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Starship Shiva

von Thilo

Der neue Captain

Im Jahr 2260

 

 

„Captain‘s Log der USS Shiva NCC-1602 – Stardate 2260.2105: Wir haben unsere kartografischen Untersuchungen im Medea-Gürtel abgeschlossen und haben Kurs auf Starbase 34 (ETA 2260.2505) genommen für Versorgung und R&R. Außerdem erwarten wir dort die Ankunft unseres neuen Captains. Auch wenn wir bisher keine weiteren Informationen über sie erhalten haben.“

 

Ineiau beendete ihren Logbucheintrag und wollte sich der Dokumente und Berichte annehmen, die sich seit Tagen gefühlt endlos in ihr Postfach ergossen. Zwar nahmen Raymond Stiles und Thalin ihr zumindest einen Teil der Arbeit ab, aber trotzdem blieben viele Entscheidungen an Ineiau als diensttuender Captain der Shiva hängen. Eigentlich war sie nur Erster Offizier und Wissenschaftsoffizier.

Sie wurde das Gefühl nicht los, dass die Datenmenge proportional größer wurde mit der Annäherung an die Sternenbasis.

Der Türsummer ihres Büros rettete sie vorübergehend vor dem virtuellen Papierkrieg.

Der Chefingenieur Lieutenant S’Rana trat ein. „Skipper, ich hoffe, ich störe nicht?“

Ineiau lächelte den katzenartigen Caitianer an. „Freier Himmel! Nein, solange Sie mir nicht noch mehr Arbeit liefern.“

S’Rana hob ein Datenpad in einer mit schwarzem Pelz bedeckten Hand. „Dann sollte ich die Auftragsliste für unseren Werftaufenthalt nicht mit Ihnen besprechen, sondern unauffällig ablegen und wieder verschwinden.“

Ineiau bedeckte ihr Gesicht mit den Händen in gespielter Verzweiflung. „Davon wird sich die Arbeit auch nicht erledigen. Geben Sie mir bitte die Kurzfassung.“

Abermals summte die Bürotür, bevor S’Rana der Bitte nachkommen konnte.

Doktor Vrenaak, der Bordarzt, trat ein. Ineiau bewertete den Gesichtsausdruck des weißhaarigen Vulkaniers in seiner traditionellen Robe als ein Fastlächeln.

„Guten Abend, Ineiau! Es ist eine positive Gegebenheit, dass auch S’Rana anwesend ist, da auch zwei Besatzungsmitglieder seines Fachbereichs betroffen sind. Crewmember Okidaa und Reniea erwarten zusammen Kinder und haben sich entschlossen, sie auf ihrer Heimatwelt Areka zu gebären.“

„Das sollte sich arrangieren lassen“, sagte Ineiau mit einem Seufzen..

S’Rana stutzte sichtbar. „Okidaa und Reniea? Ich dachte, sie wären beide männliche Ani!“

Ineiau – ebenfalls eine Ani, der die Richtung des Gesprächs nicht behagte – und Vrenaak wechselten einen kurzen Blick.

„Auf welcher Grundlage vermuteten Sie, dass sie beide männlich sein sollten? Ani weisen für Außenstehende keine sichtbaren Geschlechtsunterschiede auf, und sie sprechen auch nicht über ihre Geschlechtszugehörigkeit“, fragte Vrenaak etwas irritiert.

„Ich weiß, aber bei Ani sind doch die Frauen meistens deutlich größer als die Männer. Und die Beiden sind nun wirklich klein und zierlich.“

„Die Größe ist nicht als sekundäres Geschlechtsmerkmal anwendbar. Zwar sind weibliche Ani im Durchschnitt größer, wie männliche, aber sie lassen sich nicht danach unterscheiden, wie Sie ja jetzt selbst sehen. Sie würden ja auch bei Caitianer nicht von der Fellfarbe auf das Geschlecht schließen.“

„Nein, natürlich nicht. Es tut mir leid. Warum müssen eigentlich Ani so eine Geheimniskrämerei aus ihren Geschlecht machen?“, brummte S’Rana, der sich auch nach zwei Jahren unter Ani immer noch nicht damit abfand, dass sie für ihn alle geschlechtslos waren und dabei alle weiblich aussahen.

Ineiau verdrehte die Augen.

