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Sphera

von Kassandra

Kapitel 1

- Prolog -

Der Blick aus dem Fenster war atemberaubend, nur bemerkte es niemand. Jeder auf der Voyager hatte den Ausblick nur schon allzu oft gesehen, und spätestens nach einem Dutzend mal aufgehört ihn zu bewundern.

Die Sterne waren einfach da.

Das war eine Tatsache, der Seven zustimmen konnte.

Um sie herum summte die Offiziersmesse vor Betriebsamkeit. Crewmitglieder verspeisten ihre frisch zubereiteten Mahlzeiten oder verpulverten ihre hart ersparten Replikatorrationen.

Die vier Fähnriche am Tisch hinter Seven diskutierten lautstark über das neue beliebteste Holodeckprogramm; die Simulation einer Schatzsuche mit dem Titel ‘Indiana Jones’. Das Programm mußte wohl auf der Erde spielen, denn soweit Seven wußte, befand sich Indiana genau dort.

Fähnrich Nicoletti und Lieutenant Lindstrom beendeten an einem Tisch links hinter Seven gerade ihre Beziehung. Commander Chakotay, Captain Janeway und Lieutenant Tuvok besprachen in einer Nische leise die Mannschaftsbewertungen. Am Tresen ließ sich Megan Delaney von Neelix zu einer seiner neuen Kreationen überreden: Leola-Muffins mit Keeltarbeeren.

Seven bemerkte das alles nur am Rande. Sie konzentrierte sich darauf, die Sterne zu bewundern; ihre Schönheit auf sich wirken zu lassen.

Ohne Erfolg.

Alles, was sie erkennen konnte, waren Sonnen. Gewöhnliche, weit entfernte Sonnen - gelegentlich ein Pulsar, ein Roter Riese oder vielleicht ein interessanter Nebel. Aber sonst... nichts.

„Seven, was tun Sie hier so allein? Und ohne einen Muffin?“

Neelix hatte seinen Posten in der Küche aufgegeben - natürlich nicht, ohne einen schmackhaften Leola-Nachtisch für seinen seltenen Gast mitzubringen. Er plazierte den Teller vor Seven und ließ sich ihr gegenüber am Tisch nieder.

„Ich würde es vorziehen, wenn Sie mich allein ließen,“ stellte sie, so höflich es ihr möglich war, fest.

„Das dachte ich mir,“ entgegnete Neelix fröhlich wie immer. „Aber ich frage mich, warum. Sie sind noch ungeselliger als sonst. Was bedrückt Sie?“

Seven seufzte. Sie kannte Neelix gut genug um zu wissen, daß er den Tisch erst verlassen würde, wenn die Frage zu seiner Zufriedenheit beantwortet worden war. Auf seine eigene Weise führte er durchaus effiziente Verhöre.

Sie beschloß, daß es nicht schaden konnte, mit Neelix zu sprechen. Viele Menschen behaupteten, mit ihren Problemen besser fertigwerden zu können, wenn sie sie ‚teilten’. Vielleicht würde ihr das ebenfalls helfen.

„Neelix, Sie kennen mich nun schon eine ganze Weile.“

„Das will ich meinen. Und ich bin wirklich froh darüber!“

Seven hob skeptisch eine Braue. „Sie... können mich wirklich leiden? Gut leiden?“

Neelix riß die Augen auf. „Seven, wie können Sie nur so etwas fragen? Ich zähle Sie zu meinen engsten Freunden!“

Der Stuhl schien unbequemer geworden zu sein. Seven wünschte sich plötzlich, sie könnte einfach aufstehen und davongehen, in ihren Alkoven steigen und abschalten, nur für eine Weile.

„Sie denken nicht, daß mir... etwas fehlt?“ fragte sie schließlich.

