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Fragile

von Emony

Kapitel 1

2151

AN BORD DER ENTERPRISE

Tucker setzte sich in dem großen Bett auf und sah auf Jon hinab, der neben ihm lag. „Was ist mit dir? Du wirkst heute furchtbar angespannt.“ Zärtlich streichelte er ihm über das Haar.

Archer sah nicht auf, als er antwortete: „Wir werden unvorsichtig.“ Er seufzte. „Es wird immer schwieriger unauffällig zu bleiben.“

Der blonde Südstaatler winkte lächelnd ab. „Das bildest du dir nur ein, Jon. Niemand ahnt etwas.“

Jon richtete sich schließlich ebenfalls auf, um seinem Chefingenieur und Liebhaber in die Augen sehen zu können. „Wir müssen das einstellen“, sagte er mit fester Stimme, in der Autorität mitschwang. „Wenn man herausfindet, dass wir beide regelmäßig Sex haben, Charlie, dann werden wir beide aus der Sternenflotte entlassen. Unehrenhaft sogar...“

Niemand außer Archer nannte ihn Charlie und das tat er auch nur dann, wenn er ein ernstes Gespräch mit ihm führte. Ein ernstes privates Gespräch, wie dieses. Tucker schluckte schwer und sah sein Gegenüber fassungslos an. „Und was sollte das dann eben? Wolltest du noch einmal die Gelegenheit nutzen und dann servierst du mich ab?“ Wut glomm in seinem Blick auf. „Ich bedeute dir demnach nichts!“ Er wusste, dass seine Reaktion übertrieben war, doch er konnte nichts dagegen tun. Er war so unglaublich wütend, dass Archer ihm das antat. Jetzt, nachdem sie den Abend zusammen verbracht hatten.

„Das ist nicht wahr, Trip. Und das weißt du auch.“ Ungewollt war Archers Stimme lauter geworden und Porthos schreckte auf. Er schenkte dem Hund einen flüchtigen Blick und traf dann auf vorwurfsvolle blaue Augen. Die schönsten blauen Augen, in die er jemals gesehen hatte und auch die traurigsten – zumindest in diesem Moment. Ein nicht ganz fremdes Glänzen schimmerte in Tuckers Blick und Archer atmete tief durch. „Du bedeutest mir wirklich etwas“, bekräftigte er seine Aussage, da sein gekränktes Gegenüber ihm offenbar nicht glaubte. *Kein Wunder!*, schoss es ihm in den Sinn.

„Wenn du das nächste Mal das Bedürfnis hast dich zu entspannen und zu vögeln, dann komm nicht zu mir!“ Aus ihm sprach der wütende, der verletzte Mann und nicht der, der Jonathan Archer aus tiefstem Herzen liebte. Allein seine ungewöhnlich vulgäre Ausdrucksweise verriet, wie schwer ihn die Entscheidung des älteren Mannes traf. Er kniff die Augen zusammen und schwang sich dann aus dem Bett, nachdem von Archer keine Reaktion kam, außer einem mitfühlenden Blick. Das half ihm jedoch kein bisschen über den Schmerz der Trennung hinweg.

Archer fuhr sich fahrig durchs verschwitzte Haar, blieb jedoch liegen und sah Trip beim Anziehen zu. Am liebsten wollte er aufstehen, ihn in die Arme schließen und ihm sagen, dass er ihn liebte und sich ganz und gar nicht von ihm trennen wollte. Doch er wusste, dass er keine Wahl hatte. Dass sowohl seine eigene, als auch Tuckers Karriere auf dem Spiel standen und, dass er das nicht riskieren durfte. Sie hatten beide zu hart für ihre Stellungen an Bord der Enterprise gearbeitet, um dies aus privaten Gründen, die ohnehin ohne Zukunft waren, aufzugeben.

Innerlich seufzte der Mann in seinen frühen Vierzigern. „Es tut mir leid, Trip“, flüsterte er kaum hörbar und fing sich daraufhin einen verächtlichen Blick ein.

Tucker zog rasch den Reißverschluss seiner Uniform hoch und atmete scharf aus. „Mir ebenfalls“, kam es bitter von ihm, bevor er in die Schuhe schlüpfte, diese überhastet zuschnürte und das Quartier des Captains fluchtartig verließ.

