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Liebeshiebe

von Emony

Kapitel 1

Jims Geburtstag stand in knapp drei Wochen an und Bones hatte absolut keine Ahnung, was er ihm schenken sollte. Jim hasste seinen Geburtstag, da es gleichzeitig der Todestag seines Vaters war. Außerdem neigte Jim zu größten Dummheiten, um diesen einen Tag im Jahr möglichst besinnungslos hinter sich zu bringen. Und Bones war nicht bereit im dritten Jahr ihrer Freundschaft, erneut tatenlos zuzusehen.

Es war ein gewöhnlicher Samstagabend im Club 47. Jim hatte sich bereits unters Volk gemischt und versuchte gleich mehreren Frauen gleichzeitig schöne Augen zu machen, obwohl er eigentlich bereits mit einer tanzte. Meist gelang ihm das sogar, wie Bones immer wieder erstaunt feststellte. Es war bemerkenswert, wie viel Jim mit seinem gespielten Selbstvertrauen erreichen konnte. Und dabei war Jim der unsicherste Mensch, den Bones jemals kennen gelernt hatte.

Die laute Musik dröhnte in Bones’ Ohren und er begriff nicht, wie Jim zu diesen Beats überhaupt tanzen konnte. Wenn man dieses Gewackel des Hinterns und das sich laszive Randdrücken an das Rückteil einer rothaarigen Orionerin – Bones hatte ihren Namen mal wieder vergessen, glaubte sich aber zu erinnern, dass sie mit Uhura zusammen wohnte – überhaupt tanzen nennen konnte.

Verdrossen kippte er den Bourbon runter. Er spielte mit dem Gedanken zu gehen. Bei all dem Krach würde ihm ohnehin nie ein gutes Geschenk für Jim einfallen. Und als könnte Jim riechen, dass er dabei war, sich klammheimlich zu verdrücken, kam der Jungspund grinsend an ihren Tisch zurück und ließ sich auf der Bank neben Bones nieder. „Hey, Bones, komm auch tanzen.“ Jim legte ihm einen Arm um die Schulter.

„Diesen Krach kann ich nicht als Musik anerkennen. Folglich kann ich nicht dazu tanzen“, knurrte Bones lediglich. „Ich wollte ohnehin gerade gehen, Jim. Ich glaub, du hast auch ohne mich deinen Spaß.“

„Es ist Samstagabend, Bones, und noch nicht mal Mitternacht. So alt bist du doch noch nicht, dass du jetzt schon schlapp machst. Komm’ schon, lass mich nicht hängen.“ Jim drückte ihn etwas näher an sich.

Bones verdrehte die Augen. „Du brauchst mich nicht, Jim.“ Die Augen des Doktors wanderten zu der sexy Orionerin, die immer wieder von der Tanzfläche zu ihnen herüberblickte.

Jim sah Bones einen langen Moment in die Augen. „Bist du in Ordnung, Bones? Du bist schon den ganzen Abend so seltsam still. Und wenn ich es mir recht überlege, benimmst du dich seit ein paar Tagen seltsam. Selbst für deine Verhältnisse.“

Bones’ rechte Braue schoss in die Höhe. „Für meine Verhältnisse? Was meinst du bitte damit? Darf ein Mann nicht hin und wieder nachdenklich sein?“

„Du bist nicht nachdenklich, du bist introvertiert.“

Bones’ Braue schoss noch ein wenig höher und sah inzwischen fast spitz wie ein Dreieck aus. „Ich bin nur nachdenklich, nichts weiter. Hättest du einen Freund wie ich, dessen Geburtstag in nur knapp drei Wochen ansteht, dann wärst du sicher auch nicht so cool und würdest hier einfach einen drauf machen.“

„Mein Geburtstag ist mir scheißegal, Bones. Das solltest du doch wissen.“ Er legte seinem besten Freund eine Hand auf die Schulter. „Na los, wir trinken noch einen zusammen und dann kommst du mit mir tanzen. Ich glaube, Gaila wäre einem Dreier nicht abgeneigt. Sie schaut immer wieder zu dir rüber.“

Bones verdrehte erneut die Augen. „Ich bin altmodisch, Jim. Mir reicht ein Sexualpartner vollkommen aus.“ Er wünschte, Jim wäre sein Geburtstag tatsächlich egal. Bones glaubte ihm in dieser Hinsicht kein einziges Wort. Denn, wäre ihm dieser Tag tatsächlich egal, würde er nicht jedes Jahr aufs Neue versuchen sich selbst möglichst hart zu bestrafen, dass er lebte und sein Vater nicht. Was hatte Jims Mutter dem Jungen nur angetan?

