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Starship Vengeance - Hinter feindlichen Linien

von Thilo

Auf Deep Space 9

Dicht bei der Sternenbasis Deep Space 9 fiel die Vengeance im Bajor-System aus dem Warp.

Ineiau betrachtete überrascht die zahlreichen Sternenschiffe und die an Raubvögel erinnernden klingonischen Kriegsschiffe.

„Wenn unser Schiff weiterhin geheim bleiben soll, warum werden wir dann inmitten der Rushhour hierher geschickt?“, konnte sie sich nicht verkneifen.

Hel bestaunte neben dem Kommandosessel ebenfalls die anwesende Flotte. „Vielleicht hofft Starfleet, dass das Dominion den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Immerhin sind wir hier nur ein Sternenschiff unter Hunderten.“

„Dreiundachtzig“, berichtigte Fisher sie.

Hel zog kritisch eine Augenbraue hoch. Bevor sie jedoch zu einer Antwort ansetzen konnte, meldete Sato: „Deep Space 9 hat uns eine Parkposition an der oberen Pylone 3 zugewiesen. Captain Sisko möchte sich mit Captain Ineiau und Commander Hel in der Ops der Station schnellstmöglich zur Besprechung treffen.“

„Also gut, wir beamen rüber, sobald wir in Reichweite sind. Rebecca, Sie haben die Brücke.“

„Ich habe die Brücke“, bestätigte Fisher ausdruckslos.

„Skipper, ich habe hier ziemlich seltsame Sensorergebnisse“, meldete sich jetzt Namo.

Ineiau und Hel hatten bereits fast den linken Turbolift erreicht und kehrten zu ihm um.

„Was gibt es?“, fragte Ineiau beunruhigt.

„Ich habe mehrere klingonische Raumschiffe in der Ortung, die ich aber nicht in die visuelle Erfassung kriege“, erklärte der Frikka-Wolf mit vor Verwirrung zuckenden Ohren.

„Sind sie vielleicht getarnt? Aber dann sollten wir sie doch nicht ohne Weiteres orten können“, fragte Hel nach.

„Ich weiß, dass die Vengeance vor einem Jahrhundert die damaligen frühen Tarnvorrichtungen der Romulaner durchschauen konnte. Handelt es sich vielleicht um reaktivierte Schiffe mit veralteten Tarnkappen der ersten Generation?“, überlegte Ineiau.

„Es sind ein Vor’cha Angriffskreuzer, zwei B’rel Scoutschiffe und ein Chug’Beh Schlachtkreuzer. Offensichtlich liegen sie als Vorposten auf der Lauer. Bis auf die beiden Scouts sollten das alles neuere Einheiten sein“, erwiderte Namo.

„Wie schaffen es die Klingonen eigentlich, mit getarnten Verbänden zu operieren, ohne ständig mit eigenen Schiffen zusammenzustoßen?“, fragte Hel.

Ineiau schüttelte den Kopf. „Das frage ich mich ebenfalls jedes Mal. Aber das ist jetzt nebensächlich. Entweder haben unsere Verbündeten ein Problem mit ihren Tarnkappen, oder unsere Sensoren sind sehr viel besser, als ich es erwartet habe.“

„Es kommt ein neuer getarnter Kontakt aus dem Warp!“ Namo überprüfte die Anzeigen. „Kein IFF wegen der Tarnung, aber es sieht wie eine Eskorte der Defiant-Klasse aus … Moment, sie enttarnen sich. Es ist wirklich eine unserer Eskorten, die Defiant.“

„Die Defiant hat nach meinem Wissensstand eine moderne romulanische Tarnvorrichtung“, erklärte Ineiau leise. Sie sah Hel und Namo nachdenklich an. „Bis auf Weiteres bleibt das vertraulich und unter uns. Namo, Sie werden nachher Ihre Ablösung entsprechend informieren. Und ich werde mit Captain Sisko darüber sprechen müssen.“

Hel betrachtete weiterhin ungläubig die Sensoranzeigen. „Ich habe inzwischen das Gefühl, dass dieses Schiff trotz seines Alters alles besser kann als jedes andere“, sprach sie mehr zu sich selbst, bevor sie Ineiau folgte, die bereits wieder zum linken Turbolift ging.

Ineiau stoppte zwischen den Kommunikations- und Taktikstationen und drehte sich mit einem dünnen Lächeln zu Hel um. „Haben Sie schon einmal vom Literaturkonzept der Mary Jane gehört?“

„Meinen Sie eine Mary Sue, Skipper?“, fragte Ensign Sato neben ihr.

Ineiau sah ihn kurz an, bevor sie knapp zur Bestätigung nickte. „Ja danke, ich meinte Mary Sue. Eine solche ist in jeder Beziehung besser als alle anderen Figuren. Sie ist schöner, intelligenter, stärker, schneller und so weiter. Sie wird von jedem sofort bei der ersten Begegnung geliebt. Sie entspricht dem absoluten Ideal der Autorin ohne auch nur den kleinsten Fehler. Sie ist niemals im Irrtum. Wenn sie in eine hoffnungslose Situation gerät, zieht sie Eigenschaften aus dem Hut, die nie zuvor erwähnt wurden, schlicht unmöglich sind, oder erfindet einfach auf die Schnelle irgendetwas Geniales.“ Sie trat zum schwarzen Kommandosessel und legte eine Hand auf dessen Rückenlehne. „Wären wir in einem Roman, würde ich die Vengeance als Mary Sue bezeichnen. Sie war bei ihrer Indienststellung mit Abstand das mächtigste Schiff ihrer Zeit, das mühelos in der Lage gewesen wäre, ganze Flotten der Klingonen oder Romulaner zu zerstören, und selbst den deutlich neueren Schlachtschiffen der Proxima- und Mars-Klasse weit überlegen war. Jede Raumschlacht und Mission, in der die Leistung des Schiffes entscheidend ist, ist ein Kinderspiel mit ihr. Und selbst nach über einem Jahrhundert hat sich kaum was daran geändert, obwohl inzwischen die neuen Schiffe der Sovereign- und der verstärkten Galaxy-Klasse mit ihr durchaus vergleichbar sein sollten.“

„Ich hätte sie in der ersten Simulation aber beinahe mit meinem geplanten Frontalangriff auf die Painmaker Kreuzer geschrottet. Sie sollte also inzwischen nicht mehr ganz so allmächtig sein“, widersprach Hel, hörbar nicht ganz überzeugt.