„Ob Ihnen etwas fehlt? Sind Sie etwa krank?“ Neelix beugte sich besorgt vor und begutachtete Sevens Erscheinungsbild. „Sie sehen aber nicht krank aus. Nur... bedrückt.“

„Das scheint mir ein angemessener Ausdruck dafür zu sein. Und meine Frage bezog sich nicht auf mein körperliches Wohlbefinden.“

Seven atmete tief durch und fragte sich, wie sie Neelix, der sie erwartungsvoll anblickte, ihre Probleme begreiflich machen konnte.

„Ich versuche, es ihnen zu erklären. Ich sitze schon seit exakt siebenundvierzig Minuten vor diesem Aussichtsfenster und versuche, die Sterne zu ‚bewundern’. Sie nicht nur wahrzunehmen, sondern ihre Schönheit zu erkennen. Doch es gelingt mir nicht.“

Neelix blickte sie überrascht an. „Das ist Ihr Problem? Deshalb sitzen Sie hier so niedergeschlagen herum?“

„Sie verstehen nicht...“ Seven stockte suchte nach den richtigen Worten. „Es ist nicht nur dieser spezielle Vorfall. Es ist generell mein Mangel an... Emotionen, der mich beschäftigt. Sie sind ein großer Teil dessen, was ein Individuum ausmacht. Ohne Gefühle erfahren zu können, werde ich niemals ein Individuum sein, oder zumindest niemals wirklich ein Mensch.“

Neelix sah aus, als wollte er aufspringen, um den Tisch herumlaufen und Seven tröstend in den Arm nehmen. Und sie hoffte, er würde es nicht tun. Tatsächlich riß er sich zusammen. Neelix lächelte stattdessen und berührte sie beruhigend am Arm.

„Seven, natürlich sind Gefühle wichtig. Aber Sie sind immer noch dabei, sich vom Einfluß des Kollektivs zu befreien. Das ist ein langsamer und schwieriger Prozeß. Das wissen Sie besser als jeder andere hier.“

Seven nickte zögernd. „Aber trotzdem sollten Emotionen ein Teil dieses Prozesses sein.“

„Warum haben Sie es damit plötzlich so eilig? Sie können nichts erzwingen und das wissen Sie.“

Neelix sah sie immer noch beruhigend an und Seven konnte einfach nicht mehr regungslos sitzen bleiben. Sie erhob sich und ging zum Aussichtsfenster.

Natürlich waren die Sterne immer noch da.

„Fähnrich Calhaine hat mich zum Nachdenken angeregt,“ erklärte Seven schließlich nach einem Moment des Schweigens und starrte in den leeren Raum hinaus.

„Wir haben heute morgen einen Gasnebel der Klasse L gescannt und werteten danach die Ergebnisse aus. Fähnrich Calhaine war von der optischen Erscheinung des Nebels offensichtlich sehr angetan. Er sagte, und ich zitiere, ‘Oh Mann, kein fühlendes Wesen kommt an diesem Ding vorbei! Man muß es einfach bewundern.’“

„Ich verstehe,“ sagte Neelix langsam. „Sie haben sich den Nebel angesehen und... nichts?“

„Exakt.“ Seven atmete langsam aus. Es war die richtige Entscheidung gewesen, sich Neelix anzuvertrauen. Er verstand ihr Problem, vielleicht konnte er ihr nun einen wertvollen Rat geben.

Doch Neelix sagte nichts.

Seven fuhr fort.

„Für die Scans im sichtbaren Spektrum habe ich mich wenig interessiert. Ich warf nur einen kurzen Blick darauf. Die übrigen Meßdaten waren äußerst faszinierend.“

Neelix folgte für einen Moment nachdenklich ihrem Blick ins All. Schließlich erhob er sich und legte ihr die Hand auf die Schulter. Zunächst schrak sie vor dem Kontakt zurück, doch dann ließ sie ihn gewähren.

„Seven, sehen Sie mich an.“

Zögernd drehte sie sich zu ihm um und blickte in sein verständnisvolles Gesicht.

