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The past, the now and the future

von Brigitte, Mia

Kapitel 1

"Es ist eigenartig", sinnierte Kathryn Janeway vor sich hin, "da existiert ein Stück von deinem Leben, von dem du nichts weißt." Sie kam sich merkwürdig vor bei diesem Gedanken, was hatte sich in dieser Zeitspanne abgespielt, und vor allem - mit wem?
"Klingt ziemlich nach der Zukunft", unterbrach Chakotay ihre Gedanken. Sie war sich sicher, er wusste mehr, als er ihr sagen konnte und durfte.
Kathryn war auch davon überzeugt, dass sie beide in dieser alternativen Zeitlinie miteinander zu tun gehabt hatten. Sie brannte darauf, zu erfahren was sich dort zugetragen hatte und beschloss, es auf ihre Art heraus zu bekommen.
"Irgendwelche Vorhersagen?", stellte sie ihm eine vorsichtige und wie sie meinte, nichtssagende Frage, in der Hoffnung, ihr Erster Offizier würde ihr doch noch mehr verraten, als er es bisher getan hatte.
"Nur dass diese Flasche in ein paar Minuten leer sein wird." Chakotay hatte ihre Absicht natürlich sofort durchschaut, ihm war bewusst, worauf Janeway hinaus wollte. Nur zu gerne würde er ihr von ihren gemeinsamen Erlebnissen in den verschiedenen Zeitzonen, in der sich die Voyager befunden hatte, berichten, jedoch musste er sich ohne Einschränkung an die oberste temporale Direktive halten. Es gab keinen Weg daran vorbei.
Diesmal war es jedoch Kathryn, die ihn vollkommen mit ihrer Antwort überraschte. "Dann sollten Sie vielleicht in den Frachtraum gehen und Nachschub holen." Einen Moment blickte der Indianer sie völlig fassungslos an. Hatte sie Erinnerungen an ihre gemeinsamen Erlebnisse? Nein, das konnte unmöglich sein, die physikalischen temporalen Gesetze ließen solche Eigenarten nicht zu. Es war nur möglich, dass sie seinen Vorrat dort entdeckt hatte. Er beschloss, sie direkt danach zu fragen.
"Woher wissen Sie, dass dort noch welche sind?"
Janeway genoss seine Überraschung, damit hatte er nicht gerechnet. Dabei war ihre Vermutung äußerst naheliegend. Als er zu Beginn des Abends mit der Flasche Cidre zu ihr gekommen war und erzählt hatte, er hätte Icheb und Naomi Wildman im Frachtraum getroffen, war für sie natürlich klar, wo er seinen privaten Weinvorrat vor Neelix versteckt hielt. Sie würde sich aber tunlichst hüten, ihm ihre Folgerungen preis zu geben und beschloss, ihren Ersten Offizier ein wenig auf die Schippe zu nehmen. Also antwortete sie ihm nur lakonisch. "Kann ich Ihnen nicht sagen."
"Warum nicht?" Fragend sah Chakotay sie an.
Jetzt war die beste Gelegenheit, ihm seine Verschwiegenheit heimzuzahlen. "Oberste temporale Direktive." Gespielt ernst blickte Kathryn in sein Gesicht, das einen Moment nur Verwirrung spiegelte. Als er Sekunden darauf ihren Scherz begriff und herzlich zu lachen begann, stimmte sie mit ihm ein.

