TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Der Fürsorger – The next Generation

von Sphere

Kapitel 2

KAPITEL 1



Picard verlor nicht das Bewusstsein, doch in dem einen Augenblick geschah so viel, dass er für einen Moment dennoch benommen war.

Die im Vergleich zur Wucht des Schlages zweifellos mikroskopisch kleinen Beschleunigungskräfte, die von den Trägheitsdämpfern nicht präzise genug absorbiert werden konnten, waren immer noch heftig genug, um ihn auf den Fußboden zu schleudern, in etwa da hin, wo Q gestanden hatte und ihn daran zu erinnern, wie schmerzhaft hart die Duraniumplatten unter dem ästhetischen Teppich waren. Lichter erloschen, ein durchdringendes Kreischen zog sich durch das Schiff. Zu seiner Rechten kam es zu mehreren Explosionen. Ein automatisches System gab von sich aus Roten Alarm.

Er gönnte sich keinen Moment der Ruhe, in welchem er instinktiv die Augen geschlossen und tief durchgeatmet hätte. Ohne Umschweife zwang er sich auf die Beine.

Keine zwei Monate war es her, seit an beiden Seiten der Brücke zusätzliche Nebenstationen installiert worden waren. Eine davon stand nun in Flammen. Das Löschsystem schien zu versagen. Dunkler Rauch begann sich auf der Brücke auszubreiten und die Lungen zu reizen.

Lieutenant Gates von der Steuerung und ein Fähnrich der Ersatzmannschaft, welcher wie aus dem Nichts erschienen war, begannen mit Handfeuerlöschern den Brand zu stillen.

„Schadensbericht“, forderte Picard von einem etwas zerzaust und wild aussehenden, aber ansonsten unverletzten Lieutenant Worf.

Dieser bearbeitete seine Konsole. „Die Schutzschilde existieren nicht mehr. Hüllenbrüche auf den Decks 8 und 32. Es gibt Berichte über Verletzte, aber bisher keine Todesopfer.“

Die letzte Mitteilung erleichterte Picard etwas. „Tun Sie alles, um die Brüche zu versiegeln.“

„Captain“, meldete sich nun Data zu Wort. „Gemäß unserer Sensoren befinden wir uns 75000 Lichtjahre von unserer vorherigen Position entfernt. Im Sektorwürfel L-9-64 des Delta-Quadranten.“

Schon einmal hatte Q sie über eine größere Strecke katapultiert. Damals war es zum ersten Kontakt mit den Borg gekommen. Doch diesmal war es anders. Abgesehen davon, dass die zurückgelegte Strecke um mehr als das zehnfache größer war, hatte Q sie damals mit seinen eigenen Kräften dort hin katapultiert. Eben jedoch hatte dies eine Verlagerungswelle besorgt, die zwar von Q herbeigerufen worden war, aber ansonsten nichts mit ihm zu tun hatte. Vermutlich gehörte sie zu dem „Spiel“, das sich Q ausgedacht hatte.

„Wir befinden uns in unmittelbarer Nähe einer Art Phalanx“, kam es nun wieder von Worf.

Picard blickte auf den Schirm, der zur Zeit nichts als Störungen zeigte. „Können Sie sie auf den Hauptschirm bringen?“

Das Feuer war inzwischen gelöscht, daher war es nun still genug, dass er das Piepsen von Worfs Konsole hören konnte. Nach einem kurzen Moment schälte sich aus dem Gestöber des Bildschirms eine Raumstation heraus. Sie bestand aus einem Kernstück, von welchem mehrere großflächige, in etwa rautenförmige Ableger ausgingen. An Ober- und Unterseite befanden sich zylinderförmige Sektionen, von denen die untere in Abständen einiger Sekunden grellweiße Energiepakete auf ein entferntes, nicht erkennbares Ziel abschoss.

Es war gewiss kein Zufall, dass sie genau vor dieser Phalanx im Delta-Quadranten angekommen waren. Andererseits hatte er nicht vor, Q in die Hände zu spielen. Er würde sich mit dieser Station also nicht weiter auseinander setzten. „Funktionieren die Triebwerke noch?“

„Der Impulsantrieb arbeitet mit halber Kraft. Der Warpantrieb ist ausgefallen.“

„Steuermann, bringen Sie uns von hier weg. Ein halb Impuls“, befahl Picard also.

„Wir wurden erneut gescannt“, meldete Worf.

Picard drehte sich um, fand Worf aber nicht an seiner Station vor. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Lieutenant Gates sich auflöste, noch während sie mit ihrer Eingabe beschäftigt war. Dann fühlte er, wie auch sein Körper scheinbar ins Nichts verwehte.



~ ~



Vermutlich war Geordi LaForge derjenige, der in diesen Minuten am meisten zu tun hatte. Der Captain mochte Prioritäten festlegen und die Ingenieure mochten Geordis Anweisungen umsetzen. Aber er war es, der sich ein Bild der Lage machen musste, im Großen wie im Kleinen und das in einem fast unmenschlichen Tempo. Er war es, der entscheiden musste, wie die Probleme gelöst werden konnten und wer es machen sollte. Er war es, der den Forschritt, dessen Ausbleiben und eventuelle Rückschläge beobachten und darauf reagieren musste.