„Sie sind Wissenschaftlerin. Vielleicht haben Sie sich das nicht ausgesucht - die Borg haben das für Sie getan - aber Sie sind es trotzdem. Also denken Sie auch so. Kein Wunder, daß Sie neugierig auf die Daten waren.“

Seven war nicht überzeugt. „Fähnrich Calhaine ist ebenfalls Wissenschaftler. Trotzdem konnte er...“

„Seven,“ unterbrach Neelix sie geduldig aber bestimmt. „Sehen Sie es einmal von dieser Seite. Sie sind hier in der Offiziersmesse, nicht an Ihrer Station oder in Ihrem Alkoven. Weder arbeiten Sie noch regenerieren Sie sich. Sie sind hier und denken nach, über sich und Ihr Leben. Haben Sie das jemals getan, als Sie noch Teil des Kollektivs waren?“

Sie zögerte einen Moment und schüttelte schließlich den Kopf.

„Und noch etwas. Sie machen sich Sorgen um Ihre Zukunft. Das ist schon mehr, als man von so manchem Individuum behaupten kann. Und es sind ebenfalls Gefühle. Nicht die positivsten oder stärksten, aber sie gehören zur Gefühlswelt eines jeden Wesens dazu.“

Seven blinzelte. „Aus dieser Perspektive habe ich das Problem noch nicht betrachtet.“

„Natürlich nicht.“ Neelix lächelte. „Es ist ein menschlicher Zug, manchmal nicht ‚über den eigenen Tellerrand hinaussehen zu können’, wie Commander Chakotay es einmal ausdrückte.“

Unsicher wandte sie sich vom Fenster ab. „Trotzdem bin ich... beunruhigt. Ich scheine keine Fortschritte zu machen.“

Neelix seufzte und schüttelte den Kopf.

„Was mache ich nur mit Ihnen? Kommen Sie...“ Er führte sie zurück an den Tisch und schob sie wieder auf den Stuhl. Seven ließ es geschehen und unterbrach ihn nicht.

„Ich könnte Ihnen jetzt sagen, daß Ungeduld ebenfalls ein menschlicher Zug ist, aber das wäre vergeudete Zeit. Glauben Sie mir einfach. Sie brauchen nur Zeit. Es wird schon alles werden.“

Seven hob eine Braue. „Ein Klischee,“ sagte sie.

„Bitte?“

„Ihr Rat beinhaltet das, was Menschen allgemein als Klischee bezeichnen. Ein einfacher, fast allgemeingültiger Ratschlag, der beruhigen soll, aber tatsächlich nicht hilfreich ist.“

Neelix starrte sie überrascht an. „Sie verstehen uns ‚Individuen’ schon viel zu gut,“ sagte er schließlich und schüttelte lachend den Kopf. „Aber heute ist das Klischee außer Kraft gesetzt. Hand aufs Herz, es wird wirklich alles gut, wenn Sie sich nur Zeit lassen.“

Sevens Blick wanderte wieder zu den Sternen, während Sie nachdachte. Neelix hatte sie nicht vollkommen überzeugt. Aber sie fühlte sich ein wenig zuversichtlicher. Vielleicht hatte sie Probleme, gut, aber eben das war doch menschlich, das wurde ihr plötzlich erst richtig bewußt.

Und sie war nicht mehr allein. In ihrem Kopf gab es nur noch eine Stimme; die vereinigten Millionen von Bewußtseinssphären der Borg waren verschwunden. Dafür hatte sie ein neues ‘Kollektiv’ gefunden. Eine neue Art von Gemeinschaft. Freunde, die ihr mit ihren Problemen helfen würden. So wie Neelix.

Neelix, der gerade den Teller über den Tisch direkt vor Sevens Nase schob.

„Da. Essen Sie das,“ sagte er und zwinkerte. „Ist die beste Therapie.“

Seven runzelte die Stirn und blickte den Muffin kritisch an.

