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The Darkness Within II

von Mijra

Kapitel 11

- Kapitel 11 -

„Captain, ich bin froh, Sie zu sehen.“ Nicht sicher, welchen der beiden Captains er zuerst begrüßen sollte, hatte sich der Constable vage in die Richtung der Neuankömmlinge gewandt und den Gruß allgemein gehalten.

„Gibt es Neuigkeiten bezüglich der Grenzaktivitäten?“, fragte Sisko kurz, bevor er hinter den altgewohnten schwarzen Kommandotisch des Büros trat.

„Die Lage hat sich nicht verändert, aber die Sternenflotte geht davon aus, dass DS9 schon bald in Gefahr sein könnte. Admiral Ross lässt zusätzliche Schiffe an die Grenze beordern, doch die Sternenflotte ist nicht vorbereitet, auf einen derartig präzisen und plötzlichen Angriff. Die vierte und fünfte Flotte befinden sich noch immer an der romulanischen Grenze...“

Und doch lag DS9 genau am Brennpunkt des Geschehens. Man hätten damit rechnen müssen. „Welche Alternativen stehen uns zur Wahl, Constable?“

Odo verschränkte die Arme hinter dem Rücken. „Die Hellas ist zur Zeit das einzige kriegstaugliche Schiff, das sich in unmittelbarer Nähe der Station befindet. Die Victoria und die Qalmoh können frühestens in drei Tagen hier eintreffen, General Martok in vier. Es gibt eine Vielzahl von kleineren Frachtern in der Nähe der Station, sowohl klingonisch als auch von der Föderation, deren Bewaffnung jedoch kaum ausreicht, einem Angriff des Dominion stand zu halten.“

„Verstehe“, murmelte Sisko.

„Captain Wieland lässt ausrichten, dass er bis auf Weiteres zu Ihrer Verfügung steht, Sir.“

Sisko wandte sich Evans zu. Der ältere Captain hatte sich seit dem Aufbruch von Atholes III auffallend still verhalten, doch Sisko konnte seine Zurückhaltung verstehen. Es kam nicht oft vor, dass man seine wiedergewonnene Heimat ein zweites Mal verlor...

„Was ist mit Ihnen, Captain? Jetzt, da die Mission erfolgreich beendet ist, hält Sie nichts mehr hier, es sei denn, Sie wollen uns auch in dieser Krisenzeit mit Rat und Tat zur Seite stehen.“

Evans näherte sich langsam dem Tisch. „Wenn Sie nichts dagegen haben, Benjamin, werde ich tatsächlich meinen Aufenthalt hier verlängern. Mit dem eventuellen Angriff des Dominion auf die Station ist der Raum um Bajor ohnehin nicht mehr sicher. Vielleicht kann ich mich irgendwie nützlich machen.“

„Ich freue mich, Sie hier zu haben, Robert.“ Sisko nickte dem älteren Captain zu.

„Was ist mit der Besatzung der T’Hekal?“, unterbrach Odo.

„Den meisten geht es den Umständen entsprechend gut. Einige kleinere Verletzungen, geringere Anzeichen von Unterernährung. Laut Captain T’Lhan gab es nur wenige Todesfälle, als das Schiff von den Jem’Hadar geentert wurde. Die Crew befindet sich zur Zeit auf der Krankenstation der Hellas“, berichtete der Captain kurz.

„Verstehe“, meinte der Constable. Man hatte ihm schon vor Siskos Ankunft auf der Station mitgeteilt, dass alle ankommenden Notfälle an Bord der Hellas behandelt werden würden. Zumindest so lange, wie der leitende medizinische Offizier auf Deep Space Nine fehlte. „Wie geht es Dr. Bashir?“

Sisko lehnte sich gedankenversunken zurück. „Das wissen wir noch nicht genau. Er befindet sich noch auf der Krankenstation.“

„Dr. Frejir an Captain Sisko.“

„Sisko hier, sprechen Sie Doktor.“

„Ich habe die Scans beendet. Wenn Sie Zeit haben, kommen Sie bitte auf die Krankenstation.“

Die Stimme des anderen Arztes verriet keinerlei Emotionen und war nicht weniger monoton als die des Schiffscomputers. Vielleicht war es auch besser so. Es erspart ihm unnötige Spekulationen.

„Ich komme sofort, Sisko Ende.“

Als er sich erhob und dem fragenden Blick Odos begegnete, setzte er hinzu: „Wenn Sie mich suchen, ich bin auf der Krankenstation. Robert, wenn Sie mich begleiten wollen...“

Evans sah ihn einen Augenblick mit einer Mischung aus Vorsicht und Gleichgültigkeit an. „Schon gut, Ben, gehen Sie allein. Ich will nicht stören. Aber ich werde Sie bis hinunter aufs Promenadendeck begleiten.“

Während Evans als erster durch die Bürotür trat, warf Sisko dem Constable einen schnellen, verwirrten Blick zu, bevor er dem älteren Captain schließlich hinaus auf die OPS folgte.

