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Nach all den Jahren

von Emony

Kapitel 2

Kapitel 2

"Leonard?" Die Stimme seiner Exfrau schwankte zwischen Sorge und Ungeduld. "Was ist nun? Bekomme ich die Unterschrift?"

Sekunden verstrichen. McCoy war ganz schwarz vor Augen und ein leichtes Schwindelgefühl nahm seine Sinne in Besitz. Die unerwarteten Neuigkeiten warfen ihn vollkommen aus der Bahn. Dass er eine Tochter haben sollte, war so ein merkwürdiger Gedanke. Er hatte sich nie vorgestellt Kinder zu haben. Vor allem nicht, seit er sich zu seiner Homosexualität bekannt hatte.

Er hatte eine Tochter. Joanna. Seine Lippen bewegten sich, als er ihren Namen in Gedanken wiederholte. Wieder und wieder.

"Leonard!" Jocelyns Ungeduld überwog nun vollends dem bisschen Sorge, welches sie zwischenzeitlich empfunden hatte. Ihre Stimme klang schon fast wie ein Kreischen. Sie hatte schon früher schnell die Geduld verloren.

Langsam schüttelte McCoy den Kopf, um wieder zur Besinnung zu kommen. Jocelyn starrte ihn noch immer ungehalten an. "Ich will einen Bluttest", sagte er schließlich so sachlich, wie es ihm möglich war.

"Das ist nicht nötig. Ich bin dir nie untreu gewesen."

McCoy straffte die Schultern. Seine Stimme war kühl und beherrscht, doch in seinem Innern tobte ein wahrer Sturm von Gefühlen. "Wenn es im ganzen Universum eine Person gibt, der ich nicht über den Weg traue, dann dir. Du hast mir alles genommen. Alles, bis auf meine Ausbildung. Und ich weiß genau, dass du mir die auch noch genommen hättest, wenn es in deiner Macht gestanden hätte. Du hast keine Gelegenheit ungenutzt gelassen, mir zu zeigen wie sehr du mich hasst. Und bevor ich mich auf irgendetwas einlasse, was mich erneut zwingt mit dir in Kontakt zu stehen, werde ich mir den Beweis für deine Geschichte einholen. So lange wirst du wohl oder übel auf meine Antwort warten müssen."

"Ich will nicht, dass sie dich kennen lernt, Leonard. Sie weiß nichts von dir und das soll auch so bleiben. Ich will nicht, dass meine Tochter in dem Wissen aufwächst einen ... schwulen Vater zu haben."

"Ich verlange einen Bluttest und damit Ende. Ich melde mich wieder bei dir, sobald ich weiß, wann ich zur Erde zurück komme." Noch bevor Jocelyn irgendwas erwidern konnte, schlug McCoy auf die Taste an seiner Konsole, die das Gespräch abrupt beendete. "Miststück!" Kraftlos sank er in seinen Sessel zurück und starrte auf das wieder erschienene Starfleet-Symbol auf seinem Monitor.

Was sollte er jetzt nur tun? Jim bitten, Kurs auf die Erde zu setzen? Und was dann? Eine Tochter! Er hatte eine Tochter!

Fassungslos rieb er sich die Stirn.

Natürlich hatte Jocelyn das Kind nicht vor ihm verheimlicht, um ihn von Unterhaltszahlungen zu befreien. Sie hatte ihm auch das Kind nehmen wollen. Im Grunde zweifelte er nicht daran, dass er tatsächlich der biologische Vater des Mädchens war. Dennoch wollte er sicher gehen. Es könnte der Tag kommen, an dem doch eine Zahlung fällig wäre. Ein weiterer Gefallen. Irgendetwas, das Jocelyn erneut gegen ihn verwenden konnte.

Auch wenn die Chancen verschwindend gering waren, dass er nicht blutsverwandt mit dem Kind war, durfte er diese eine Möglichkeit nicht auslassen.

Stunden vergingen in denen McCoy wie ein eingesperrter Tiger durch sein Quartier umher wanderte. Er versuchte alles zu bedenken. Alle Möglichkeiten, alle Konsequenzen. Das hin und her seiner Schritte spiegelte das hin und her seiner wirren Gedanken wider. Er war Vater!

Der schrille Piepton des Türmelders riss ihn jäh aus seinen Überlegungen und er blieb stehen. Hatte er sich den Ton nur eingebildet? Er starrte auf die Tür. Es piepte erneut. "Herein", bat er ein wenig widerwillig. Gerade jetzt wo sein Kopf so voller Sorgen war, er wollte alles Mögliche, nur keine Gesellschaft.