„In welcher Weise kann mir dieses... Backwerk helfen?“

„Muffin, Seven. Es heißt Muffin. Das Rezept ist von Fähnrich Hargrove, ich habe es nur leicht abgeändert. Keeltarbeeren passen so wunderbar dazu. Die Muffins werden Ihnen auf jeden Fall schmecken. Und jetzt vergessen Sie für einen Moment die Sterne! Genießen Sie Ihren Nachtisch!“ Neelix stand auf. „Vor allem aber freuen Sie sich, daß die langweilige Nahrungsergänzung Nummer was-auch-immer für heute ausfällt. Ich muß jetzt zurück an die Arbeit. Guten Appetit!“

Mit einem letzten Zwinkern verschwand er blitzschnell in Richtung Küche, noch bevor Seven ‚Danke’ sagen konnte.

Sie blickte auf ihren Teller. Der Muffin lag immer noch da und hatte sich nicht bewegt. Das sprach tatsächlich für ihn.

Seven beugte sich hinunter und inspizierte ihn näher. Sie schnupperte vorsichtig daran. Er schien nicht lebensbedrohlich toxisch zu sein.

Er roch... appetitlich.

Seven nahm die Gabel, überlegte es sich dann anders und legte sie wieder weg. Sie hob den Muffin einfach mit den Fingern auf und biß hinein.

Er schmeckte köstlich.

Nur die azurblauen Keeltarbeeren störten den Geschmack mit ihrem bitteren Aroma ein wenig.

***

Tuvok stellte die Teetasse zurück auf den einzigen freien Platz, der noch zwischen den Stapeln von Berichten und Beurteilungen auf dem Tisch zu finden war. „Fähnrich Hargrove engagiert sich sehr für das allgemeine Wohlbefinden der Crew. Mr. Neelix spricht lobend von seinem Einsatz.“ Tuvok studierte sein Padd und suchte nach der passenden Passage. „Ich zitiere: ‘Philip ist immer höflich und freundlich zu allen Crewmitgliedern. Sein Organisationstalent ist nicht nur hilfreich bei der Planung von Parties, sondern auch bei der einfachen Aufstellung eines Menüs für das Mittagessen. Die Crew ist begeistert von seinen Kochkünsten. Philip findet Freude daran, sich für die Moral der Crew einzusetzen.’“

Commander Chakotay blickte zu besagtem Fähnrich hinüber, der in Neelix’ Küche stand und Essen austeilte.

„Das hört sich doch gut an,“ meinte er.

„In der Tat,“ bestätigte Tuvok. „Allerdings hat sein vorgesetzter Offizier sich über ihn beschwert. Lieutenant Carey berichtet von Lustlosigkeit und mangelnder Präzision bei der Arbeit und von an Insubordination grenzender Respektlosigkeit, die Fähnrich Hargrove ihm gegenüber gezeigt hat.“

„Das steht in krassem Gegensatz zu Neelix’ Bericht,“ sagte Chakotay nachdenklich und rief noch einmal Hargroves Personalakte auf. „Hmm. Die Voyager war seine erste Mission, und danach hätte er sich endgültig für oder gegen eine Karriere in der Sternenflotte entscheiden sollen. Diese Möglichkeit wurde ihm genommen, und jetzt scheint ihn die Arbeit im Maschinenraum zu frustrieren. Ich kann ihn gut verstehen. Vielleicht sollten wir in Erwägung ziehen, ihm andere Aufgaben zuzuteilen.“ Chakotay nahm einen Schluck Tee. „Captain, was sagen Sie dazu?“

Kathryn Janeway reagierte nicht. Sie saß da, Kaffeetasse unbeachtet in der Hand, und starrte vor sich hin. Und schmunzelte.

„Captain?“ wiederholte Chakotay und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Eine verträumte Kathryn Janeway war etwas, das man nicht jeden Tag zu Gesicht bekam..