„Aber nur, weil Ineiau und ich bei sämtlichen Simulationen die Offensivstärke der Dominionschiffe auf 300 Prozent gesetzt hatten“, berichtigte Rebecca Fisher sie ausdruckslos, was ihr verblüffte Blicke von Hel, Aki und einigen anderen Mitgliedern der Brückenbesatzung einbrachte.

„Das bedeutet, dass wir in echt die Painmaker hätten frontal angreifen können?“, fragte Hel aufgebracht.

Ineiau überlegte. „Mit großer Wahrscheinlichkeit ja, aber es ist nie weise, sich unnötigen Risiken und Beschuss während eines Kampfes auszusetzen. Glückstreffer gibt es immer. Außerdem war es mir wichtig, dass Sie lernen, außerhalb von festen Bahnen zu denken, statt sich blindwütig auf Ihren Gegner zu stürzen. Und Sie haben bei den späteren Übungen gezeigt, dass Sie eine bessere Taktikerin sind, als ich es je war, obwohl Ihnen noch einiges an Übung und Erfahrung fehlen.“

„Wobei ich mit meiner Taktikcrew Wolf 359 mit der Vengeance durchgespielt habe. Und wir haben in zwei von drei Durchgängen gegen den Borg-Kubus gewonnen“, mischte sich jetzt Aki ein.

„Ja, ich kann mir vorstellen, dass die Vengeance als Teil der Flotte vielleicht das entscheidende Zünglein auf der Waage hätte sein können. Wobei meine Kenntnisse über die Schlacht und deren Verlauf nur sehr oberflächlich sind“, erwiderte Ineiau nachdenklich.

Aki schüttelte vehement den Kopf. „Keine Flotte! Die Vengeance im Alleingang! Ich hatte den Computer bisher unter Verdacht, dass sie zu unseren Gunsten gemogelt hat.“

Ineiau sah ihre Taktikoffizierin jetzt überrascht und schockiert an, bevor sie sich wieder fing. „Das glaube ich selbst nach meinen eigenen Erfahrungen mit der Vengeance nicht! Sie sollten die Simulationsparameter noch einmal überprüfen, ob diese nicht sehr stark zu Ihren Gunsten verschoben sind.“

„Ich werde es prüfen, Skipper“, erwiderte Aki mit einem schiefen Grinsen und sich rot verfärbenden Tribalzeichnungen. „Zumindest würde es mein Weltbild über die Borg wieder gerade rücken. Nicht, dass ich mir das wirklich wünsche.“

 

Hel materialisierte zusammen mit Captain Ineiau in der Kommandozentrale der Station. Die ganze Zentrale wirkte auf sie fremdartig. Selbst die Computerdisplays wiesen ungewöhnliche Farben und Menügrafiken auf. Techniker von Starfleet und der bajoranischen Miliz waren immer noch dabei, die Schäden der erst kurz zurückliegenden Rückeroberung vom Dominion zu beheben. Ein weiblicher bajoranischer Major trat zur Transporterplattform.

„Willkommen auf Deep Space 9. Ich bin Major Kira Nerys“, begrüßte die Bajoranerin sie mit einem gezwungen wirkenden Lächeln. „Captain Sisko erwartet sie bereits.“

„Freier Himmel, Major Kira! Ich bin Captain Ineiau Cher-kira-Ke, und dieses ist meine Erste Offizierin Commander Hel vom Clan der Schwarzen Pferde.“

Aus einem thronartig erhöhten Büro trat jetzt ein großer schwarzer Captain mit glatt rasiertem Kopf und einem kurzen Vollbart. Hel erkannte ihn von ihren vorherigen Ferngesprächen als Captain Benjamin Sisko. Er trat ihnen mit einem freundlicheren, breiten Lächeln als Kira entgegen. „Captain Ineiau, Commander Hel. Willkommen auf Deep Space 9. Es ist schön, Sie jetzt endlich persönlich kennenzulernen“, begrüßte er sie ebenfalls.

„Freier Himmel, Captain Sisko“, erwiderte die große Ani neben Hel, während sie vorsichtig von der Transporterplattform trat.

Hel überlegte kurz, ob sie ihre Vorgesetzte angesichts deren hohen Alters auf den zahlreichen Stufen der Ops unterstützen sollte, entschied sich dann aber dagegen, um nicht womöglich Ineiaus Stolz damit zu verletzen. Abgesehen davon wäre es in Anbetracht ihres Größen- und Gewichtsunterschiedes sowieso weitgehend zwecklos gewesen.

Sisko sah zum ovalen Hauptbildschirm, der die Vengeance bei ihrem Anlegemanöver zeigte. „Ich hätte nie gedacht, dieses Schlachtschiff wieder im Einsatz zu sehen. Außerhalb ihres Docks ist sie ein noch eindrucksvollerer Anblick, als ich es erwartet hätte.“

„Sie kennen die Vengeance bereits?“, fragte Ineiau offenkundig überrascht nach.

Er lächelte bestätigend. „Ich war mehrfach während der Entwicklungsarbeit an der Defiant an Bord gewesen. Tatsächlich haben wir einiges von ihr für unsere Arbeit übernommen, um ein möglichst kampfstarkes Schiff zu bauen. Wobei sie uns teilweise einige Überraschungen bereitet hat.“ Er sah sich kurz um, bevor er ergänzte: „Die Dämpfungsfeldgeneratoren der Vengeance sind unter anderem vollkommen baugleich mit denen der Defiant, obwohl wir diese zu dem Zeitpunkt unserer ersten Inspektion gerade erst selbst fertig entwickelt hatten.“

Ineiau atmete tief durch und vergewisserte sich sichtbar unbehaglich, dass außer Sisko, Kira und Hel niemand in Hörweite war. „Captain, es ist immer noch streng geheim, dass beim Bau der Vengeance Technik aus der Zukunft verwendet worden ist. Ich hoffe nur, dass Ihre … Inspirationsbesuche keine Prädestinationsparadoxen geworden sind.“

Sisko sah sie kurz nachdenklich an. „Ich hoffe nicht. Das Letzte, was ich mir wünsche, ist ein erneuter Besuch der Abteilung für Temporäre Ermittlungen. Mir war bisher nur bekannt, dass die Vengeance vor mehr als einem Jahrhundert für einen nicht näher bezeichneten Geheimdienst als Schlachtschiff illegal gebaut wurde und dabei selbst ihre damaligen Gegenstücke in Starfleet weit in den Schatten stellte.“

Kira schnaubte belustigt. „Also ist die Defiant doch nicht das erste Kriegsschiff von Starfleet, wie Sie immer sagen“, stellte sie fest. Es klang, als würde sie das als Punkt in einer anscheinend schon lange geführten Diskussion für sich verbuchen.