„S’Rana, meine persönliche Vermutung ist des Öfteren, dass Ani die anderen humanoiden Rassen wegen ihrer sichtbaren und auch sprachlichen Geschlechtertrennung schlicht kollektiv trollen. Wobei man aber auch nicht außer Acht lassen darf, dass Ani weder sprachlich, noch kulturell oder sozial irgendeine Art von Geschlechtertrennung oder -unterscheidung haben“, antwortete Vrenaak. Nach einer kurzen Pause ergänzte er: „Was auch das vulkanische Erstkontaktteam auf Areka vor unerwartete Probleme stellte, als sie die Ani davon überzeugen mussten, dass sie es nur mit Angehörigen einer Rasse mit einem sichtbaren Geschlechtsdimorphismus zu tun hatten und nicht mit zwei unterschiedlichen Rassen. Wenn man sich die Kontaktprotokolle durchliest, war das offensichtlich keine leichte Aufgabe.“

„Doktor, dann kennen Sie die Geschlechter aller Ani an Bord?“, fragte S`Rana und erntete einen warnenden Blick von der hochgewachsenen Ani ihm gegenüber.

„Ja, selbstverständlich“, antwortete Vrenaak und verließ ohne ein weiteres Wort das Büro.

 

Vier Tage später erreichte die Shiva das Treeline-System, auf dessen vierten Planet Starbase 34 lag.

Der Dreadnought schwenkte schwerfällig in eine Umlaufbahn zwischen den Orbitalanlagen der Sternenbasis ein.

Ineiau beobachtete von ihren Kommandosessel, wie die Shiva ihre Parkposition zwischen einem Orbitaldock und zwei anderen Sternenschiffen einnahm.

„Skipper, wir haben unsere angewiesene Position erreicht“, meldete sichtbar zufrieden Ensign Akira Watanabe, der erst vor einigen Monaten an Bord gekommene Pilot.

„Danke, ich denke mir, dass Sie sich alle den Landurlaub redlich verdient haben.“ Sie wandte sich zur Kommunikationsstation und sprach die dort sitzende Vulkanierin an: „T’Lin, Sie können die Urlaubslisten jetzt herausgeben.“

„Wird erledigt, Skipper!“

Von der Navigationskonsole deutete Raymond Stiles auf das benachbarte Sternenschiff auf dem Hauptbildschirm und gluckste. „Aber nicht Akira, der muss erst auf die Enterprise und von Erica Ortegas lernen, wie man ein Sternenschiff richtig fliegt.“

In gespielt beleidigtem Stolz antwortete Watanabe: „Hey, Ortegas fliegt eine Connie, dass dagegen unsere Shiva sich wie eine betrunkene Kuh fliegt, könnte sie auch nicht ändern.“

„Wer nennt hier meine Königin eine betrunkene Kuh?“, mischte sich S’Rana mit gesträubter Löwenmähne ein.

„Ladies, ich glaube, Sie sollten alle ganz schnell Ihren Urlaub antreten, bevor es hier zum ernsthaften Streit kommt. Und ich weiß nicht einmal was eine Kuh ist“, sagte Ineiau und lachte.

 

Commodore Xian wartete, dass Lieutenant Commander Ineiau von der USS Shiva von ihren Adjutanten in ihr Büro auf Starbase 34 geleitet wurde.

Sie hatte bereits erfahren, dass sich die meisten Ani der Shiva für ihren Landurlaub nicht an Menschen, Vulkanier oder Andorianer angepasst hatten, sondern in ihrer eigenen Gestalt die Sternenbasis besuchten.

Sie sah es als unerwartete, aber positive Entwicklung an, die möglicherweise durch die bunt gemischte Besatzung der Shiva ausgelöst wurde. Die Anpassung, wie die Ani es nannten, ermöglichte es ihnen, in der Gestalt von anderen humanoiden Spezies aufzutreten. Unglücklicherweise hatte das sehr schnell dazu geführt, dass gerade Menschen und Andorianer den „Wechselbälgen“, „Doppelgängern“ und „Chamäleons“ instinktiv misstrauten und teilweise auch zu offener Diskriminierung geführt.

Paradoxerweise hatten die verschiedenen Geheimdienste der Föderation dann auch noch feststellen müssen, dass Ani trotz ihrer begrenzten Fähigkeit zum Gestaltwandeln sehr, sehr schlechte Spione und Agenten abgaben.

