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Starship Vengeance - Hinter feindlichen Linien

von Thilo

Rendezvous

Hel betrat Ineiaus Kabine, nachdem sie dazu aufgefordert worden war.

Die alte Ani saß in einem der schwarzen Sessel. Vor ihr auf dem Tisch befanden sich sichtlich vergessen ein Kaffeebecher und ein Datenpad.

„Freier Himmel, ich muss gestehen, dass ich zurzeit lieber alleine wäre. Was kann ich für Sie tun, Hel?“

Hel stellte sich steif wie ein Schulkind vor seiner strengen Lehrerin neben den Tisch. Ineiau wies sie mit einer Geste an, sich zu setzen, was Hel dann auch tat, obwohl sie sich immer noch unbehaglich fühlte. „Skipper, ich würde Ihnen niemals vor der Besatzung offen widersprechen. Aber war das notwendig? Es war nur ein Konstruktionsschiff, und sie hätten uns nicht aufhalten können.“

Die Ani lehnte sich sichtbar aufgewühlt in ihrem eigenen Sessel zurück. Offensichtlich hatte sie selbst die ganze Zeit schon darüber gegrübelt, vermutete Hel.

„Zuerst: Es gehört zu Ihren Aufgaben als Erste Offizierin mir zu widersprechen, wenn Sie ein Problem sehen oder eine bessere Lösung für ein Problem haben. Das hat nichts mit Insubordination zu tun“, begann Ineiau. „Und ja, es war leider notwendig, um unentdeckt zu bleiben. Die Cardassianer hätten zwar unseren Rückzug nicht mehr verhindern können, aber sie wären vorgewarnt gewesen und hätten entsprechend bei unserem eigentlichen Zielort die Verteidigung verstärkt, was unseren Angriff darauf entweder unmöglich oder zumindest erheblich schwerer und verlustreicher gemacht hätte. Falls sie das Ziel nicht einfach woanders hingebracht hätten, immerhin scheint es mobil zu sein. Außerdem hätten wir uns verfolgt nicht am Rendezvouspunkt mit der Defiant treffen können, was ebenfalls den Erfolg unserer Mission verhindert hätte.“

Hel verstand und nickte.

Ineiau nahm einen Schluck aus ihrem Becher und verzog angewidert das Gesicht. Wahrscheinlich war der Kaffee kalt und abgestanden. Sie erhob sich und ging zur Getränkebar. „Möchten Sie ebenfalls einen Kaffee?“

„Ja bitte“, antwortete Hel immer noch niedergeschlagen über die letzten Ereignisse.

„Das erste Opfer im Krieg ist die Unschuld, Hel“, sprach die alte Ani, während sie zwei Becher mit frischem Kaffee vorbereitete. „Mein einziger Trost liegt darin, dass es sich bei der Besatzung des Konstruktionsschiffes ebenfalls um Soldaten handelte, die sich des Risikos bewusst waren, selbst wenn sie abseits der Front arbeiteten. Und ich möchte betonen, dass das Letzte, was ich je wieder erleben möchte, ein Angriff auf Zivilisten wäre, egal, ob unsere oder die des Feindes. Das wäre ein Befehl, den ich schlicht verweigern würde. Aber bedauerlicherweise haben sowohl die Cardassianer wie auch das Dominion bereits mehrfach gezeigt, dass sie selbst keine derartigen Hemmungen oder Vorbehalte haben. Das Dominion hat bereits offen angekündigt, dass sie einen Genozid auf der Erde und weiteren Welten in der Föderation planen. Was wiederum einen Kompromissfrieden oder gar Gebietsabtretungen unmöglich macht. Wir kämpfen nicht um Territorium und Macht, sondern für das Überleben und die Sicherheit der Föderation und damit unserer Bevölkerung.“ Sie kam mit den beiden Bechern zurück und stellte sie auf den Tisch, bevor sie sich wieder setzte. „Ich halte es für wahrscheinlich, dass das Geheimprojekt eine Waffenentwicklung ist, von der das Dominion hofft, damit das Blatt zu ihren Gunsten zu wenden. Ob diese Waffe dabei direkt auf Zivilisten zielt, ist irrelevant angesichts der unmittelbaren Folgen unserer Niederlage.“

„Ich verstehe, Skipper“, erwiderte Hel leise und beschämt, während sie Pfeffer und Honig in ihren Kaffee tat.