Ihr Kopf ruckte plötzlich herum. „Hm?... Ich meine, bitte?“

Tuvok hob eine Braue. „Captain, wenn Sie an der Diskussion der Mannschaftsbewertungen teilnehmen würden, kämen wir wesentlich schneller voran,“ sagte er vorwurfsvoll. „Vielleicht sollten wir dies wieder zurück in den Konferenzraum verlegen, wo wir ungestört sind.“

„Nein, nicht nötig.“ Kathryn hatte den Anstand, ein wenig beschämt auszusehen. „Tut mir leid, Tuvok. Ich war... abgelenkt.“

„Das haben wir gemerkt,“ stellte Chakotay ironisch fest. Er ignorierte ihren bösen Blick und nahm die fast leere Kaffeetasse aus ihrer Hand. „Der muß doch schon längst kalt sein,“ sagte er und goß Kathryn Kaffee nach, die die Tasse dankbar annahm und sofort genüßlich einen großen Schluck trank.

Tuvok beobachtete die Szene mit hochgezogenen Brauen.

„Captain, ich empfehle dringend, daß Sie sich ihren verdienten Urlaub gönnen. Sie sind überarbeitet, oft gereizt, schlafen kaum und trinken weitaus mehr Kaffee als gut für Sie sein kann.“

Kathryn öffnete den Mund um zu protestieren, doch Chakotay kamt ihr zuvor.

„Das sage ich Ihnen schon seit einer Ewigkeit, Captain. Aber nein, Sie wollen ja nicht auf mich hören. Auch den Doktor vertrösten Sie ständig. Wenn Sie uns schon ignorieren, hören Sie auf Tuvok, er ist hier die Stimme der Vernunft.“

Tuvok nickte andeutungsweise mit dem Kopf. „Danke für das Kompliment, Commander.“

„Gern geschehen.“

„Ich...“ setzte der Captain an, doch Chakotay ließ sie wieder nicht zu Wort kommen und wedelte bedrohlich mit einem Padd vor ihrer Nase herum. „Sie machen jetzt Urlaub. Gleich. Ab dieser Minute. Genau jetzt. Gehen Sie aufs Holodeck, lesen Sie ein Buch, was auch immer. Hauptsache, Sie lassen mich und die Voyager mal eine Zeit allein. Keine Pflichten, keinen Ärger, nur...“

„Okay. Drei Tage.“

„Kathryn, Sie sollen mir nicht widersprechen... Äh, was haben Sie gerade gesagt?“ Chakotay traute seinen Ohren nicht.

Kathryn seufzte. „Ich sagte ‚Drei Tage’. Mehr nicht. Sie haben recht, irgendwann ist es auch für mich genug.“ Ihren Mundwinkel zuckten verräterisch. „Außerdem hat es sich schon dafür gelohnt Ihre beiden verdutzten Gesichter zu sehen.“

„Ich muß entschieden protestieren. Ich bin keineswegs ‚verdutzt’. Dazu bin ich nicht imstande,“ stellte Tuvok nüchtern klar.

„Ich allerdings schon.“ Chakotay erholte sich immer noch von dem Schock. „Wo haben Sie die echte Kathryn Janeway gelassen, und was sind Ihre Absichten, Fremde?“

Sie gab ihm einen Klaps auf den Oberarm. „Jetzt reicht’s aber, Chakotay! So schlimm bin ich doch wirklich nicht.“

Tuvok hob eine Braue. „Ich bin nicht sicher, ob der Commander hier übertrieben hat.“

„Natürlich, Tuvok,“ sagte Kathryn gespielt entrüstet. „Fallen Sie mir ruhig in den Rücken! Und hören Sie auf zu grinsen, Chakotay!“

„Tut mir leid, Captain,“ erwiderte er, wirkte dabei aber wenig zerknirscht.