Auch Ineiau war nicht angepasst. Mit weißgrauer Haut, schwarzen Tribalmarkierungen, hellgrauen Augen mit senkrecht geschlitzten Pupillen, schwarzgrünen Haaren zu einer keltisch aussehenden Zopffrisur geflochten und an Drachen erinnernden Panzerplatten auf Gesicht und Hals – tatsächlich zusammen mit der primären und sekundären Proteindrüse Teil der Organe für die Gestaltwandlung – sah sie für Commodore Xian aus wie alle anderen unangepassten Ani. Xian war sich bewusst, dass das uniforme Aussehen auf die meisten unvertrauten Spezies zutraf, und kannte dieses Phänomen auch aus eigener Erfahrung zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen unter Menschen.

Ineiau trug die normale blaue Tunika eines Wissenschaftsoffiziers, obwohl ihr als diensttuende Kommandantin eines Kapitalschiffes eine senfgelbe Uniform mit dem Rang eines Captains zugestanden hätte.

Und sie war überraschend groß. Sie überragte den nicht gerade kleinen Adjutanten um fast Haupteslänge.

„Commander, ich freue mich, Sie kennenzulernen. Auch wenn normalerweise zu den Besprechungen nach einer Mission Captain und Erster Offizier anwesend sein sollten. Aber das ist ja leider unmöglich. Es ist bedauerlicherweise nicht der einzige Grund, weshalb ich Sie unter vier Augen sprechen wollte.“ Xian deutete auf einen Besuchersessel, auf dem Ineiau Platz nahm.

„Freier Himmel, Commodore, die Bitte, alleine zukommen, hatte mich ziemlich überrascht. Zurzeit übernimmt Lieutenant Commander Raymond Stiles die Aufgaben des Ersten Offiziers, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Und er hatte auch angeboten bei der Missionsnachbesprechung dabei zu sein.“

Xian versuchte, ihr Unbehagen zu verbergen. „Commander, Sie haben effektiv seit Captain von Pohls Erkrankung und Dienstunfähigkeit vor vierzehn Monaten die Shiva kommandiert. Und ich möchte betonen, dass Sie es herausragend getan haben. Sie waren zu weit draußen, als dass Starfleet sie zurück beordern hätte können, um ihnen einen neuen Captain zuteilen zu können. Und ich habe selbst mit Captain von Pohl … mit Reinhard kurz vor seinen Tod gesprochen: Er wollte Sie als seine Nachfolgerin haben.“

Ineiaus schwarze Tribalmarkierungen verfärbten sich hellblau. „Commodore, ich weiß, dass das nicht möglich ist. Shiva wird als Kapitalschiff geführt und ist damit zu groß, um von einem Offizier unter dem Rang eines Captains befehligt zu werden. Und ich bezweifele, dass mir eine Doppelbeförderung zustehen würde.“

Xian seufzte und lehnte sich in ihren Sessel zurück. „Und damit kommen wir zu dem Problem, was ich Ihnen persönlich mitteilen wollte. Wir haben von Starfleet Command die Liste der Beförderungen für die Besatzung der Shiva erhalten. Und ich habe zwei Mal um Überprüfung und Bestätigung gebeten. Raymond Stiles wird zum Commander befördert, während S’Rana und Thalin th'Valrass beide zu Lieutenant Commander befördert werden. Sie selbst stehen nicht auf der Liste, und Ihre bisherigen Aufgaben als Erster Offizier und als Wissenschaftsoffizier sollen an Commander Stiles und Commander Thalin gehen, während Commander S’Rana weiterhin Chefingenieur bleibt. Ich weiß nicht, welcher Teufel die Verantwortlichen im Personalbüro geritten hat. Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid!“

Ineiau sagte nichts, aber ihre Tribalmarkierungen färbten sich violett.

„Außerdem haben auch wir bisher keine Informationen darüber erhalten, wer jetzt überhaupt das Kommando über die Shiva übernehmen soll.“

Ineiau blieb still.

„Ich weiß, dass es vielleicht falsch herüberkommt, aber ich kann Ihnen eine Position als Wissenschaftsoffizier auf dieser Sternenbasis anbieten.“

„Ich danke Ihnen. Ich benötige aber etwas Zeit, um darüber nachzudenken.“

„Selbstverständlich! Und ich bleibe hier am Ball, um herauszufinden, was beim Starfleet Command los ist. Und ich halte es für besser, die eigentliche Missionsbesprechung mit Ihnen und Commander Stiles zu führen, wenn Sie wieder den Kopf freibekommen haben.“ Sie nahm das Datenpad mit der Liste von ihren Schreibtisch und übergab es Ineiau.

