt wurde. Die kurze Mitteilung über die Vermisstenmeldung von Omiak hatte sie bereits vor Monaten per Post erhalten zusammen mit der Ankündigung einer Witwenrente.

Der Chauffeur und ein Hauptmann in ihren prächtig verzierten Uniformen stiegen aus dem Fahrzeug und öffneten eine der hinteren Türen des Wagens, damit ihr Passagier aussteigen konnte. Garnea hielt erschrocken ihre Hand vor den Mund, und auch ihre Nachbarn waren sichtlich geschockt über den Anblick.

Aus dem Fahrzeug stieg eine Fremde vom Himmel. Sie überragte die beiden Männer um Haupteslänge. Ihre schwarzgrünen Haare trug sie als Flechtfrisur mit einem dicken, langen Zopf. Ihr Gesicht und Hals waren weißgrau und mit Panzerplatten und schwarzen Tätowierungen bedeckt. Selbst ihre hellgrauen Augen waren fremdartig mit ihren senkrecht geschlitzten Pupillen. Neben dem Offizier und auch dem Chauffeur wirkte ihre kurze blaue Uniformtunika erstaunlich schlicht und einfach. Trotz der Andersartigkeit empfand Garnea zu ihrer eigenen Überraschung keine Furcht vor der Fremden. Stattdessen fühlte Sie sich an die mythischen Drachen erinnert, die die Menschen vor dem Bösen schützten.

Der Hauptmann unterbrach ihre Betrachtung der Fremden, indem er zu ihr trat und sie ohne eigene Vorstellung ansprach: „Sie sind Garnea, die Witwe vom Hauptfeldwebel Omiak?“ Auf ihre bestätigende Geste fuhr er fort: „Dieses ist Commander Ineiau vom Raumschiff Shiva der Föderation.“ Er deutete auf die neben ihm geduldig wartende Fremde und trat dann beiseite ohne ein weiteres Wort.

Die Fremde trat auf sie zu und verbeugte sich, während der Hauptmann zur Motorkutsche zurückkehrte. „Freier Himmel, Garnea! Ich bedaure, Sie in Ihrer Trauer zu stören, aber General Mamak von Ihren Raumstreitkräften war der Überzeugung, dass ich Sie persönlich treffen sollte.“

Sie schien kurz zu zögern, und Garnea sah zu ihren Erstaunen, dass sich das, was sie für Tätowierungen der Fremden gehalten hatte, hellblau verfärbte.

„Ich gehörte zu dem Außenteam des Sternenschiffes Shiva, welches das Schlachtschiff Schwert von Gona, auf dem Ihr Ehegatte eingesetzt war, nach dessen Zerstörung untersuchte.“

„Sie haben Omiak gesehen?“

„Ich habe seine sterblichen Reste gefunden. Es tut mir leid.“ Die Fremde fuhr mit echtem Mitgefühl in der Stimme fort: „Ich gehe davon aus, dass er ohne Schmerzen gestorben ist, aber ich möchte nicht in Details gehen. Er hat in seinen letzten Augenblicken an Sie und Ihre Kinder Omera und Gartok gedacht.“ Sie griff in ihre umgehängte Tasche und holte eine Mappe mit der Grafik einer goldenen Pfeilspitze auf dem Deckblatt hervor, die sie Garnea überreichte.

Garnea öffnete die Mappe und sah darin das Familienfoto, das sie kurz vor Omiaks Abreise hatten anfertigen lassen, und ein Buch.

Ineiau deutete auf das Foto. „Er hielt dieses Bild noch im Tod in seiner Hand. Wahrscheinlich war es das Letzte, was er in seinen Leben gesehen hat.“

Garnea drückte die Mappe an ihre Brust und warf sich weinend an die große Fremde, die trotz ihrer offenkundigen Überraschung vorsichtig die Arme um sie legte, um sie zu trösten. Sie standen einige Minuten wortlos in gegenseitiger Umarmung, bevor sich Garnea immer noch weinend von Ineiau löste. „Ich bitte um Entschuldigung. Die meisten von uns wissen nicht, was mit ihren Angehörigen geschehen ist.“