„Ich bin beleidigt, Bones. Du wärst der einzige Kerl mit dem ich meine Partnerin teilen würde“, schmollte Jim, trank sein Bier aus und riss Bones damit aus dessen Gedanken.

Bones warf einen skeptischen Blick auf das leere Glas in Jims Hand. „Wie viel hast du heute getrunken?“

„Wen kratzt das?“

„Mich. Weil du blödes Zeug redest. Sogar für deine Verhältnisse“, drehte Bones den Spieß um und Jim sah ihn wie ein ausgesetzter Welpe an. „Himmel, das ist dein Ernst. Jim, ich…“

„Hast du dir das noch nie vorgestellt?“, fragte Jim mit fast schon kindlichem Enthusiasmus.

„Sex mit dir und irgendeiner daher gelaufenen, notgeilen Frau, die keine Tabus kennt? Nein. Wirklich nicht.“ Bones winkte die Kellnerin herbei und bestellte sich einen weiteren Bourbon. Nach diesem Gespräch, das hatte er so im Gefühl, würde er auf jeden Fall noch einen Drink brauchen.

Jim verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück. Die Bank war hart und kalt in seinem Rücken. „Schon gut, vergiss dass ich das überhaupt erwähnt hab. Dumme Idee.“

„Saublöde Idee trifft es schon eher, Jim.“

„Und wieso machst du dir solche Gedanken wegen meines Geburtstags?“, versuchte Jim dann das Thema zu wechseln. „Du weißt, dass ich kein Geschenk will.“

„Weil“, begann Bones und bekam seinen frischen Drink serviert. Er bedankte sich bei der Kellnerin und nahm einen Schluck. Die bernsteinfarbene Flüssigkeit hinterließ ein angenehm warmes Gefühl in seiner Kehle. „Weil“, sagte er dann erneut, „ich Angst habe, dass ich dich wieder in die Notaufnahme bringen muss.“ Und das war der eigentliche Kern des Problems. Es war nicht mal, dass er noch kein Geschenk für Jim hatte.

Bones dachte mit Grauen an das vergangene Jahr zurück. Jim war mehr tot als lebendig vor seiner Türschwelle gelegen, nachdem er diesen Sadomaso-Club besucht hatte. Mit mehr Verletzungen als Bones auf Anhieb mit dem bloßen Auge hatte erfassen können und es hatte Stunden gedauert, ihn zusammen zu flicken und fast einen ganzen Tag, bis Jim das Bewusstsein wieder erlangt hatte. Und in ihrem ersten gemeinsamen Jahr an der Akademie hatte Jim sich für Komasaufen entschieden, mit der Folge, dass Bones ihm den Magen hatte auspumpen dürfen. NEIN, entschied Bones, so einen Tag würde er nicht erneut erleben wollen. Jim bedeutete ihm einfach zu viel.

„Ich hab es übertrieben, zugegeben.“

„Übertrieben?“, wiederholte Bones etwas zu laut und mäßigte seine Stimme, kontrollierte seinen aufkeimenden Zorn. „DAS ist wiederum die Untertreibung des Jahrhunderts.“

„Erinnerst du dich auch noch, was du mir gesagt hast, als ich wieder zu mir kam?“

„Dass du ein verdammter Idiot bist?“

Jim rollte die Augen. „Das danach“, sagte er dann.

Bones musste in seinem Gedächtnis kramen, kam aber nicht drauf. Er hatte Jim Vieles gesagt. Unter anderem wie wichtig er ihm war und dass er ihm nie wieder einen derartigen Schrecken einjagen dürfe, weil er ihn ansonsten persönlich umbrächte. Ob Jim darauf anspielte?