AUSTRALIEN 2143

STARFLEET ÜBERLEBENSTRAINING

„Dies ist Ihr Gruppenführer, Kadett Archer“, stellte der Lieutenant den Mann zu seiner Linken den anderen drei Offiziersanwärtern vor. „Jonathan Archer hat bereits das erste Jahr hinter sich und ist der beste seines Jahrgangs. Aus diesem Grund wird er Sie die nächsten zwei Wochen führen.“

Charles Tucker verzog das Gesicht und verschränkte unbeeindruckt die Arme vor der Brust. Der Schweiß rann ihm schon jetzt von der Stirn, wie sollte er zwei weitere Wochen in dieser sengenden Hitze des Outbacks überstehen? Und warum zum Teufel hatte er sich überhaupt bei der Sternenflotte gemeldet? In diesem Augenblick bereute er diese Entscheidung zum aller ersten Mal.

Der einzige Grund dafür, dass er sich dieser Tortur unterzog, war der Wunsch eines Tages durchs Weltall zu reisen und einer der ersten Forscher auf einem Raumschiff zu werden. Schon seit Jahren träumte er davon. Dafür hatte er Jahre lang bis mitten in die Nächte gelernt, darauf hatte er sich vorbereitet. Dass ein Trip durchs Outback Australiens dazu gehörte, hatte er ja nicht ahnen können. Ausgerechnet durchs Ödland. Er schüttelte innerlich den Kopf.

„Sie werden tun, was Ihr Gruppenführer Ihnen sagt. Sobald wir Sie zurücklassen, hat er volle Befehlsgewalt über Sie, ist das klar?“ Charles und die anderen beiden nickten, während Jonathan Archer von der kleinen Gruppe zu Lieutenant Owens zurückblickte. „Wenn er sagt, Sie sollen eine Pinkelpause einlegen, was tun Sie dann?“, fragte Owens mit autoritärer Stimme.

„Pinkeln, Sir!“, antworteten die drei Offiziersanwärter wie aus einem Mund.

Lieutenant Owens nickte. „Sie alle kennen die Theorie, nun wird es Zeit, dass Sie auch lernen in der harten Realität zu überleben. Die kommenden zwei Wochen werden entscheiden, ob Sie zur Abschlussprüfung des ersten Halbjahres zugelassen werden oder nicht. Wer diese zwei Wochen nicht übersteht, sollte sich den Traum vom Reisen durchs All aus dem Kopf schlagen und sich stattdessen eine Alternative überlegen.“ Abermals nickten die Offiziersanwärter. Der Lieutenant salutierte abschließend und wandte sich dann Kadett Archer zu. „Die zwei Wochen sind auch ein Teil Ihrer Ausbildung, vergessen Sie das nicht.“

Archer nickte und salutierte, wie auch die anderen drei, als der Lieutenant sich dem Shuttlepod zuwandte und einstieg.

„Das kann ja heiter werden“, raunte Charles, nachdem die Fähre abgehoben hatte, hob sein Überlebenskit vom Boden auf und schulterte die Tasche.

„Wie bitte?“ Kadett Archer sah ihn mit gerunzelter Stirn an.

„Nichts“, erwiderte der blonde Südstaatler und drehte sich seinen Kameraden zu, zu denen Jonathan Archer für ihn kategorisch nicht zählte, und grinste. „Also Jungs, dann wollen wir mal.“ Die beiden nickten und griffen nach ihren Sachen, während Charles Tucker ein deutliches Räuspern hinter sich vernahm. Seufzend wandte er sich dem Kadetten zu und stemmte die Hände in die Hüfte. „Was?“

„Ich gebe die Befehle“, sagte Archer bestimmt.

„Aber ja doch...“, winkte Charles ab. Er nahm sein Gegenüber wirklich nicht sehr ernst. Er war nicht bereit diesem Kerl blinden Gehorsam zu leisten. Immerhin war er selbst noch ein Kadett an der Akademie und dabei zu lernen und nicht etwa ein Offizier.