Die Fremde nickte verstehend. „Es ist keine Entschuldigung nötig. Ich verstehe Ihre Trauer. Und es tut mir leid, dass ich Ihnen nur die Gewissheit seines Todes bringen kann.“ Sie zeigte auf die Mappe in Garneas Arm. „Omiak hatte ein persönliches Tagebuch geführt. Es hat uns geholfen, Ihre Schriftsprache zu lernen. Aber wichtiger ist, dass es Einblicke in seine Gedanken und seine Gefühle gibt. Er hat Sie geliebt und verehrt. Nur deshalb hat er sich zum Kriegsdienst verpflichtet. Nicht für Ruhm und Ehre. Er war der Überzeugung, dass es der einzige Weg ist, um Sie und Ihre gemeinsamen Kinder zu schützen, selbst wenn es sein eigenes Leben kosten sollte. Ich bin der Überzeugung, dass Omiak sich wünschen würde, dass Sie sein Tagebuch lesen.“

Garnea nahm das Buch aus der Mappe und schlug es auf. Tränen begannen, ihre Sicht abermals zu verschleiern, als sie die Handschrift ihres Mannes erkannte. Sie atmete tief durch. „Sie haben das Tagebuch gelesen?“

Die Fremde zögerte einen Moment, bevor sie antwortete: „Ja, ich habe eine Übersetzung davon gelesen. Es hat mir geholfen, einen Einblick in Ihre Kultur zu erhalten. Und ich habe dabei auch viel über Sie, Omiak und Ihre Kinder erfahren.“

Garnea sah das Buch weiterhin an und schloss es dann vorsichtig. „Ich danke Ihnen für alles. Möchten Sie zu einem Tee hineinkommen?“

Ineiau lächelte trotz ihrer drachenartigen Gesichtszüge erstaunlich freundlich. „Ich nehme diese Einladung sehr gerne dankend an.“

 

„Captain’s Log USS Shiva NCC-1602 – Sternzeit 2258.1208: Mit den erfolgreichen ersten Gesprächen zwischen den Flottenbefehlshabern von Tand (Baker 302-II) und Rogan (Baker 306-IV) ist es uns gelungen, mit einem Waffenstillstand vierzehn Jahre Krieg zu beenden. Die Föderation hat Sonderbotschafter zu beiden Völkern entsandt, um einen dauerhaften Frieden zu vermitteln und Aufbauhilfen für beide Seiten anzubieten. Allerdings konnten wir auch zusammen mit beiden Seiten noch nicht auflösen, warum Tander und Roganer der gleichen Spezies angehören, die sich auch Sprache, Kultur und Mythologie teilen, obwohl sie in unterschiedlichen Sonnensystemen leben.

Wir haben uns nach Beendigung unserer Aufgabe in Baker 302 inzwischen nach Zoetermeer zu einem Rendezvous mit dem Versorger USS Eddington NCC-3845 begeben. Nach Abschluss der Versorgung werden wir unsere Reise in unbekannte Gebiete fortsetzen.“

 

Ineiau und Vrenaak saßen zusammen mit von Pohl in der Sitzecke der Kabine des Captains. Ineiau las die Mitteilung von Starfleet Command auf einen Datenpad, während Makarov zwischen ihr und dem Doktor mehr Aufmerksamkeit forderte und seinen Bauch gekrault haben wollte. „Haben Sie Raymond bereits darüber informiert, dass seinem Versetzungsantrag stattgegeben wurde?“, fragte sie von Pohl.

Von Pohl schüttelte den Kopf. „Nein, aber er sollte eigentlich gleich da sein. Ich bedauere trotz des holprigen Starts, dass er uns verlässt.“

Ineiau nickte zustimmend, während sie Makarovs Bauch kraulte. „Ich hätte es nach unseren anfänglichen Begegnungen nicht erwartet, aber ich werde ihn vermissen.“

Der Türsummer wurde betätigt, und von Pohl bat Raymond Stiles herein.

„Sie wollten mich sprechen, Sir?“

„Ja, bitte nehmen Sie Platz, Raymond“, antwortete von Pohl. „Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?“

„Sehr gerne, Sir.“ Stiles setzte sich auf den verbliebenen freien Sessel.

Von Pohl stellte die frisch gefüllte Kaffeetasse vor ihm ab und rückte die Milch- und Zuckerspender daneben. „Ich wollte Sie darüber informieren, dass auch Starfleet Command Ihrem Versetzungsantrag zugestimmt hat. Sie können nach unserer Versorgung an Bord der Eddington in den Föderationsraum zurückkehren.“

Stiles setzte seine Kaffeetasse ab, bevor er einen Schluck genommen hatte. „Sir, ich kann verstehen, dass auch Sie meiner Versetzung zugestimmt haben, nach meinen Fehltritten. Aber …“ Er zögerte und suchte nach Worten.