„Du hast gesagt, wenn ich wieder mal das Bedürfnis hätte etwas ähnlich Dummes zu tun, soll ich zu dir kommen. Du würdest das mit Freuden erledigen.“

Bones verschluckte sich an seinem Drink und prustete den kostbaren Bourbon über den Tisch. Natürlich erinnerte er sich noch an seine Worte. Allerdings hatte er das keineswegs so zweideutig gemeint, wie sich das plötzlich aus Jims Mund anhörte. Er wischte sich den Mund und räusperte sich. „Ich hätte dir alles gesagt, um dich davon abzuhalten noch mal in diesen bescheuerten Schuppen zu gehen.“

Jim sah ihn für einen gedehnten Moment an und bedachte seine nächsten Worte sehr sorgfältig. „Wärst du dazu bereit oder nicht?“

„Jim“, sagte Bones und schluckte. Das konnte er wirklich nicht ernst meinen. „Kann ich auf den Dreier zurück kommen?“

„Nein“, grinste Jim und schüttelte leicht den Kopf. „Du hast mich eben auf eine viel bessere Idee gebracht.“

Bones schüttelte vehement den Kopf. „Jim“, versuchte er erneut an Jims Verstand zu appellieren, auch wenn er eigentlich besser hätte wissen müssen, wie absolut sinnlos das war. Wenn Jim sich erstmal an einer so stupiden Idee festgefressen hatte, ließ er nicht mehr davon ab. „Ich werde dich nicht so zurichten. Du bist mein bester Freund.“

„Du solltest mich auch nicht so zurichten. Nur… ein bisschen…“, sagte er und untermalte seine Worte mit angedeuteten Gesten.

„Nein, Jim.“

„Aber“, begann Jim und setzte seinen schönsten Hundeblick auf. Er wusste, dass Bones ihm keinen Wunsch abschlagen konnte, wenn er ihn derartig ansah. Bones mochte nach außen hin wirken als wäre er herzlos, aber Jim wusste es besser. Und Bones hatte in Wirklichkeit ein Herz aus Gold. „Ich kann keinem Menschen so vertrauen wie dir.“

„Jim“, versuchte Bones es erneut. „Wir sind Freunde. Du bist sogar mein bester Freund. Wie… Wie zum Teufel stellst du dir das vor?“

Es war eine rhetorische Frage gewesen, aber Jim scherte sich nicht darum. „Ich weiß, du hältst das für krank. Ich kann nichts dafür, dass ich einen Ständer bekomme, wenn ich… na ja, wenn…“

„Gaila. Frag sie doch. Sie ist offen für einen Dreier. Dann wird sie dich sicherlich auch irgendwo anketten und dich ein bisschen quälen, ehe sie dich einreitet. Um Himmelswillen, Jim, das kannst du nicht ausgerechnet von mir wollen.“

„Wieso hast du es dann angeboten, Bones? Wir haben zwar nie drüber gesprochen, aber ich habe immer wieder darüber nachgedacht. Ich weiß, dass wir keine derartige Beziehung haben. Aber unsere Beziehung, diese Freundschaft, ist sogar noch stärker. Du bist der einzige, wirklich der einzige Mensch, mit dem ich über so etwas reden kann und dem ich so blind vertrauen kann.“

„Mitchell. Den kannst du doch auch gut leiden.“

Jim rieb sich das Gesicht. Natürlich war Gary ein toller Typ, aber er war nicht Bones. Jim warf theatralisch die Arme in die Luft und seufzte ergeben. „Gut. Dann muss ich das irgendwie anders machen.“

„Wie anders?“, fragte Bones alarmiert. Irgendwas in Jims Blick löste Panik in ihm aus. „Was meinst du, Jim?“

„Nichts. Mach dir keine Gedanken. Ich passe diesmal besser auf, ok?“ Jim setzte ein erzwungenes Lächeln auf, tätschelte beruhigend Bones’ Arm und versuchte seine Enttäuschung zu verbergen. Bei jedem anderen wäre ihm das vielleicht sogar gelungen, aber nicht bei Bones.