„Seien Sie stolz auf Ihren Idealismus und bewahren Sie ihn so lange wie möglich“, erwiderte Ineiau tröstend. „Ich bin mir nicht sicher, wie viel von meinem noch verblieben ist.“

 

Auf der Brücke der Vengeance stand Ineiau von ihrem Kommandosessel auf, wobei sie versuchte, das deutlich hörbare Knacken ihres rechten Knies zu ignorieren, und ging um die rechte Stützstrebe vorbei zur Sensorstation. Sie warteten jetzt schon seit mehreren Stunden am Rendezvouspunkt inmitten des Nirgendwo, aber die Defiant war bis jetzt nicht eingetroffen.

Namo sah von seiner Station fast schuldbewusst mit hängenden Ohren auf. „Immer noch nichts, Skipper.“

„Ich weiß, und Sie können nichts daran ändern“, beruhigte ihn Ineiau, während sie gleichzeitig selbst die Anzeigen überflog. Sie drehte sich zur Kommunikationsstation. „Gibt es im cardassianischen Funkverkehr irgendwelche Veränderungen, die auf die Entdeckung der Defiant hindeuten?“

Sato und Shira kontrollierten abermals ihre Stationen. „Der Funkverkehr ist unverändert, und es wurde offenbar kein Alarm ausgelöst, Skipper“, meldete dann Sato.

Hel trat jetzt hinter der linken Stützstrebe hervor, wo sie ebenso unruhig wie Ineiau die Ingenieursstationen überprüft hatte. „Sie sind seit vier Stunden überfällig. Wie lange warten wir?“

Ineiau überlegte. „Zumindest noch zwanzig Stunden. Wenn wir bis dahin nichts von der Defiant gehört haben, müssen wir vom Schlimmsten ausgehen und kehren nach Deep Space 9 zurück.“

Hel nickte sichtbar unglücklich darüber, während sie gleichzeitig die massive v-förmige Stützstrebe betrachtete.

Ineiau hatte das Gefühl, dass der kleinen Marikanerin eine Frage auf der Zunge lag. „Was ist es, Hel?“

„Nichts … Das heißt nichts Wichtiges und nichts zur Lage.“

„Wir haben im Moment außer Warten nichts weiter vor“, ermutigte Ineiau sie.

Hel legte eine Hand an die Strebe und sah an ihr hoch. „Warum gibt es auf der Brücke diese riesigen Deckenstreben? Ich war bisher nach der Akademie nie auf einem Sternenschiff eingesetzt, aber keine der anderen Kommandobrücken, deren Bilder ich gesehen habe, hat so etwas.“

„Die Vengeance ist als Schlachtschiff gebaut worden und hat eine entsprechend verstärkte tragende Struktur im Vergleich zu anderen Sternenschiffen. Sie sollte nicht nur fürchterlich austeilen können, sondern selbst ebenso fürchterliche Schläge einstecken können. Diese Stützstreben ermöglichen es, dass die Brücke sehr viel größeren Belastungen als üblich standhält. Auf der anderen Seite verhinderten sie bei der Modernisierung ein Standardbrückenmodul einzubauen, weshalb die Vengeance immer noch ihre ursprüngliche Brücke besitzt“, erklärte Ineiau.

„Aber eine Standardbrücke hätte diese Streben doch nicht benötigt“, hörte sie Abhinav Singhs Stimme hinter der linken Stützstrebe.

„Wahrscheinlich nicht, obwohl die Widerstandsfähigkeit unserer Brücke um das Mehrfache höher ist als die einer Standardbrücke“, stimmte ihm Ineiau zu. „Auf der anderen Seite war dieses Schiff das persönliche Projekt von Admiral Marcus. Ich vermute, dass diese riesige und meiner Meinung nach unübersichtliche Brücke auf seine Wünsche zurückgeht.“

Shira sah von ihrer Station auf. „Vice Admiral Alexander Marcus von Tactical Command?“, vergewisserte sie sich.