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Doktor Frejir versicherte sich ein letztes Mal mit einem flüchtigen Blick auf die Biowerte der kleinen Schalttafel, bevor er das Hypospray ansetzte und den Inhalt in die Blutbahn des Patienten entleerte. Nur wenige Sekunden später drückte der junge Mann die Augenlider blinzelnd zusammen, um sie kurz darauf schlagartig zu öffnen.

„Ganz ruhig, Dr. Bashir“, meinte der Arzt in sanftem Ton, als er ihm vorbeugend an die Schultern griff, um ihn davon abzuhalten, sich zu schnell aufzusetzen. „Sie befinden sich in Sicherheit. Entspannen Sie sich.“

Während Bashir den Kopf mit einem leisen Stöhnen zur Seite fallen ließ, trat Captain Sisko näher. „Kann ich mit ihm reden?“

Der andere Arzt nickte. „Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass er Sie erkennt, aber versuchen Sie es.“ Dann fügte er in ernstem Tonfall hinzu. „Überfordern Sie ihn aber nicht. Auch wenn seine Biowerte normal erscheinen, er steht noch immer unter Schock. Es wird einige Zeit brauchen, bis er sich vollkommen davon erholt.“

Sisko dankte Dr. Frejir und ließ sich neben dem Biobett auf die Knie. Er wollte Bashir nicht noch mehr verschrecken, indem er ihn von oben herab ansprach. Bashir indessen hatte die Augen geöffnet, doch sein Blick ging ins Leere.

„Julian, können Sie mich hören?“ Er reichte vorsichtig nach der Hand des jungen Arztes. „Wissen Sie, wo Sie sind?“

Bashir wandte ihm mühsam den Kopf zu. Sisko erschrak unwillkürlich über die Trauer und Sehnsucht seines Blickes. Es dauerte eine Ewigkeit, bevor er schließlich sprach.

„DS...9...“ Seine Stimme klang so schwach, wie er aussah. Dennoch war Sisko allein froh über die Tatsache, dass der junge Arzt wieder in der Realität zu weilen schien.

„Wir haben die Mission beendet. Wir konnten die Gefangenen befreien und die Anlage zerstören.“ Der Captain zögerte, bevor er Julian aufmunternd zunickte. „Wir haben uns Sorgen um Sie gemacht, Julian. Als sie nicht im Kontrollraum ankamen, haben wir uns auf die Suche nach Ihnen begeben.“

Er konnte am Blick des jungen Arztes erkennen, dass er die Bedeutung der Worte kaum verstand. Sisko musste sich eingestehen, dass es wirklich noch zu früh war, ihn auf Dinge anzusprechen, die er selbst nicht einmal zu begreifen schien. Er war noch immer verwirrt und stand unter den Folgen des Schocks. Sisko versuchte das aufmunterndste Lächeln auf seine Züge zu zwingen, als er Julians Hand sanft drückte und schließlich meinte: „Ruhen Sie sich aus, wir können später weiter reden.“

Als Bashir erschöpft die Augen schloss, erhob sich der Captain.

Dr. Frejir bedeutete Sisko, ihm in das hintere Büro der Krankenstation zu folgen, bevor er sich unvermittelt umwandte. „Was ist passiert?“ Die Besorgnis war kaum zu überhören.

Sisko brauchte nicht lange, um zu begreifen, von wem der fremde Arzt sprach. Noch wusste er nicht, wie viel er Dr. Frejir verraten konnte, ohne seinen Verdacht zu offener Anschuldigung zu machen.

„Ich weiß es noch nicht. Wir haben ihn in einem schlimmeren Zustand gefunden, in dem er nicht einmal mehr wusste, wer wir waren. Anscheinend beginnt er langsam, sich zu erholen.“

Dr. Frejir nickte. „Er steht nicht nur unter Schock, Captain Sisko. Allem Anschein nach leidet ihr Doktor unter den Folgen eines schweren Traumas. Ich weiß nicht, was vorgefallen ist und ich bin auch kein Fachmann, was geistige Traumata anbelangt, doch ich schlage vor, einen Counselor zu Rate zu ziehen, sobald sich Dr. Bashir einigermaßen erholt hat.“

Sisko fuhr sich mit einer Hand über den Kopf, ließ sie dann jedoch seufzend sinken. „Ich werde alles nötige in die Wege leiten, Dr. Frejir.“