Eine hochgewachsene schlanke Trill in einer Wissenschaftsuniform trat zu ihnen. „Nerys, die Defiant ist zumindest das erste echte Kriegsschiff, welches nach fast einem Dreivierteljahrhundert wieder gebaut wurde. Obwohl viele in der Föderation versuchen, die damalige kriegerische Epoche zu verdrängen und die Existenz der damaligen Kriegsschiffe dafür unter den Tisch kehren.“ Sie lächelte schalkhaft Ineiau an. „Ansonsten hätte es damals auch nicht Captain Ineiaus erstes Kommando gegeben. Die Shiva wurde ebenfalls als Kriegsschiff gebaut trotz ihrer überwiegenden Verwendung als Forschungsschiff. Es ist schön, Sie wiederzusehen, Ineiau!“

Hel konnte Ineiau ansehen, dass diese zuerst über ihre eigene Unachtsamkeit wegen der Nähe der Trill verärgert war, dann durch den letzten Satz von ihr hochgradig verwirrt war.

„Wir kennen uns?“, fragte die alte Ani ratlos wirkend die junge Trill.

„Jadzia Dax. Aber als wir uns zuletzt gesehen hatten, war mein Wirt Curzon“, antwortete die Trill mit einem zufriedenen Grinsen.

Ineiaus Gesichtszeichnungen verfärbten sich schlagartig hellblau, und sie trat unwillkürlich zwei Schritte zurück. „Oh …“

Jadzia lächelte sie jetzt beruhigend an. „Und da ich jetzt wieder eine Frau bin, stimme ich mit Ihnen überein. Ich beziehungsweise Curzon hatte es wirklich verdient. Obwohl Ihre Reaktion vielleicht doch etwas heftig ausfiel.“

Ineiau nickte nur kurz auf ihre fremdartige Art, während sie sich offensichtlich wünschte, weit weg zu sein, und sie versuchte dann auch eilends, das Thema zu wechseln. „Wer ist der Kommandant der Defiant?“

„Ich werde während unserer gemeinsamen Unternehmung das Kommando haben“, antwortete Sisko, der sich ebenso wie Kira und Hel vergeblich bemühte, seine Erheiterung über den letzten Gesprächsverlauf zu verbergen.

Ineiau schüttelte den Kopf. „Entschuldigung, ich meine, wer hatte es bei unserer Ankunft? Sie waren da bereits auf der Station.“

„Commander Worf“, sagte Sisko und zeigte auf den offenen Turbolift, mit dem gerade ein großer breitschultriger Klingone in einer rot-schwarzen Starfleet-Uniform ankam. „Warum? Gibt es Probleme?“

Ineiau nickte nur kurz. „Möglicherweise, aber ich würde es vorziehen, das nicht auf dem Transporterpad zu besprechen.“

„Da haben Sie wohl recht“, stimmte ihr Sisko mit einem amüsierten Seitenblick auf Dax zu. Er wandte sich an den Klingonen. „Mr Worf, Sie kommen bitte ebenfalls mit.“

„Sehr wohl, Sir“, erwiderte Commander Worf. Gleichzeitig musterte er Hel und besonders Ineiau sichtlich misstrauisch.

Sisko führte sie zusammen mit Worf in sein hoch gelegenes Büro, während Dax und Kira in der Zentrale blieben. Bevor sie ebenfalls in das Büro trat, konnte Hel noch sehen, dass die Bajoranerin der Trill offensichtlich eine Frage stellte, worauf hin diese ihr sichtbar fröhlich etwas zu erzählen begann.

„Bitte nehmen Sie Platz. Kann ich Ihnen etwas anbieten?“, fragte Sisko und setzte sich gleichzeitig an seinem Schreibtisch.

Ineiau musterte kurz mit argwöhnischem Blick den Replikator, bevor sie eine ablehnende Geste machte. „Nein, danke!“ Sie und Hel setzten sich in die Besuchersessel, bevor die Ani sich an Worf wandte, der neben dem Schreibtisch in Habachtstellung stehen blieb. „Commander Worf, hat es während Ihrer Annäherung an der Station Probleme mit der Tarnvorrichtung der Defiant gegeben?“

Worf sah kurz fragend zu Sisko, der ihn mit einer Geste aufforderte zu antworten. Der Klingone sprach sichtbar widerwillig mit starrem Blick zum Fenster: „Die Tarnvorrichtung arbeitete innerhalb ihrer normalen Parameter. Darf ich den Grund für die Frage erfahren?“

Ineiau sah ihn ruhig an und schien seine ablehnende Haltung ihr gegenüber nicht zu bemerken oder einfach zu ignorieren. „Wir haben nicht nur die vier klingonischen Vorpostenschiffe, sondern auch die Defiant bei ihrem Anflug trotz der aktivierten Tarnvorrichtungen geortet.“

„Das ist nicht …“, platzte es aus Worf erregt hervor, bevor er sich fing und ruhiger fortfuhr: „Das ist nicht möglich. Ich werde aber Chief O’Brien beauftragen, die Tarnvorrichtung zu überprüfen und neu zu kalibrieren.“

Sisko wirkte erstaunlich gelassen, bevor er mit einem tadelnden Blick zu Worf Ineiau ebenfalls antwortete: „Bei unseren Inspektionen der Vengeance wollten wir eigentlich unter anderem die Sensorenphalanx wegen ihrer unwahrscheinlich hohen Leistungsfähigkeit kopieren. Keine unserer Nachkonstruktionen hat funktioniert, obwohl wir die der Vengeance warten, zerlegen und wieder zusammenbauen konnten. Unsere Projektleiterin für die Sensoren hat irgendwann einfach aufgegeben.“

„Also könnte es wirklich die Sensorenphalanx der Vengeance und kein allgemeines Problem mit den Tarnvorrichtungen sein“, erwiderte Ineiau nachdenklich.

„Davon gehe ich nach meinen eigenen Erfahrungen mit der Vengeance aus. Trotzdem sollte der Chief die Tarnvorrichtung der Defiant kontrollieren, selbst falls sich dadurch der Beginn unserer Mission verzögert“, antwortete Sisko bestimmt, während er gleichzeitig einen kleinen Ball aus dem Ständer auf seinem Schreibtisch nahm und in einer Hand drehte. „Mr Worf, Sie werden außerdem General Martok ebenfalls eine Überprüfung der klingonischen Tarnkappen nahelegen. Wir sollten kein unnötiges Risiko eingehen.“

„Ich gebe es weiter“, antwortete der Klingone steif.