Jonathan Archer war ein geduldiger Mann, aber dieser unverschämte Kerl fing schon jetzt an ihm auf die Nerven zu gehen. Was glaubte dieser ungehobelte Südstaatler eigentlich wer er ist? Lieutenant Owens hatte ihm das Kommando über die Gruppe übertragen und er hatte nicht vor, sich von diesem Tucker den Abschluss an der Akademie versauen zu lassen. Niemand würde sich seinem Ziel in den Weg stellen als Jahrgangsbester abzuschließen! Seit er denken konnte, war es sein größter Wunsch gewesen Captain eines Raumschiffes zu werden und Kariere bei der Sternenflotte zu machen. Und er gab nicht nur für sich selbst sein Bestes, sondern auch für seinen Vater, den er vor acht Jahren verloren hatte.

„Wir werden ja sehen, wie weit Sie kommen, Mr. Tucker“, sagte Jonathan Archer deshalb scharf, nahm sein Gepäck und schulterte es. „Wer die nächsten zwei Wochen überstehen will, ohne durchzufallen oder draufzugehen, der folgt mir jetzt.“ Mit diesen Worten ging er in Richtung Westen und ließ die Gruppe stehen.

Charles Tucker sah ihm mit erhobener rechter Braue nach, verzog dann den Mund und sah ein, dass sie ohne diesen Archer keine Chance hatten. Widerwillig setzte er sich in Bewegung und die anderen beiden folgten ihm dichtauf.

2151

AN BORD DER ENTERPRISE

Eine Woche war bereits seit seiner Trennung von Archer vergangen und Tucker konnte mit dieser Veränderung noch immer nicht umgehen. Er mied es auf der Brücke zu erscheinen, solange seine Anwesenheit nicht unbedingt erforderlich war und ganz besonders versuchte er es zu vermeiden, in irgendeiner Weise mit Archer in Kontakt zu treten. Nach fast acht Jahren glaubte er ihn zu hassen, weil er ihm das angetan hatte.

Tucker hatte ihn zu Beginn ihrer Bekanntschaft nicht besonders gut leiden können, doch was er im Augenblick empfand, kam dem Begriff Hass deutlich näher. Was in Anbetracht seiner Situation auch kaum verwunderlich war. Archer hatte ihn verletzt, ihn abserviert und das nachdem sie erst vor wenigen Wochen endlich wieder zueinander gefunden hatten. Tucker glaubte, dass sie dieses Mal eine wirkliche Chance gehabt hätten. Zumindest bis zu jenem schmerzlichen Augenblick vor genau sieben Tagen.

Gedanken versunken starrte er in das halbvolle Glas Milch, als eine weibliche Stimme in seine Gedanken drang und ihn zurück in die Gegenwart holte. Langsam hob er seinen Blick und sah in das Gesicht der Vulkanierin.

„Darf ich Ihnen Gesellschaft leisten, Commander?“ Sie deutete mit einem Kopfnicken in Richtung des freien Stuhls gegenüber seinem eigenen und hielt vor sich ein Tablett.

Vermutlich war sie zum Mittagessen gekommen.

Ihm war nicht nach essen. Müde vom vielen Nachdenken und in Selbstmitleid baden seufzte er und antwortete schließlich halbherzig: „Nur zu...“

T’Pol ließ sich ihm gegenüber nieder, legte die Stoffserviette auf ihren Schoß und begann zu essen. Es verwunderte sie ein wenig, dass der Chefingenieur in den letzten Tagen ungewöhnlich ruhig war und sich, selbst für seine Verhältnisse, seltsam verhielt. Im Grunde war er ein lebensfroher, lustiger und vor allem auch nerviger und zum Teil aufdringlicher Mensch, der zu nahezu allem eine Meinung hatte, welche er meist mit dem ganz eigenen Humor zum Besten gab.

Sie legte ihre Gabel beiseite und musterte den Commander einige Zeit, bis ihre Neugierde sie schließlich überwältigte. „Sie haben die letzten Tage gefehlt“, sagte sie so ruhig wie immer.

Tucker sah verwundert auf und krauste dabei ein wenig die Stirn. „Was?“

„Bei den letzten Essen mit dem Captain haben Sie gefehlt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals Ihre Gegenwart vermissen könnte. Doch es war seltsam ruhig in den vergangenen Tagen und diese Ruhe ist… ungewohnt“, erklärte sie stoisch.

