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In another life

von Emony

Retrospektive

»When it hurts to look back,
and you're afraid to look ahead,
you can look beside you
and I will be there.«



Kira gewöhnte sich nur langsam an die vielen neuen Aufgaben, die seit ihrer Beförderung zur Kommandantin über Deep Space Nine, zu ihrer täglichen Routine gehörten. Auch nach Monaten quälte sie sich durch die Berichte, die zeitweise stündlich frisch auf ihrem Tisch landeten. Bei Sisko hatte das alles immer so viel einfacher ausgesehen. Ihm war es ja sogar gelungen neben der Verantwortung für die Station ein Privatleben zu führen. Kira hatte seit über einem halben Jahr keinen Urlaub gehabt. Bajor schien so weit weg, dass sie ein wenig fürchtete zu vergessen, wie schön ihre Heimatwelt doch war.

Erschöpft rieb sie sich den geriffelten Nasenrücken und erlaubte sich für einen winzigen, allzu flüchtigen Moment, die Augen zu schließen. Als sie im Begriff war das PADD, das vor ihr auf dem Schreibtisch in ihrem Büro lag, wieder zu nehmen, um den Bericht weiterlesen zu können, bemerkte sie im Augenwinkel, dass jemand vor ihrer Tür stand und durch das transparente Aluminium in ihre Richtung schaute.

Sie konnte es kaum glauben. Vor ihrem Büro stand Miles O’Brien und schien abzuwägen, ob es ein günstiger Zeitpunkt für einen Besuch war oder nicht. Lächelnd ließ sie das PADD sofort wieder auf den Tisch fallen und erhob sich von ihrem Sessel. Mit wenigen Schritten erreichte sie die Tür, die sich nur dann auf Befehl hin öffnete, wenn jemand zuvor den Summer betätigte. Offenbar hatte O’Brien dies nicht getan, mutmaßte sie. Das hätte sie trotz der Arbeit gehört. Also öffnete sie ihm von Hand und konnte nicht vermeiden, ihn mit einem Übermaß an Freude anzulächeln. „So eine Überraschung!“

„Nerys“, grüßte er sie, deutlich zurückhaltender. „Ich wollte dich nicht stören.“

„Seit wann seid ihr auf der Station? Wieso habt ihr euch nicht vorher gemeldet? Ich hätte euch ein Quartier vorbereiten lassen“, winkte Kira ab und zog O’Brien in eine innige Umarmung. Es tat gut ihn wieder zu sehen. Viel mehr sogar, als sie erwartet hatte. „Ich hab euch vermisst. Wo sind Keiko und die Kinder?“

O’Brien löste sich etwas von ihr, um sie anzusehen. Erst jetzt bemerkte sie den matten Ausdruck in seinem Gesicht und erschrak. „Komm rein“, sagte sie schnell und ließ die Tür hinter ihnen zu gleiten. Er ging direkt hinüber zum Sofa, das noch immer seitlich neben dem großen Schreibtisch stand, jedoch setzte er sich nicht. Für einen gedehnten Moment verharrte er, mit dem Rücken zu ihr stehend, ehe er sich ihr wieder zuwendete und gezwungen lächelte. „Was ist passiert?“, wollte Kira wissen und näherte sich ihm erneut bis auf wenige Zentimeter.

Für gewöhnlich respektierte sie das Privatleben ihrer Kollegen und Freunde. Miles O’Brien war jedoch sehr viel mehr für sie. In den Monaten, in denen sie Keikos und Miles’ Sohn ausgetragen und währenddessen bei ihnen gelebt hatte, war sie zu einem Teil der Familie geworden. Nicht wie eine Schwester oder Schwägerin… sie standen sich seit damals sehr viel näher. Vielleicht ein wenig zu nah…

Er atmete hörbar ein und wieder aus. „Ich habe mich von Keiko scheiden lassen“, gestand er dann und suchte in ihren Augen nach Verständnis.

„Was? Wieso?“ Sie war immer ein bisschen neidisch auf Keiko gewesen. Miles war nicht unbedingt ihr Typ – jedenfalls nicht äußerlich – aber dennoch hatte Kira seine Frau immer um die Liebe beneidet, die er zweifellos für sie und natürlich auch für die Kinder empfand. Er hatte immer versucht, ihnen das bestmögliche Leben zu bieten. Er war ein sehr gebender Ehemann und Vater. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass das nun in gewisser Weise vorbei sein sollte.

Endlich setzte er sich doch auf das Sofa und Kira ließ sich augenblicklich neben ihm nieder. Der Schock über die Neuigkeit hatte ihre Knie ein wenig nachgeben lassen. „Was ist passiert?“, hakte sie erneut nach.

„Ich bin mir nicht sicher“, sagte er, faltete die Hände in seinem Schoß und betrachtete seine Fingerspitzen, um Kira nicht in die Augen sehen zu müssen. „Ich hab es wohl einfach vermasselt“, fügte er dann hinzu.