Ineiau sah sie an. „Das ist richtig. Er ist rund ein Jahr vor der Indienststellung der Vengeance gestorben, weshalb ich an seiner Stelle für … Spezialaufgaben das Kommando übernahm.“

„Es heißt, dass er ermordet wurde. Und er galt als ziemlicher Kriegsfalke gerade gegenüber dem Klingonischen Reich. Sein unerwarteter Tod und die aufgedeckten Vorbereitungen seines Coups haben viel Aufsehen erregt. Und es hat zahlreiche Spekulationen und Gerüchte darüber gegeben. Es heißt, er hätte sogar ...“

Ineiau gebot ihr mit einer erhobenen Hand zu schweigen. „Ich kenne nicht die näheren Umstände seines Todes, aber ich bezweifele, dass er wirklich einen Unfall hatte, wie es offiziell verlautbart wurde. Und ja, die Vengeance wurde von ihm als Instrument für einen Angriffskrieg gegen die Klingonen und Romulaner geschaffen. Das ist einer der Gründe, weshalb ihre Existenz weiterhin geheim gehalten wird. Und weiter sollten wir nicht darauf eingehen!“

Shira überlegte sichtbar eine weitere Frage, schwieg dann aber doch.

„Skipper, ich habe einen getarnten Kontakt. Ich glaube, es ist die Defiant“, unterbrach jetzt Namo die Diskussion endgültig.

Ineiau und Hel traten zu seiner Station.

Namo war noch damit beschäftigt, seine Daten auszuwerten. Er zeigte auf eine Anzeige. „Das könnte Warpplasma sein.“

Ineiau überprüfte ebenfalls die Anzeige mit langjähriger Erfahrung. „Das ist Warpplasma. Wahrscheinlich von der rechten Warpgondel. Gibt es Anzeichen, dass sie verfolgt werden?“ Gleichzeitig begann sie selbst schon über Namos Schulter hinweg, die entsprechenden Anzeigen abzulesen.

„Nein, keine weiteren Kontakte. Die Defiant ist aber weiterhin getarnt. Besteht die Möglichkeit, dass sie uns nicht entdeckt haben?“

„Wir sind unter Stealth, aber im Gegensatz zu ihnen nicht unsichtbar. Und solange sie getarnt sind, können wir nicht feststellen, ob ihre Sensoren möglicherweise beeinträchtigt sind“, antwortete Ineiau, während sie ihre Möglichkeiten überschlug.

„Sie hat bisher auch nicht versucht, uns zu rufen“, meldete Sato hinter ihr.

Ineiau überprüfte die Entfernung zur Defiant. „Aki, Alarmstufe Gelb und Schilde hoch! Abhinav, schalten Sie unseren Stealth ab!“

Sie und Hel beobachteten aufmerksam die Reaktion des anderen Schiffes. Ineiau entspannte sich etwas, als sich die Defiant enttarnte und Sato meldete, dass sie angerufen wurden.

Sie und Hel traten in den mittleren Bereich der Brücke, und auf dem Hauptbildschirm erschien Captain Sisko in seinem eigenen Kommandosessel.

„Freier Himmel, Captain Sisko. Werden Sie verfolgt?“, begrüßte Ineiau ihn.

„Nein, Captain Ineiau. Wir sind unentdeckt geblieben und haben unsere Peilungen und Daten gewonnen. Wir waren uns durch Ihren Stealth nicht sicher, mit wem wir es wirklich zu tun hatten. Oder ob Sie womöglich nur eine Sensorreflexion wären.“ Er lächelte entschuldigend, bevor er fortfuhr: „Aber auf dem Weg von Sardos hierher sind mehrere Plasmaregulatoren in unserem Warpantrieb durchgebrannt. Wir sind das letzte Stück hierher nur mit der linken Warpgondel gehumpelt.“

„Benötigen Sie Hilfe bei den Reparaturen? Und könnte es Sabotage gewesen sein?“

„Danke, für die Reparaturen benötigen wir Ersatzteile, die auf Deep Space 9 sind. Die von der Vengeance passen nicht. Aber eine Abschlepphilfe wäre willkommen, damit wir noch in diesem Leben dorthin zurückkommen. Und Chief O’Brien schließt Sabotage aus. Er hatte bereits vor unserer Abreise vorgehabt, nach der Rückkehr diese Regulatoren auszutauschen.“

„Die Vengeance hat unter dem Diskus zwei ausfahrbare Andockringe, die für die Zerstörer der experimentellen Zodiac-Klasse vorgesehen waren. Angesichts der ähnlichen Größe und Form der Defiant sollten Sie dort anlegen können, ohne dabei unsere Warpfähigkeit wesentlich zu beeinflussen. Allerdings hatten die Zodiac dafür einen oberen Andockring, der Ihnen wahrscheinlich fehlt.“

