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Die andere Frau (2)

von Emony

Kapitel 2

Das heiße Wasser fühlte sich gut auf ihrer müden Haut an. Seit sie zu dieser Mission abkommandiert wurde, hatte sie keine Zeit gehabt, sich eine Dusche zu gönnen. Und dies war inzwischen fünf Tage her.

Ro Laren wusste, dass sie viel Wasser verschwendete, indem sie mehr als fünfzehn Minuten damit zubrachte, sich einfach nur von dem heißen Wasserstrahl die Schultern massieren zu lassen, doch es war ihr in diesem Moment gleichgültig.

Die Schallduschen an Bord der Sternenflotten-Schiffe und auf den Raumstationen hatte sie nie besonders gemocht. Selbst die Quartiere an der Akademie besaßen keine herkömmlichen Duschen. Verschwendung wertvoller Ressourcen, nannte es das Sternenflotten-Hauptquartier. Schwachsinn, nannte sie es. Es war ja nicht so, dass das Wasser danach kontaminiert war und es wurde auch nicht weggeworfen, sondern gereinigt und wieder verwendet. Schon seit Jahrhunderten war dies ein normaler Kreislauf. Warum hatte die Sternenflotte dies ändern müssen?

Innerlich schüttelte die Bajoranerin den Kopf, griff nach der Seife und begann sich schließlich zu waschen. Als sie fertig geduscht und angezogen war, betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel. Kleine dunkle Ringe hatten sich unter ihren Augen gebildet. Kein Wunder, dachte sie, immerhin bekam sie keine Nacht mehr als vier, maximal fünf, Stunden Schlaf. Das war auf Dauer schlichtweg zu wenig.

Sie zupfte an ihren Wangen, um ihnen einen frischen, rötlichen Ton zu verleihen, legte den traditionellen bajoranischen Ohrring, den sie zu Ehren ihres Vaters trug, wie gewöhnlich an das linke Ohr an und betrachtete sich ein letztes Mal eingehend im Spiegel, ehe sie das kleine, spartanisch eingerichtete Gästequartier verließ.

=^=

Ro zögerte einen Moment, ehe sie an Chakotays Tür klopfte. Sie wusste, dass es lächerlich war, sich irgendwas von diesem Abend zu erhoffen, aber sie war außerstande, dieses erwartungsvolle Gefühl zu unterdrücken, welches ihr ein angenehmes Kribbeln im Bauch bescherte.

Ihre letzte romantische Liaison schien schon so lange her, dass sie sich kaum noch erinnern konnte, wie ich es sich anfühlte zärtlich berührt zu werden. Natürlich war es auch denkbar, dass sie Chakotays Freundlichkeit falsch interpretierte. Sie glaubte jedoch einen Unterschied in seinem Verhalten ihr gegenüber wahrgenommen zu haben, welches sie auf ein gewisses Interesse schließen ließ.

Das Lächeln auf ihren Lippen erstarb jäh, als nicht wie erwartet Chakotay die Tür für sie öffnete, sondern eine Frau. Eine Bajoranerin, nur wenig älter als sie selbst, mit kastanienbraunem Haar und wachen, grünen Augen. Diese lächelte Ro Laren an und bat sie mittels einer kleinen Geste herein.

„Als Chakotay mir sagte, dass er Sie zum Essen eingeladen hat, habe ich sämtliche Pläne für heute über den Haufen geworfen und etwas Traditionelles gekocht. Es ist schön, jemanden aus der Heimat hier zu haben.“

Ro bemühte sich das Lächeln zu erwidern und sich ihren kleinen Schock und auch die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. „Ich kenne reichlich Bajoraner, die sich der Widerstandsbewegung angeschlossen haben.“

„Männer, ja. Frauen sind leider selten.“ Die andere Frau führte Ro Laren an den Tisch. Es war nicht wie zur Zeit der cardassianischen Besatzung, wo selbst Alte, Schwache und Kranke versucht hatten, Widerstand zu leisten. Dem Maquis schloss sich nur ein Bruchteil der Föderation an. „Nehmen Sie doch Platz. Chakotay müsste jeden Moment kommen.“

„Ah, wie ich sehe hat Seska sich bereits vorgestellt.“ Die Stimme kam aus einem Raum hinter Ro Laren und sie drehte sich um. Chakotay lächelte – wie er es eigentlich fast immer tat – und trat zu Seska hinüber, die in der Kochnische die letzten Vorbereitungen traf.