„Gut. Solange sich die Hellas in Reichweite der Station befindet, werde ich mich um Dr. Bashir kümmern, wobei ich glaube, dass es weniger physische Hilfe ist, die er benötigt.“

Sisko setzte zu einer Antwort an, als der Kommruf das Gespräch unterbrach. „Kira an Captain Sisko.“

„Sisko hier. Sprechen Sie, Major.“

Die Bajoranerin zögerte nicht lange. „Das Frachtschiff Kenal hat soeben um Andockerlaubnis gebeten.“

„Gut, schicken Sie sie nach ihrer Ankunft in mein Büro. Und kontaktieren Sie Commander Dax. Sisko Ende.“ An Dr. Freijr gewandt, fügte er hinzu: „Entschuldigen Sie mich, Doktor. Wir sehen uns später.“

Dann verließ er mit eiligen Schritten die Krankenstation und trat auf die belebte Promenade hinaus. Schon bald würde er Antworten bekommen, doch er wusste nicht, ob er sie überhaupt hören wollte.

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Captain Benjamin Sisko saß mit gespreizten, aneinandergelegten Fingern hinter dem Schreibtisch seines Büros und sah mit finsterem Blick auf die geschlossene Tür vor sich. Er wusste nicht, ob er bereit war, sich der Sache zu stellen, doch wenn er Dr. Bashir helfen wollte, brauchte er Antworten. Auch wenn sie ihm nicht gefielen.

Er konnte die schlanke Silhouette der Trill bereits sehen, bevor sich die Türflügel zur Seite schoben und sie mit einem zögernden Schritt das Innere des Büros betrat. Sie schenkte Benjamin ein flüchtiges Lächeln, bevor sie neben ihn trat und die Arme hinter dem Rücken verschränkte. Wenigsten gab es mit ihr jemanden, der sein Unbehagen in dieser schwierigen Situation teilte.

Als sie schließlich sein Büro betraten, zwang er sich, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und die Konversation leicht zu beginnen.

„Mr. und Mrs. Bashir“, begann er in formellem Ton, „ich freue mich, Sie wiederzusehen. Ich danke Ihnen, dass Sie so kurzfristig kommen konnten.“ Damit deutete er auf die zwei freien Sessel auf der anderen Seite des Bürotisches.

Es war über ein Jahr her, dass er sie das letzte Mal gesehen hatte und er konnte sich noch genau an den Augenblick erinnern, als beide durch eben jene Tür getreten waren und Bashir sie ihm leicht verlegen und unangenehm berührt vorgestellt hatte. Sisko hatte schon damals gespürt, dass das Verhältnis zwischen den dreien gespannt war. Er hoffte inständig, Dr. Bashirs damaliges Geheimnis blieb der einzige Grund dafür.

Amsha Bashir nickte dem Captain mit einem freundlichen Lächeln zu, während sie sich an Richards Seite setzte, doch ihr leicht verwirrter Blick entging weder Sisko noch Dax.

„Ich freue mich, dass man Ihnen gestattet hat, hierher zu kommen“, meinte Sisko an Richard gewandt. „Ich habe die Sternenflotte darum gebeten, aber ich war mir nicht sicher, ob meine Bitte schließlich bewilligt werden würde.“

„Man hat mir gesagt, dass meine Anwesenheit auf der Station dringend erforderlich sei“, bot Richard an, doch es war mehr als eine reine Feststellung. Sisko hatte Bashirs Eltern nicht den genauen Umstand erklärt, weswegen er mit ihnen sprechen wollte, weswegen er sie den weiten Weg nach DS9 kommen ließ, anstatt den kürzeren Weg über Subraum zu bevorzugen. Er konnte Richards Misstrauen gut verstehen.

„Es geht um Julian, nicht wahr?“ Amsha sah besorgt von Sisko zu Dax.

Als keiner von beiden antwortete, mischte sich auch Richard ein. „Was ist diesmal passiert?“ Die Frage war nicht abwertend gedacht. Aber es geschah so viel und Julian war so oft darin verwickelt, dass Richard Angst davor hatte, die Antwort zu erfahren.

Sisko schüttelte leicht den Kopf. „Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Er befindet sich zur Zeit auf der Krankenstation.“ Obwohl er wusste, dass er Bashirs Eltern nur noch mehr Grund zur Sorge gab, wollte er nicht näher auf die Verfassung des jungen Arztes eingehen.

„Was ist mit ihm?“ Amshas Stimme war ruhig und gefasst, doch ihre Augen wanderten unruhig von Sisko zu Dax. Es fiel dem Captain schwer, zu glauben, dass die beiden Personen vor ihm verantwortlich für Bashirs Zustand sein sollten. Etwas passte einfach nicht.

Sisko holte einmal mehr Luft. Es war das Beste, direkt zur Sache zu kommen.