Nachdem sie sich verabschiedet hatten, beobachtet Xian mit sehr schlechten Gewissen, wie Ineiau still das Büro verließ.

 

Ineiau sammelte sich innerlich, bevor sie den Transporterraum des Hauptquartiers der Sternenbasis betrat, und hoffte, dass ihre Pigmentierung nicht zu viele ihrer Gefühle verriet.

Nach ihrer Ankunft auf der Shiva begab sie sich in den nahe dem Transporterraum liegenden Konferenzraum auf Deck 7 und bat über das Intercom die Senior-Offiziere und Doktor Vrenaak zu sich.

 

Im Konferenzraum herrschte Stille, nachdem Ineiau mit ihrem Bericht über das Gespräch mit Commodore Xian fertig war.

Thalin starrte nur mit zornbebenden Antennen die Liste auf dem Bildschirm an. Ineiau hatte den Andorianer noch nie so wütend erlebt.

Stiles sprach als Erster: „Skipper, das können die doch nicht mit Ihnen machen. Einfach wegwerfen wie einen kaputten Toaster. Ich fasse es nicht. Mir fehlen die Worte!“

„Raymond, sie können es machen. Ich kenne nicht die Gründe dafür, aber Sie sind jetzt bis zur Ankunft unseres neuen Captains der befehlshabende Offizier.“

„Das ist doch Bullshit! Sie sind unser Erster Offizier! Und ich lasse es nicht zu, dass irgendein herbeigelaufener Komiker Sie einfach ersetzen lässt!“, schäumte Stiles.

„Ich bezweifel, dass Starfleet eine Meuterei als adäquate Lösung anerkennen würde“, erwiderte spitz die Vulkanierin T’Lin.

„Abgesehen davon war ich nur Platzhalter für Reinhard und nie richtig Captain. Raymond bitte tun Sie nichts Unüberlegtes. Sie sind weiterhin ein Offizier von Starfleet. Bitte handeln Sie entsprechend“, ergänzte Ineiau.

Stiles versuchte, sich zu beruhigen. „Keine Sorge, aber ich werde jedem Lamettaträger, den ich finde, meine Meinung unter die Nase reiben.“

Ineiau seufzte. „Ich weiß nicht, ob das wirklich hilfreich ist. Auch wenn ich selbst dabei bin eine Beschwerde zu verfassen.“

„Ich verspreche nichts, aber ich werde mich bemühen, keine Dummheit zu machen“, rang sich Stiles mit einen gezwungenen Lächeln ab.

Ohne ein Wort sprang Thalin auf und rannte aus dem Konferenzraum.

„Ich fürchte, die erste unüberlegte Aktion ist auf dem Weg“, meinte Vrenaak trocken.

„Ich werde mit ihm sprechen.“ Ineiau erhob sich ebenfalls.

Aber Vrenaak legte eine Hand auf ihre Schulter und drückte sie sie wieder sanft auf den Stuhl. „Ich gehe und spreche mit Thalin. Ich bin nicht direkt betroffen, und ich gehöre nicht zur Kommandostruktur. Er wird hoffentlich auf mich hören.“ Mit diesen Worten verließ auch der alte Vulkanier den Raum.

S’Rana wickelte geistesabwesend Strähnen seiner schwarzen Löwenmähne um einen Finger, stoppte damit und fragte: „Und was machen wir jetzt?“

Stiles guckte Antwort suchend zu Ineiau.

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich vermute, dass wir erst einmal weitermachen wie bisher. Und Raymond …“

„Ähm ja?“

„Sie haben das Kommando“, ergänzte Ineiau mit einen traurigen Lächeln.

 

Vrenaak suchte nacheinander das Quartier und das Büro von Thalin auf, nur um festzustellen, dass dieser in keinem der beiden war. Nach kurzem Überlegen suchte der Vulkanier das nächste Intercom auf dem Gang auf und rief die Brücke.

Ensign William Oboto hatte Dienst als Kommunikationsoffizier. Er konnte Vrenaak allerdings nicht beantworten, wo Thalin sich aufhielt, versprach aber sich zu melden, sobald er etwas herausfand.