Zuletzt hatte er Fähnrich Tyler zur Reparatur einer ODN-Leitung in die Jefferiesröhren gejagt und eben noch geglaubt, damit das Wichtigste abgehakt zu haben. Aber noch lag etwas in der Luft, das ihm nicht sofort einfallen wollte.

Auf der zweiten Ebene des Maschinenraums waren einige kleinere EPS-Kanülen geplatzt. Nichts Schlimmes, der verbrannte Teppich in deren Umgebung fiel fast mehr ins Gewicht. Doch da war noch etwas. Etwas in der Luft!

„Trikorder!“, verlangte er.

Für den Fall, dass sich noch etwas finden würde, was einen wirklich guten Ingenieur erforderte, hatte er bisher Barclay noch nicht mit einer konkreten Aufgabe betraut. Jetzt allerdings war der gute Mann zu Geordis Bedauern gerade mal dazu gut, ihm hastig das gewünschte Gerät zu bringen.

Ein wissenschaftlicher Trikorder war nichts, mit dem LaForge auch nur einen simplen Chip einer detaillierten Analyse unterzogen hätte. Aber wenn man Antworten suchte und die Frage nicht genauer, als was ist hier überhaupt los formulieren konnte, war ein Trikorder das perfekte Werkzeug und daher auch im Maschinenraum stets griffbereit.

LaForges Finger flogen über die Tasten. Abgesehen von verschiedenen Verbrennungsrückständen fand sich auch Duraniumoxid in der Luft. Dieses entstand manchmal, wenn Duranium extremen Belastungen ausgesetzt wurde.

Verdammt!, durchfuhr es ihn, als ihm die wahrscheinlichste Erklärung dafür in den Sinn kam.

Er stürmte aus seinem Büro, umrundete die transparente Aluminiumwand, durch die man auf den Warpkern blicken konnte, und erreichte mit langen Schritten die primäre EPS-Leitung an Steuerbord, den Trikorder auf eben dieses rot leuchtende Rohr gerichtet, welches den Warpkern verließ und dessen Energie in das Schiff pumpte.

Eine heftigere Verwünschung kam ihm in den Sinn, aber noch ehe er sie laut aussprechen konnte, veränderte sich plötzlich seine Umgebung.



~ # # # ~



Es war nicht unbedingt die Reaktion, die man erwartete – dennoch war das Erste, was Commander Riker empfand, Ärger. Er konnte es einfach nicht ausstehen, ungefragt irgendwohin transportiert zu werden, sei es nun von einem Sessel in den anderen, von einem Quadranten in den anderen oder von der Brücke sonst wo hin.

Erst als Zweites begann er, die neue Umgebung zu mustern. Sauerstoff, Klasse M, angenehmes Wetter, registrierte er rasch die neuen Eindrücke. Eine Wiese. Ein Feld, möglicherweise mit Mais. Ein schmaler Streifen aus Bäumen. Einige Pavillons, verstreute Bänke und Korbstühle. Ein Haus mit einer Veranda. Zwei Stockwerke und ein Keller, weiß gestrichenes Holz, umgeben von einigen Blumen.

Die Brückenbesatzung, dazwischen weitere Crewmitglieder: Sternenflottenpersonal, Zivilisten und Kinder. Auch in größerer Entfernung Personen mit Uniformen.

„Wo sind wir?“, fragte Riker schließlich. Es war eine Kunst, bei derart offensichtlichen Fragen nicht naiv zu klingen und er konnte zu Recht von sich behaupten, sie gut zu beherrschen.

„Unbekannt“, stellte Data mit ernster Miene fest. „Die naheliegendste Möglichkeit wäre, dass wir uns auf der Phalanx befinden. Allerdings lässt die Art unserer Umgebung dies eher als unwahrscheinlich erscheinen.“

„Ja. Das hier sieht wie eine Farm aus“, kommentierte Riker und ließ sich auf die Behauptung ein: „Nordamerika, etwa erste Hälfte des 20. Jahrhunderts.“

Unbehagen über die Tatsache, dass sich nicht ausschließlich das Sternenflottenpersonal oder wenigstens nur die Erwachsenen des Schiffes in dieser schwer einzuschätzenden Situation befanden, empfand er nicht. Die Enterprise hatte schon oft in Schwierigkeiten gesteckt. Jeder hier kannte die Risiken und akzeptierte sie als Preis dafür, nicht jahrelang von seiner Familie getrennt leben zu müssen.

Die Tür des Hauses öffnete sich. Heraus kam eine ältere, menschlich wirkende Frau in einer Schürze. Ihre Haare waren zu etwas geformt, was man wohl früher mal eine Dauerwelle genannt hatte und sie trug eine in diese Epoche passende Brille im Gesicht. In den Händen hielt sie einen großen Teller aus Porzellan mit Keksen darauf. „Kommen Sie!“, rief sie ihnen fröhlich entgegen und stellte den Teller zu einigen Gläsern auf einem Tisch ab. „Kommen Sie auf die Veranda! Ich habe einen Krug mit Limonade und ein paar Kekse für Sie.“

Rikers Blick traf sich mit dem von Data. Er drückte Befremden aus. Da befand man sich mitten im Delta-Quadranten und wurde prompt in einer absolut irdischen Umgebung zu selbstgebackenen Keksen eingeladen. Unpassender konnte es wirklich kaum kommen.