Kathryn Janeway liebte diese gemeinsamen Abende über alles, wenn sie beide allein waren, durfte sie ein Mensch sein und den Captain der Voyager auf der Brücke zurück lassen. Zu ihrem Ersten Offizier hatte sie uneingeschränktes Vertrauen und konnte ihm inzwischen auch viele persönliche Dinge anvertrauen, die sie mit sonst keinem Crewmitglied besprechen würde. Es tat ihr gut, Geschichten aus ihrer Kindheit zu erzählen und damit die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen. Sie hatte ihm sogar aus ihren früheren Beziehungen einiges berichtet. Nur hatte Chakotay sich bisher ihr gegenüber über dieses Thema bedeckt gehalten.
Sicher, sie wusste von Seska, aber darüber hatte er gezwungenermaßen mit ihr sprechen müssen, da sie einige Zeit auf ihrem Schiff war. Aber ansonsten schwieg er sich hierüber aus. Er hatte ihr zwar Geschichten über seine Kindheit und vor allen Dingen über seinen Vater erzählt, war aber nie dazu übergegangen, Persönlicheres aus seinem Leben zu berichten. Kathryn fragte sich, was er alles erlebt hatte, bevor sie sich trafen.
Ihre Gedanken kehrten wieder zum Kern ihres Gespräches zurück, sie beschloss, einen weiteren Versuch zu starten, ihm einige Einzelheiten über seine Erlebnisse in dieser, für sie unbekannten Zeitlinie zu entlocken.
"Chakotay", begann sie vorsichtig, "darf ich Ihnen noch eine Frage stellen?"
Der Erste Offizier schmunzelte fast unmerklich, hatte er doch geahnt, dass sie nicht locker lassen würde. "Sie dürfen, doch ob ich sie beantworte wird die Zukunft verraten."

*****

Janeway hielt den Atem an, als die temporale Welle sie traf. In diesem Moment, das wusste sie, würde die Zersplitterung aufgehoben werden, und alles was sie erlebt hatte in den letzten Stunden würde vergessen sein. Sie schloss die Augen, als ein Gefühl sie durchströmte, das zugleich beängstigend und faszinierend war. Ihr war, als würde sich ihr Körper neu formen. Nur sehr kurze Zeit später war der Spuk vorbei, und instinktiv tastete sie nach ihren Körperteilen, um zu sehen, ob noch alles heil war.
Der Captain sah sich auf der Brücke um, wo alle ihrer gewohnten Arbeit nachgingen. Ein kurzes Aufatmen - es war vorbei. Vorbei? Janeway schnellte aus ihrem Sessel hoch. "Fähnrich Kim, scannen Sie das Schiff nach temporaler Zerrüttung", befahl sie.
Harry tat wie ihm geheißen, doch blickte er seinen Captain mit großen, fragenden Augen an. "Negativ, Ma'am", erklang seine Antwort nach kurzer Zeit. "Doch darf ich fragen..."