Sisko grinste. „Der obere Andockring wurde bei der Defiant ebenfalls verbaut. Und nicht nur ich hatte mich schon seit Längerem gefragt, wofür der überhaupt vorgesehen ist. Dann müssen wir nicht den Transporter benutzen, um zu Ihnen hinüberzukommen.“

„Sie meinen heraufkommen“, berichtigte Ineiau ihn ebenfalls mit einem Grinsen. Sie wandte sich an Singh. „Abhinav, bitte bereiten Sie alles für das Andockmanöver vor.“

„Wird erledigt, Skipper“, bestätigte der Inder.

 

Hel folgte Ineiau zur Schleuse des rechten unteren Andockringes. Sie bemerkte, dass es auch hier die Körperscanner zur Aufspürung von Formwandlern gab. Die Schleuse selbst war bereits geöffnet worden und offenbarte die zur Defiant ausgefahrene steile Treppe, auf der gerade Captain Sisko gefolgt von Worf, Dax und Kira hochstieg.

„Ich bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen, Captain Ineiau“, begrüßte sie Sisko förmlich.

„Erlaubnis erteilt. Freier Himmel und willkommen auf der Vengeance“, antwortete Ineiau ebenso formell entsprechend der Tradition.

„Im Sardos-System waren die Sicherheitsmaßnahmen und Patrouillen erheblich verstärkt. Wenn es im Pirika-System ähnlich aussah, dürften Sie wahrscheinlich ohne eine echte Tarnvorrichtung nicht erfolgreich gewesen sein?“, vermutete Sisko.

„Wir sind etwas durch den Verkehr aufgehalten worden, aber dank Hel waren wir noch rechtzeitig, um die dritte bis fünfte Übertragung abzuhören“, erklärte Ineiau zufrieden. „Und wir sind wegen ihres Einfallsreichtums auch unentdeckt geblieben.“

Sisko musterte Hel interessiert. „Dann bin ich gespannt zu hören, wie Sie das geschafft haben.“

„Wir sollten das aber nicht hier im Korridor besprechen, sondern uns in einem Konferenzraum dafür begeben“, erwiderte Ineiau mit einem sichtlich stolzen Lächeln auf Hel und einer dieser fremdartig anmutenden Gesten.

 

Während die Vengeance bereits mit hoher Geschwindigkeit nach Bajor eilte, tauschten in einem Konferenzraum die Kommandocrews beider Schiffe ihre jeweiligen Erlebnisse im Sardos- beziehungsweise Pirika-System aus.

„Also bewegt sich dieses Forschungsprojekt. Mit drei parallelen Peilungen sollten wir aber in der Lage sein, es zu lokalisieren“, fasste Ineiau das Ergebnis zusammen.

„Vorausgesetzt, es befindet sich wirklich auf einer berechenbaren Flugbahn“, gab Dax zu bedenken.

Sisko betrachte die Daten auf dem Wandbildschirm mit zusammengelegten Händen und auf dem Tisch abgestützten Ellenbogen. „Und je länger wir warten, umso geringer werden unsere Chancen, sie wirklich zu finden. Da die Defiant für mindestens zwei Wochen ausfällt, müsste sich die Vengeance allein auf die Suche begeben.“

„Wir wissen nicht, was dort wirklich ist. Wäre es nicht besser, eine ganze Flotte dorthin zu schicken?“, brachte Hel ein.

Ineiau tauschte kurz mit Sisko einen Blick, dann schüttelte sie den Kopf.

Aber es war Worf, der die Frage laut beantwortete: „Wir müssen erst das Ziel finden und identifizieren. Dafür ist die Vengeance ausreichend und mit ihrer Stealthsuite die beste Auswahl. Eine Flotte würde mit angehender Sicherheit entdeckt werden, wenn sie den cardassianischen Raum durchsuchen würde. Falls notwendig, können Sie dann immer noch Verstärkungen anfordern.“

„Das sehe ich ebenso“, stimmte Ineiau ihm zu.

„Trotzdem könnte es sinnvoll sein, wenn Commander Worf und Commander Dax an der Mission zusammen mit Ihnen teilnehmen“, schlug Sisko vor.