„Hat Admiral Nechayev Sie bereits über die Details unserer gemeinsamen Mission eingeweiht, Captain Ineiau?“, wandte Sisko sich jetzt wieder an die Ani.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, sie hat ein ziemliches Geheimnis daraus gemacht. Möglicherweise befürchtete sie, dass es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen verdeckte Gründer auf Starbase 1 oder Io Station gibt.“ Sie machte eine kurze Pause, bevor sie weitersprach: „Dabei fällt mir ein, dass ich mich deshalb noch unbedingt vor unserer Abreise mit Konstabler Odo treffen wollte. Ich hoffe, das lässt sich arrangieren.“

„Sie kennen den Konstabler?“, fragte Sisko.

„Leider nein, und genau deswegen wollte ich ihn sehen. Wir … also Ani können einander erkennen, auch wenn wir uns angepasst haben. Bisher ist aber soweit bekannt keine Ani einem Gründer begegnet. Deswegen wollte ich mithilfe von Konstabler Odo die Idee unseres Schiffsarztes austesten, ob ich oder eine andere Ani in der Lage wäre, ihn in verschiedenen Anpassungen zu erkennen.“

„Anpassungen?“, fragte Worf irritiert.

„Chamäl… Ani nennen so ihre Gestaltwandlungen“, erklärte Hel und sah zugleich besorgt wegen ihrer halb herausgerutschten Herabwürdigung ihre Vorgesetzte an, die aber zumindest nicht sichtbar darauf reagierte.

Sisko lehnte sich verärgert in seinem Schreibtischsessel zurück. „Der Konstabler ist zurzeit nicht auf Deep Space 9, sondern zu einer Sicherheitskonferenz auf Marketgarden unterwegs. Ich werde ihm eine Nachricht schicken, dass er sich zur Verifizierung dieser Idee wenn möglich mit Ani treffen soll. Obwohl ich die Erfolgsaussichten Ihrer Idee für sehr gering erachte. Gründer können sich im Gegensatz zu Ihnen selbst untereinander nicht ohne direkten Körperkontakt erkennen. Und angesichts der bekannten Fähigkeiten von Ani sollte eigentlich jemand anderes bereits auf diese Gedanken gekommen sein.“

„Von einer Nachricht an den Konstabler auf Marketgarden möchte ich dringend abraten, Sir!“, widersprach Worf energisch. „Wenn die Gründer diese abfangen und dadurch von dieser Möglichkeit erfahren, könnte das Ani und andere Gestaltwandler zu einem Hauptziel des Dominions machen. Wir wissen bereits, dass die Gründer für ihren Machterhalt selbst vor einen Genozid nicht zurückschrecken.“

Captain Sisko legte nachdenklich seinen Ball wieder auf seinen Schreibtisch. „Dann sollten wir die Idee auf jeden Fall für uns behalten und Odo erst persönlich darüber informieren, wenn er wieder hier ist.“ Er sah Ineiau fragend an.

Deutlich widerstrebend stimmte sie ihm stumm mit einem Kopfnicken zu.

Nach kurzem Abwarten, ob noch weitere Kommentare zu dem Thema kommen würden, fuhr Sisko fort: „Es gibt im cardassianischen Raum eine versteckte Forschungseinrichtung. Wir wissen nicht, was dort wirklich entwickelt oder untersucht wird, aber Starfleet Intelligence befürchtet, dass deren Projekt möglicherweise das Kräftegleichgewicht zu unseren Ungunsten verschieben könnte. Von wo diese Einrichtung versorgt wird, ist uns ebenfalls nicht bekannt. Die verschlüsselte Kommunikation läuft ausschließlich über die Militärbasen im Pirika- und Sardos-System. Jede dieser Militärbasen erhält offenbar nur jeweils eine Hälfte der Berichte, die dann auf Cardassia Prime zu einem Ganzen zusammengefügt und entschlüsselt werden.“

„Ich nehme an, dass es bisher nicht gelungen ist, diese Nachrichten zu kombinieren und zu entschlüsseln?“, fragte Ineiau.

„Das ist richtig. Wir haben zwar von mehreren Nachrichten beide Hälften, aber trotzdem ist es uns bisher nicht gelungen, in ihren Chiffrecode einzubrechen. Wobei wir uns nicht einmal sicher sind, ob wir die Hälften korrekt zusammengefügt haben. Aber es sollte für zwei getarnte Schiffe möglich sein, gemeinsam die synchron gesendeten Nachrichten bei den Militärbasen anzupeilen, um die Position dieser Forschungseinrichtung festzustellen.“

„Captain Sisko, die Vengeance hat keine Tarnvorrichtung. Sie verfügt nur über eine Stealthsuite wie die Spionageschiffe unserer Geheimdienste, die ihre Entdeckung durch Sensoren erschwert, sie aber nicht unsichtbar macht. Und diese Stealthsuite ist inzwischen über einhundert Jahre alt. Wäre es nicht besser, ein klingonisches Schiff mit einer vollwertigen Tarnkappe an unserer Stelle einzusetzen?“, brachte Ineiau ein.

„Starfleet Intelligence hat dringend davon abgeraten, das Klingonische Reich vorab über diese Einrichtung zu informieren. Sie befürchten, was immer auch dort geschieht, es unsere Verbündeten zu möglicherweise unüberlegten Handlungen verleiten könnte“, erklärte Worf.

Hel hatte das Gefühl, dass Ineiau ungeachtet der Tatsache, dass ihre normale drachenartige Gestalt keine Augenbrauen hatte, sie diese jetzt überrascht hochzog.

„Das ist ein interessanter Einwurf, ausgerechnet von Ihnen, Commander“, sagte Hel und konnte sich dabei ein Grinsen nicht verkneifen.

Worf sah kurz ergrimmt auf sie nieder.