Janeway winkte ab, sie musste nachdenken. Sie konnte sich an alles erinnern, was geschehen war, doch es gab keinerlei temporale Anomalie. Das erstere hieß, die Wiedervereinigung der Voyager hatte nicht funktioniert, das zweite jedoch... Die Hand an die Schläfen gepresst wandte sie sich an Lt. Rollins. "Lieutenant, Commander Chakotay…?"
"Wer, Captain?", gab Rollins zurück. Dies gab den Ausschlag.


Erschöpft ließ sich Janeway mit einer Tasse in der Hand auf ihren Stuhl sinken und dachte nach. Hier, in ihrem Bereitschaftsraum, versuchte sie ihre Gedanken zu ordnen. Die Merkwürdigkeiten, die geschehen waren, in eine sinnvolle Reihe zu bringen. Doch was war sinnvoll? Ihr war nun klar, dass alles wieder in seinem richtigen Zeitrahmen war, das hieß, alles außer ihr selbst. Ihr Bauch sagte ihr, dass sie auch ohne Injektion des holographischen Doctors in den Turbolift steigen und auf das nächste Deck fahren konnte, ohne dabei in einem Zeitriss zu verschwinden. Doch wenn dies alles so war, weshalb hatte sie noch Erinnerungen an Commander Chakotay, an die hilfsbereite Borg, an das schreckliche Holoprogramm von
Tom Paris, an die wütende junge Maquis-Frau? Sie sollte, sie durfte nicht wissen, wie ihre Zukunft aussah, und doch tat sie es.
Janeway dachte nach, trank Kaffee und rieb sich die Stirn. Und plötzlich wusste sie es. So sehr sie Wissenschaftlerin war, so sehr konnte sie sich doch auch auf ihren Bauch verlassen. Sie sollte es wissen, um die Zukunft zu ändern. Es lag in ihrer Hand zu verhindern, dass die Voyager im Delta-Quadranten stranden würde. Vergessen waren Chakotays Worte im Turbolift. Ihre Mission war es in die Badlands zu fliegen. Um dort das Maquis-Schiff zu finden - und um das zu verhindern, was in der Zukunft sein würde. Janeway sprang auf. Sie musste die Maquis finden, bevor sie und die Voyager im Delta-Quadranten landeten. Sie vor einer Zukunft retten, die sie doch noch nicht einmal kennen sollte. Würden die Ereignisse ihren Lauf nehmen, wie sie es in der Zukunft taten, die Chakotay beschrieben hatte, so wären sie alle verdammt, im anderen Teil der Galaxis zu stranden. Und dies musste sie verhindern. Das Problem war nur, sie wusste nicht, welchen Lauf der Ereignisse sie verhindern musste. Weil sie ihn nicht kannte. Weil er noch nicht passiert war. Ein ständig zunehmendes Pochen machte sich hinter Janeways Augen breit. *Verdammte oberste temporale Direktive - diesmal werde ich dich ignorieren.*