Kathryn tat beleidigt. „Na gut, dann trete ich jetzt meinen Urlaub an. Auf Wiedersehen, meinen Herren. Ich erwarte die Beurteilungen dann in drei Tagen!“

Mit diesen Worten erhob sie sich und war verschwunden.

Chakotay starrte ihr nach und schüttelte verblüfft den Kopf. „Ich glaub’s nicht. Sie macht tatsächlich eine Pause. Eine Drei-Tage-Pause!“

„Ich bin ebenfalls irritiert. Doch das sollte uns nicht von unserer Arbeit abhalten.“ Tuvok wandte sich wieder den Berichten zu und stapelte sie ordentlich zu drei Türmen auf. Der ‚erledigt’-Stapel war geradezu mickrig klein.

Chakotay beobachtete ihn und seufzte. „Vielleicht war das doch keine so gute Idee. Kathryn in den Urlaub zu schicken, meine ich.“

„Wie kommen Sie darauf?“ fragte Tuvok.

„Wir hätten warten sollen, bis wir mit diesem Kram hier fertig gewesen wären, dann müßten wir uns jetzt nicht allein damit herumquälen,“ brummte Chakotay.

„Die Beurteilungen gehören zu Ihren Pflichten, Commander,“ rügte Tuvok und drückte ihm ein Padd in die Hand. „Und Sie sollten Captain Janeway ihren Urlaub gönnen.“

„Ja, natürlich.“ Chakotay ergab sich seinem Schicksal und aktivierte das Padd. „Wo waren wir? Ah, ja. Wir diskutierten gerade eine mögliche Versetzung von Fähnrich Hargrove...“

***

Computerlogbuch der Voyager.

Diensthabender kommandierender Offizier Fähnrich Kim.

Unsere Reise durch die Belloq-Ausdehnung verläuft weiterhin ereignislos. Dieser Sektor kommt in punkto Ereignislosigkeit tatsächlich der ‚Leere’ gleich. Wir haben auch heute keine Planeten der Klasse M gefunden, und überhaupt nur zwei Sternensysteme passiert, die in Scannerreichweite lagen.

Sollte die Reise weiterhin so ruhig verlaufen, werden wir die Belloq-Ausdehnung in weniger als fünf Tagen passiert haben.

Fähnrich Kim lehnte sich im Sessel zurück und atmete tief durch.

Das Kommando während der Tagschicht. Er hatte das Kommando. Er konnte kaum erwarten, das seinen Eltern zu erzählen. Wenn auch nur, um seine Mutter davon abzuhalten, sich tatsächlich bei Captain Janeway über die Benachteiligung ihres Sohnes zu beschweren.

Tom Paris drehte sich an der vorderen Station zu ihm um.

„Genießt du es wieder, den Chef zu spielen, Harry?“

„Natürlich! Ich bin immer zufrieden, wenn ich dich herumkommandieren darf.“ Harry grinste und fügte im Befehlston hinzu: „Weitermachen, Lieutenant!“

„Das hättest du wohl gerne,“ brummte Tom belustigt, wandte sich aber wieder seiner Konsole zu.

Die Turbolifttüren öffneten sich mit einem Zischen und B’Elanna betrat die Brücke.

„Hi, Schatz. Hi, Captain,“ begrüßte sie die beiden scherzhaft und ging hinunter zu ihnen.

Megan Delaney an der wissenschaftlichen Station kicherte leise, doch ein böser Blick von B’Elanna brachte sie schnell zum Schweigen. Fähnrich Winston an der Taktik interessierte sich plötzlich ungemein für die taktischen Anzeigen, auf denen eigentlich schon seit Tagen nichts Neues mehr zu sehen war.