Seska. So heißt sie also, dachte Ro. „Ja“, erwiderte sie einsilbig, denn eigentlich hatte Seska es versäumt, sich ordentlich vorzustellen.

„Sie haben auf dem Flaggschiff unter Picard gedient, ehe Sie sich dem Maquis angeschlossen haben.“ Seska stellte einen dampfenden Topf auf dem Tisch ab und blickte Ro interessiert an.

„Das ist richtig.“ Ro dachte wehmütig daran, was sie auf der ‚Enterprise‘ zurückgelassen hatte, um für ihre Überzeugungen einzutreten. Nicht nur ihre Freundschaft zu Geordi, Beverly und Deanna, sondern auch die zu Guinan und Captain Picard. Gerade um Guinans und Picards Freundschaft trauerte sie sehr in der letzten Zeit. Sie hoffte, dass sie alle wohlauf waren.

„Wo genau kommen Sie her?“, wollte Seska wissen und lenkte Ro von den Gedanken an die ‚Enterprise‘ ab. Sich an ihre Heimat zu erinnern, an das Dorf, in dem sie mit ihrer Familie während der Besatzung gelebt hatte, war eine nicht weniger schmerzhafte Erinnerung.

„Ich bin in der Kendra Provinz geboren und aufgewachsen“, antwortete Ro schließlich.

„Ziemlich weit nördlich“, erwiderte Seska, nahm eine große Schöpfkelle und füllte zuerst Chakotays, dann Ro Larens Teller mit dem Gemüseeintopf, ehe sie sich selbst etwas davon in den Teller tat.

Ro Laren probierte vorsichtig und verbrannte sich die Lippen an der heißen Brühe. Sie nickte, als ihr Seskas fragender Blick auffiel. „Es schmeckt köstlich. Wie zu Hause.“ Und das entsprach sogar der Wahrheit. Chakotays Lebensgefährtin war eine ganz vorzügliche Köchin. „Wie haben Sie beide sich kennen gelernt?“ Eigentlich stand es ihr nicht zu, eine solch private Frage zu stellen, aber die Worte waren ihr über die Lippen gekommen, ehe sie darüber nachgedacht hatte.

Chakotay und Seska tauschten einen langen Blick, ehe sie sich beide wieder ihrem Gast zuwandten. Chakotay fühlte sich offensichtlich etwas unbehaglich ob der privaten Frage, doch Seska war nicht darum verlegen und erzählte, wie es zu ihrer Begegnung gekommen war. Sie berichtete, dass sie sich durch den Maquis kennen gelernt hatten, erst vor wenigen Monaten. Dass sie, da Quartiere ohnehin knapp waren, schnell zusammen gezogen waren und seitdem in einem Ehe ähnlichem Verhältnis lebten.

„Es war Liebe auf den ersten Blick“, schloss Seska voller Stolz und schlang ihren Arm um Chakotay. Sie bemerkte dabei nicht, dass Chakotay ihre Meinung offenbar nicht teilte, doch Ro Laren entging es nicht. Vielleicht lag es daran, dass Ro ihm gegenüber saß und ihn direkt ansehen konnte und Seska nicht. Er erwiderte ihre Geste der Zuneigung nur ansatzweise, als wolle er ihre Gefühle nicht verletzen.

Ro rang sich ein Lächeln ab und sah Chakotay einen Augenblick länger als beabsichtigt mit diesem gewissen, bedauernden Blick an. Sie wollte ihm nicht zu offensichtlich zeigen, dass sie ihn attraktiv und es schade fand, dass er bereits in festen Händen war, doch sie fühlte sich außerstande, ihre Gefühle angemessen zu unterdrücken. Sie gaukelte den Beiden ein Gähnen vor und meinte schließlich: „Ich denke, dass ich besser in mein Quartier gehe. Ich muss dringend mein Schlafdefizit ausgleichen.“

„Sie haben doch noch gar nicht aufgegessen“, erwiderte Seska und nickte in Richtung des halbvollen Tellers vor Ro.