Entschlossen erhob sich der Captain der Voyager, straffte die Schultern und ging mit festen Schritten auf den Ausgang ihres Bereitschaftsraumes zu, dessen Türen sich sofort mit einem leisen Zischen öffneten. Erwartungsvoll blickte ihr die Crew entgegen, als sie die Brücke betrat.
"Commander Cavit, wie viel Zeit bleibt uns noch, bis wir die Badlands erreichen?", wandte sie sich, die Hände in die Hüften gestützt, an ihren Ersten Offizier.
"Wir kommen in vier Stunden und fünfunddreißig Minuten in die äußeren Randgebiete. Von dort aus sind wir auf die Hilfe von Mr. Paris angewiesen."
Janeway sah den geringschätzigen Gesichtsausdruck des Mannes, als dieser von dem ehemaligen Piloten der Sternenflotte sprach. Sie beschloss, nicht darauf einzugehen und es zu ignorieren. Stattdessen wandte sich zu Fähnrich Harry Kim, der immer noch etwas verunsichert, aber dennoch dienstbeflissen an seiner Konsole stand.
"Mr. Kim, Sie und Lieutenant Rollins", sie sah kurz zur Taktik, "Sie beide erweitern Ihre Scans auf maximale Reichweite. Wir kommen in ein uns unbekanntes Gebiet des Weltraums. Achten Sie vordringlich auf Anomalien, fremde Schiffe und außergewöhnliche Aktivitäten. Vor allen Dingen jedoch - suchen Sie das Maquis-Schiff, wir müssen versuchen, es abzufangen, bevor es in die Badlands fliegt."
Mit einem beinahe einstimmigen "Aye, Captain" bestätigten die beiden Offiziere ihre Anweisungen.
Kathryn Janeway drehte sich noch einmal kurz zu Lieutenant Commander Cavit um, der wartend hinter ihr stand und wies ihn an. "Schicken Sie bitte Mr. Paris sofort in meinen Bereitschaftsraum und transferieren Sie alle verfügbaren Daten über die Badlands und den letztes bekannten Status des Maquis-Schiffes auf meine Computerkonsole dort."
Nach einer kurzen Bestätigung ihres Ersten Offiziers verließ Janeway sofort wieder die Brücke und begab sich in ihren Raum. Zielstrebig wandte sie sich an den dortigen Replikator und orderte sich eine weitere Tasse Kaffee. Sie hoffte, das Getränk würde ihre immer noch anwährenden Kopfschmerzen etwas lindern. Sie setzte sich an ihren Arbeitstisch und rief die angeforderten Daten von ihrem Computer ab. Noch während sie diese studierte, schlug der Türmelder an.
"Herein." Erwartungsvoll blickte sie zur Tür, die sich sofort öffnete.
"Sie wollten mich sprechen, Captain?" Tom Paris war eingetreten und blickte Kathryn mit undefinierbarem Gesichtsausdruck an.
"Bitte setzen Sie sich, ich möchte unsere Flugroute mit Ihnen besprechen."
Der Admiralssohn tat wie ihm geheißen und sah auf den Bildschirm, den Janeway zu ihm hinübergeschoben hatte. Die beiden gingen die Sternenkarte vor ihnen durch, worauf Paris bald eine Flugempfehlung zu melden hatte.
Wo würde sie ansetzen müssen, um nicht in den Delta-Quadranten zu geraten? Vielleicht war es bei ihrem Einflug in die Badlands, diesem unerforschten Teil des Weltraumes passiert. Da das Schiff des Maquis ebenfalls am anderen Ende der Galaxis gestrandet war, lag die Vermutung nahe, dass dies der Zeitpunkt war, auf den sie entsprechend reagieren musste.
"Mr. Paris", begann der Captain der Voyager vorsichtig, "ich weiß Ihre Empfehlung durchaus zu schätzen, aber ich möchte aus Gründen, auf die ich im Moment nicht weiter eingehen kann, Ihren Flugplan ändern." Sie nahm einige Modifikationen auf dem Computer vor, wodurch kurz darauf eine weitere blinkende Linie auf dem Display zu erkennen war.
"Captain", wandte Paris besorgt ein, "diese Route ist erheblich gefährlicher. Sehen Sie hier", er wies mit dem Zeigefinger auf einen Punkt des Bildschirms, "die Plasmastürme weisen wesentlich stärkere Intensitäten auf. Ihr Schiff könnte Schaden nehmen, außerdem bin ich mir sicher, dass...", er wurde von Janeway unterbrochen.
"Mir sind die Risiken durchaus bewusst, glauben Sie mir. Aber ich habe meine Gründe. Wir werden Ihre Freunde vom Maquis auch auf diese Art finden."
Tom bemerkte bald, dass er den Captain nicht umstimmen konnte, sie beharrte auf diesem Flugplan. Gut, ihm sollte es recht sein. Das war nicht sein Problem, er war nur froh, dem Straflager auf New Zealand eine Weile entkommen zu sein.
Kurze Zeit darauf verließ er den Bereitschaftsraum wieder und Janeway studierte noch einige Minuten allein die Anzeigen vor sich. Als sie einen weiteren Schluck Kaffee trinken wollte, bemerkte sie, dass ihre Tasse schon wieder leer war. Sie erhob sich, dabei fiel ihr Blick auf das gerahmte Bild auf ihrem Arbeitstisch. Lange sah sie es an, bis sie bemerkte, dass sich über das Antlitz ihres Verlobten ein Gesicht mit einer tätowierten Stirn schob. Unwillig schüttelte sie den Kopf und schloss kurz die Augen, aber als sie wieder auf das Foto sah, erblickte sie erneut Commander Chakotay. Plötzlich hörte sie in ihrem Inneren seine Abschiedsworte aus der Zukunft. "Es gibt Grenzen, die wir nie überschreiten."