„Haben Sie Ihren Sohn jemals geschlagen?“

Er konnte den verwirrten Blick Amshas und die ungläubig zusammengezogenen Brauen Richards sehen.

„Wie meinen Sie das?“, fragte Richard plump.

„Ich meine damit: Haben Sie Julian jemals während seiner Kindheit geschlagen?“

Richard sah den Captain misstrauisch an. „Nein. Wie kommen Sie darauf?“

„Wir haben Grund zu der Annahme, dass Julian unter den Folgen eines Kindheitstraumas leidet. Wir wissen nicht, was dafür verantwortlich ist, dass es sich jetzt nach so langer Zeit plötzlich bei ihm zeigt, aber alles deutet darauf hin, dass Ihr Sohn damals nicht sehr alt gewesen sein konnte.“

Amsha griff unbewusst nach Richards Hand, doch der Ausdruck auf dessen Gesicht blieb hart. „Wollen Sie uns damit unterstellen, wir hätten Julian misshandelt?“

Sisko wusste, dass seine nächsten Worte entscheidend waren. „Nein, das will ich damit nicht sagen.“

„Aber Sie denken es“, stellte Richard kühl fest. Etwas an der Art wie er reagierte, verriet Sisko, dass vielleicht mehr hinter allem stecken mochte, als man ihm weis machen wollte.

„Was ich denke spielt keine Rolle, Mr. Bashir. Das Einzige, was ich definitiv weiß, ist, dass ihr Sohn völlig verstört und zurückgezogen auf der Krankenstation liegt. Ich kann mir das alles nicht erklären, aber vielleicht Sie.“ Sisko wusste, dass er mit den Anschuldigungen zu weit ging. Noch hatte er keine triftigen Beweise.

„Wie ist es passiert?“, fragte Amsha bestürzt.

„Amsha!“ Richard warf ihr einen verärgerten Blick zu, doch sie schenkte ihm keinerlei Beachtung.

„Wir befanden uns auf einer Mission auf Atholes III. Die Defiant hatte den Auftrag erhalten, eine geheime Waffen- und Klonfabrik des Dominion zu zerstören, die sich in der Nähe der größten ehemaligen Siedlung des Planeten befand“, mischte sich Dax ein und nachdem sie einen kurzen bestätigenden Blick von Sisko erhalten hatte, fuhr sie fort: „Wir konnten die Mission erfüllen, nur Julian war zu jener Zeit nicht auf seinem Posten erschienen. Zunächst dachten wir, er wäre bei dem Versuch, den Auftrag zu erfüllen, umgekommen, aber als wir vor dem Aufbruch von dem Planeten noch einmal nach Überlebenden suchten, fanden wir ihn. Er befand sich in einer der leerstehenden Wohnungen, zusammengekauert unter dem Schreibtisch eines Kinderzimmers und kaum ansprechbar.“

Aus Amshas Gesicht war sämtliche Farbe gewichen. Sie hatte Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. „Was hat Julian dort getan?“

Richard lehnte sich nach vorne und hob abwehrend die Hand. „Wie kommen Sie darauf, dass das alles etwas mit uns zu tun hätte?“

Sisko maß beide mit kühlem Blick. „Weil er uns für seine Eltern hielt. Und weil er uns anflehte, ihm nicht weh zu tun.“

Er konnte sehen, wie Richard nach Fassung rang. „Ich weiß nicht, was auf dem Planeten vorgefallen ist, aber egal was dort auch passiert sein mag, wir haben Julian nicht geschlagen. Wir haben ihn auch nicht misshandelt oder sonst etwas getan, wovon er ein Trauma hätte davontragen können.“

„Wir lieben Jules. Glauben Sie uns, Captain Sisko, so etwas hätten wir nie getan.“ Amsha sah sie flehend an, ihr Blick voller Sorge und Eindringlichkeit.

Sisko seufzte. Das hatte er befürchtet. Er hatte geahnt, dass die Sache nicht so einfach laufen würde. Welche Eltern würden freiwillig zugeben, ihr Kind misshandelt zu haben, auch wenn die Ereignisse viele Jahre zurücklagen? Aber andererseits lag es gar nicht einmal so fern, dass sie wirklich unschuldig waren. Was, wenn Julians Zustand wirklich nicht die Folge eines Kindheitstraumas war? Was, wenn alles ein Missverständnis war und er Bashirs Eltern Unrecht tat...

„Sehen Sie, ich kann Ihre Bestürzung verstehen, aber ich darf keine Möglichkeit außer Acht lassen. Deswegen habe ich Sie gebeten, persönlich auf die Station zu kommen. Es könnte einige Zeit dauern, bis die Sache vollkommen geklärt ist, solange möchte ich Sie bitten, auf der Station zu bleiben. Ich werde Ihnen ein Gästequartier zur Verfügung stellen und alles weitere arrangieren.“ Sisko sah beide mit ernstem Blick an.