„Aber Sie würden inzwischen doch bei uns bleiben wollen?“, forschte von Pohl freundlich nach.

„Ja, Sir“, erwiderte Stiles mit leiser Stimme. „Aber das wird kaum möglich sein, nachdem ich fast ein Viertel der Crew gegen mich aufgebracht habe. Selbst ohne mein Verhalten möchten mich die meisten Ani wahrscheinlich alleine wegen meiner Abstammung nicht in ihrer Nähe sehen.“

„Welches Viertel soll das sein?“, fragte Ineiau mit sanfter Stimme. „Jeder macht Fehler. Und Sie haben Ihre eingesehen und arbeiten daran, sie wieder gutzumachen. Und auch wenn ich mich vielleicht wiederhole: Sie sind nicht für das Verhalten von anderen verantwortlich, egal, ob sie zu Ihrer Familie gehören oder nicht. Ich denke, dass ich jetzt für die meisten Ani und auch allgemein für die meisten an Bord spreche, wenn ich sage, dass keine von uns Sie für Ereignisse verantwortlich macht, die vor Ihrer und der Geburt jeder Einzelnen an Bord geschehen sind. Oder Sie deshalb wegwünschen würde.“ Sie schnippte beim letzten Satz mit den Fingern, als würde sie etwas wegzaubern.

Vrenaak hob eine Augenbraue. „Mein Geburtsdatum liegt einhundertundzwei Standardjahre vor dem in Frage kommenden Ereignis.“

„Okay, alle bis auf eine Person sind nach dem Ereignis geboren.“ Stiles lächelte traurig. „Ineiau, hat Ihnen schon jemand gesagt, dass Sie viel zu sanft für diese Welt sind? Auch als ich grob und beleidigend war, sind Sie zwar streng, aber immer noch freundlich geblieben und sind mir sogar entgegengekommen, obwohl Sie wussten, dass Sie meine Vorurteile nicht beeinflussen würden. Ich möchte noch einmal ausdrücklich bei Ihnen für mein dummes Verhalten um Entschuldigung bitten.“

„Ich habe dann anscheinend doch einen Einfluss auf Ihre Ansichten genommen.“ Ineiau lächelte schalkhaft. „Und Captain Cartwright hatte mich ebenfalls als zu sanft bezeichnet. Er hatte es allerdings zurückgenommen, nachdem ich zwei Klingonen während eines Außeneinsatzes gebissen und dadurch fast getötet hätte.“

„Mit einen Biss beinahe getötet? Ich hatte inzwischen angenommen, dass auch die Geschichten über Giftdrüsen bei Ani ins Reich der Legenden gehören würden?“

Vrenaak schüttelte den Kopf. „Nein, es ist keine Legende. Ani haben Giftdrüsen mit Kanälen in den oberen und unteren Eckzähnen. Normalerweise ist ihr Gift für humanoide Wesen nur kurzzeitig betäubend oder auch zum Teil völlig wirkungslos, aber nicht tödlich. Eine Ausnahme von der Regel sind Mitglieder der klingonischen Rassen, bei denen es mit hoher Wahrscheinlichkeit Krampfanfälle und einen anaphylaktischen Schock auslösen kann. Ich hoffe, dass diese Informationen Ihre vorherigen Ansichten über Ani nicht reaktiviert?“

„Nein, keine Sorge, aber ich werde auf jeden Fall in Zukunft vorsichtig sein, falls ich Ineiau oder eine andere Ani reizen sollte“, antwortete Stiles mit einen Grinsen.

Von Pohl griff das ursprüngliche Thema wieder auf: „Es gibt natürlich noch die Option, dass Sie Ihren Antrag zurückziehen und als Navigator auf der Shiva bleiben. Diese Entscheidung kann und möchte ich nicht für Sie treffen, Raymond.“

„Reinhard, in diesen Fall würde ich sehr gerne bleiben, so Sie und Ineiau keine Einwände dagegen haben.“

„In diesen Fall: willkommen an Bord, Commander“, erwiderte von Pohl mit einem warmen Lächeln.

„Auch ich möchte Sie dann jetzt wieder an Bord willkommen heißen.“ Und mit einen Lächeln fügte Ineiau hinzu, während sie gleichzeitig auf das Kaffeeservice zeigte: „Das ist echter Kaffee aus Kenia auf der Erde. Sie sollten ihn lieber genießen, bevor er kalt wird.“

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