*****

Chakotays Sinne waren in höchster Alarmbereitschaft. Der größten Gefahr waren sie entkommen. Zwar hatte das cardassianische Schiff versucht ihnen in die Badlands zu folgen, doch bald mussten sie ablassen und ihren Kurs ändern. Nach nur kurzer Zeit war es von ihren Sensoren verschwunden. Wo es letztendlich gelandet war, wusste der Indianer nicht, doch dies war auch nicht die Zeit, um sich über das Schicksal seiner Feinde Gedanken zu machen. Nur für einen kurzen Moment nagte die Vorstellung in ihm, dass die Cardassianer einen Hinterhalt planten und plötzlich unvermittelt an der Seite ihres Maquis-Schiffes auftauchen konnten, doch schnell verdrängte er dies wieder. B'Elanna hatte es für einen todsicheren Plan gehalten, dem Feind durch die Flucht in das unwirtliche Gebiet zu entkommen, und wenn er auf eines vertraute, dann war es ihr Urteilsvermögen. Schnell warf er der Halbklingonin neben ihm einen aufmunternden Blick zu, die mit wilder Entschlossenheit in den Augen an der halb zerstörten Konsole vor ihr arbeitete. B'Elanna Torres hielt seinem Blick für einen Augenblick stand und vermochte es, ein verzerrtes Lächeln auf ihr Gesicht zu bringen. In diesem Augenblick brauchten sie keine Worte, um sich zu verständigen. *Gut gemacht, Lieutenant*, fing B'Elanna seine Gedanken auf, und sie schickte ein *Es ist noch nicht vorbei, Chakotay*, zurück.
Der Raum vor ihnen war in der Tat wenig ermutigend. Wilde Plasmastürme beutelten ihr Schiff, das ohnehin durch die Kämpfe schon arg mitgenommen war, und Chakotay hatte alle Hände voll zu tun, das Schiff halbwegs auf Kurs zu halten. Sein Ziel war das Gebiet jenseits der Badlands. Dort würden sie ihre Wunden lecken und einen neuen Plan erarbeiten. Die Cardassianer waren abgehängt - wie er hoffte - doch noch nicht besiegt. Dies war nur eine Schlacht in einem unendlichen Kampf.
"Tuvok, Status", befahl er.
"Warpantrieb und Transporter sind ausgefallen, schwere Schäden im hinteren Frachtraum", gab der Vulkanier nüchtern zurück. "Wir fliegen mit Impulsgeschwindigkeit. Selbst ohne weitere Vorkommnisse brauchen wir annähernd fünf Stunden und dreiundfünfzig Minuten, bis wir die Badlands verlassen."
Chakotay musste grinsen. Tuvoks ‚annähernde Analysen' waren wie immer mehr als exakt. In manchen Zeiten machte ihn seine emotionslose Art nervös, und mehr als einmal hatte er sich gefragt, wie der Vulkanier dazu kam, sich dem Maquis anzuschließen.
Es war sicherlich nicht logisch, als Rebell gegen etwas vorzugehen, das von der Föderation bereits beschlossene Sache war. Doch es tat gut zu wissen, dass auch die Vulkanier nicht immer dem Diktat der Logik unterworfen waren, und exakt in diesem Moment waren Tuvoks sachliche Äußerungen genau das, was er brauchte, um seinen eigenen Scharfblick zu bewahren. "Halten Sie das Schiff in einem Stück, B'Elanna. Solange wir uns noch bewegen, gibt es eine Chance."
"Aye", gab Torres zurück, und es war klar, wäre es nötig, würde sie das Schiff mit der Kraft ihres eigenen Körpers zusammen halten. "Wir werden dieses Wrack schon dazu zwingen, sich nicht unterkriegen zu lassen." Am Ende des Satzes brach Torres Stimme ein wenig, und Chakotay fragte sich, ob sie gerade vom Schiff oder von sich selbst sprach. Besser als jeder andere wusste er, wie viel Leid und Wut diese junge Frau in sich trug.
Nicht unbedingt hatte sie sich den Maquis angeschlossen, weil sie überzeugt von ihrer Sache war, vielmehr benutzte sie ihn als ein Ventil für ihre angestauten Aggressionen. Gegen die Sternenflotte, gegen diejenigen, die sie gehänselt hatten, und nicht zuletzt gegen sich selbst. Nun, über ihre Beweggründe ließ sich streiten, über ihre Fähigkeiten nicht. Mehr als einmal hatte sie ihm das Leben gerettet und sich niemals gescheut, dabei ihr eigenes aufs Spiel zu setzen. Sie beide verband etwas, das weit über Loyalität und ein gemeinsames Ziel hinaus ging.
Als eine weitere Plasmaentladung das Schiff traf, wurde die Crew heftig durcheinander geschleudert. "Bei dem Geist meiner Vorfahren, lass uns dieses Gebiet heil verlassen", schickte Chakotay ein stilles Stoßgebet in sein spirituelles Zentrum.