Captain Sisko ergriff wieder das Wort: „Captain, ich bin mir der Einschränkungen und der zusätzlichen Risiken für Sie bewusst. Aber die Stealthsuite der Vengeance ist das Beste, was uns außer der Tarnkappe der Defiant zur Verfügung steht.“ Nach einer kurzen Pause ergänzte er: „Ich war als Projektleiter für die Nachkonstruktion dieser Stealthsuite verantwortlich, damit sie in der Defiant verbaut werden könnte. Trotz ihres Alters ist sie immer noch leistungsfähiger als die neuesten Stealthsuiten, die uns für unsere Spionageschiffe zur Verfügung stehen. Und damit meine ich nicht nur die Fähigkeit, ein Schiff von der Größe der Vengeance zu verbergen statt nur einen kleinen Aufklärer.“ Er legte mit einem dünnen selbstkritischen Lächeln die Hände zusammen. „Und ja, wir sind bei der Nachkonstruktion der Stealthsuite ebenso mit Pauken und Trompeten gescheitert wie bei den Sensoren.“

Ineiau sah ihn mit einer Mischung aus Überraschung und Erheiterung an, bevor sie abermals nickte. „Also gut, bitte fahren Sie fort.“

„Es gibt nicht viel mehr. Sobald wir eine gemeinsame Peilung haben, werden wir die Einrichtung mit beiden Schiffen näher untersuchen, um dann unsere weiteren Schritte zu planen. Ich gehe davon aus, dass wir sie zerstören werden. Ob wir dafür weitere Schiffe dazu ziehen können oder müssen, kann ich noch nicht sagen. Aber angesichts der Feuerkraft unserer beiden Schiffe – besonders die der Vengeance – vermute ich, dass Letzteres nicht notwendig sein wird.“

 

Da sie durch die Überprüfung der Tarnvorrichtung der Defiant erst am nächsten Tag aufbrechen würden, hatte Captain Ineiau ihrer Besatzung bis dahin Landurlaub auf Deep Space 9 gegeben.

Weil es außer ihr selbst keine weiteren Marikaner auf der Vengeance oder den anderen Sternenschiffen gab, mit denen sie sich zusammentun konnte, hatte Hel stattdessen Doktor Hoffmann als ihr am ehesten vertraute Person an der Schleuse zur Station abgefangen, um mit ihm auf Swutsch zu gehen, da es alleine für sie langweilig gewesen wäre. Zu ihrer Erleichterung hatte der alte Mensch keinen Widerspruch erhoben und sie stattdessen zielsicher in das Quark‘s geführt, das sich als eine Mischung aus Spielcasino und Bar herausstellte.

Obwohl das Lokal gut besucht war, hatten sie sogar noch einen Tisch auf der unteren Ebene bekommen.

Jetzt kam neben weiteren Besatzungsmitgliedern der Vengeance auch Lieutenant Rebecca Fisher in das Quark‘s. Sie sah sich kurz um und strebte dann zum Bartresen. Hel befürchtete schon, dass sie womöglich Streit mit dem dort sitzenden cardassianischen Zivilisten suchen würde, aber stattdessen deutete die junge blonde Frau neugierig auf die vor diesem stehende seltsam geformte Flasche, die mit einer sirupartigen, dunklen Flüssigkeit gefüllt war.

„Entschuldigen Sie, aber was ist das?“, fragte sie den Cardassianer.

Wenn der Mann über die Frage überrascht sein sollte, so ließ er es sich nicht anmerken. „Das, meine liebe Dame, ist Kanar. Ein cardassianischer Likör. Die meisten Menschen mögen ihn allerdings aus mir unverständlichen Gründen nicht.“

„Ich habe von Kanar gehört, aber ich hatte bisher nicht die Gelegenheit, ihn zu probieren.“ Sie wandte sich an Quark, dem Ferengi-Barkeeper: „Ich möchte ein Glas Kanar, bitte.“

Der Ferengi schnaubte, nahm ein leeres Glas und füllte es aus der vor dem Cardassianer stehenden Flasche, der sich offensichtlich nicht daran störte und danach in aller Ruhe sein eigenes Glas wieder füllte. „Garak ist seit dem Abzug des Dominions der Einzige, der hier Kanar trinkt. Und ich sitze auf über sechzig Kisten davon. Es geht aufs Haus. Mehr als ein Glas werden Sie eh nicht freiwillig trinken“, erklärte Quark.

„Beim Kanar ist unser guter Quark außergewöhnlich großzügig“, erwiderte Garak und hob sein Glas zum Toast.

Fisher schien kurz über die Geste nachzudenken, dann erwiderte sie den Toast des Cardassianers, und sie tranken beide.

Quark beobachtete ebenso wie Hel aufmerksam die Reaktion der blonden Frau.

„Das ist wirklich ein ungewöhnlicher Geschmack. Ich würde gerne ein zweites Glas zur Verifizierung haben“, sagte Fisher, ohne dabei die von Hel und wahrscheinlich ebenso von Quark erwartete Grimasse des Abscheus zu ziehen.

Quark betrachtete sie verblüfft. Dann zuckte er mit den Schultern und füllte beide Gläser neu auf.

Hel wandte sich an Doktor Hoffmann. „Ist Kanar eigentlich für Menschen problemlos verträglich? Ich weiß, dass er es für Marikaner und Vulkanier nur in geringen Mengen ist. Nicht, dass ich jemals das süße fischige Zeugs noch einmal anrühren würde.“

Hoffmann sah sie überrascht an. „Captain Ineiau hat sie noch nicht über Rebecca informiert? Mir sagte sie bei ihrer ärztlichen Untersuchung, dass sie es bei ihrer nächsten Besprechung mit Ihnen machen wollte.“

Hel schüttelte den Kopf. „Wir hatten uns zur Besprechung über die Besatzung verabredet, als Sie dann stattdessen mit Ihrer Untersuchung den Captain für den ganzen Tag in Beschlag genommen haben.“

„Ineiau ist bereits ziemlich alt für eine Ani ihrer Größe. Ich wollte gründlich sein“, entschuldigte sich der Schiffsarzt. „Aber ich hatte bereits vorher die Krankenakten der Kommandocrew überprüft. Und es war das erste Mal, dass ich für eine davon die Sicherheitsfreigabe der Stufe 8 benötigte. Rebecca könnte Rohrreiniger mit Blutwein und Reaktorkühlmittel mixen, ohne dass es ihr irgendwie schaden würde. Außerdem könnte sie sämtliche anwesenden Klingonen mühelos nacheinander unter dem Tisch trinken.“

Hel hob irritiert eine Augenbraue, was ihr ein zufriedenes Grinsen des alten Mannes einbrachte. „Ich vermute demnach, dass sie nicht wirklich ein normaler Mensch ist?“, fragte sie.

„Sie kennen wie ich die Vorschriften für Geheimdienstunterlagen und Krankenakten. Ich darf es nicht sagen. Und am allerwenigsten hier in einer öffentlichen Bar“, antwortete Hoffmann und sah dabei unangemessen zufrieden aus.

Hel sah Ineiau und Aki, die ganz offensichtlich nach einem freien Tisch in der gut besuchten Bar suchten.