„Ihre Expertisen könnten hilfreich sein“, willigte Ineiau widerwillig ein angesichts der ablehnenden Haltung von Worf und ihrer letzten Begegnung mit Dax‘ vorherigem Wirt.

Worf wirkte ebenso wenig begeistert, während Jadzia den enthusiastischen Eindruck eines Kindes im Weihnachtskaufhaus machte.

„Und wir haben möglicherweise auch während Ihrer Abwesenheit eine Möglichkeit, Ihre Theorie zur Aufspürung von Gründern auf Deep Space 9 auszutesten“, ergänzte Sisko.

Ineiau sah ihn an. „Inwiefern?“

„Doktor Bashir hat unmittelbar nach unserer Abreise die Nachricht erhalten, dass ihm eine neue Krankenpflegerin von Starfleet zugeteilt wird. Sie ist eine Ani.“

„Das ist ein unerwarteter Zufall, der uns ganz recht kommt. So viele gibt es von uns nicht mehr in Starfleet. Ich frage mich, ob ich sie kenne. Wer ist es?“

Sisko sah kurz zur Kontrolle auf sein Datenpad. „Ensign Meriau Cher-kira-Ke“, las er den Namen vor.

Kira blickte ihn überrascht an. „Cher-kira-Ke? Ist sie mit Captain Ineiau verwandt?“

Ineiau schüttelte den Kopf. „Nein, es ist kein Familienname, sondern bezieht sich auf den Geburtsort. Sie stammt aus der gleichen Großstadt wie ich. Aber ich glaube, mich an sie zu erinnern. Sie gehörte zu Hekaris letztem … oder vorletztem Jahrgang als Dozentin an der Krankenpflegeschule in Cher-kira, bevor Hekari in den Ruhestand ging.“ Ineiau lächelte unwillkürlich. „Meriaus offene Heldenverehrung für mich auf der Abschlussfeier war mir doch unangenehm. Möglicherweise erinnere ich mich allein deswegen an sie.“

Sisko nickte knapp. „Sie wird noch vor Odo auf der Station eintreffen.“

„Wir sind womöglich bereits wieder unterwegs, wenn er kommt. Wir sollen nach dieser Mission in den Wilden Raum vorstoßen.“

„Ich weiß, aber zumindest für die Versuche mit dem Konstabler sollte uns Ensign Meriau weiterhelfen können“, beruhigte sie Sisko.

„Das hört sich gut an. Wir sollten in zweiundzwanzig Stunden Deep Space 9 erreichen. Wir setzen Sie dort mit der Defiant ab und brechen dann gleich zu unserer Suche auf“, stimmte Ineiau ihm zu.

 

Hel betrat nach dem knappen „Ja!“ Rebecca Fishers Kabine. Sie blickte sich unwillkürlich um. Die Kabine entsprach den üblichen Quartieren für Junioroffiziere auf der Vengeance. Hel überlegte, ob die Androidin das Bett mit der schwarzen Tagesdecke überhaupt benutzte. Ihr Blick blieb an mehreren Bildern an der Wand hinter der Sitzecke hängen, die mindestens zwei verschiedene Paare zeigten. Und auf jedem Foto war Fisher dabei, wobei diese auf einigen erheblich älter als jetzt erschien. Hel war für einen Moment verwirrt, aber dann erinnerte sie sich an die Erwähnung der ersetzten gealterten Biohülle der Androidin.

„Was kann ich für Sie tun, Hel?“, wurde sie von Fisher aus ihrer Betrachtung gerissen.

„Es tut mir leid, Rebecca. Ich wollte nicht neugierig erscheinen“, entschuldigte sich Hel mit schlechtem Gewissen.

„Ich nehme keinen Anstoß. Ansonsten hätte ich die Fotos nicht für Besucher sichtbar aufgehängt“, sagte die Androidin beinahe freundlich. Sie sah jetzt ebenfalls die Bilder sichtbar nachdenklich an.

„Die Bilder gehören nicht zu Ihrer Tarnung als Mensch?“, fragte Hel vorsichtig.