Jim betrat lächelnd sein Quartier. Doch sein Lächeln wurde schlagartig durch tiefste Sorge ersetzt, als er Leonards Gesichtsausdruck sah. Er kannte diesen Blick. So hatte Leonard auch stets während ihrer Studienzeit ausgesehen, wenn er unter Prüfungsstress stand und mal wieder völlig unbegründet glaubte durchgefallen zu sein. "Bones", sagte Jim und war mit zwei großen Schritten bei ihm. "Was ist passiert?"

Für einen flüchtigen Moment zog McCoy in Erwägung zu lügen, doch ihm wollte keine Ausrede einfallen. Es war niemals leicht Jim etwas vorzumachen. Und er wusste, dass er sich nicht in der Verfassung befand ihm etwas vorzugaukeln. Als er begonnen hatte, seine Gefühle für Jim zu verbergen, hatte er viel Zeit gehabt. Es war alles perfekt einstudiert gewesen, bis es zur Routine geworden war. Doch genau in diesem Augenblick war er überrascht von Jims Besuch. Er hatte nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war. Er hatte vergessen sich eine Ausrede einfallen zu lassen.

"Bones." Kirk legte ihm beide Hände auf die Schultern und sah ihn eindringlich an. "Rede mit mir? Bist du mir noch böse?" Ein mulmiges Gefühl machte sich in seinem Bauch breit. Kirk kannte dieses Gefühl nur zu gut. Es hatte ihn niemals getrogen. "Hey", hauchte er leise, als sein Gegenüber ihm nicht antwortete.

"Jocelyn hat vor ein paar Stunden Kontakt zu mir aufgenommen", begann McCoy schließlich, machte jedoch eine Pause, ehe er fortfuhr. "Sie wird wieder heiraten."

Kirk lächelte erleichtert. "Das ist doch gut. Soll sich ein anderer mit ihr herumschlagen. Warum bereitet dir das solches Kopfzerbrechen? Du empfindest doch nicht etwa noch etwas für sie?"

"Abgesehen von Hass sicherlich nichts, nein." McCoy wich Kirks Blick aus. Jim war noch so jung. Er würde es vielleicht nicht verstehen.

Allmählich keimte Ungeduld in Kirk auf. Er nahm die Hände von McCoys Schultern und stemmte sie stattdessen in seine Hüften. "Was ist es, Bones? Raus mit der Sprache. Was wurmt dich so sehr? Lass mich dir helfen."

"Ihr künftiger Ehemann möchte ..." McCoy wandte sich von Kirk ab und ging zum Fenster hinüber. Er starrte hinaus zu den Sternen. Er hatte fest daran geglaubt weit genug von Jocelyn fort gekommen zu sein, doch er hatte sich geirrt. Lichtjahre lagen zwischen ihnen und dennoch hatte sie erneut einen Weg gefunden, sein immer noch wundes Herz erneut zu schänden. Entschlossen drehte er sich zu Jim um, der unbewegt in der Mitte des Quartiers stand. "Er ... möchte mein Kind adoptieren."

McCoy hielt den Atem an, während er auf Jims Reaktion wartete. Sekunden verstrichen in denen nichts geschah. McCoy malte sich verschiedene Versionen aus, wie Jim reagieren konnte. Vor allem ging er jedoch davon aus, dass er zornig wurde, weil er es ihm verheimlicht hatte. Natürlich konnte McCoy nichts dafür, da er selbst bis vor wenigen Stunden nichts von seiner Tochter wusste. Aber das konnte Jim wiederum nicht ahnen. Zig verschiedene Möglichkeiten huschten binnen Sekundenbruchteilen durch McCoys Geist.

"Du hast ein Kind?", fragte Kirk blinzelnd und sah aus wie ein Junge, dem man eben gesagt hatte, dass es den Weihnachtsmann tatsächlich gab.

McCoy nickte, sagte jedoch nichts. Er ließ nur langsam die Luft aus seinen Lungen entweichen, bevor es schmerzhaft wurde.

"Du hast nie erwähnt, dass du Vater bist. In all den Jahren unserer Freundschaft hast du es nie zur Sprache gebracht. Warum?" Kirk machte einige Schritte in McCoys Richtung, blieb dann jedoch direkt beim Sessel stehen und legte die Hände auf die Rückenlehne, als müsse er sich stützen.

"Würdest du mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich es selbst erst heute erfahren habe?"

Kirks Augen wurden groß. Dann ging er um den Sessel herum. McCoy kam ihm entgegen, hielt aber einen gewissen Abstand.

"Wie alt ist dein Kind? Ist es ein Junge oder ein Mädchen?"