Sie gingen der Frau einige Schritte entgegen. Diese schien vor Gastfreundschaft und Freundlichkeit geradezu überzulaufen. „Oh, meine Armen, ihr müsst ja todmüde sein. Kommt, nehmt Platz und ruht euch eine Weile aus“, sie deutete auf zwei Korbstühle auf der Veranda des Hauses – viel zu wenig für sie alle. „Möchten Sie ein kaltes Getränk?“, fuhr sie, ohne zwischendrin Luft zu holen, an Worf gewandt fort.

Dieser starrte sie nur entgeistert an.

Doch ehe das empörte „Nein“ sich seinen beschwerlichen Weg durch Worfs angespannte Halsmuskulatur bahnen konnte, trat der Captain einen Schritt nach vorn. „Ich bin Captain Picard vom Föderationsraumschiff Enterprise“, stellte er sich vor.

Die Frau schien das gar nicht zu interessieren. „Ich möchte bitte, dass Sie sich wie zu Hause fühlen. Die Nachbarn müssten gleich hier sein.“ Sie blickte an einen Ort hinter Riker. „Oh! Da kommen sie ja schon!“, jubelte sie.

Da kamen tatsächlich noch mehr Leute. Niemand, den Riker gekannt hätte, aber sie passten perfekt in diese Farm-Umgebung. Sie alle wirkten menschlich und gehörten sämtlichen Altersstufen an.

Die Neuankömmlinge lachten und strahlten ihnen entgegen, als hätten sie sich schon seit Wochen auf diesen Tag gefreut. „Nun können wir endlich anfangen!“, rief die Frau. „Ihr seid alle zu unserem Begrüßungsfest herzlich eingeladen!“

Einige der Neuankömmlinge waren durchaus hübsche Frauen. Eine von ihnen zog Rikers Blick wie magisch an. Minuet, durchfuhr es Will. Die Frau erinnerte ihn an Minuet.

Doch er hatte sich verändert, seit er einen Bart trug und so wanderte sein Blick konzentriert weiter, blieb schließlich an dem alten Mann mit dem Banjo haften. Wie, als ob dieser es merkte, beobachtet zu werden, ergriff er plötzlich das Wort: „Zu Begrüßung spiel ich euch etwas vor!“, verkündete er, setzte sich mit einer fließenden Bewegung auf die Stufen vor der Veranda und begann flux seine Ankündigung in die Tat umzusetzen.

Es war eine fröhliche und irgendwie mitreißende Melodie, die er da spielte. Unter anderen Umständen hätte Riker sich gern darauf eingelassen. Aber inmitten all dieser künstlichen Fröhlichkeit und den Menschen, die vermutlich nur so wirkten, erhöhte sie nur das Befremden, das er empfand. Selbst die Kinder des Schiffes, die von den Erwachsenen inzwischen sorgsam behütet wurden, ließen sich davon nicht beeindrucken. Sie schienen ebenfalls zu spüren, dass irgendetwas nicht stimmte.

„Das ist nicht real!“ Deanna murmelte nur vor sich hin, hatte mit einem Mal aber die Aufmerksamkeit aller. Sich dessen bewusst geworden, erklärte sie: „Ich spüre von diesen Leuten nicht das Geringste!“

„Soll das heißen, das sind keine Menschen?“, hakte Picard nach.

Deanna schüttelte den Kopf. „Nein“, erklärte sie ruhig. „Selbst bei Wesen, deren Gefühle ich nicht lesen kann, spüre ich meist eine Art Präsenz. Hier aber ist gar nichts. Als ob sie nur Figuren in einem Holodeck wären.“

Das würde die absolut irdischen Pferde erklären, die Will jetzt hinter dem Maisfeld zu erkennen glaubte.

„Vor dem Transport wurde das Schiff gescannt“, warf Worf ein. „Möglicherweise hat jemand dabei die Speicher unserer Computer ausgelesen, um so eine Umgebung zu kreieren, die als...“, er stockte kurz, rümpfte die geriffelte Nase, „angenehm empfunden wird“, schloss er dann unbehaglich. Riker hätte den Klingonen nicht so gut kennen müssen, wie er es tat, um ihm anzusehen, dass die Formulierung eigentlich hätte lauten sollen: Eine Umgebung, die von den meisten Humanoiden als angenehm empfunden wird.

„Crusher an Picard“, drang es aus dessen Insignienkommunikator.

Picard tippte auf das kleine Gerät und antwortete: „Picard hier.“

Riker wurde mit einem Mal bewusst, dass er bisher nicht daran gedacht hatte, die Enterprise zu rufen.

„Befinden Sie sich auch auf der Farm?“, vergewisserte Crusher sich.

„Ja, Doktor. Wir sind alle hier.“

„So wie ich das sehe, gilt das für einen Großteil der Besatzung“, ergänzte sie. „Aber von meinen Patienten sehe ich niemanden. Wir hatten etwa 85 Crewmitglieder in Behandlung, 6 davon mit schweren Verletzungen, aber kein einziger von denen ist hier.“

„Verstanden“, nahm Picard es nur scheinbar ungerührt zur Kenntnis. Nach kaum merklichen Zögern fügte er hinzu: „Kommen Sie zu uns, Doktor. Wir befinden uns vor der Veranda des Haupthauses.“

„Ich bin schon unterwegs. Crusher, Ende.“

Als die Verbindung endete, tippte Picard erneut auf seinen Kommunikator. Offenbar war ihm der gleiche Gedanke wie Riker gekommen. „Picard an Enterprise.“

„Riker an Enterprise“, versuchte er es ebenfalls, als dem Captain keiner antwortete. Doch auch er bekam vom Kommunikator nur ein ablehnend klingendes Piepsen zu hören. Selbst wenn sich niemand mehr an Bord des Schiffes aufhielt, hätte sich zumindest der Computer melden müssen.