Leicht beunruhigt begab sich Vrenaak zu seinem Büro auf der Krankenstation. Während er noch über seine weitere Vorgehensweise nachdachte, rief ihn Oboto an. „Doktor, Lieutenant Thalin hat vom Konferenzraum 1 auf Deck 2 eine Verbindung zur Enterprise angefordert.“

„Besteht die Verbindung noch?“

„Ja, Doktor“

„Wirkte Thalin … erregt, als er mit Ihnen sprach?“

„Ja, er klang irgendwie sonderbar. Ist etwas passiert?“

„Danke William, Sie haben mir sehr weitergeholfen. Und ja, es ist ein unerwartetes Ereignis eingetreten, auf das ich aber nicht näher eingehen möchte. Bitte verstreuen Sie keine Gerüchte.“ Vrenaak beendete das Gespräch und machte sich auf dem Weg.

Als er kurze Zeit später fünf Decks höher aus dem Turbolift trat, konnte er Thalins Stimme bereits durch die geschlossene Tür des Konferenzraumes auf dem Gang hören. Er war dankbar, dass die auf Deck 2 liegenden Wohnquartiere achtern lagen, während die beiden Konferenzräume nur von Büros und den drei oberen Phaserbatterien umgeben im vorderen Teil lagen. Trotzdem stand Crewmember Sharara, Adjutantin des Captains, in der Tür ihres Büros mit violett gefärbten Tribalzeichnungen.

„Ich gehe davon aus, dass Sie verstehen konnten, mit wem und worüber Lieutenant Thalin spricht?“, fragte Vrenaak die junge Ani.

„Er spricht mit Captain Pike von der Enterprise. Doktor, ist es wahr, dass Starfleet unseren Skipper einfach abgesetzt hat?“

Vrenaak schüttelte den Kopf. „Wir wissen im Moment noch nicht alles. Ineiau war nur temporär als Kommandantin eingesetzt worden, wenn auch für einen ungewöhnlich langen Zeitraum. Was auch einer der Gründe ist, dass sie die Bezeichnung und Privilegien als Captain stets abgelehnt hat. Sie kann deshalb auch nicht als Captain abgesetzt werden. Trotzdem wäre ein Ersatz in dieser und ihren anderen Funktionen auf diesem Schiff aus meiner Sicht nicht wünschenswert.“

Vrenaak trat zur Tür des Konferenzraumes und stellte fest, dass sie von innen verriegelt war. Fast gleichzeitig verstummte auf der anderen Seite der Tür das, was er in Ermangelung eines besseren Wortes als Gespräch bezeichnete. Wenig hoffnungsvoll betätigte er den Türsummer und war angenehm überrascht, als sich die Tür tatsächlich öffnete. Thalin stand immer noch zitternd vor Wut in der Tür.

„Fühlen Sie sich jetzt besser? Ich hoffe nur, Sie haben Ihrem vorherigen Captain keinen Gehörschaden zugefügt?“, fragte Vrenaak mit sanfter Stimme.

Thalin starrte Vrenaak an, entspannte sich aber dann etwas. „Ja, es hat geholfen, Captain Pike alles zu erzählen. Ich hoffe, ich habe jetzt keinen Narren aus mir gemacht.“

„Wir werden sehen. Es ist auf jeden Fall bemerkenswert, dass sich jemand über seine eigene Beförderung beschwert“, erwiderte Vrenaak.

 

Am nächsten Tag war Commodore Xian nicht glücklich über die aktuellen Ereignisse. Und ihre Stimmung sank auf einen neuen Tiefpunkt, als ihr Adjutant ihr mitteilte, dass Captain Christopher Pike von der Enterprise sie sehr dringend sprechen wollte.

„Was kann ich für Sie tun, Chris?“, begrüßte sie ihren Besucher und bat ihn mit einer Handbewegung, sich zu setzen.

„Um auf den Punkt zu kommen: Ein ehemaliges Besatzungsmitglied von mir hat sich … etwas erregt über die Behandlung seines vorgesetzten Offiziers durch das Personalbüro von Starfleet Command beschwert. Ich habe ihm versprochen, dass ich mir die Sache ansehe.“

„Das wäre normalerweise eine Angelegenheit für seinen aktuellen Kommandanten. Aber ich vermute, dass es sich bei dem Vorgesetzten um Lieutenant Commander Ineiau Cher-kira-Ke von der USS Shiva handelt und es damit keinen aktuellen Kommandanten gibt?“