„Nein. Nein, das ist verdammt noch mal nicht ok! Diese Freaks wissen nicht, wogegen du allergisch bist, wo sie besonders aufpassen müssen und sie können verdammt noch mal nicht abschätzen, wann sie zu weit gehen. Sie kennen deine Schmerzgrenze nicht. Sie könnten dein Sicherheitswort wieder überhören. Wie letztes Jahr eben, als sie dich fast umgebracht haben und davon überzeugt waren, dir damit auch noch was Gutes getan zu haben. Das lasse ich nicht nochmals zu.“

„Du redest dauernd von ihnen, Bones. Es war nur eine Frau. Eine…“

„Mir doch scheißegal, Mann!“, fuhr Bones ihn brüsk an. „Sie hat dich fast umgebracht! Und weißt du auch warum? Weil diese dämliche Domina nicht wusste, dass du gegen ihr verdammtes Gleitmittel allergisch reagiert hast!“ Bones hatte Stunden gebraucht, um das selbst herauszufinden. Danach hatte er Jim auf einfach ALLES getestet und eine extra Datenbank angelegt. Damit Jim nicht irgendwann das falsche Shampoo, das falsche Medikament oder eben das falsche Gleitmittel benutzte.

Jim hob eine Braue. „Niemand außer dir weiß, wogegen ich allergisch bin. Wenn du das so darlegst, sollte ich künftig – nur um sicher zu gehen – nur noch mit dir Sex haben.“

Bones lief hochrot an und betrachtete Jim argwöhnisch aus schmalen Augen. „Hast du dir heute irgendwann den Kopf verletzt und vergessen zu mir auf die Krankenstation zu kommen?“ Er tat so, als müsse er Jims Kopf auf Verletzungen untersuchen und tastete ihn ab.

Jim fegte Bones’ Hand mit sanfter Bestimmtheit weg. „Sarkasmus hilft dir jetzt auch nicht weiter.“

„Du willst ernsthaft, dass ich dich an deinem Geburtstag in deinem Schlafzimmer ankette und …“ Bones konnte es nicht mal aussprechen. Er hatte noch nie Sex mit einem Mann gehabt. Und er hatte es bisher auch nicht in Erwägung gezogen. Außerdem hatte Jim ständig soviel Sex, dass es für sie beide reichte. Was dachte sich dieser Spinner eigentlich dabei? Hatte er denn keine Ahnung, in was für ein Dilemma er Bones damit stürzte?

„Ich weiß, dass ich viel von dir verlange. Und wenn du es wirklich nicht kannst, dann…“ Jim machte eine Pause. „Ich werde dieses Jahr vorsichtiger sein. Du kannst doch mit in den Club kommen und denen sagen, auf was sie aufpassen müssen.“

Bones verdrehte die Augen. „Klar. Ich sage jemandem, dass es vollkommen ok ist dir wehzutun, weil dich das aufgeilt. Ich bin Arzt, Jim, ich kann das nicht zulassen. Der Eid des Hippokrates sagt dir was, nicht wahr?“

„Deshalb bist du perfekt, Bones. Ich will ja auch nicht, dass du mich peitschst oder bewusstlos prügelst. Das letztes Jahr hat mich selbst erschreckt.“

Bones grunzte verächtlich. Jim würde nie begreifen, dass für Bones eine Welt zusammenbrechen würde, würde er ihn je verlieren. Und das wegen so etwas Sinnlosem wie Sadomaso. „Lass mich darüber nachdenken, in Ordnung?“, sagte er daher. Vielleicht würde ihm ja noch etwas einfallen, um Jims kommenden Geburtstag in eine positive Erinnerung zu verwandeln. Irgendwann musste der Junge doch anfangen, sein Leben auch an diesem Tag zu genießen.

Jim nickte und verkniff sich ein Lächeln. Er war sich ziemlich sicher, dass er Bones schon überzeugt hatte.

„Und nun geh zurück zu der Rothaarigen. Die zieht dich ja schon mit den Augen aus“, grummelte Bones und kippte seinen Bourbon runter. „Ich hab genug für heute.“

Jim tat worum Bones ihn bat und gesellte sich wieder zu Gaila auf die Tanzfläche. Bones wiederum suchte schnell das Weite. Anstatt jedoch in sein Quartier zu gehen, entschied er sich für einen Spaziergang am Pier. Er musste nachdenken.

***

Jim freute sich auf das Nahkampftraining. Es war das Highlight einer jeden Woche. Und besonders in dieser Woche freute er sich darauf, da Bones ihm seit Tagen aus dem Weg ging und Gary zu allem Überfluss eine neue Freundin hatte, die ihn vollkommen für sich beanspruchte. Einsamkeit und Frustration waren, wie Jim feststellte, eine böse Kombination.