„Skipper!“, rief sie und winkte ihnen zu, obwohl sie sich trotz der gemeinsamen Zeit bei der Anreise immer noch nicht in Gegenwart der Chamäleons sonderlich wohlfühlte, obgleich diese bisher alle ihre jeweils eigene Gestalt beibehalten hatten.

Die beiden Ani kamen zu ihnen und Hel bot ihnen an, sich zu ihnen zu setzen. Der Doktor rückte beiseite, damit sich Ineiau neben ihm auf die Eckbank setzen konnte.

Ein Ferengi-Kellner kam ebenfalls an ihren Tisch, um die Bestellung der beiden Neuankömmlinge aufzunehmen.

„Ich hatte das Gefühl, dass Commander Worf sie nicht mochte. Kannten Sie sich bereits vorher?“, fragte Hel, nachdem der Ferengi wieder gegangen war.

Ineiau machte eine verneinende Geste. „Wir sind uns heute zum ersten Mal begegnet. Ich kannte ihn bisher nur vom Hörensagen.“ Sie sah Aki für einen Moment scheinbar nachdenklich an, bevor sie weiter an Hel gerichtet fortfuhr: „Captain Jean-Luc Picard hatte mir während einer archäologischen Ausgrabung auf Rogan von ihm erzählt. Worf hält anscheinend traditionelle Werte sehr hoch in Ehren. Und unter Klingonen gilt die Verwendung von Gift als extrem unehrenhaft. Wobei es dabei unterschiedliche und intensiv diskutierte Auslegungen bei natürlich giftigen Arten gibt.“ Sie blickte zu einem irgendwie nicht ins Lokal passenden Dartspiel neben der Bar, bevor sie leiser fortfuhr: „Klingonen gehören zu den wenigen humanoiden Spezies, für die unser Gift tödlich ist. Es gibt Klingonen, die eine Freundschaft … oder Feindschaft mit Ani als lohnenswerte Herausforderung ansehen, während die meisten möglichst wenig mit uns zu tun haben wollen. Dass wir außerdem Gestaltwandler sind, verkompliziert die Geschichte zusätzlich.“

Hel wollte zur Antwort ansetzen, schwieg aber, als der Ferengi mit ihrer Bestellung wiederkam.

Nachdem der Kellner ihnen ihre Getränke gebracht hatte und wieder gegangen war, bemerkte Hel, dass Doktor Hoffmann düster auf sein Bierglas starrte.

Ineiau bemerkte offenbar ebenfalls seinen Stimmungswechsel. „Stört Sie Akis und meine Anwesenheit, Manfred?“, fragte sie sanft.

Er hob den Kopf und sah sie offen überrascht an. Anscheinend hatte er selbst nicht mitbekommen, dass sein plötzlicher Stimmungswandel so deutlich sichtbar war. Er schüttelte mit einer verbissen wirkenden Miene den Kopf, bevor er leise antwortete: „Nein, es ist nur …“ Er zögerte für einen Moment. „Ich habe von Akis Simulationsergebnissen mit der Vengeance gehört. Und ich habe inzwischen Ihre Dienstakte gelesen, oder zumindest den Teil, der nicht klassifiziert ist. Sie sind eine kampferprobte und erfahrene Veteranin in zahlreichen Konflikten.“

Hel und die anderen warteten ab, aber es kam keine weitere Erklärung von Hoffmann.

Er nahm dann einen großen Schluck von seinem Bier, um sich Mut zu machen, ungeachtet der Tatsache, dass es Alkoholfreies war, bevor er für Hel kaum noch hörbar die für sie weiterhin unverständliche Zusatzinformation gab. „Ich war auf der Yamaguchi.“

Ineiau schien wie Hel damit nichts anfangen zu können. „Es tut mir leid, aber dieser Name sagt mir nichts.“

„Die USS Yamaguchi. Sie wurde von den Borg bei Wolf 359 zerstört. Ich bin einer von den Wenigen, die mit dem Leben davon gekommen sind.“ Seine Stimme brach. Er sah mit Tränen in den Augen Ineiau an. „Wo war die Vengeance? Warum wurde dieses Superschlachtschiff nicht eingesetzt?“ Er senkte seinen Blick und starrte sein Glas an.

Ineiau schwieg für einen Moment, bevor sie leise antwortete: „Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich war sie in Io Station eingemottet, und es hat möglicherweise nicht genügend Zeit für ihre Reaktivierung gegeben. Es hat jetzt drei Wochen gedauert, um sie für uns einsatzbereit zu machen, und Abhinav hat immer noch alle Hände voll zu tun. Oder irgendjemand hielt ihre Geheimhaltung für wichtiger. Gerade Geheimnisträger haben zum Teil sehr bizarre Prioritäten. Ich habe bis vor Kurzem nicht einmal gewusst, dass sie überhaupt noch existiert.“ Sie trank fast abwesend einen Schluck von ihrem Cappuccino und verzog angewidert das Gesicht.

Hel fragte sich, ob es damit zusammenhing, dass Ineiau darauf bestanden hatte, dass ihr Cappuccino mit echten Zutaten frisch zubereitet wurde und nicht aus dem Replikator kam. Offensichtlich hatte der Kellner sich nicht daran gehalten, in der Annahme, dass es nicht bemerkt werden würde.

Ineiau stellte ihre Tasse mit einem höchst missbilligenden Blick darauf ab. „Ich habe von der Borg-Krise und damit von Wolf 359 erst erfahren, als alles schon lange vorbei war. Ich meide seit einigen Jahren, eigentlich seit meinem … offiziellen Eintritt in den Ruhestand, die Medien und Nachrichten. Als meine Töchter mich darüber informierten, war es für mich ein fürchterlicher Schock. Und niemand in Starfleet und von …“ Sie stoppte mitten im Satz, um sich dann korrigierend fortzufahren. „… niemand in Starfleet hatte versucht, mich während der Krise zu kontaktieren.“

„Hätte die Vengenance den Unterschied gemacht, den sie in der Simulation macht? Und hätte Ihre Anwesenheit als erfahrende kampferprobte Kommandantin anstelle von Admiral Hanson etwas bewirkt?“, fragte Hoffmann leise. Für Hel klang es trotz der Fragestellung nicht anklagend.