Pike nickte. „Das ist korrekt.“

„Ich habe es mir gedacht. Commander Ineiau hat mehr als ein Jahr lang sehr gute Arbeit als diensttuende Kommandantin der Shiva geleistet, und Starfleet Command hat sie bei der ihr zustehenden Beförderung nicht nur übergangen, sondern auch ihre Positionen sowohl als Erster Offizier, wie auch als Wissenschaftsoffizier an ihre bisherigen Untergebenen übergeben, was nicht nur in meinen Augen einer Degradierung gleichkommt.“ Sie deutete auf den Computerbildschirm auf ihren Schreibtisch. „Ich habe heute bisher einhundertachtundzwanzig entsprechende Beschwerden von Shivas Mannschaft erhalten. Das schließt eine sehr harsch formulierte Beschwerde des neuen Ersten Offiziers Commander Stiles ein.“

Pike konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Der Rest der Mannschaft ist wohl bereits im Landurlaub und hat es noch nicht mitbekommen. Hat Starfleet Command eine Begründung für die Entscheidung gegeben? Ich hoffe doch sehr, dass es nichts damit zu tun hat, dass Commander Ineiau eine Ani ist.“

Xian lehnte sich müde in ihren Sessel zurück und schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe nicht einmal die Andeutung einer Erklärung bekommen. Und wer auch immer das Kommando über die Shiva übernehmen wird, wird keinen leichten Stand bei der jetzigen schlechten Stimmung unter der Mannschaft haben.“

Pike stutzte. „Es wurde noch kein neuer Captain benannt? Dass Captain von Pohl das Kommando nicht mehr führen konnte, war doch schon seit … wie lange? … einem Jahr bekannt. Was geht da vor sich?“

„Ich wünschte, ich wüsste es. Chris, ich werde Sie informieren, sobald ich eine vernünftige oder auch nur irgendeine Antwort von Starfleet Command erhalten habe. Außerdem habe ich für übermorgen 15:00 TEZ auf der Shiva eine Versammlung angesetzt, um die Beförderungen und Auszeichnungen für die Mannschaft zu vergeben. Wenn Sie dabei sein möchten, um mich zu unterstützen, sind Sie selbstverständlich willkommen.“

„Dafür wäre ich dankbar. Und ich werde auf die Shiva kommen. Da die Enterprise gleichzeitig mit ihr überholt wird, sollten wir auch hoffentlich noch da sein, wenn etwas von Starfleet Command kommt.“

 

Der Türsummer zu Ineiaus Quartier kündigte einen späten Besucher an. Ineiau wechselte mit ihrer Mitbewohnerin Krankenpflegerin Hekari einen kurzen Blick, bevor sie die Tür beantwortete.

Stiles stand im Flur vor ihrem Quartier. „Ich hoffe, dass ich Sie nicht aus dem Bett geworfen habe.“

„Nein, wir sind beide noch wach“, erwiderte Ineiau mit einen leichten Lächeln. „Aber sollten Sie nicht auf Landurlaub sein?“

„Mir steht zurzeit nicht recht der Sinn auf Urlaub. Ich bin aber wegen etwas anderem hier. Commodore Xian hat für übermorgen um 15:00 TEZ eine Versammlung der gesamten Crew angeordnet. Sie möchte anstelle unseres nicht vorhandenen Captains die Beförderungen verkünden. Wohl ist mir dabei nicht. Ich habe T’Lin noch nicht unsere Urlauber zurückrufen lassen.“

„Möchten Sie, dass ich das übernehme?“

„Nein, aber ich wollte, dass Sie als Erste darüber informiert sind. Immerhin sollten Sie Erster Offizier der Shiva sein und nicht ich.“

„Danke, und ich würde gerne die Brückenwache während der Versammlung übernehmen. Raymond, bitte akzeptieren Sie ihren neuen Rang und die Position als Erster Offizier. Sie haben es wirklich verdient.“

„Sie haben mehr als ich die Beförderung verdient, verdammt noch mal.“

„Das hätten Sie nicht gesagt, als wir beide neu auf die Shiva versetzt wurden.“

„Ineiau, das ist über zwei Jahre her. Ich fand damals alleine den Gedanken unerträglich, mit einer ganzen Hundertschaft Chamäleons das Schiff zu teilen.“

„Ich bin froh, dass wir die Phase hinter uns gelassen haben.“

„Da bin ich ganz ihrer Meinung. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht. Ihnen selbstverständlich auch, Hekari“, zur zweiten Ani im Raum, die mit dem Kater Makarov auf dem Schoß nur sehr müde zurück winkte.