Picard seufzte, zog die Uniform glatt und setzte sich in Bewegung. Offenbar hatte er genug gehört.

Durch die holographischen Leute, welche inzwischen ausgelassen zu der Musik des Banjo-Mannes zu tanzen begonnen hatten und zu erwarten schienen, dass man sich ihnen anschloss, bahnte er sich höflich, aber bestimmt den Weg zu der überschwänglichen Frau, welche inzwischen die Kekse durch ein Tablett mit Maiskolben ausgetauscht hatte und vergeblich umher trug. „Wieso haben Sie uns hier her gebracht?“ Es war eine Frage, doch sie klang wie eine Forderung. „Was wollen Sie von uns?“

Zum ersten Mal sah die Frau ihn direkt an. „Oh, wir wollen Ihnen nichts tun. Es tut mir leid, wenn wir Sie verstimmt haben. Warum legen Sie nicht die Füße hoch und machen es sich bequem, solange Sie warten?“

„Warten?“, echote Picard scharf.

Doch die Audienz schien vorüber, der Blick der Frau wanderte wieder davon. Es war offensichtlich, dass sie keine weiteren Informationen mehr herausgeben würde. „Ist denn niemand hier hungrig? Ich hab hier schöne frische Maiskolben...“, rief sie statt dessen und ging davon, auf der unermüdlichen Suche nach einem Abnehmer. „Wer möchte einen Maiskolben?“

Spiegel und Glasperlen, schoss es Riker durch den Sinn. Hielten die unbekannten Erschaffer dieser Umgebung sich selbst für so überlegen, dass sie glaubten, sie könnten sie mit ein paar Maiskolben ruhig stellen? Was war das für ein Ereignis, auf das sie warten sollten? Was wollte man von ihnen und was geschah hier wirklich?

Riker stellte sich neben Picard, welcher dem Hologramm mit zusammengebissenen Zähnen und leicht gequältem Gesichtsausdruck nachblickte. „Charmante Frau“, murmelte er in Wills Richtung.

„Captain!“

LaForge näherte sich ihnen. Er wirkte aufgeregt und leicht außer Atem. In der Hand hielt er einen zusammengeklappten Trikorder, doch er war sich dieser Tatsache wohl nicht bewusst.

„Captain, ich muss sofort auf das Schiff zurück!“

„Was ist geschehen?“, fragte Picard bewusst ruhig.

„Eine der primären EPS-Leitungen wurde beschädigt. Wenn keiner den Warpkern abschaltet, wird es zur Katastrophe kommen!“



~ ~



Geordis Mitteilung schlug ein wie eine Photonengrante. Bisher hatten sie nur mit einer Unannehmlichkeit zu kämpfen gehabt, einer rein potentiellen Bedrohung, wenn überhaupt.

Jetzt jedoch sah die Sache anders aus.

Riker bildete sich ein, halbwegs genau zu wissen, wie der Schaden beschaffen war, von dem Geordi berichtet hatte. Das gleiche galt wohl auch für den Captain, doch selbstverständlich zog er es vor, eine Einschätzung vom Fachmann selbst einzuholen. „Erklären Sie“, forderte er daher seinen Chefingenieur auf.

„Die Eindämmungsfelder der Leitung müssen beschädigt worden sein. Das Duranium, aus dem sie besteht, wird dadurch extrem belastet. Schon jetzt haben sich feine Risse gebildet, aber dabei wird es nicht bleiben. Irgendwann wird die Leitung platzen“, erklärte Geordi hastig. „Wenn das geschieht, wird das ultraheiße Plasma aus dem Warpkern praktisch ungehemmt ausströmen.“

„Was ist mit dem Warpkern selbst?“, hakte Picard nach. „Wird es zum Bruch kommen?“

„Nein“, kam prompt die Antwort. „Der Warpkern hält weit größeren Temperaturen stand. Aber ehe die Notventile sich schließen, wird das Plasma das halbe Schiff verwüstet haben.“

Picard hing an seinem Schiff und das sah man, denn sein Gesichtsausdruck war etwas zu gefasst. Allen Problemen zum Trotz strahlte er aber dennoch weiterhin Ruhe aus. „Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, bis das geschieht?“, fragte er nüchtern.

LaForge zuckte die Achseln. „Zwei, vielleicht drei Stunden“, meinte er dann widerstrebend. „Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht genau. Derartige Brüche in Duranium sind ziemlich schwer einzuschätzen und ich war mit meinen Scans noch nicht fertig, als wir hier her gebeamt wurden.“

„Geordi,“ meldete sich Data zu Wort. „Könnte ich bitte Ihren Trikorder haben?“

LaForge sah auf den kleinen, sternenflottengrauen Kasten in seiner Hand und antwortete, sichtlich verwirrt so etwas dort vorzufinden: „Sicher, Data.“

Dieser nahm den Trikorder entgegen und klappte ihn auf. „Es handelt sich bei unserer Umgebung tatsächlich um eine holographische Projektion“, bestätigte er ihre Vermutung. „In ihr befinden sich 916 Lebenszeichen.“

„Die aktuelle Crewstärke beträgt 1016“, erklärte Picard.