„Ich war anderweitig beschäftigt.“ Warum hatte sich auch ausgerechnet die Vulkanierin zu ihm setzen müssen? Seine Stimmung war auch so schon im Keller, da waren ihre kühlen und unpassenden Bemerkungen wirklich das Letzte was er brauchte.

„Sie sehen nicht gut aus. Vielleicht sollten Sie Dr. Phlox aufsuchen.“

„Es geht mir gut“, verteidigte er sich instinktiv.

„Bei allem Respekt, aber Sie sehen blass aus, im Vergleich zu sonst. Zudem haben Sie abgenommen.“ T’Pol machte eine kurze Pause und hielt dem kalten Blick Tuckers stand. Er funkelte sie böse an, doch dies hielt sie nicht davon ab weiter zu sprechen. Ähnliche Blicke war sie von ihm längst gewohnt und kümmerten sie nicht weiter. „Wenn Sie körperlich gesund sind, dann – verzeihen Sie meine Offenheit – sind Sie psychisch angeschlagen. Ich lebe inzwischen lange genug unter Menschen, um zu erkennen, wann es einem von Ihnen gut geht und wann nicht.“

„Und wenn schon...“, kam es apathisch von Tucker. „Ich möchte nicht darüber reden. Es wird vorbeigehen. Und solange ich meine Arbeit wie immer verrichte, muss ich mir von Ihnen nicht anhören, dass ich in irgendeiner Weise angeschlagen bin.“ Seine Stimme war ungewollt lauter geworden und ebenso hatte er sich im Ton vergriffen. Sie wollte ihm offensichtlich nur als Zuhörer dienen. Insgeheim wusste er das, doch er wollte und konnte nicht mit ihr darüber reden. Mit ihr, der Vulkanierin, die alle sieben Jahre Sex hatte und auch dann nur – weil Sex aus Vergnügen ja unlogisch ist – nur um sich fortzupflanzen. Sie würde nicht verstehen, wie sich ein Mann in einen anderen verlieben und Sex mit ihm haben konnte. Das würde den Horizont ihres beschränkten vulkanischen Geistes weit übersteigen und ein Teil von ihm, wenn auch nur ein sehr kleiner, bemitleidete sie sogar für diesen Umstand.

Ihr Blick verwirrte ihn und wischte seine Gedanken mit einem Mal fort. Sie sah fast gekränkt aus und blinzelte ungewohnt häufig. Ein Zeichen für Nervosität? Oder Unbehagen vielleicht? Trip vermochte es nicht sie dahingehend einzuschätzen.

„Ihre Worte bestätigen meine Vermutung, Commander, dass Sie persönliche Probleme haben.“ Erneut machte sie eine Pause, bevor sie fortfuhr: „Ich habe mir ebenfalls niemals vorstellen können, mit Ihnen über mein Privatleben zu reden – mit irgendwem darüber zu reden – doch ich tat es und fühlte mich hinterher...“ Sie suchte nach dem geeigneten Wort, „erleichtert.“

„Ich erinnere mich“, sagte er und glaubte erstmals Gefühle bei dieser Frau zu entdecken. Keine wie Menschen sie empfanden und zum Ausdruck brachten, aber sie waren da. Irgendwo ganz tief in ihrem Innern. Und sie schien ihm tatsächlich helfen zu wollen.

Tucker atmete tief durch, seufzte und zwang sich zu einem Lächeln. „Sollte ich je den Wunsch verspüren über das zu reden, was mich bedrückt, dann werde ich Ihr Angebot annehmen, T’Pol.“

Sie nickte schwach, was einer angedeuteten Verbeugung ähnelte und typisch für sie war. Dann stand die Vulkanierin auf, nahm ihr Tablett und entfernte sich ohne ein weiteres Wort, woraufhin Tucker sich in seinen Stuhl zurück sinken ließ und das Glas Milch auf einen Zug lehrte. Auch für ihn wurde es Zeit zum Dienst zurückzukehren, selbst wenn ihm ganz und gar nicht danach war. Seufzend stemmte er sich in die Höhe und verließ seinerseits die Mannschaftsmesse.
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