„Die Aufregung des Tages hat mir irgendwie den Appetit genommen“, lächelte Ro entschuldigend. „Aber es war wirklich ganz vorzüglich.“

„Das freut mich.“ Seska stand auf, nahm Ros Teller und räumte ihn mit ihrem eigenen auf.

Chakotay half Seska dabei, den Tisch abzuräumen, blickte dabei jedoch immer wieder zu Ro. „Ich begleite Sie noch zu Ihrem Quartier. Es leben hier ein paar seltsame Gestalten, denen ich nicht besonders traue.“

„Es sind doch alles Maquis, oder nicht?“

„Ja, das schon, aber manchen sollten Sie wirklich nicht allein im Dunkeln begegnen.“ Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinab, als er flüchtig an Lon Suder dachte, der sich erst kürzlich seiner Widerstandszelle angeschlossen hatte. Chakotay machte auf sanfte Weise deutlich, dass er keine Widerrede akzeptieren würde.

„Wie dieser Suder. Betazoiden mit ihren emphatischen Fähigkeiten sind mir noch nie geheuer gewesen und Suder ist eindeutig nicht ganz normal“, ließ sich Seska aus Richtung der Küchenzeile vernehmen. „Ich weiß noch, wie flau mir im Magen wurde, als ich ihm zum ersten Mal begegnete und fühlte, wie er meine Gedanken erforschte.“

„Er ist ein Empath, Seska, kein Gedankenleser. Für Betazoiden ist es strikt untersagt, in die emotionale Welt anderer einzudringen, ohne deren Einverständnis.“ Chakotay sah Seska an, als wolle er sagen: „Lass das Thema endlich ruhen.“

„Ich konnte fühlen, wie er in mein Gehirn eingedrungen ist.“ Zorn brodelte in der anderen Bajoranerin auf. „Du verteidigst ihn nur, weil er in deiner Widerstandszelle ist.“

„Das ist schon möglich. Er ist ein verdammt guter Kämpfer, gnadenlos. Suder ist eine große Bereicherung für den Maquis.“ Chakotay seufzte. „Und zugegeben; er ist manchmal unheimlich.“ Offenbar wollte er keinen Streit mit Seska forcieren.

Ro Laren nahm ihre Jacke, streifte sie sich über und öffnete die Tür. „Ich kann allein gehen.“ Auch wenn es ihr nicht gefiel, so musste sie die Tatsache akzeptieren, dass Chakotay – wie alle gut aussehenden Männer – nicht mehr zu haben war.

„Ich bestehe darauf, dass er Sie begleitet“, sagte Seska und ließ Wasser in das Spülbecken ein. „Um das schmutzige Geschirr kann ich mich allein kümmern.“

„Bis nachher“, verabschiedete sich Chakotay von Seska und gab ihr noch einen flüchtigen Kuss auf die Stirn.

„Vielen Dank noch mal für das Abendessen“, rief Ro, winkte über ihre Schulter hinweg und trat in die laue Nacht hinaus.

=^=

„Eine herrliche Nacht, nicht wahr?“ Chakotay sah im gehen zu Ro hinüber.

Ohne ihn anzusehen antwortete sie: „Ja, das ist allerdings wahr.“ Sie bemühte sich zu lächeln, doch sie war viel zu müde, um sich wirklich Gedanken über die Nacht zu machen. Sicherlich war es schön, dass man die Sterne deutlich erkennen konnte und dass kaum eine Wolke am schwarzen Himmel zu sehen war. Unter anderen Umständen hätte sie die ‚Romantik‘ des Augenblicks sicherlich mehr genossen.

„Was beschäftigt Sie so sehr, Laren?“

Sie wunderte sich kurz darüber, dass er sie beim Vornamen ansprach, doch dann schüttelte sie nachdenklich den Kopf. „Mir geht einiges durch den Kopf. Besonders die Sternenflotte.“

„Sie ist ein gefährlicher Gegner“, erwiderte Chakotay. Ein Gegner den er jedoch gut kannte, da er selbst viele Jahre seines Lebens als Offizier für die Sternenflotte tätig gewesen war.