„Vermutlich sind die von Dr. Crusher vermissten Patienten unter den Fehlenden“, hörte Riker sich sagen.

„Außerdem gibt es da eine weitere Lebensform“, fuhr Data unbeirrt damit fort, weiterzugeben, was seine Messungen ergaben. Er runzelte die Stirn, tippte etwas ein. „Es handelt sich um sporocystianische Lebenszeichen“, verkündete er dann verwundert.

Riker konnte Datas Überraschung nachvollziehen. In den Territorien der Föderation und der benachbarten Völker fanden sich derartige Lebensformen nicht. Lediglich einige Forschungsschiffe auf Deep Space Missionen hatten auf weit entfernten Welten hin und wieder sporocystianische Pilze gefunden, deren Mycele sich weit in den Subraum erstreckten. In diesen Regionen fanden sich ebenfalls Gerüchte über intelligente Wesen dieser Art. Wenn man ihnen glauben schenken wollte, lag der Mangel an Kontakt daran, dass die sporocystianischen Intelligenzen derart intelligent waren, dass sie mit sämtlichen anderen Lebewesen nichts zu tun haben wollten – warum auch immer.

Dass es sich bei Datas Fund lediglich um einen stupiden Pilz handelte, hielt Riker für unwahrscheinlich. Vielmehr lag die Vermutung nahe, die Person gefunden zu haben, die hinter all dem steckte.

Riker bemerkte, wie Deanna die Schultern hob, als ob sie frösteln würde. Der Blick ihrer unergründlichen Augen wanderte in die Ferne. Sie spürte etwas.

„Data hat recht“, sprach sie leise und konzentriert. „Da ist etwas. Ich wundere mich, dass ich es nicht schon früher bemerkt habe.“ Schmerz begann sich in ihren Zügen wiederzuspiegeln, als sie sich immer intensiver in das andere Wesen einfühlte – und mit ihm litt. „Ich spüre Schuld. Verzweiflung...“ Zu Rikers Erleichterung klärte sich ihr Blick wieder. „Das Wesen macht den Eindruck eines Ertrinkenden, der nach einem Strohhalm greift“, analysierte sie. „Es weiß, dass seine Chancen auf einen Erfolg gering sind, dennoch brennt in ihm eine ungeheure Hoffnung, doch noch sein Ziel zu erreichen.“ Sie runzelte die Stirn, als ob sie das Folgende selbst nicht richtig verstehen würde. „...bevor es zu spät ist.“

„Spüren Sie feindliche Absichten uns gegenüber?“, fragte Picard.

Deanna zögerte, schüttelte dann den Kopf. „Nicht direkt“, erklärte sie dann langsam. „Aber wenn jemand so verzweifelt ist, wie dieses Wesen, könnte er uns schaden, ohne daran einen Gedanken zu verschwenden“, fügte sie düster hinzu.

Für Riker hörte sich das nach einem weiteren Grund an, dieses Wesen so schnell wie möglich aufzuspüren. „Können Sie die exakte Position des Wesens lokalisieren?“, fragte er Data daher.

„Ja.“ Data nickte knapp. „Es befindet sich etwa 257 Meter in dieser Richtung.“ Er deutete in Richtung der Felder.

„Sehr gut“, sprach Picard ein Lob aus. „Vielleicht werden wir dort unsere Antworten bekommen.“

Mit diesen Worten ging er in die von Data angegebene Richtung. Es war vollkommen selbstverständlich, dass sie ihm folgten. Das galt auch für Beverley, die gerade angekommen und von Geordi auf den neuesten Stand gebracht wurde.

Data schloss schnell zum Captain auf, stets den Trikorder im Blick. Während Rikers Dienstzeit auf der Hood hatte er eine Kollegin gehabt, welche ihm gegenüber hatte verlauten lassen, dass sie sich in einer fremden Umgebung ohne einen Trikorder blind fühlte. In Momenten wie diesen konnte Riker ihr nur zustimmen. Vermutlich würden sie sich immer noch mit den Hologrammen herumschlagen, wenn Geordi nicht zufällig einen solchen Scanner bei sich gehabt hätte.

Nachdem sie etwa zweihundert Meter weit gegangen waren, sie befanden sich gerade auf einem Feldweg zwischen einer Wiese und einem Maisfeld, wurde Data langsamer und blieb stehen. Er schüttelte den Kopf. „Wir kommen nicht voran.“

„Was meinen Sie damit?“ Riker war der Sinn der Aussage nicht klar. Zwar konnte er nirgendwo etwas entdecken, was seiner relativ vagen Vorstellung einer sporocystianischen Lebensform nahe kam, aber das Terrain war angenehm und ein Fortkommen stellte eigentlich keinerlei Problem dar.

Datas goldene Augen wandten sich ihm zu. „Wir haben uns seit unserem Aufbruch innerhalb der Simulation um 218 Meter vorwärts bewegt. Real beträgt die von uns zurückgelegte Strecke jedoch nur 23 Meter.“

„Dreiundzwanzig?“, fragte Crusher. „Wie kann das sein?“

„Die Größe der von einem Holodeck projizierten Umgebung hängt nicht von den realen Abmessungen des Holodecks ab“, informierte Data sie – und alle anderen, die schon lange nicht mehr über eine Technik nachdachten, die für sie inzwischen alltäglich geworden war. „Während wir uns vorwärts bewegt haben, hat das Holodeck den künstlichen Boden unter unseren Füßen in die entgegengesetzte Richtung bewegt.“

„Wie eine Tretmühle!“, erkannte Beverly.