B’Elanna beachtete die beiden Fähnriche im hinteren Teil der Brücke nicht weiter und überreichte dem amtierenden Captain ein Padd. „Hier ist der Bericht, Harry. Ich hatte unten so wenig zu tun. Also dachte ich mir, spiel’ doch den Postboten und geh’ dabei gleich noch deinen Mann besuchen.“

Sie gab Tom einen Kuß, der ihn nur zu gern erwiderte. „Selber hi, B’El,“ sagte er und grinste.

Harry ignorierte die beiden. „Danke, B’Elanna,“ sagte er abwesend, während er den Text kurz überflog. Dann sah er wieder auf. „Hey, hey, hey. Keine Vertraulichkeiten im Dienst!“

„Stell dich nicht an. Hier ist weniger los als auf Kronos in einem Laden für Tribbles!“ B’Elanna umarmte ihren Mann und gab ihm noch einen Kuß auf die Stirn.

„Genau, Harry. Gönn’ uns doch ein wenig Spaß.“ Tom ließ B’Elanna widerwillig los und setzte sich wieder hinter seine Konsole.

„Dann überlasse ich euch jetzt eurer Arbeit.“ B’Elanna ging die Rampe hinauf und forderte den Turbolift an. „Also Ich habe jetzt frei. Bis dann, Tom. Und Harry, du weißt doch noch, heute abend... das Essen?“

Harry blickte geistesabwesend von seinem Padd auf. „Aber klar, Marquis. Bis dann.“

B’Elanna trat in den Turbolift, hielt die aber dann Türen auf, kurz bevor sie sich schließen konnten. „Tom, warum hast du den Kurs geändert?“

„Was?“ fragten Tom und Harry wie aus einem Mund, während B’Elanna den Lift wieder verließ.

Tom studierte überrascht die Anzeigen seiner Konsole. „Sie hat recht. Eine Abweichung von 004.7. Aber ich habe keine Kursänderung eingegeben.“

„Woher wußtest du das?“ fragte Harry irritiert und erhob sich aus dem Sessel.

„Weibliche Intuition gepaart mit ingenieurischem Genie,“ meinte B’Elanna und zuckte mit den Schultern. „Ich spüre so was.“

Harry warf ihr einen faszinierten Blick zu. Danach würde er sie später noch einmal fragen müssen. Zu Tom gewandt befahl er: „Abweichung korrigieren. Und B’Elanna, sehen Sie sich die Navigationssysteme an.“

Sie eilte zur Maschinen-Station und berührte einige Schaltflächen, während Tom fieberhaft an seiner Konsole arbeitete. „Ich kann unseren Kurs nicht ändern. Die Abweichung wird sogar noch größer. 005.1, 005.7, und jetzt 006.4. Und wir beschleunigen, sind bei Warp 7,5; Warp 7,57; Tendenz steigend.“

„B’Elanna?“ Harry sah zu ihr hinüber und sie schüttelte den Kopf.

„Ich kann keinen Fehler finden. Die Navigationssysteme, der Warpkern, alles arbeitet einwandfrei,“ erklärte sie. „Aber ich suche weiter.“

„Fähnrich Delaney, was sagen die Sensoren?“ Harry ging zur wissenschaftlichen Station.

„Ich bin nicht sicher, Sir.“ Sie studierte die Anzeigen. „Ich empfange hier Meßwerte, die auf ein äußerst starkes Gravitationsfeld deuten. Aber das hätten wir schon erkennen müssen, bevor wir hineingeraten sind.“ Sie führte einen erneuten Scan durch und der amtierende Captain sah ihr über die Schulter.

„Keine Gravitonfluktuationen...“ murmelte Harry zu sich selbst, und laut fragte er: „Was ist mit der Quelle?“

„Ich kann die Quelle nicht orten. Die Daten sind widersprüchlich und entsprechen nicht einer uns bisher bekannten Dynamik eines Gravitationsfeldes.“

Harry studierte noch einmal Megans Meßdaten, dann befahl er: „Fähnrich Winston, gehen Sie auf Roten Alarm. Lieutenant Paris, Umkehrschub.“
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