 

Commodore Xian war bereits auf dem Weg zum Transporterraum ihres Hauptquartiers, um sich auf die Shiva für die Versammlung beamen zu lassen, als sie ihren Adjutanten hinter ihr her rennen und rufen hörte: „Entschuldigen Sie, Madam. Aber das ist gerade von Starfleet Command gekommen, und ich vermute, dass es die Nachricht ist, auf die Sie seit Tagen gewartet haben.“

Xian las die Nachricht auf dem ihr gereichten Datenpad und entspannte sich zum ersten Mal seit Tagen. „Diese Idioten von Juristen und Bürokraten! Leiten Sie die Nachricht an Captain Pike weiter. Ich hoffe, Sie erreichen ihn noch, bevor er auf die Shiva kommt.“

 

Pike materialisierte zusammen mit Nummer Eins kurz nach Xian im Transporterraum der Shiva

Xian fragte ihn im Turbolift auf dem Weg zu der als Versammlungsraum genutzten, rechten Cafeteria: „Haben Sie die Nachricht von Starfleet Command noch lesen können?“

„Ja, und ich frage mich, ob die sich dort auch nur im Entferntesten ausmalen können, was für einen Stress sie uns damit bereitet haben. Warum konnten sie nicht einfach mit offenen Karten spielen?“

Die meisten Tische, Sessel und Stühle waren aus der Cafeteria geräumt worden, und die Trennwand zwischen den beiden großen Räumen war entfernt worden, um ausreichend Platz für die über vierhundert Besatzungsmitglieder des Dreadnoughts zu schaffen. Die beiden kleinen Bühnen waren ebenfalls durch den Wegfall der Trennwand zusammengelegt worden, um als Podium zu dienen.

Stiles begrüßte sie neben dem Podium missmutig wirkend.

Xian sah sich um und fragte ihn: „Wo ist Lieutenant Commander Ineiau?“

„Sie hat die Brückenwache zusammen mit Ensign Oboto übernommen.“ Er sah leicht misstrauisch Nummer Eins an. „Ich nehme an, dass Sie unser neuer Captain werden, Commander Chin-Riley?“

Nummer Eins lächelte und antwortete: „Nein, das werde ich nicht.“ Und an Pike gewandt fuhr sie fort: „Ich nehme an, dass ich dann besser auf der Brücke Ineiau ablöse.“

Pike nickte ihr zu, und sie ging zurück zum Turbolift.

 

Ineiau drehte sich überrascht im Sessel der Wissenschaftlichen Station um, als Nummer Eins auf die Brücke trat. „Una, welche angenehme Überraschung. Sollten Sie nicht auf der Versammlung dabei sein?“

Nummer Eins schüttelte den Kopf. „Nein, ich übernehme hier, und Sie begeben sich zur Versammlung.“

Ineiau fühlte wie ihre Pigmentierung Frustration und Trauer als hellblaue Färbung verriet. „Ich weiß nicht ob ich das ertragen kann. Starfleet Command hat mir meine Aufgaben hier entzogen und ich werde die Shiva verlassen müssen. Wahrscheinlich werde ich das Angebot von Commodore Xian einer Stellung auf der Sternenbasis annehmen.“

Nummer Eins lächelte freundlich, bevor sie antwortete: „Glauben Sie wirklich, dass Chris Pike zulassen würde, dass jemand in seiner Anwesenheit verletzt oder erniedrigt wird? Und nein, Sie werden Shiva nicht verlassen.“

 

Ineiau betrat zögernd die Cafeteria. Fast sofort bauten Stiles, Thalin, T’Lin, S’Rana und Vrenaak sich neben ihr beschützend auf, was vielleicht eindrucksvoller gewirkt hätte, wenn Ineiau nicht alle bis auf den Schiffsheiler deutlich überragen würde.

Stiles wechselte einen Blick mit den anderen Senior-Offizieren der Shiva und wandte sich dann an Xian. „Commodore, ich spreche wohl für alle Offiziere und Besatzungsmitglieder der Shiva, dass nicht ich, sondern Ineiau unser Erster Offizier sein sollte und …“

Xian unterbrach ihn mit erhobener Hand, aber es war Pike, der mit einen freundlichen Lächeln antwortete: „Commander Stiles, reicht es Ihnen nicht, dass Sie gerade versuchen, ihre eigene Kariere zu sabotieren, sodass Sie jetzt noch Captain Ineiau um ihr erstes Kommando bringen wollen?“

Stiles starrte ihn an. „Was?“

Ineiau spürte, wie ihre Pigmentierung alle möglichen unpassenden Farben auslöste, und konnte bei anderen Ani in Hörweite sehen, wie deren Tribalmarkierungen zwischen rot und violett hin und her pulsierten.