„Kann ich ihn sehen?“, fragte Amsha unsicher. Richard starrte noch immer mit finsterer Miene aus dem Aussichtsfenster, wo die weißen Lichtpunkte langsam, aber konstant an ihnen vorüberzogen.

„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Der Zustand Ihres Sohnes hat sich etwas gebessert, aber er ist noch immer schwach und verwirrt“, gab Sisko zu.

„Wir sind seine Eltern, wir haben ein Recht darauf, ihn zu sehen“, erwiderte Richard trocken.

„Richard!“ Amshas Flüstern war nicht mehr als ein warnendes Zischen. Dann wandte sie sich dem Captain zu. „Ich möchte ihn nur einen kurzen Augenblick sehen. Bitte, Captain Sisko.“

Sisko warf Jadzia einen flüchtigen Blick zu, doch die Trill nickte. „Ich werde Sie zur Krankenstation begleiten.“

Während sich Amsha und Richard Bashir erhoben und Dax hinaus aus dem Büro des Captains folgten, fühlte Sisko deutlich die Anspannung, die sich während ihrer Unterredung aufgebaut hatte. Er konnte es ihnen nicht verübeln. Er hatte ihnen vorgeworfen für Julians Trauma verantwortlich zu sein, was hätte er getan, werfe man ihm vor, Jake geschlagen zu haben?

Erst nachdem die drei das Büro verlassen hatten, wagte Sisko es, aufzuatmen. Es starrte ihnen noch lange nach, selbst nachdem der Turbolift sie außerhalb seines Blickfeldes getragen hatte. Etwas stimmte nicht. Er wusste nicht, was es war und er glaubte auch nicht so sehr, dass sie ihn bezüglich ihres Sohnes anlogen. Und dennoch hatte er das ungute Gefühl, dass mehr hinter der Sache steckte, als man ihm Glauben machen wollte.

Mit einem Seufzen wandte er den Blick ab. Nichts war jemals einfach.

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Er lag auf der Seite, die Beine angezogen und die Arme kindlich neben der Brust. Von ihrer Position aus konnte sie nicht sagen, ob er wach war, oder noch immer schlief.

„Gehen Sie zu ihm“, meinte der fremde Arzt mit einem Nicken. „Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass er Sie erkennen wird, aber sein Zustand hat sich merklich gebessert.“

Sie versuchte, ein trauriges Lächeln auf ihre Züge zu zwingen, wandte sich um und näherte sich langsam dem Biobett. Seine Bewegung ließ sie unwillkürlich innehalten. Julian hatte sich auf das Hallen ihrer Schritte hin auf den Rücken gedreht und den Kopf in ihre Richtung gewandt. Manchmal vergaß sie einfach, wie sehr er sich doch von anderen unterschied. Als sie näher trat, versuchte er sich mühsam aufzusetzen. Sie half ihm, doch als sich ihre Blicke trafen, fühlte sie einen schmerzhaften Stich im Herzen.

Er sah anders aus. Der fehlende, lebensmutige Glanz seiner Augen verriet ihr, dass etwas tief in seinem Inneren zerbrochen war. Sie konnte sich nur schwer vorstellen, was er durchmachen hat müssen – was er immer noch durchmachte. Sein Blick war so voller Trauer, Angst und Bestürzung und das Einzige, an das sie in diesem Augenblick denken konnte, war, ihn fest in die Arme zu schließen.

Behutsam zog sie seinen Kopf an ihre Schulter, als sie ihm liebevoll übers Haar strich. Doch er erwiderte die Umarmung nicht. Seine Hände hingen nur nutzlos zu beiden Seiten seines Körpers. Es tat ihr unendlich weh, ihn so zu sehen.

Vorsichtig löste sie die Umarmung und schob ihn sanft in einige Entfernung. Sein Gesicht zeigte nicht den geringsten Anflug eines Lächelns.

„Julian... Es....“, sie war den Tränen nahe, als sie verzweifelt nach Worten rang. „Es...tut mir leid, Julian.“

Sie wusste nicht, ob er ihre Worte verstand, ob er überhaupt wusste, wo er war oder wer sie war. Er vermied es, sie direkt anzusehen, sondern starrte nur abwesend an ihr vorbei. Als sie nach seiner Hand greifen wollte, zog er sie unvermittelt zurück.

Sie verstand es. Er war verwirrt. Captain Sisko hatte sie gewarnt und auch Dr. Frejir. Julian stand unter Schock...

Mit einem traurigen Lächeln nickte sie, bevor sie sich umwandte und zu Dr. Frejir zurückging.