„Das ist richtig“, bestätigte Data. „Wir könnten also stundenlang laufen, ohne je den Rand des Holodecks, geschweige denn die Quelle der Lebenszeichen zu erreichen.“

Picard hatte die Arme verschränkt und Datas Vortrag mit steinerner Miene gelauscht. Jetzt war alles, was er fragte: „Vorschläge?“

Nach kurzem Nachdenken kam es von LaForge: „Wir könnten versuchen, das Holodeck zu überlasten.“ Er tauschte einen Blick mit Data. Für diesen schien die knappe Aussage vollkommen ausreichend zu sein, denn er nickte zustimmend.

„Der Vorgang, den Data eben beschrieben hat, wird komplizierter, wenn sich mehr als eine Person im Holodeck aufhält“, erklärte Geordi. Dann deutete er zurück auf das Haupthaus. „Sehen Sie dort hinten die Crewmitglieder? Sie sehen aus, als wären sie fast zweihundert Meter von uns entfernt. In Wirklichkeit hat das Holodeck eine Wand zwischen uns errichtet. Wir können diese Wand nicht erkennen, wir sehen nur das dreidimensionale Bild, welches darauf projiziert wird, wodurch uns die Leute wesentlich kleiner erscheinen, als sie eigentlich wirken sollten.“ Hätte Geordi keinen VISOR getragen, so hätte man in seinen Augen sicher ein begeistertes Funkeln über diese Technologie erkennen können. „Jedes mal, wenn sich also zwei Gruppen weit voneinander entfernen, sich weiter weg bewegen, als das Holdeck groß ist, spaltet dieses sich durch das Einziehen solcher Wände auf. Maximal so oft, wie sich Personen darin aufhalten.“

Geordi machte eine kurze Pause, in die hinein der Captain fragte: „Wie hilft uns das weiter?“

„Ich weiß nicht, wie gut dieses Holodeck ausgestattet ist“, kam es sogleich von Geordi. „Aber wenn es vergleichbar mit denen auf der Enterprise ist, dann ist es gerade ziemlich überfüllt. Ich glaube nicht, dass es in der Lage wäre, für neunhundert Personen eine eigene Umgebung zu kreieren.“

„Wir sollten daher alle ausschwärmen“, ergänzte Data. „Das Holodeck wird versuchen, für jeden von uns eine realistische Umgebung aufrecht zu erhalten, dabei aber möglicherweise an seine Grenzen stoßen. Dann werden verschiedene Fehler in der Simulation auftreten.“

Es war nicht so, dass Riker die Prinzipien, nach denen ein Holodeck arbeitete, fremd gewesen wären. Aber erst jetzt glaubte er zu wissen, worauf die beiden hinaus wollten. „Und ein solcher Fehler wäre, dass wir uns ungehindert in den realen Abmessungen des Holodecks bewegen könnten?“

„Ja – Genau!“, grinste Geordi.

„Dann machen wir es so“, nahm Picard die dargebotene Möglichkeit wahr. Über seinen Kommunikator wies er die Besatzung an, auszuschwärmen und einen möglichst großen Raum zu vereinnahmen.

Für sie bedeutete das, den Feldweg zu verlassen. Während Worf und Data sich ohne zu zögern durch den holographischen Mais pflügten, bevorzugte Riker doch die Wiese. Er hielt auf eine Scheune zu, die ein ganzes Stück entfernt war. Rechts und links von ihm gingen Geordi und Beverly, entfernten sich aber mit jedem Schritt immer mehr.

Das Gras der Wiese war saftig, aber nicht feucht. Es wuchsen verschiedene Wildblumen darin, weswegen es vor Insekten nur so summte. Es war warm und Will musste daran denken, dass sein letzter Landurlaub schon eine ganze Weile her war.

Vielleicht lag es daran, dass seine Gedanken einen Moment woanders gewesen waren, vielleicht daran, dass der Effekt so subtil war, doch irgendwann wurde ihm klar, dass die Scheune nicht mehr näher kam. Er lief und lief und lief, hinterließ Spuren im Gras, sah seine Kollegen kleiner werden – aber das Gebäude wich vor ihm zurück wie eine Fata Morgana.

„Es scheint zu funktionieren“, drang Datas Stimme aus dem Kommunikator. „Allein innerhalb der letzten Minute habe ich drei Inkonsistenzen innerhalb der Simulation bemerkt.“

Riker grinste zufrieden. Wer auch immer sie hier her gebracht hatte – in diesem Moment musste ihm klar werden, dass sie sich nicht alles einfach so gefallen ließen.

Mitten in der Bewegung blieb er stehen. Die Scheune hatte sich bewegt! Sie war größer geworden. Plötzlich konnte er ihr doch näher kommen.

Riker beschleunigte seinen Schritt. „Commander Riker“, erklang Datas Stimme. „Sie nähern sich nun der Wand. Die Simulation hat sich so gedreht, dass sich auch die Lebensform in ihrer Richtung befindet.“

„Verstanden“, sprach er in die Luft.