„Nicht so gefährlich wie die Cardassianer“, erwiderte Ro, „aber keineswegs weniger ernst zu nehmen. Sie infiltrieren den Maquis immer häufiger. Und erst gestern konnte ich eine Nachricht an das Hauptquartier abfangen, die von ‚Deep Space Nine‘ kam. Offenbar war es dem Sicherheitschef der Station gelungen, zwei unserer Leute festzunehmen.“

„Das ist bedauerlich.“

„Bedauerlich nennen Sie das?“ Ro war nicht zu unrecht aufgebracht. Chakotay legte eine Ruhe an den Tag, die sie einfach nicht nachempfinden konnte.

„Wir können auch Erfolge verbuchen. Und Verluste gibt es immer. Solange unsere Leute nur festgenommen und nicht im Kampf gestorben sind, besteht noch Hoffnung.“

„Hoffnung?“

„Dass wir sie befreien können.“ Chakotay zuckte die Schultern. „Glauben Sie, dass nicht irgendeine Gruppe ebenfalls davon Wind bekommen hat und bereits dabei ist, einen Plan zur Befreiung der Gefangenen zu schmieden?“

Sie sah ihn ernst an, ließ dann jedoch resignierend die Schultern fallen. „Schon möglich…“

„Ich würde jeden aus meinem Team versuchen zu befreien, sollte es zu einer Gefangennahme kommen. Und ich bin sicher, dass auch diese beiden von ihrem Gruppenführer gerettet werden.“

„Wo nehmen Sie nur Ihren Optimismus her?“

„Ich weiß auch nicht. Vielleicht bin ich optimistisch, weil ich an unsere Sache glaube und daran, dass das Gute am Ende immer gewinnt.“ Er lächelte erneut und diesmal erwiderte es Ro Laren sogar. „Und noch etwas: Die Sternenflotte mag uns infiltrieren, aber seien Sie gewiss, dass auch wir unsere Spione bei ihnen haben.“ Ein Zwinkern begleitete seine Worte.

Schließlich kamen die beiden vor Ros Unterkunft an. Sie öffnete die Tür, blieb jedoch im Türrahmen stehen und musterte Chakotay einen Augenblick. Er erwiderte ihren Blick und für ein paar Sekunden glaubte Ro Laren die Spannung zwischen ihnen sehen zu können, wie Funken, die hin und her sprangen. „Also dann…“

„Gute Nacht“, sagte Chakotay höflich. „Vielleicht sehen wir uns morgen.“

„Ja, vielleicht“, nickte sie und trat in ihre Behausung ein. Nur ungern schloss sie die Tür vor Chakotays Nase, doch sie musste es tun. Als die Tür zu gefallen war und sie diese verriegelt hatte, ließ sie sich rücklings an dem massiven Holz herabsinken. ‚Verdammt, warum muss das jetzt passieren? Warum ausgerechnet jetzt und bei ihm?’ Ihre Gedanken kreisten und sie schloss die vor Müdigkeit und Verzweiflung brennenden Augen. Ausrechnet jetzt war sie dabei sich zu verlieben und ausgerechnet in einen Mann, der nicht mehr zu haben war.

Sie hatte gesehen, dass Chakotay keineswegs Seskas Gefühle teilte. Er schien eher zweckmäßig mit ihr zusammenzuleben. Und vielleicht war er auch einfach nur einsam, wie viele Maquis. Ihm war deutlich anzusehen gewesen, dass es ihm unangenehm war, dass Seska ihrer Beziehung soviel Bedeutung beimaß. Und Ro war sich nicht ganz sicher, was sie davon halten sollte.

Vielleicht hatte sie sich doch in seinem Verhalten geirrt. Vielleicht hatte sie Freundlichkeit mit mehr verwechselt. Sie war sich nicht mehr sicher. Und vielleicht war sie nicht die einzige Bajoranerin, die Chakotay dahingehend missverstanden hatte.

Ro sehnte sich einmal mehr nach der ‚Enterprise‘. Jetzt mit Guinan reden zu können, wäre unbezahlbar.

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