"Ein Mädchen. Sie kann nicht älter als fünf sein. Während des Scheidungsprozesses ist mir nie aufgefallen, dass Jocelyn schwanger war. Und danach hatten wir ohnehin keinen Kontakt mehr. Ihr Name ist Joanna."

Jim nickte nachdenklich. "Soll ich dir gratulieren?"

"Nein", sagte McCoy und zog verwirrt die Stirn kraus. "Blödsinn." Mit einem Seufzen ließ er sich auf das Sofa nieder. "Du glaubst mir also?"

"Natürlich. Was für eine Frage." Jim setzte sich dicht neben ihn und legte Leonard einen Arm um die Schultern. "Was hast du jetzt vor?"

McCoy schüttelte den Kopf. "Ich habe keine Ahnung, Jim. Ich habe ihr gesagt, dass ich einen Bluttest will. Bei Jocelyn gehe ich kein Risiko ein. Sie würde mich noch treten, wenn ich schon tot am Boden läge."

"Und wenn du ganz sicher bist, dass Joanna deine Tochter ist? Möchtest du, dass Jocelyn und ihr künftiger Mann sie gemeinsam großziehen?" Es klang wie eine rhetorische Frage, aber McCoy vermutete, dass mehr dahinter steckte.

Erneut seufzte McCoy. "Ich wüsste nicht, was ich dagegen tun sollte. Joanna weiß nicht, dass es mich gibt. Sie denkt vielleicht, dieser Jeremy sei ihr Vater. Und das ist vielleicht auch gut so. Was sollte ich mit einem Kind, Jim? Ich bin Chefarzt auf dem Flaggschiff der Sternenflotte. Ich habe keine Ahnung von Kindern." Lange sagte keiner von beiden etwas, doch nach einiger Zeit hielt McCoy die Stille nicht mehr aus. "Was geht dir jetzt durch den Kopf, Jim?"

"Ich frage mich, was du von mir erwartest?"

"Nichts, Jim." McCoy zog die Brauen zusammen und sah ernst den Mann zu seiner Linken an. "Ich erwarte nicht, dass wir beide ... Ich meine, ich ..."

"Und warum nicht?"

McCoy rutschte ein Stück weg von Kirk und brachte genug Abstand zwischen sie, dass er ihn genau betrachten konnte. "Du versuchst mich auf den Arm zu nehmen, oder? Jim, du bist Captain der Enterprise. Wir sind Offiziere der Sternenflotte. Das würde nicht klappen." Was um alles in der Welt brachte Jim nur auf den Gedanken, dass sie beide Joanna zu sich holen könnten? Das war absurd!

"Ich war wie deine Tochter. Ich war das Kind, das mit einem Stiefvater aufwuchs. Das in den Augen der Mutter immer nur schmerzliche Erinnerung an den verlorenen Ehemann war. Meine Mutter hat versucht mich zu lieben. Aber es tat ihr weh mich anzusehen und ihn in mir zu sehen, so dass sie mich immer mindestens genauso hasste wie liebte. Sie kam damit nicht zurecht und ließ mich und meinen Bruder bei Frank zurück." Kirk machte eine kleine Pause, damit McCoy über seine Worte nachdenken konnte. "Lass nicht zu, dass dein Kind so aufwächst wie ich, Bones. Anders als mein Vater lebst du. Du kannst für sie da sein, sie zu einer Frau heranwachsen sehen. Willst du dir diese Möglichkeit versagen und auch ihr?"

"Nicht alle Stiefväter sind wie Frank und nicht alle Mütter so wie deine, Jim. Joanna könnte es gut bei ihnen haben", argumentierte McCoy dagegen.

"Hörst du den Konjunktiv in deinem Satz? Könnte." Kirk rieb sich den Nacken. Als er für einen Moment die Augen schloss, sah er wieder das Gesicht seiner Mutter vor sich, als sie sich von ihm verabschiedet hatte, um zu ihrer Mission aufzubrechen. Ihre Augen waren von Tränen feucht gewesen, ihr Blick schmerzerfüllt. Aber er hatte auch Erleichterung in ihrem Blick gesehen, als sie endlich gehen konnte.

"Du hast keine Ahnung wie es war, Bones. Natürlich muss Joannas Leben nicht wie meines verlaufen. Aber warum ein Risiko eingehen? Du hast hier eine einmalige Möglichkeit und ich denke, dass es gut für dich wäre. Ich kenne dich. Anfangs wärst du erleichtert, dich nicht um sie kümmern zu müssen. Nach einiger Zeit, vielleicht erst nach Jahren, würdest du dich fragen, wie es hätte sein können. Und je länger du wartest, desto weniger wird sie von dir wissen wollen. Du kannst nicht erst in zehn oder zwanzig Jahren in ihr Leben treten und ihr ein Vater sein. Wenn sie noch so jung ist, wie du sagst, hast du eine gute Chance, dass sie dich als ihren richtigen Vater anerkennen wird."

