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Fair Trade

von Aurea

Kapitel 3

Der dunkelhaarige Indianer legte seinem Captain eine Hand auf die Schulter. „Dann nehmen wir eben den unsicheren Weg, denjenigen, der länger dauert...“

„Nein!“ Mit einer Vehemenz, die ihn erschütterte, fuhr Kathryn herum und schüttelte seine Hand ab. „Chakotay! Denken Sie doch einmal nach! Wir würden nicht nur zehntausend Lichtjahre Weg sparen, sondern auch zehn Jahre durch den sicheren Bretari-Sektor fliegen! Zehn Jahre absolut gewährleistete Sicherheit! Zehn Jahre ohne Versorgungsengpässe! Zehn Jahre ohne feindliche Übergriffe! Zehn Jahre, in denen die Crew der Voyager ihren eigenen, menschlichen, sozialen Bedürfnissen nachkommen könnte. Und als Ziel ein Wurmloch, welches uns noch näher an zu Hause heranbringt. Das ist ein Angebot, das ich nicht abschlagen kann!“

„Das Sie nicht abschlagen können?“

„Das wir nicht abschlagen können.“, verbesserte Kathryn ihren Ersten Offizier. „Sehen Sie, Chakotay, es würde der Crew gut tun. Zehn Jahre Sicherheit, Schutz, Fürsorge. Die Gewissheit, dass man auch noch am nächsten Morgen leben würde und nicht das Opfer eines grausamen Übergriffes einer noch grausameren feindlichen Rasse geworden ist.“ Die zierliche Frau seufzte leicht und wollte sich wieder von ihrem Gegenüber wegdrehen, doch er fasste sie sachte an der Schulter. Kathryn verweilte also in ihrer Position und erlaubte sich nur leicht mit ihrem Oberkörper zurück an die kühle Glasscheibe zu sinken.

„Sehen Sie, Chakotay, was soll ich tun? Was raten Sie mir? Was würden Sie an meiner Stelle tun? Eventuell 152 Lebewesen in den Tod schicken? Oder soll ich mich lieber für das Leben entscheiden? Soll ich den Tod dieser 152 Crewmitglieder durch die Zeugung eines einzelnen neuen Wesens abwenden? Chakotay, das... 152 Tote gegen ein geplantes Leben... das steht nicht zur Debatte. Nicht mehr. Ich habe mich entschieden.“

Chakotay schaute sie durchdringend an, gewappnet für das, was er hoffte nicht als Antwort auf seine nächste Frage zu erhalten. „Wen haben Sie für diese `Mission´ dann vorgesehen, Kathryn?“ Unverwandt blickt sie ihm in die Augen und sagte schlicht: „Mich.“

Einige schweigsame Augenblick später wandte sie sich aus seinem Griff und schritt an ihm vorbei in den offenen Wohnbereich. Sie konnte seinen bohrenden, seinen beinahe erschütterten Blick nicht länger ertragen. Es war für sie schon schwer genug gewesen seine anklagende Frage zu hören, doch als sie den Umschwung seiner Emotionen in seinen dunklen Augen sah, konnte sie nicht mehr. Wollte sie seinem Blick nicht weiter ausgesetzt sein. Langsam schritt sie auf ihren Schreibtisch zu, fuhr sich mit ihrer rechten Hand durch die Haare, bevor sie sich verzweifelt mit beiden Händen auf die kühle Platte des Tisches abstützte.

Allerdings blieb Chakotay nicht auf Distanz zu ihr. Ebenso langsam wie sie, durchquerte er den Raum. Sie konnte seine Anwesenheit hinter sich spüren, den leichten Luftzug, als er fast gemächlich an ihr vorbeischritt und Kathryn sah auch, wie er beinahe beherrscht auf ihrem Schreibtischstuhl Platz nahm. Jedoch drehte er die Sitzgelegenheit nicht so, dass er sie direkt anschauen konnte, sondern ließ den Sessel in seiner ursprünglichen Position mit Blick zum Panoramafenster.

Stille durchzog den Raum. Jeder der beiden Führungsoffiziere hing seinen eigenen Gedanken nach. Keiner sprach ein Wort. Als die Stille den Raum und die darin anwesenden Personen schon beinahe zu erdrücken schien, warf Chakotay eine Frage in den Raum.

„Warum Sie?“

Kathryn ließ ihren Kopf in eine hängende Position gleiten. Strähnen ihres Haares fielen ihr ins Gesicht. Ein gemurmelter Versuch einer Erklärung drang über ihre Lippen.