Kira konnte ihn für einen langen Moment nur ansehen. Ob er Keiko betrogen hatte? Im Grunde traute sie ihm so etwas nicht zu. Im Grunde nicht … aber zwischen ihnen war auch schon mal beinahe der Funke übergesprungen. Sie erinnerte sich noch lebhaft daran, wie gerne sie sich von ihm hätte küssen lassen, wie gerne sie in Keikos Rolle geschlüpft wäre, um endlich auch eine eigene Familie zu haben und einen Mann, der sie bedingungslos liebte. Aber es wäre nicht ihre Familie gewesen, es war Keikos, und sie war nicht bereit gewesen den letzten Schritt zu tun. Er zum Glück auch nicht. „Zu einer anderen Zeit…“, hatte sie damals vor all den Jahren zu ihm gesagt und ihn gebeten zu gehen, ehe etwas passieren konnte, das sie beide vielleicht für immer bereut hätten. Und nun, Jahre später saßen sie hier. Es kam ihr beinahe, wie in einem anderen Leben vor.

„Miles“, begann sie und nahm seine Hände in ihre. „Erzähl mir was passiert ist.“

Er schüttelte leicht den Kopf. „Ich kann nicht. Ich schäme mich dafür.“

Sie nickte verständnisvoll und kam zu der Vermutung, dass er eine andere Frau kennen gelernt hatte. Eine, die ihn vielleicht nicht fortgeschickt hatte. Seltsam war nur, dass sie sich schlecht deshalb fühlte. Nicht, weil sie ihm eine Affäre zutraute, sondern weil er sie mit einer anderen Frau hatte. Im Grunde wusste Kira, dass sie kein Recht hatte so zu empfinden, aber sie konnte nicht anders.

Nach all den Jahren, ihrer kurzen aber innigen Zeit mit Odo, bemerkte sie nun, dass sie tatsächlich etwas für Miles empfand, das weit über Freundschaft hinausging. Es war anders, als die Liebe, die sie Odo gegenüber empfand, der für immer einen besonderen Platz in ihrem Herzen haben würde, aber ebenso stark. Odo hatte sie verlassen, um zu seinem Volk zurückzukehren, und auch wenn sie ihn noch so sehr liebte, würde sie ihm das nicht vergessen können. Es hatte so viele Jahre gebraucht, bis sie zueinander gefunden hatten und dann war er einfach so aus ihrem Leben verschwunden. Er wollte nicht, dass sie auf ihn wartete. Und sie wollte nicht auf ihn warten. Ganz gleich, wie sehr sie ihn auch liebte. Sie war einsam und vermisste ihn. Und sie hatte Miles vermisst, der plötzlich ganz ohne Vorwarnung sprichwörtlich auf ihrer Türschwelle gestanden hatte.

O’Brien räusperte sich und sah von der Seite zu Kira hinüber. Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, das soviel bedeutete wie ‚Du kannst mir alles sagen’.

„Ich hab es noch nicht mal Julian erzählt“, sagte O’Brien so leise, dass Kira ihn kaum verstand.

„Weshalb nicht?“, flüsterte sie zurück.

„Seine Trennung von Ezri ist noch so frisch. Das hat ihn mitgenommen. Ich wollte ihn nicht noch mehr deprimieren.“ Kira nickte und veränderte ihre Sitzposition, so dass sie Miles direkt ansehen konnte. „Ich wollte hierher zurück.“ Abermals nickte Kira, sagte jedoch nichts. „Nach dem Krieg fand ich es fair wieder zur Erde zurückzukehren. Keiko war hier niemals glücklich und ich wollte auch nicht, dass unsere Kinder ihr ganzes Leben auf einer Raumstation verbringen. Sie sollten die Möglichkeit haben im Meer zu schwimmen, am Strand zu spielen, durch Wiesen zu springen … die Sonne zu genießen. All das war hier auf DS9 niemals möglich.“ Er machte eine kleine Pause, ehe er fortfuhr. Der Ausdruck in seinen Augen entsprach tiefer seelischer Qual. Er war vollkommen unglücklich, Kira konnte es ihm deutlich ansehen. „Dennoch vermisste ich die Station. Ich habe Julian sehr vermisst und unsere Holoabenteuer, unser Alamo Modell, die Raquettballspiele, selbst das Quarks und … ich habe dich sehr vermisst“, schloss er dann und seufzte leise.

„Du hast mir auch sehr gefehlt.“ Sie hatte so viele wichtige Personen in ihrem Leben verloren, kaum dass dieser schreckliche Krieg gewonnen war. Jadzia war gestorben, Sisko von den Propheten abberufen, Odo zurück zu seinem Volk und letztlich waren auch Miles und seine Familie abgereist. Sie hatte jeden verloren, den sie in den vergangenen Jahren in ihr Herz gelassen hatte. Und sie stellte fest, dass – je älter sie wurde – sie sich schwer damit tat, neue Kontakte zu knüpfen. Natürlich waren ihr auch ein paar Leute geblieben, aber Ezri war nicht Jadzia – Dax hin oder her – und sie hatte mit Julian ohnehin genug zu tun. Die beiden hatten ihr eigenes Leben. Und Quark … nun, der ließ nichts unversucht, sich an Odos Stellvertreterin Ro Laren ranzumachen – mit deutlich mehr Erfolg, als sie dem Schlitzohr zugetraut hätte. Schnell schob sie die Gedanken beiseite und widmete ihre volle Aufmerksamkeit wieder Miles zu. „Sicher habt ihr versucht, einen Kompromiss zu finden.“