„Es wird noch einige Zeit dauern, bis er sich von den Folgen erholt“, meinte der Arzt, während er Amsha zurück zur Tür begleitete. „Ich weiß, dass es schwer für Sie ist, aber lassen Sie ihm Zeit.“

Sie nickte nur stumm, verabschiedete sich und trat hinaus auf die vielbesuchte Promenade. Richard stand nervös vor der Eingangstür, sein Gesicht unlesbar. Es wird noch einige Zeit dauern, bis er sich von den Folgen erholt, echote es in ihrem Geist. Sie nahm all ihre Fassung zusammen und hob den Kopf. Wenn er sich davon erholt, dachte sie bitter. Aber was, wenn nicht...

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„Ein eisgekühlter Raktajino für die Lady und ein triefender Blutwein für den Gentleman.“

Quark stellte mit einem flinken Handgriff beide Becher auf den Tisch, bevor er sich an die dritte Person im Bunde wandte. „Und was darf es für Sie sein, Major?“

„Im Moment nichts, Quark. Danke.“

Der Ferengi zuckte nur kurz mit den Schultern, wollte sich umdrehen, verharrte dann jedoch mitten in der Bewegung. „Und bevor ich es vergesse: Glückwunsch zur bestandenen Rettungsmission. Ich bin sicher, die Sternenflotte ist stolz auf Sie.“

Kira konnte nicht sagen, ob Quarks Gratulation wirklich ernst gemeint oder einfach wieder eines seiner Ferengispielchen war, doch sie hatte gar keine Gelegenheit, näher darüber nachzudenken, als Quark ihnen bereits den Rücken kehrte und mit dem leeren Tablett zurück zur Bar ging.

„Captain Sisko hat heute morgen eine Nachricht von Admiral Ross erhalten, in der uns die Sternenflotte für die geglückte Mission dankt. Ich bin sicher, Benjamin wird später deswegen noch ein Briefing ansetzen“, meinte Dax beiläufig, als sie einen Schluck von dem kalten, braunen Getränk nahm.

„Wir hatten mehr als Glück, dass wir nicht in letzter Minute von den Jem’Hadar erwischt wurden. Ich muss gestehen, dass ich schon das Schlimmste befürchtet habe, als das Kraftfeld nicht wie vereinbart abgeschaltet war. Soviel ich von Captain Sisko erfahren habe, ist Evans dafür verantwortlich, dass die Mission doch noch erfolgreich beendet werden konnte.“ Kira sah fragend zu Dax.

„Fragen Sie nicht mich. Ich war zu der Zeit im Kontrollraum, als Benjamin plötzlich in der Tür stand und mich aufgefordert hat, die Konsole zu verlassen, bevor er das ganze Ding in die Luft gejagt hat“, erwiderte die junge Trill mit abwehrend erhobenen Händen.

Worf schnaubte und warf seiner Frau einen entnervten Blick zu. „Sie haben die Verbindung zur Hauptanlage gekappt. Es war Evans Vorschlag, das Sicherheitssystem der Anlage und das getrennte Sicherheitssubsystem gleichzeitig außer Kraft zu setzen. Es war die einzige Chance, die Gefangenen aus der Anlage zu befreien.“

Jadzia zog in gespielter Missbilligung die Brauen nach oben. „Und woher willst du das wissen, wenn du zur gleichen Zeit selbst innerhalb der Anlage gefangen warst?“

Auf Worfs Züge stahl sich ein siegreiches Lächeln. „Ich war wenigstens so klug, zu fragen.“

Sie wollte ihm eine schnippische Bemerkung zuwerfen, doch der ernste Ausdruck auf Kiras Gesicht ließ sie unvermittelt innehalten.

„Wie geht es ihm?“

Sie wussten alle, von wem Kira sprach. Dax war die Einzige von ihnen, die bei ihm gewesen war, als man ihn auf der Krankenstation aufgeweckt hatte. Sie war die Einzige, die ihnen näheres über Julians Zustand berichten konnte.

Zögernd nahm sie einen weiteren Schluck, bevor sie schließlich antwortete. „Den Umständen entsprechend. Er ist noch immer verwirrt und zurückgezogen, aber er scheint sich langsam zu erholen.“

Kiras sah Dax direkt an. „Was ist passiert?“

Die junge Trill war sich nicht sicher, ob sie offen reden sollte, doch wenn sie es tat, würde sie Siskos Anschuldigung weiter verbreiten.

„Captain Sisko hat Julians Eltern auf die Station kommen lassen. Was hat das alles zu bedeuten?“, hakte Kira weiter nach.

Jadzia sah bedrängt zu Kira und Worf, entschied sich dann jedoch für die Wahrheit. Sie waren seine Freunde. Sie machten sich Sorgen.