„Nein, Lance Bishop und Eric Blake waren wirklich meine Lebensgefährten. Und ich habe sie beide überdauert. Sie konnten mit mir ihr ganzes Leben verbringen, aber ich konnte nicht meine ganze Existenz mit ihnen verbringen.“ Fisher drehte sich abrupt um und ging zur Getränkebar. „In meiner Programmierung wurden Konzepte für Liebe, Schmerz und Trauer nie implementiert. Aber durch Lance und Eric habe ich sie gelernt.“ Scheinbar gleichgültig bereitete sie zwei Becher Kaffee zu, während sie mit ausdrucksloser Stimme fortfuhr: „Und ich würde es vorziehen, wenn ich diese Konzepte nie kennengelernt hätte oder einfach löschen könnte. Sie können sehr ablenkend sein.“

Hel glaubte nicht für einen Moment, dass die Androidin wirklich diesen Wunsch verspürte. Sie setzte sich nach einer knappen Geste als Einladung in einen der schwarzen Sessel.

„Das klingt für mich nach einer Entwicklung, um die Sie Commander Data beneiden würde.“

Fisher stellte die Kaffeebecher auf den niedrigen Tisch ab. „Ich bin ihm bisher nie begegnet. Aber die Leistungsfähigkeit seines positronischen Gehirnes liegt erheblich über der meines Prozessors. Es ist dem menschlichen Gehirn sehr viel ähnlicher und außerdem zu echter Kreativität fähig. Er sollte diese Konzepte in einem erheblich kürzeren Zeitraum als ich erlernt haben. Ich bin nur ein Computer.“

Hel nahm vorsichtig einen Schluck von ihrem Kaffee. Aber Fisher hatte wieder genau die richtige Menge Pfeffer und Honig dafür genommen. „Darf ich fragen, wie alt Sie sind, Rebecca?“

Fisher lächelte dünn. Es wirkte auf Hel wieder irgendwie unwirklich. „Sie dürfen, aber ich kann die Frage nicht beantworten. Die Antwort ist jenseits Ihrer Sicherheitsfreigabe klassifiziert.“ Sie nahm ebenfalls einen Schluck von ihrem Kaffee. „Ich kann Ihnen aber zumindest sagen, dass ich zur Sternzeit 2264.1804 das erste Mal unter Ineiaus Kommando gestellt wurde.“

„Sie sind dann mehr als einhundertundzehn Jahren ununterbrochen im Dienst?“, fragte Hel ungläubig nach.

Fisher schüttelte den Kopf. „Nein, es gibt mehrere längere Unterbrechungen. Und nach Erics Tod wurde ich auf meinen eigenen Wunsch eingelagert. Ich ertrug seinen Verlust einfach nicht, aber ich bin nicht zur Selbstterminierung fähig. Ich wurde wegen des Krieges wieder reaktiviert.“

„Es tut mir leid“, sagte Hel leise.

„Ineiau hat mich vor langer Zeit angewiesen, Wiederholungen zu vermeiden. Vielleicht sollten Sie das ebenfalls tun“, erwiderte die Androidin ausdruckslos. „Aber das ist nicht das Gesprächsthema, weshalb Sie zu mir gekommen sind?“

Hel drehte nachdenklich ihren Kaffeebecher auf dem Tisch. „Nein, es geht um den Skipper … um Ineiau. Sie sind die einzige Person an Bord, die sie schon länger kennt.“

„Ich bin genau genommen keine Person, sondern eine Maschine wie ein Schiffscomputer“, widersprach Fisher ihr ruhig, als wäre es eine Selbstverständlichkeit.

„Sie sind eine Person! Basta!“, entfuhr es Hel. Sie spürte, wie ihr Gesicht dunkelgrün wurde vor Scham, und wollte zu einer Entschuldigung ansetzen.

Fisher hielt sie mit einem knappen Kopfschütteln davon ab. „Die Rechtsentscheidung aus dem Jahr 2365 über Lieutenant Commander Datas Status als lebende Person mit vollen Menschenrechten gilt nicht für mich und die anderen Exemplare meiner Serie, da es uns offiziell nicht gibt und wir außerdem keine Androiden vom Soong-Typ mit positronischem Gehirn sind. Ebenso wenig, wie sie für Computer und Hologramme gilt. Auch meinen derzeitigen Rang habe ich im Gegensatz zu Commander Data nur aus Tarngründen erhalten, und ich werde nie weiter befördert werden. Aber das ist jetzt irrelevant. Sie wollten mit mir über Ineiau sprechen.“

„Chamäleons … Ani sind mir unheimlich, obwohl ich inzwischen von deren Beschränkungen in der Gestaltwandlung weiß. Ineiau sagte mir, dass sie nicht mehr aus eigenem Willen Gestaltwandeln könnte. Aber während eines unserer Gespräche nahm sie … ungewollt die Gestalt von Admiral van Dyke an.“ Hel erschauerte abermals bei der Erinnerung.