„Sir, ich … Wie?“, brachte Sie nur hervor.

Xian begann zu erklären: „Wir haben heute und wirklich erst heute von Starfleet Command die Nachricht erhalten, dass Sie zum Commander befördert werden, gleichzeitig aber den Brevet-Rang eines Captains und das dauerhafte Kommando über USS Shiva erhalten.“ Sie fuhr fort: „Offenbar wollte die Rechtsabteilung des Personalbüros die Position und den Rang hieb- und stichfest haben, bevor sie irgendjemand einschließlich meiner Person darüber informiert haben. Sie haben dabei überhaupt nicht bedacht, was sie uns allen an Kopfschmerzen mit dieser Geheimniskrämerei bereitet haben.“

„Warum wurde Ineiau nicht einfach doppelt befördert?“, fragte Thalin.

„Laut Personalvorschrift Artikel 235, Absatz 4 sind Doppelbeförderungen nur zulässig wenn nach Anpassung an die Lebenserwartung der jeweiligen Spezies, der betroffene Offizier mindesten fünf Jahre nicht befördert wurde in Verbindung mit Artikel…“, begann T’Lin, wurde aber durch eine Hand auf der Schulter von Pike unterbrochen.

„Danke, Lieutenant“, meinte er freundlich. „Und ich dachte Spock wäre der Einzige, der sämtliche Vorschriften komplett runter rattern kann.“

„Üblicherweise sollen Brevet-Ränge nur temporär während Krisen vergeben werden, um kurzfristig Lücken in der Kommandostruktur zu schließen. Captain Ineiau erhält ihren Brevet-Rang, damit sie ohne Komplikationen mit der Seniorität ihr eigenes Kommando führen kann. Sie ist sonst in jeder Beziehung ein vollwertiger Captain“, ergänzte Xian.

„Ist bekannt, wie lange ich den Brevet-Rang haben werde?“, fragte Ineiau vorsichtig und noch etwas fassungslos.

„Ja und gleichzeitig nein. Sie behalten ihren Brevet-Rang, bis Sie wirklich zum Captain befördert werden. Aber ich habe keine Zweifel daran, dass das in naher Zukunft passieren wird“, antwortete Xian mit einen uncharakteristischen Lächeln. „Ich glaube wir haben noch eine ganze Reihe weiterer Beförderungen und Auszeichnungen vor uns.“ Und sie deutete auf das Podium. „Captain Pike, Captain Ineiau, wollen wir anfangen?“

 

Ineiau trat aus dem Turbolift auf die Brücke. Ihr fiel auf, dass die gesamte Brücke mit Rot abgesetzt worden war und auch die Beleuchtung wärmer geworden war. Sie vermutete, dass der Enterprise-Stil auf der Shiva erst in den letzten Tagen der Überholung durch Starbase 34 eingeführt worden war.

„Gold steht Ihnen, Captain!“, sagte Thalin, als er sie sah.

„Danke, aber es ist noch etwas ungewohnt“, antwortet Ineiau mit einen Lächeln, während sie an sich selber heruntersah, um ihre senfgelbe Tunika anzusehen. „Wenn wir alle da sind, können wir wohl anfangen. Ladies, willkommen zurück an Bord.“

„Captain, Starbase 34 hat uns Startfreigabe gegeben“, meldete T’Lin.

Ineiau nickte in ihre Richtung und wandte sich dann an Watanabe und Stiles, die an ihrer Steuerkonsole saßen. „Bringen Sie uns raus, Akira. Wir werden im Black Earth System erwartet.“

„Aye, Captain!“, bestätigte Watanabe.

„Kurs ist bereits berechnet und einprogrammiert für Warp 5, Captain“, antwortete Stiles.

„Sehr schön. Aber bevor wir weitermachen, habe ich noch eine Bitte!“

Die Brückencrew blickte sie erwartungsvoll an.

„Können wir bitte die Anrede Captain weglassen?“

„Also sind wir wieder bei Skipper“, meinte Stiles mit einen breiten Grinsen.

 

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