„Julian scheint unter einer Art Trauma zu leiden“, fing sie an. „Etwas muss in seiner Kindheit geschehen sein, was ihn jetzt so reagieren lässt. Er hat es vielleicht verdrängt oder vergessen, aber irgendwie hat er sich nun daran erinnert. Benjamin will der Sache nachgehen, deswegen hat er Julians Eltern zur Station kommen lassen...“

„Und?“ Kira hatte sich erwartungsvoll nach vorne gebeugt.

Dax schüttelte resigniert den Kopf. „Nichts. Wir sind noch kein Stück weiter als am Anfang.“

Sie verzichtete absichtlich darauf, näher auf die Umstände des Vorfalles einzugehen. Bis jetzt hatte sich der Verdacht gegen Julians Eltern nicht bestätigt. Sie würde keine voreiligen Schlüsse ziehen.

„Er erholt sich langsam. Vielleicht ist er in ein paar Tagen soweit, dass er darüber reden kann. Dann wissen wir mehr“, fügte sie rasch hinzu, als sie Kiras fragendes Gesicht sah.

„Die Mission hätte trotzdem fehlschlagen können“, meinte Worf nüchtern.

Kira sah ihn ungläubig an. „Wollen Sie ihm die Schuld dafür geben? Ich bin mir sicher, Julian hätte sich anders entschieden, hätte er überhaupt eine Wahl gehabt.“

„Wäre Evans nicht gewesen, säßen wir jetzt alle nicht hier, das ist alles, was ich damit sagen will, Major.“

Dax warf einen schnellen Blick in die Runde. „Weil wir gerade davon reden, wo steckt Evans eigentlich? Er war seit Beendigung der Mission fast nicht mehr zu sehen.“

„Vielleicht macht er sich Sorgen um Bashir?“, schlug Kira mit einem Schulternzucken vor. „Sie haben zusammen Racketball gespielt und schienen sich ziemlich gut zu verstehen.“

Dax schüttelte abwesend den Kopf. „Nein, Evans war schon auf der Krankenstation der Defiant bei Julian. Aber seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.“

„Vielleicht ist er auch bereits wieder abgereist“, bot Worf interesselos an, doch die junge Trill schüttelte den Kopf.

„Es ist nicht seine Art, sich still und heimlich davonzustehlen. Und nebenbei hätte Benjamin uns sicher darüber informiert.“

„Dann braucht er möglicherweise etwas Zeit für sich. Die ganze Sache ist auch an ihm nicht spurlos vorbeigegangen, schließlich hat er vor fast einem Viertel Jahrhundert selbst dort unten in Northport gelebt.“ Kira seufzte. „Ich kann mir vorstellen, wie schwer es für ihn war, die wiedergewonnenen Heimat erneut verlassen zu müssen.“

Dax lehnte sich zurück, während sie den Becher Raktajino gedankenverloren in der Hand hielt. „Wie dem auch sei, es bleibt uns nichts weiter, als zu warten. Erst dann können wir näheres über das erfahren, was dort unten wirklich passiert ist.“

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Er lag wach. Noch Stunden nachdem sie bei ihm gewesen war, suchte sein Verstand krampfhaft nach einer Lösung.

Doch er fand sie nicht.

Julian hatte die Augen geschlossen und versuchte verzweifelt dass Chaos von Gefühlen in seinem Inneren unter Kontrolle zu bringen. Er verstand es nicht, er verstand nicht, was mit ihm geschah – und das machte ihm Angst.

Gleichgültigkeit. Es war seine einzige Chance die Emotionen auf einer Ebene zu halten, die es ihm ermöglichte, sich gegen die Verzweiflung und Panik zur Wehr zu setzen.

Sie war bei ihm gewesen. Seine Mutter war bei ihm gewesen und hatte ihn umarmt. Er wusste nicht, warum sie hier war, aber er hatte ihre Umarmung erwidern wollen. Er hatte sie ganz fest in seine Arme schließen und sich schutzsuchend an ihr festklammern wollen. Er brauchte sie. Er brauchte ihre Nähe und Geborgenheit.

Doch seine Arme hatten ihm nicht gehorcht. Er hatte sie nicht umarmen können. Sein Herz hatte sich so danach gesehnt, doch sein Körper hatte ihm nicht gehorcht. Er war so voller Trauer, dass er glaubte, die Tränen nicht länger zurückhalten zu können.

Er verstand es nicht. Die Realität, die Scheinwelt, seine Träume – alles verschwamm zu einem einzigen Alptraum. Und er war darin gefangen.

Es war, als befände er sich noch immer dort. Zusammengekauert im Dunkel des Schreibtisches, so voller Angst vor dem, was mit ihm geschehen würde und so voller Sehnsucht nach einer Welt, die es für ihn nie geben würde.