*****

"Wir haben uns dort getroffen, nicht wahr?"
"Wo getroffen?" Gespielt unwissend blickte Chakotay zu Janeway, er wusste genau, wie sie ihre Frage meinte, versuchte aber, etwas Zeit zu gewinnen, um sich eine nichtssagende Antwort überlegen zu können.
"In dieser Zeitlinie, nun kommen Sie schon, Sie brauchen mir ja keine Einzelheiten zu verraten." Kathryn blickte ihn an, sie konnte direkt sehen, wie es hinter seiner tätowierten Stirn arbeitete und er nach einem Grund suchte, vom Thema abzulenken. Sie beschloss, auf keinen Fall locker zu lassen, ihre Neugier hatte gegen die oberste temporale Direktive die Oberhand gewonnen. Endlich rang er sich zu einer Antwort durch.
"Ja, wir haben uns dort gesehen, aber ich habe Ihnen nicht verraten, wo ich den Cidre versteckt habe." Verschmitzt grinste er sie an.
"Hmm, vielleicht doch, woher wüsste ich sonst von dem Platz im Frachtraum?"
"Das habe ich mich auch schon gefragt, niemand an Bord wusste bis heute von diesem Versteck. Sind Sie mir einmal heimlich gefolgt, als ich eine Flasche holte?" Forschend sah er zu Kathryn, die immer noch locker und entspannt ihm gegenüber auf der Couch saß. Sie trank gerade den letzten Schluck dieses hervorragenden Weines aus und reichte ihm das leere Glas.
Als er es nahm, berührten sich kurz ihre Fingerspitzen und beide hatten das Gefühl, einen leichten elektrischen Schlag zu erhalten. Sie waren etwas verwirrt und zogen schnell ihre Hände zurück, so schnell, dass das hohe Trinkgefäß beinahe zu Boden gefallen wäre. Nur durch Chakotays prompte Reaktion konnte dieses kleine Desaster noch verhindert werden. Unsicher geworden vermieden sie es, ihrem Gegenüber in die Augen zu blicken. Um die angespannte Situation zu entschärfen und sich wieder etwas zu fangen, stand der Indianer auf und meinte mit leicht bebender Stimme.
"Ich hole schnell Nachschub, ich bin sofort wieder zurück."
Bevor Janeway sich aus ihrer Starre lösen und antworten konnte, hatte er mit raschen Schritten ihr Quartier verlassen, sie sah nur noch, wie sich die Türen automatisch hinter ihm schlossen.
Kathryn saß noch etwas aufgewühlt auf ihrer Couch und blickte auf den Ausgang ihrer Kabine. Sie versuchte krampfhaft, ihre Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen und ihre Gedanken zurück in geordnete Bahnen zu leiten. Noch nie hatte sie die Berührung seiner Hand so sehr verwirrt. Es musste etwas mit diesen Geschehnissen zu tun haben, von denen sie nichts wissen durfte.
Was hatten sie beide, wo immer das auch war, gemeinsam erlebt? Jedoch, was sie vor allen Dingen interessieren würde, waren sie sich in dieser Zeitlinie näher gekommen, als sie es hier jemals zugelassen hatte? Es war einfach nicht fair, Chakotay wusste es und durfte ihr nichts davon verraten. Hatte sich sein Verhalten ihr gegenüber geändert? Sie mochte sich vielleicht irren, aber sie hatte den Eindruck, dass er sie, seit alles wieder seinen normalen Gang lief, manchmal forschend und nachdenklich betrachtete. Auch meinte sie, ein gewisses Glitzern in seinen Augen zu vernehmen, welches sie vorher noch nie gesehen hatte. Janeway stand auf, sie drehte sich um und blickte aus dem Fenster auf die vorbeirasenden Sterne. Fieberhaft dachte sie nach, irgendetwas Persönliches musste zwischen ihnen beiden dort vorgefallen sein. Sie konnte es beinahe fühlen. Sie musste es schaffen, ihn derart herauszufordern, dass er ihr einen Teil seiner Erinnerungen, lediglich den Teil, der sie interessierte, preis gab. Sie begann, listig zu lächeln und in ihrem Kopf formierte sich bereits ein Plan, den sie in die Tat umsetzen wollte.

Nach einigen Minuten kündigte der Türmelder Chakotays Ankunft wieder an.
"Kommen Sie herein."
Freundlich lächelnd, er hatte sich wieder vollkommen unter Kontrolle, eine neue gefüllte Flasche Cidre in der Hand, trat der Indianer ein und ging sofort zu dem kleinen Tischchen zwischen ihnen. Er setzte sich ihr gegenüber und stellte das Gefäß zu den Gläsern. Forschend blickte er seinen Captain an.
"Kathryn, Sie schulden mir noch eine Antwort. Woher wussten Sie von dem Versteck des Weines?"
Diebisch grinsend blickte Janeway ihn an, dieser Gesichtsausdruck löste einige Verwirrung in ihm aus. Jedoch, die Worte, die er daraufhin vernahm, sorgten endgültig dafür, dass er vor Überraschung den Mund unkontrolliert offen hielt.
"Was würden Sie sagen, wenn auch ich alle Erinnerungen an diese Zeitlinie hätte?"
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