Kaum hatte Jim das Aufwärmtraining hinter sich, kam Bones in die Sporthalle. Bones, der das Nahkampftraining hasste wie sonst nur das Shuttletraining. Bones, der ihm circa zehn Gründe genannt hatte, weshalb das Training für Fortgeschrittene verboten gehörte.

„Bones. Was tust du hier?“ Jim konnte seine Verwunderung über Bones’ plötzliches Erscheinen nicht unterdrücken.

„Trainieren und du?“, fragte Bones, als wäre es ganz normal für ihn auch da zu sein. Er hoffte, dass er so überzeugend wirkte, wie er es geübt hatte.

Jims Kinnlade klappte runter. „Der Kurs ist für Fortgeschrittene, Bones.“

„Dr. McCoy“, unterbrach Commander Wickland – eine Frau von 1,80m und sicher fünfundsiebzig Kilo, davon jedes Gramm ein durchtrainierter Muskel zu sein schien – und kam zu den beiden Männern herüber. „Schön, dass Sie es doch geschafft haben hierher zu kommen.“

„Das muss ein Missverständnis sein“, sagte Jim, warf Bones einen flüchtigen Blick zu und fixierte dann Wickland.

„Keineswegs. Dr. McCoy hat seinen Anfängerkurs schon vor einem halben Jahr bestanden“, erklärte Wickland und sah dann Bones an. „Ich hatte mich schon gefragt, ob Sie versuchen sich vor meinem Kurs zu drücken.“

„Nein, Ma’am. Ich hatte nur noch keine Zeit.“

Jim gluckste. „Das ist ja nicht zu fassen. Bones, du bist Arzt. Du musst diesen Kurs nicht ablegen.“

„Auch ein Arzt sollte sich jederzeit verteidigen können“, mischte sich Wickland ein. „Sie trauen Ihrem Freund offenbar nicht zu, dass er genauso sehr wie Sie selbst in meinen Kurs passt.“

„Ich“, sagte Jim und unterbrach sich selbst, als er sah, mit welch eisernem Blick Bones ihn anstarrte. Es war nicht so, dass er Bones für schwächlich hielt, im Gegenteil. Jim wusste, dass Bones gut trainiert war. Er hatte ihn oft genug nackt gesehen. Aber Bones war nicht der Typ für Schlägereien. Und Jim erinnerte sich noch zu gut daran, wie Bones sich im vergangenen Semester andauernd über die Sinnlosigkeit des Kurses beschwert hatte, wann immer er im Nahkampftraining gewesen war.

„Wie wäre es, wenn gleich Sie beide für heute den Anfang machen?“, sagte Wickland. Und auch wenn es wie eine Frage klang, so war es doch eigentlich eher ein Befehl. „Mir scheint, als gäbe es eine Spannung zwischen Ihnen, die gelöst werden muss.“

„Von mir aus“, nickte Bones und machte ein paar Dehnübungen, wobei er Jim keines weiteren Blickes würdigte.

Jim stand da wie erstarrt. Wickland entfernte sich, um mit den anderen Kadetten die Reihenfolge durchzugehen und zweier Teams zu bilden. „Bist du verrückt, Bones? Was willst du dir damit beweisen? Du weißt, dass dieser Kurs nichts für dich ist.“

„Machst du dir Sorgen um mich, oder hast du Angst mir wehzutun, Jim?“, fragte ihn Bones gerade heraus und hüpfte ein bisschen auf der Stelle, um sich aufzuwärmen.

„Fuck. Darum geht es dir. Du willst mir eine Lektion erteilen.“ Jim konnte es nicht fassen.

„Ich bin nicht so wehrlos, wie du meinst.“

„Ich kann das nicht, Bones. Ich kann das wirklich nicht“, sagte Jim und sah Bones flehentlich an. „Vergessen wir den Mist vom Samstag, in Ordnung?“

„Nein, Jim. Wir ziehen das jetzt durch. Und dann weißt du, wie ich mich an deinem Geburtstag fühlen soll. Im Grunde hast du dann doch auch die Bestrafung, auf die du ohnehin so scharf bist. Denn darum geht es dir doch Jahr für Jahr. Du willst leiden, weil du Angst hast diesen Tag auch nur ein einziges Mal in deinem Leben zu genießen.“

„Das ist nicht wahr.“

„Doch, das ist es und das weißt du. Und jetzt lass uns anfangen. Wickland wartet schon.“ Bones trat auf die Matte und ging in Abwehrhaltung.