„Haben Sie mit jemand anderes bereits darüber gesprochen?“, fragte Fisher.

Hel wurde bewusst, dass die Frage nach dem alten Klischee eines Killers klang, der sichergehen wollte, dass es nur seinen Gesprächspartner als Zeugen gab, bevor er diesen tötet. Und Fisher war ursprünglich als ein Attentäter gebaut worden. Sie versuchte, den Gedanken als absurd beiseitezuschieben. „Nein, Sie sind die erste Person.“

„Wie weit sind Sie über die Lebenserwartung und den Alterungsprozess von Ani informiert?“, fragte Fisher weiter und ignorierte diesmal die Einstufung als Person.

„Ich weiß, dass sie mit rund zweihundertzehn Standardjahren eine ähnliche Lebenserwartung wie Marikaner haben. Ineiau erscheint mir aber als älter, als sie es eigentlich ist.“

„Die Zahl ist zwar für die Gesamtheit der Ani korrekt, aber irreführend. Ihre Lebenserwartung ist direkt abhängig von ihrer jeweiligen Körpergröße. Für eine kleinwüchsige Ani in Ihrer Größengruppe würde der Schnitt bei 243,13 Standardjahren liegen. In Ineiaus Gruppe beträgt sie nur 166,84 Standardjahre.“

Hel setzte überrascht ihren Kaffeebecher ab. „Ineiau ist 168 Jahre alt!“

„Korrekt, sie ist bereits geringfügig überdurchschnittlich, aber keinesfalls ungewöhnlich alt. Ihrer aktuellen körperlichen Verfassung nach schätze ich, dass sie möglicherweise noch zehn bis fünfzehn Standardjahre vor sich hat. Aber das lässt sich nur schwer voraussagen. Die von Ihnen beschriebene ungewollte Anpassung ist eine Alterserscheinung, die im hohen Alter nicht ungewöhnlich oder selten ist, aber sozial stigmatisiert wird, obwohl sie keinen Einfluss auf die geistigen oder sonstigen körperlichen Fähigkeiten hat.“ Fisher schien kurz zu überlegen, wie sie fortfahren sollte. „Bitte geben Sie die Information über diesen Vorfall nicht weiter. Ich weiß nicht, wie weit Doktor Hoffmann darüber von Ineiau eingeweiht wurde, oder ob er überhaupt mit dieser Information etwas anfangen könnte. Aber selbst falls dem so ist, könnte er nichts daran ändern.“

„Selbstverständlich“, antwortete Hel betroffen.

Sie schwiegen, während sie ihren Kaffee tranken.

„Rebecca, wissen Sie, was damals zwischen Ineiau und Curzon Dax vorgefallen war?“

Die Androidin sah sie für einen Moment ausdruckslos an, bevor sie antwortete: „Ja, ich weiß es.“

Es entstand ein quälend langer Moment der Stille.

Hel hob eine Augenbraue und seufzte. „Wenn ich fragen würde, ob Sie es mir erzählen könnten, würden Sie nur mit Ja oder Nein antworten?“

„Das wäre normalerweise die korrekte Antwort auf diese Frage, aber ich möchte nicht unnötig Ihre Geduld strapazieren. Die Antwort wäre Ja. Wobei ich zugeben muss, dass ich häufig Probleme habe, indirekte Fragen richtig zu interpretieren. Wahrscheinlich wäre ein Soong-Androide mir diesbezüglich gegenüber im Vorteil wie auch eine lebende Person“, erwiderte Fisher, nahm die leeren Kaffeebecher und ging zur Getränkebar, um frischen Kaffee zuzubereiten.

Hel hörte sich bei ihrem Kaffee neugierig die Erzählung der Androidin an. Obwohl es sie irritierte, dass diese die Stimmen von Ineiau, Curzon und anderen perfekt imitierte, während sie deren direkte Rede wiederholte.

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