„Auch das weiß ich nicht. Aber ich bezweifle, dass die Vengeance so effektiv gegen die Borg gewesen wäre, wie es die Simulationen suggerieren. Sie wurde ziemlich genau ein Jahrhundert vor dem ersten Kontakt mit den Borg in Dienst gestellt. Und ich habe immer nur einzelne Schiffe im Kampf befehligt, aber nie eine ganze Flotte. Ich bin keine gute Taktikerin und erst recht keine zweite Admiral Lydia van Dyke. Selbst falls ich mit der Vengeance das Kommando anstelle von Admiral Hanson gehabt hätte, glaube ich nicht, dass es einen Unterschied gemacht hätte. Außerdem hätte er selbst bei meiner Anwesenheit als ranghöherer Flaggoffizier weiterhin den Oberbefehl gehabt. Es tut mir leid.“

Hoffmann nickte weiterhin niedergeschlagen. „Das muss es nicht. Mir tut es leid, dass ich meine Frustration einfach auf Sie ablade. Es ist nur, dass seitdem ich die Simulationsergebnisse gelesen habe …“ Er brach wieder ab.

Aki ergänzte leise: „In Simulationen wird immer nur das dargestellt, was die Programmiererinnen dort eingebaut haben. Es gibt aber gerade bei den Borg sehr viele unbekannte Variablen, und selbst die vollständigen Eigenschaften und ein Teil der … exotischeren Systeme der Vengeance standen uns für die Übungen nicht zur Verfügung. Vielleicht wurde außerdem in der Taktiksimulation von Wolf 359 überhaupt eine reelle Erfolgschance bewusst oder unbewusst einprogrammiert. Die Vengeance wurde als Flottenkiller gebaut, aber ich bin mir trotz allem wie der Skipper nicht sicher, ob sie dabei auch wirklich ein Borg-Killer ist. Und ich möchte es ganz ehrlich nicht austesten.“

Ineiau sah ihn jetzt ebenfalls traurig an. „Ich kann Sie verstehen. Zu oft habe ich mir ebenfalls gewünscht, dass ich ein Ereignis nachträglich ändern könnte. Aber wir können nicht die Vergangenheit ändern, sondern nur die Zukunft.“

Sie wurden durch laute Jubelrufe und Anfeuerungen aus ihrem Gespräch gerissen und sahen zu der Quelle des Aufruhrs.

Ineiau sah sichtbar entgeistert und verständnislos die sich ihr bietende Szene an. „Was macht Rebecca da?“, fragte sie.

„Ein Trinkwettbewerb mit drei Klingonen?“, versuchte nun auch Hel einen Sinn in den Anblick zu bringen.

Doktor Hoffmann schien seine düsteren Gedanken zu vergessen und antwortete mit seinem üblichen koboldartigen Grinsen: „Ist das nicht offensichtlich? Sie trinkt gerade ein paar Klingonen unter dem Tisch.“

 

„Captain auf der Brücke!“, meldete Lieutenant Fisher streng vorschriftsgemäß und erhob sich vom Kommandosessel, als Ineiau und Hel aus dem linken Turbolift traten.

Hel musterte die blonde, graziöse Frau immer noch ungläubig, die keinerlei sichtbare Nachwirkungen ihres Trinkgelages zeigte, das damit endete, dass die Klingonen trotz ihrer extrem hohen Alkoholtoleranz betrunken von ihren Kameraden zurück auf ihre Schiffe gebracht werden mussten, nachdem Captain Ineiau und Major Kira dem Spektakel Einhalt geboten hatten. Eigentlich sollte Fisher selbst mit den entsprechenden Medikamenten auf gar keinen Fall wach oder gar dienstfähig sein, dachte Hel und bedauerte es sehr, dass sie immer noch keine Gelegenheit für ihre geplante Besprechung mit Ineiau über die Besatzung gefunden hatte.

„Bitte machen Sie weiter“, erwiderte die große alte Ani. Sie setzte sich in den Kommandosessel und wandte sich dann an Ensign Sato: „Haben wir eine Freigabe von Deep Space 9?“

„Wir haben Startfreigabe“, bestätigte Sato.

„Abhinav, bitte lösen Sie die Andockklammern.“

„Sind gelöst“, bestätigte Lieutenant Abhinav Singh, während gleichzeitig die Geräusche der sich lösenden Verriegelungen durch die Vengeance hallten.

Auf dem Hauptbildschirm schien sich langsam die obere Andockpylone der sonderbar geformten, ehemals cardassianischen Raumstation von ihnen zu entfernen. Die Defiant glitt unter ihnen entlang, nachdem sie ebenfalls von Deep Space 9 abgelegt hatte.

„Ellen, bringen Sie uns raus.“

„Wir folgen der Defiant“, bestätigte die Pilotin Ensign Ellen Wierzbowska.

„Kurs ins Pirika-System ist für Warp 9 berechnet und bereit“, meldete Fisher neben ihr von der Navigationsstation.

Hel trat neben Ineiau, um ihr ins Ohr zu flüstern: „Ist es weise, dass Rebecca unter Alkoholeinfluss Dienst tut?“

Ineiau sah sie sichtbar irritiert an. Und obwohl eigentlich Hels Frage für sie nicht hörbar hätte sein sollen, drehte sich Fisher zu ihnen um.

„Es ist anscheinend eine neue Unart, die wir ihr dringend wieder austreiben sollten. Aber Alkohol und andere Rauschmittel haben doch keinerlei Wirkung bei ihr“, erwiderte Ineiau ebenso leise. Dann stutzte sie kurz, als würde ihr etwas einfallen. „Wir hatten doch schon über Rebecca gesprochen?“

„Nein Skipper, es ist bisher ständig etwas dazwischen gekommen. Das letzte Mal war es Doktor Hoffmann mit seiner endlosen Untersuchung von Ihnen.“

Ineiau griff sich mit einer Hand an die Stirn. „Himmel, ich werde wohl wirklich alt. Ich war der festen Überzeugung, dass wir es schon hinter uns gebracht hätten. Wir holen es gleich in meinem Büro nach, sobald wir auf dem Weg sind.“

„Skipper, da wir mit angehender Wahrscheinlichkeit über Monate oder Jahre hinweg zusammenarbeiten und -leben werden, könnte es ratsam sein, wieder die gesamte Besatzung über meine Identität einzuweihen“, brachte jetzt Fisher ein, woraufhin alle auf der Brücke Anwesenden sie mehr als nur neugierig ansahen, die bisher das leise Gespräch zwischen Ineiau und Hel nicht hatten mithören können.

Ineiau stieß einem Stoßseufzer aus, der hörbar von beiden Herzen kam. „Ja Rebecca, spätestens, nachdem Sie es jetzt gerade beinahe selbst herausposaunt haben, ist das wohl ratsam“, erwiderte sie trocken. „Manchmal frage ich mich, ob da Absicht hinter steckt.“

„Skipper, ich bin nicht in der Lage mich selbst …“, begann Fisher, wurde aber durch eine erhobene Hand von Ineiau abgehalten, den Satz zu vollenden.