Mit einem Ruck stand McCoy auf und riss in der Bewegung Kirks Arm mit hoch, der nach wie vor über seiner Schulter lag. Kirk biss die Zähne zusammen und versuchte den kurzen Schmerz in seinem Gelenk zu ignorieren. Leonard sah hinab zu Jim und begann wild zu gestikulieren, während er sagte: "Ich bin zu beschäftigt, um mich um ein Kind zu kümmern. Glaubst du etwa, ich will wieder auf der Erde festsitzen und ein Wochenendvater sein? Ich müsste Jocelyn regelmäßig sehen, vielleicht sogar mit ihr sprechen. Aber das kann und will ich nicht. Diese Frau verkörpert alles, was ich hasse. Wer sagt dir, dass ich nicht irgendwann Joanna so ansehen werde, wie deine Mutter dich? Hm?"

"Ich glaube nicht, dass du sie so ansehen würdest. Du hast ein Herz aus Gold, Bones, auch wenn du manchmal nicht fähig bist es zu zeigen."

"Was soll das nun wieder heißen?"

Kirk schüttelte den Kopf. "Nichts, vergiss es. Geh zu deiner Tochter. Hol deinen Bluttest und entscheide dann was du machst. Tu dir selbst den Gefallen und weise die Möglichkeit nicht schon im Vorfeld ab, dass du ihr ein richtiger Vater sein könntest." Einen Moment sah er sein Gegenüber, dann wandte er sich zum gehen.

"Wo willst du hin?", fragte McCoy.

"Ich lasse dich allein, damit du gründlich über alles nachdenken kannst", erwiderte Kirk als er sich zu ihm herumdrehte. "Ich dachte, das liegt in deinem Sinn."

"Jim, ich ...", begann Leonard und machte drei große Schritte durch den Raum, bis er dicht vor seinem Geliebten stand. "Ich möchte nicht, dass du gehst. Lass mich heute nicht allein." Braune Augen hielten blaue fest. Ein gedehnter Moment folgte, dann fügte Leonard hinzu: "Ich brauche dich."

Kirk legte ihm die Hand auf die linke Wange und zog ihn zu einem innigen Kuss heran. Hungrig liebkosten seine Lippen die des anderen. Es war so schwer Leonard zu widerstehen, wenn er so darum bat. Er war nur froh, dass der andere Mann keine Ahnung hatte, welche Wirkung dieser Blick aus hilflosen braunen Augen auf ihn hatte. Jim hatte Leonard nie für hilflos gehalten, doch er hatte diesen Blick perfekt drauf und es brachte sein Herz zum schmelzen. Als er sich schließlich von Leonard löste, leckte er sich genüsslich die feuchten Lippen, um einen Moment länger den unvergleichlichen Geschmack des anderen wahrnehmen zu können. Dann schloss er die Augen und seufzte. "Ich muss gehen, Bones. Ich kann nicht Nacht für Nacht neben dir schlafen und ... nun ja, schlafen."

"Wer sagt, dass ich schlafen will?", raunte Leonard und zog nun seinerseits Jim in einen leidenschaftlichen Kuss. Seine Hände suchten sich ihren Weg in Jims Haar, die andere glitt seinen Rücken hinab bis sie auf dem festen Fleisch seines Hinterns liegen blieb. Jim stöhnte in seinen Mund. "Bleib." Ein einziges Wort, gehaucht zwischen zwei Küssen, als Leonards Lippen sich zu Jims Ohr vorarbeiteten und ihn schließlich am Hals streichelten.

"Bones, warte." Jim schob ihn von sich, wenn auch höchst widerstrebend. "Tu das nicht, weil du deine Gedanken ablenken willst."

"Das ist es nicht. Du hast Recht. Wir haben lange genug gewartet."

Wie lange hatte Jim gehofft, dass Leonard ihn endlich mit diesem sinnlichen Blick ansehen würde? Wieder einmal hatte er aber ein schlechtes Bauchgefühl. Er kannte Leonard gut genug, um zu wissen, dass dieser plötzliche Sinneswandel mit Jocelyns Anruf und der damit verbundenen Neuigkeit zu tun hatte.

Leonard Hände machten sich an seinem Gürtel zu schaffen und er fühlte sich vollkommen hin und her gerissen. Alles in ihm drängte danach sich Leonards Begehren hinzugeben...
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