Wickland pfiff und noch ehe sich Jim versah, ging Bones in den Angriff über. Bones. Sein Freund, der Arzt, schlug ihm mitten ins Gesicht. Der Faustschlag traf Jim derart unvorbereitet, dass er zu Boden ging.

Zornig rappelte sich Jim auf. In Bones’ Augen loderte ein Feuer, wie Jim es nie zuvor gesehen hatte. Bones war stinksauer und er würde sich nicht einfach zurückziehen.

„Das ist ja erbärmlich, Kirk! Zeigen Sie mal, was Sie bisher bei mir gelernt haben!“, rief Wickland.

Jim war versucht etwas zu erwidern, verkniff es sich jedoch. Einem vorgesetzten Offizier gegenüber frech zu werden, würde ihm jetzt auch nicht helfen. Sein Magen krampfte sich zusammen, als er auf Bones zuschnellte, um ihm einen Nierenhieb zu verpassen.

Zu Jims Überraschung blockte Bones den Schlag geschickt ab und donnerte dafür Jim, als er sich unter Bones durchducken wollte, den angewinkelten Arm ins Genick. Jim ging abermals zu Boden.

Fuck! Wann hatte Bones dermaßen kämpfen gelernt? Wieso hatte er Bones nur immer als hilflos betrachtet und geglaubt ihn beschützen zu müssen? Bones konnte mehr als gut auf sich selbst aufpassen und er war verdammt schnell.

Bones wandte ihm den Rücken zu. Er wollte nicht sehen, wie Jim seinetwegen am Boden lag. Er hasste jede Minute des Kampfes, auch wenn er wusste, dass es der einzige Weg war Jim klarzumachen, dass es kein Vergnügen war einem Freund wehzutun. Und noch während er versuchte das Gespräch des vergangenen Samstags aus seinen Gedanken zu vertreiben, rammte sich Jim von hinten mit seinem ganzen Gewicht gegen ihn und brachte Bones damit zu Fall.

Jim drückte Bones Arme geschult mit den Knien auf die Matte, so dass Bones schließlich wehrlos unter ihm lag und aufgeben musste.

„Fühlst du dich jetzt besser, Bones?“

„Was ist mit dir?“, zischte Bones nur zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.

Jim kletterte von ihm runter.

„Na also!“, sagte Wickland und pfiff ab. „Sie haben sich gut geschlagen, Doktor. In ein paar Wochen können Sie unserer Nummer eins hier zeigen, dass Sie ihm mindestens ebenbürtig sind.“

„Ich bin Arzt“, grollte Bones und stemmte sich hoch, „und kein Schläger. Ich habe nicht vor wieder zu kommen, Commander. Mr. Kirk hat Recht, dieser Kurs ist für meinen Werdegang nicht von Belang.“

„Aber, Sie sagten doch, dass Sie es für sinnvoll erachten.“ Wickland kam sich zurrecht verarscht vor. Er hatte nie vorgehabt mehr als eine Trainingsstunde in diesem Kurs zu verbringen.

Bones sah Wickland nicht an, als er ihr antwortete. Stattdessen ruhte sein Blick auf Jim. „Das ist korrekt. Es war sinnvoll heute hierher zu kommen, um meine Grenzen zu testen. Ich habe meine Lektion gelernt.“ Und damit setzte sich Bones für den Rest der Stunde auf die Zuschauerbank und sah zu, wie Jim sich schließlich mit den übrigen Kadetten prügelte oder diese sich untereinander. Und als das Training zu Ende war, war Bones der erste Kadett, der den Sportraum verließ.

Jim suchte ihn in der Umkleide, fand ihn aber nicht. Er fand Bones auch die ganzen nächsten Tage nirgendwo.

Bones ging ihm erneut aus dem Weg.

Und Jim hasste jeden einzelnen Tag davon. Diesmal war er wirklich zu weit gegangen, das wusste er jetzt.
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