„Also gut, dann werde ich selbst das Fisher-Mysterium für alle lüften: Sie ist ein Androide.“

„Wie Commander Data auf der Enterprise?“, entfuhr es Abhinav Singh, während er sich von seiner Station erhob, um besser an der linken Stützstrebe vorbei Fisher ansehen zu können.

„Nein, ich bin kein Androide vom Soong-Typ. Und ich wurde lange vor deren Entwicklungsbeginn hergestellt. Das von Noonien Soong entwickelte Positronengehirn ist deutlich leistungsfähiger und komplexer als mein Zentralprozessor. Und meine interne Struktur weicht ebenfalls erheblich von deren ab“, antwortete Fisher in einem Tonfall, als würde sie über das Wetter sprechen.

„Rebecca wurde illegal als Infiltrator und Attentäterin entwickelt und gebaut. Ein Teil ihrer Serie wurde von Starfleet Intelligence nach der Zerschlagung ihres Herstellers konfisziert und umprogrammiert. Sie funktioniert jetzt nach den aktualisierten Robotergesetzen von Asimov. Dadurch ist sie nicht länger in der Lage, einem intelligenten Lebewesen dauerhaften Schaden zuzufügen.“ Ineiau überlegte kurz, bevor sie mit einem boshaften Lächeln hinzufügte: „Was sie offenbar aber nicht davon abhält, mit nichtsahnenden Klingonen um die Wette zu trinken. Das ist eine neue Eigenart, die Sie wieder ablegen werden, Rebecca. Und zwar ohne Diskussion!“

„Wie Sie wünschen, Skipper. Obwohl die Klingonen angefangen haben. Ich hoffe, dass es ihnen eine Lehre ist“, erwiderte Fisher ruhig, wenngleich sie beinahe enttäuscht klang.

Ineiau ging nicht auf den trotzigen Einspruch ein. „Abhinav, Sie und der Doktor werden sich gemeinsam mit Rebeccas Aufbau vertraut machen, damit Sie sie im Ernstfall reparieren, beziehungsweise heilen können. Sie erhalten später von mir die Freigabe der entsprechenden Unterlagen.“

„Selbstverständlich, Skipper. Aber warum Manfred und ich gemeinsam? Sollte sie nicht entweder in mein Fachgebiet als Ingenieur oder in seines als Mediziner fallen?“

„Sie fällt in ihrer beide Fachgebiete. Rebeccas eigentlicher Körper ist ein mit Ferrofibrit gepanzertes Exoskelett aus einer Titanlegierung. Sie ist in eine Schicht aus lebendem synthetischen Gewebe gehüllt.“ Sie blickte zu Fisher. „Sind immer noch Ersatz-Biohüllen in Stasis für Sie an Bord eingelagert, Rebecca?“

„Zwei Stück, Skipper. Es waren ursprünglich drei, aber bei meiner eigenen Reaktivierung wurde die bisherige altersbedingt unbrauchbar gewordene Biohülle von Doktor Pulsaki vor meinem Dienstantritt durch eine Frische ersetzt.“

„Das erklärt, warum Sie erheblich jünger aussehen als bei unserer letzten Begegnung vor fünfzig Jahren.“

„Das war vor sechsundfünfzig Jahren, zwei Monaten und vier Tagen, Skipper“, berichtigte Fisher sie, um dafür einen strengen Blick von Ineiau zu kassieren.

Die Wölfin Lieutenant Lani hatte bisher ungläubig von der Sicherheitsstation neben Lieutenant Namo zugehört. Jetzt schüttelte sie immer noch verblüfft den Kopf. „Das erklärt aber den Geruch und die Geräusche von ihr. Ich war bisher wie die anderen Wölfe davon ausgegangen, dass sie wie Ineiau Endoprothesen hätte. Obwohl uns Rebecca irgendwie sonderbar und sehr exzessiv vorkam. Aber sie scheint dann der einzige Androide an Bord zu sein?“

„Ja, Rebecca ist die Einzige auf der Vengeance. Sie können den Unterschied zwischen ihr und Menschen riechen und hören? Und Sie können meine künstlichen Gelenke hören?“, richtete sich Ineiau an die eisgraue Wölfin, wofür sie sich weit in ihrem Kommandosessel nach vorne lehnen musste, um sie an der rechten Stützstrebe vorbei halbwegs sehen zu können.

Lani nickte kurz auf die eigenartige Weise der Frikka-Wölfe.

„Das ist wenig überraschend, Skipper. Selbst heute noch werden Wachhunde und ähnliche Wesen mit gutem Geruchssinn und Gehör zur Enttarnung von Terminatoren eingesetzt, obwohl es schon lange keine aktiven Einheiten mehr geben sollte und jeder Bioscanner oder Metalldetektor dafür ausreichen würde“, erklärte Fisher.

„Anwesende ausgenommen“, konnte sich Hel mit einem Grinsen trotz ihres eigenen Erstaunens über die Enthüllung nicht verkneifen.

Fisher nickte ernst, ohne dabei offenbar den Humor in der Aussage zu bemerken. „Starfleet Intelligence hat noch weitere Exemplare meiner Serie im Einsatz oder zumindest eingelagert. Es wurde zuletzt vor dreiundsiebzig Jahren, sieben Monaten und zwölf Tagen eine andere aktive Einheit entdeckt, die nicht zu Starfleet Intelligence gehörte, aber es könnte theoretisch immer noch einzelne Terminatoren geben, die bisher unentdeckt geblieben sind.“

Ineiau sah sich auf der Brücke um. „Ich werde nachher noch ein Memo für die nicht anwesenden Besatzungsmitglieder schreiben. Gibt es dazu jetzt noch weitere Fragen von Ihrer Seite?“ Nach den verneinenden Antworten fuhr sie fort: „Dann wollen wir jetzt endlich aufbrechen. Captain Sisko wundert sich wahrscheinlich bereits, warum wir nicht nachkommen.“

„Wir sind bereit für Warpgeschwindigkeit, Skipper“, meldete Wierzbowska, während sie weiterhin gleichzeitig aus den Augenwinkeln möglichst unauffällig Fisher musterte.

„Dann los!“, befahl Ineiau.

Die Vengeance ging mit einem sonoren Brummen auf Warpgeschwindigkeit und ließ damit Deep Space 9 hinter sich.

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