„Weil ich uns hier gestrandet habe. Weil ich uns wieder nach Hause bringen muss.“ Eine kurze Pause entstand. „Weil ich dies keinem anderen aufbürden kann.“

„Sind Sie sicher?“ Chakotay drehte mit dieser Frage seinen Stuhl um, sodass er seinen Captain und besten Freund direkt anblickte. „Ich meine, es ist doch eigentlich etwas wunderbares ein Kind sowohl zu zeugen als auch zu erziehen und später an seinem Leben teilhaben zu dürfen. Kinder sind wohl das größte Geschenk der Menschheit. Für viele, ja die meisten Menschen und natürlich auch andere Spezies ist es ein großer Wunsch, eine Familie zu gründen. Haben Sie wirklich alle Crewmitglieder dahingehend sorgfältig überprüft?“ Bevor Kathryn auch nur eine Antwort oder Gegenfrage einwerfen konnte, fuhr er fort. „Natürlich sollte keiner unserer Crewmen gezwungen werden, diese Verantwortung per Befehl zu übernehmen. Aber seien wir doch einmal ehrlich: Wäre es nicht das Gleiche bei Ihnen, Kathryn? Würden Sie sich nicht selbst den Befehl geben, ein Kind zu zeugen, ja vielleicht mit einem Partner, den Sie gar nicht in Betracht ziehen? Würde das Kind nicht später – falls es von der Ursache seiner Zeugung in Kenntnis gesetzt werden würde – nicht ein Gefühl der Ungewolltheit verspüren? Würden Sie, Kathryn, sich nicht ständig fragen, ob Sie dieses Kind nicht bloß als Werkzeug, als Instrument eines größeren Ganzen gebrauchen und sich dann hierfür Vorwürfe machen?“

Eine lange Pause trat ein und Chakotay blickte auf seine gefalteten Hände, während Kathryn sich immer noch mit gesenktem Haupt auf den Tisch stützte.

Doch plötzlich hob sie ihren Kopf an – ihr Erster Offizier hatte schon gar keine Erwiderung mehr von ihr erwartet – und sagte schlicht: „Ja. Ja, ich würde mir diese Fragen stellen. Wohl täglich, stündlich, gar minütlich.“ Ihre Augen starrten den Indianer durchdringend an, wurden wässrig und verengte sich dann. Er glaubte schon fast, eine Träne, wenn auch nur eine einzelne zu sehen, als sie plötzlich heftig blinzelte, ihren Blick wieder fokussierte und weitersprach. „Ja, ich werde mir wahrscheinlich Fragen stellen und Vorwürfe machen. Doch ich habe alle eventuellen Möglichkeiten, alle Crewmitglieder geprüft. Nichts. Wir haben keine andere Wahl. Ich habe keine andere Wahl.“ Eine kurze Pause trat ein. „Und glauben Sie mir oder auch nicht: Ich werde dieses Kind lieben.“ Abermals trat Schweigen ein.

Chakotay nickte nur. Vielleicht verzweifelt, vielleicht enttäuscht, vielleicht resigniert. Welche Emotionen und Gedanken sich in diesem Moment hinter der mit Denkfalten überzogenen Stirn des stattlichen Mannes abspielten, das konnte sie in diesem Moment nicht genau sagen. Langsam erhob er sich aus dem Stuhl und wandte sich zum Gehen. Doch bevor er gänzlich hinter dem Schreibtisch hervortrat, blieb er vor Kathryn stehen und machte eine für sie überraschende Geste. Sachte, erst zögernd hob er seine rechte Hand, verharrte kurz mitten in der Luft, entschloss sich dann aber doch seine Bewegung zu vollenden, und strich ihr sanft über die Wange. Sie starrte ihm überrascht in seine braunen Augen. „Kathryn, ich werde Ihnen jetzt wahrscheinlich ein noch unmoralischeres Angebot als die Bretari machen und ich werde es auch nur einmal sagen, nur ein einziges Mal...“ Er hielt kurz inne, fuhr mit seinen Fingern die delikaten Konturen ihres Kinns und ihres anderen Wangenknochens nach, bevor er weitersprach. „Ich würde gerne der Vater Ihres Kindes sein. Ich glaube, ich glaube, ich könnte es nicht ertragen, wenn Sie einen anderen wählen würden.“ Bedächtig ließ er seinen Arm fallen, wandte rasch seinen Blick ab, wie um weitere Sätze, weitere Bekenntnisse zu unterdrücken, strich mit seiner sinkenden Hand über die ihre und verließ schließlich das Quartier. Beim Hinausgehen sagte er noch leise: „Um acht ist meine Schicht zu Ende.“

Zurück blieb eine sprachlose, einst unerschütterliche Frau.
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