Am Rande bemerkte er, dass LaForge und Crusher die Richtung geändert hatten und jetzt wieder auf ihn zukamen.

Ein Hund kam mit wedelndem Schwanz aus der Scheune hervorgesprungen, schnüffelte neugierig an ihm. Will ließ es geschehen und setzte seinen Weg fort, als der Hund das Interesse verlor. Die Scheune bestand aus kaminrot angestrichenem Holz, an dem die Witterung ihre Spuren hinterlassen hatte. Hinter dem Gebäude trat die Frau hervor, deren Erscheinung ihn an Minuet erinnerte. Da die Datenspeicher der Enterprise angezapft worden waren, lag die Vermutung nahe, dass die Figur tatsächlich Minuets „Schatten“ entlehnt war, der zurückgeblieben war, als die Binären das Schiff damals verlassen hatten.

Riker erwiderte den intensiven Blick nicht, der von der Projektion ausging. „Wie ich sehe, schauen Sie sich ein wenig um“, stellte die falsche Minuet mit samtweicher Stimme fest. „Darf ich Sie herumführen?“

Minuet hatte damals immer genau gewusst, was sie wollte und das galt auch für sein jetziges Gegenüber. Doch Riker ging der Versuchung zum Trotz nicht darauf ein. „Was ist in der Scheune da?“, fragte er distanziert.

„Kartoffeln“, sagte sie. „Zwiebeln“, sagte sie.

Durch die Intensität, mit der sie diese beiden Worte aussprach, klangen sie unglaublich bedeutungsvoll.

Nachdem sie die eigentlich triviale Aussage einen Moment hatte wirken lassen, fügte sie hinzu: „Aber das ist Privatbesitz.“ Mit einem offenen Lächeln schien sie seine Reaktion auf ihre Ablehnung zu erwarten.

Wenn Riker etwas nicht ausstehen konnte, dann war es der Versuch, manipuliert zu werden. Wenn er es nicht bemerkt hätte, wäre naturgemäß nichts dagegen einzuwenden gewesen. Wer das schaffte, verdiente sogar seine Anerkennung. Doch das Gegenteil war der Fall, wenn es sich um ein derart plumpes Vorgehen handelte.

Er wandte sich wortlos ab, sah in der Ferne Data und Worf aus dem Maisfeld treten – und mit ihrem nächsten Schritt direkt vor ihm auftauchen. Ihre Konturen leuchteten einen Moment weiß auf, kleine Blitze umtanzten sie, als sie durch die holographische Wand traten, welche die große Entfernung zwischen ihnen nur vorgetäuscht hatte.

Während Data den Vorgang gelassen zur Kenntnis nahm, entlockte er Worf ein leises Knurren. Die Fehler in der Hologrammmatrix – in der umgebenden Welt! – verunsicherten den Klingonen.

Kurz darauf kamen auch Picard, Crusher und Deanna an der Scheune an. Als sie gemeinsam Anstalten machten, diese zu betreten, stellte sich ihnen Minuet in den Weg. „Sie dürfen da nicht rein“, beschwor sie Riker mit eindringlicher Stimme.

Hinter ihr erschien der selbe Hund, der zuvor schon die Scheune verlassen und diese ganz ohne Zweifel in der Zwischenzeit nicht wieder betreten hatte. Nur diesmal bellte er und knurrte aggressiv.

Riker schob die Frau beiseite, ignorierte den wütenden Hund und trat ein. Es war dunkel, die Augen mussten sich erst an das Licht gewöhnen, das durch die Spalten zwischen den Brettern eindrang, aus denen das Gebäude bestand.

Es gab keine Spur von Kartoffeln. Eine Leiter führte hoch zu einer zweiten Etage, in der Heu lagerte. Ansonsten gab es hier nichts zu sehen, was offensichtlich gewesen wäre.

Datas Trikorder piepste leise vor sich hin. „Wir stehen genau vor der Wand.“

Riker streckte den Arm aus, ging vorsichtig voran und traf auf Widerstand, wo eigentlich freier Raum sein sollte. Seine Hand fuhr über eine unsichtbare Fläche und erzeugte dabei ein leises Zischen, wie eine sich auflösende Holosimulation es machte.

„Die Lebensform befindet sich hinter dieser Wand, 36 Meter von unserer jetzigen Position entfernt“, stellte Data fest und deutete in eine Richtung, die nicht ganz senkrecht zur unsichtbaren Barriere verlief.

„Gibt es hier in der Nähe vielleicht eine Art Tür, die wir öffnen könnten?“, fragte Captain Picard.

Data legte den Kopf schief. „Ja. Dieser Teil der Wand scheint in der Tat auch ein Tor zu sein.“

Wenn dem so war, dann musste sich irgendwo der Torrahmen befinden. Riker begann, sich an der Wand entlang zu tasten. Sie war glatt und kühl, vermutlich aus Metall.

Lichter blitzten hinter ihnen auf, begleitet vom dezenten Geräusch eines Beam-Vorgangs.

Er fuhr herum.

Im Eingang der Scheune standen neben Minuet mit einem Mal sechs weitere Farmer. Er erkannte die Leute kaum wieder. Ihre Haltung spiegelte keine Lebensfreude mehr wieder, ihre Gesichter kein Zuvorkommen. Sie standen kampfbereit da, trugen Mistgabeln in den Händen und starrten ihnen grimmig entgegen.