Er wusste nicht, wie er hierher gelangt war. Er wusste überhaupt nichts mehr. Das letzte, an das er sich erinnern konnte, war jenes auffällige Haus in den Straßen Northports, doch danach verschmolz alles zu einem Wirrwarr aus Gefühlen, aus dem er sich nicht mehr befreien konnte.

Langsam öffnete er die Augen. Er sah die gleichen Bilder, die gleichen Alpträume, egal ob er die Lider geschlossen oder offen hielt. Es machte keinen Unterschied.

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„Im Namen meiner Crew danke ich Ihnen vielmals für Ihre Mühen, Captain Sisko.“

Der vulkanische Captain des ehemaligen Forschungsschiffes T'Hekal reichte dem Menschen die Hand, doch seine Miene verriet nicht die leiseste Regung. Captain Sisko ergriff die Rechte des anderen Mannes. Sein Griff war fest und bestimmt.

„Danken Sie nicht mir, Captain T'Lhan, danken Sie der Sternenflotte.“

Der Vulkanier zog überrascht die linke Braue nach oben, nickte dann jedoch. „Verstehe.“

Wäre es ihm unter normalen Umständen unangenehm, so distanziert und kühl zu reagieren, konnte Captain Sisko in jenem Moment nicht anders. Es war die Art und Weise, wie sich T'Lhan ihm und seinen Offizieren gegenüber verhielt, die ein Gefühl von Argwohn tief in seinem Inneren weckte. Er konnte es nicht genau beschreiben, doch er wusste ebenfalls, dass mehr hinter dem letzten Auftrag steckte, als man ihnen allen Glauben machen wollte. Nach all den Jahren im Dienst hatte er ein Gespür für derartige Dinge entwickelt und in diesem Augenblick, da er dem anderen Captain gegenüberstand, wusste er mit einer definitiven Sicherheit, dass er nicht so viel über den wahren Sachverhalt ihrer Mission wusste, wie er zuvor angenommen hatte.

„Sobald unser Schiff an der Station angedockt hat, werden meine Besatzung und ich Ihre Station verlassen. Ich danke Ihnen noch einmal Captain, ohne Ihren mutigen Einsatz im Feindesgebiet, säßen wir noch immer auf jenem Planeten fest.“ T'Lhan nickte dem Captain ein letztes Mal zu, bevor er ohne ein weiteres Wort das Büro verließ.

Was ihn jedoch am meisten verärgerte, war die Tatsache, dass man es nicht für nötig hielt, ihn, als Captain einer gesamten Raumstation, in die wirkliche Sachlage einzuweihen. War die Sternenflotte bereits so von Zweifel und Furcht durchwoben, dass man das Vertrauen in seine eigenen Leute verloren hatte? Hatten die monatelangen Auseinandersetzungen, die ständige Angst vor einer Infiltrierung durch die Gründer ihnen so zugesetzt, dass sie den Glauben an sich selbst verloren hatten? Dass sie argwöhnisch und vorsichtig nur die nötigsten aller Informationen an die Außenwelt sickern ließen? Wie weit würde es noch kommen? Was würde noch geschehen, bevor die Sternenflotte wie sie sie kannten nicht etwa von den Gründern, den Vorta oder Jem'Hadar dahingerafft wurde, sondern von den eigenen Zweifeln, den eigenen Ängsten in ihrem Inneren...

Er unterdrückte die aufkeimende Wut und lehnte sich abwesend zurück. Etwas musste geschehen. Er ertrug es nicht länger, einfach mit anzusehen, wie ihnen der Krieg langsam aber sicher zu ihrer aller Ungunsten entglitt. Er kämpfte mit all seiner Kraft gegen die immergegenwärtige Ohnmacht an, eine Ohnmacht die sich seit Anbeginn des Krieges über sie alle gelegt hatte. Nein, manchmal musste man verlieren, um am Ende zu gewinnen und würde die Zeit kommen, in der es galt zu handeln, würde er nicht zögern. Es war ihre einzige Chance.

Noch konnte er die allmählich Gestalt annehmende Idee verdrängen, sie von sich schieben, bis er keine andere Wahl mehr sah. Noch war es nicht soweit, aber die Idee war dennoch vorhanden. Ungreifbar und schleierhaft hing sie in den entlegenen Winkeln seines Bewusstseins, doch der Prozess ihrer Manifestierung schritt unaufhaltsam voran. Er wusste nicht, ob jene Entscheidung ihn verändern würde, den Benjamin Sisko, der er sein bisheriges Leben gewesen war. Vielleicht würde sie es. Er konnte es nicht sagen. Nicht, bis er sie schließlich fällen würde.
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