Die Zahl der Hologramme entsprach nun der ihrigen. Obwohl sie keine Phaser bei sich trugen, hätte Riker nicht bezweifelt, dass sie eine handgreifliche Auseinandersetzung gewonnen hätten. Aber er gab sich keinen Illusionen hin, denn in Wirklichkeit hatten sie keine bloßen Farmer vor sich. Die ganze Welt war gegen sie! Heute konnte er das mit Fug und Recht behaupten ohne fürchten zu müssen, dafür wieder in eine Anstalt gesteckt zu werden. Innerhalb dieser Simulation mochten sich die Farmer genauso einfach von einem Moment zum anderen in eine Armee aus Borg verwandeln, wie der feste Boden zu einem Lavastrom zerfließen konnte.

Sie hatten mit ihren Aktionen einen schlafenden Riesen gekitzelt und nun war er erwacht. Eine solche Entwicklung war abzusehen gewesen.

Die namenlose Frau, die sie zuvor begrüßt hatte, trat aus der Gruppe hervor. „Na schön.“ Es lag eine Schärfe in ihrer Stimme, die man ihr vorher kaum zugetraut hätte. „Sie mögen also keine Maiskolben. Das ändert aber nichts daran, dass Sie sich noch einen Moment werden gedulden müssen.“

Auch Picard trat einen Schritt nach vorn. Er zeigte ein breites, gewinnendes Lächeln, welches durchaus das nötige Vertrauen schaffen konnte – auch wenn Will wusste, dass es erzwungen war. Dieses Lächeln schenkte der Captain gewöhnlich Romulanern, welche die Hülle der Enterprise als Trophäe nach Romulus bringen wollten – oder Admiralen der Sternenflotte, welche ihn zum Bankett einladen wollten.

„Wenn Sie uns sagen würden, worauf wir warten, wäre uns bereits sehr geholfen“, sprach Picard mit offen dargebotenen Handflächen. Picard, der Diplomat. So wie er es sagte, schien es nie irgendwelche Konflikte gegeben zu haben.

Die Frau schwieg.

Picard legte die Hände zusammen und rieb sie einen Moment aneinander. „Ich vermute...“, sagte er und klang dabei so, als diskutiere er eine archäologische These: ruhig, zugleich interessiert am Thema und der Reaktion des Gegenüber. „...dass sie etwas von uns wollen.“ Er hob unterstreichend die Hand, während er beinahe gelassen fortfuhr. „Sie haben mein Schiff 75000 Lichtjahre quer durch die Galaxis transportiert“, behauptete er, als ob er sich dessen sicher sein konnte. „Und dann haben Sie meine Crew hier auf ihre Phalanx geholt.“ Übergangslos ging er dann in die Offensive – sein Wunsch nach Verständigung war aufrichtig, aber das Wohl der Crew war eine Notwendigkeit dafür. „Was hat eine sporocystianische Lebensform für ein Interesse an uns?“

Die Antwort kam von einer Seite, die Riker nicht erwartet hatte.

„Wir wollen Ihnen nichts Böses“, sagte die Minuet-Imitation dumpf und mit der gleichen kalten Ernsthaftigkeit, mit der Minuet selbst sie beide damals die die Pläne der Binären eingeweiht hatte.

Dann begann sie auf den Fußboden zu starren, als könne sie damit wieder in der Anonymität versinken. Doch Picard ließ sie nicht so einfach davonkommen. Riker beobachtete, wie seine Aufmerksamkeit einem Flutscheinwerfer gleich herumschwenkte. „Das reicht mir nicht.“

Minuet hob den Kopf und sah Picard entschlossen an, so dass Riker sich unwillkürlich fragte, wie ausgeprägt das Eigenleben dieser simulierten Figuren eigentlich war. Sie setzte zum Reden an, doch bevor sie auch nur einen Ton hervorbringen konnte, löste sich ihre Projektion abrupt auf.

Ehe Picard darauf reagieren konnte, änderte sich auch die übrige Umgebung. Das Bild der Scheune hinter ihnen verschwand, wurde ersetzt durch ein inzwischen geöffnetes Tor, welches in eine lang gestreckte Halle führte. An beiden Seiten des Raumes ragten Liegen aus der Wand, auf denen Menschen lagen. Nein, eigentlich waren es eher eine Art Haltevorrichtungen, in denen bewusstlose Crewmitglieder der Enterprise hingen.

„Die Zeit ist um“, sagte die Frau. „Jetzt sind Sie dran.“

Die Vorrichtungen öffneten sich, als scheinbar nahtloses, schwarzes Material sich teilte. Riker konnte die Uniformen der Personen erkennen. Sie waren verbrannt und blutig. Es musste sich um die Verletzten handeln, die Dr. Crusher vermisst hatte.

Doch als Riker genauer hinsah, erblickte er weder verbrannte Haut noch sonstige Wunden. Bis auf ein wenig Schmutz in den Gesichtern sowie einige ruinierte Frisuren schienen die Leute vollkommen gesund.

Riker sah noch, wie sich in einem gelblich schimmernden Transportvorgang die Liegen leerten.

Dass er und seine Begleiter kurz darauf auf die Liegen gebeamt wurden, sah er nicht mehr, denn Schwärze umfing ihn.
Rezensionen