„Selbstverständlich“, nickte Miles, ehe er den Kopf in den Nacken fallen ließ und nach hinten in die Polsterung sackte. „Ich schlug ihr vor nach Bajor zu ziehen. Ich hätte dann viel öfter hierher kommen und Zeit mit Julian und dir verbringen können. Wir hätten euch immer mal wieder zu uns einladen können …“

„Keiko wollte das nicht?“ Als Bajoranerin musste sie sich natürlich dazu zwingen Verständnis dafür aufzubringen, dass jemand nicht nach Bajor ziehen wollte. Für sie war es, trotz der cardassianischen Besatzungszeit, der schöne Planet im Universum.

„Nein, sie wollte nicht. Sie wollte, dass Molly und Kirayoshi auf der Erde aufwachsen. Ich muss auch dazu sagen, dass sich Keikos Eltern viel um die beiden kümmern, wenn wir arbeiten. Ohne sie hätten wir ein Problem gehabt. Ich schlug ihr vor, eine Tagesmutter auf Bajor für die beiden zu suchen, aber auch das lehnte sie ab.“ Er fuhr sich mit den Händen durch das rotblonde, lockige Haar und schließlich übers Gesicht. „Und da hab ich ihr gesagt, dass ich mich auf der Erde nicht mehr wohlfühle. Ja, ich bin dort geboren und aufgewachsen, aber ich habe den größten Teil meines Lebens auf Raumschiffen verbracht und den schönsten hier auf DS9. Ich war egoistisch und unnachgiebig.“

„Du hast es versucht, Miles. Du hast versucht wieder auf der Erde Fuß zu fassen und neu anzufangen. Vielleicht sollte es nicht sein.“ Kira war bewusst, dass ihre Worte kaum tröstlich waren. „Manchmal handeln wir egoistisch und tun, wozu unser Herz uns rät. Das mag im ersten Moment nicht richtig erscheinen, das will ich nicht schön reden. Aber ich glaube nun mal, dass jedes Lebewesen das Recht dazu hat, glücklich zu sein. Und wenn es für dich bedeutet, die Erde zu verlassen, dann ist das nun mal so.“

„Aber wie kann ich glücklich sein, wenn meine Kinder so weit von mir entfernt sind und ich meine Familie auseinander gerissen habe?“, fragte er und sah sie aus glänzenden Augen an. „Ich habe meine Kinder um ihre Familie gebracht, Nerys.“

Kira presste die Lippen aufeinander. „Irgendwann erklärst du ihnen, dass du nicht anders konntest. Wenn du ihnen die Wahrheit sagst und sie wissen lässt, dass es nichts mit deiner Liebe zu ihnen oder ihrer Mutter zu tun hatte, werden sie es hoffentlich verstehen. Kinder sind härter im Nehmen, als du glaubst.“ Und da konnte sie nun wirklich aus Erfahrung sprechen. Immerhin war sie sehr klein gewesen, als die Cardassianer sie ihrer Mutter beraubt hatten. Molly und Kirayoshi ging es verglichen damit bestens. Sie mussten nicht hungern, hatten ein schönes Zuhause, ihre Familie und Miles würde sich – so wie Kira ihn einschätzte – jeden Tag bei ihnen melden. „Sie haben dich nicht verloren“, sprach sie ihren nächsten Gedanken laut aus, „du lebst noch und bist jederzeit für sie da. Und du kannst sie besuchen gehen, wann immer dir danach ist.“

„Wenn Keiko mich lässt“, sagte er ein wenig zu zynisch, für Kiras Geschmack. „Unnötig zu sagen, dass die Scheidung nicht ohne Drama über die Bühne ging.“

Kira kannte Keiko gut. Sie fand schon immer, dass Keiko hart sein konnte. Dass sie Miles nicht immer frei entscheiden ließ. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, dass Keiko bis zum Schluss versucht hatte, die Kinder als Druckmittel einzusetzen, um die Scheidung zu verhindern. Sie seufzte leise. „Was wirst du jetzt tun?“

O’Brien zuckte leicht die Schultern. „Dem ursprünglichen Plan folgen und mir ein Haus auf Bajor kaufen. Du kennst nicht zufällig jemanden, der mir ein paar auserwählte Orte zeigen und mir eventuell sogar ein Haus vermitteln könnte?“

Kira lächelte ihn offen an. „Rein zufällig kenne ich in der Tat jemanden. Und dieser Jemand braucht ohnehin ganz dringend Urlaub.“

Als Miles ihr Lächeln trotz der traurigen Umstände erwiderte, ging für Kira, nach einer gefühlten Ewigkeit, die Sonne wieder auf. Es tat so gut, Miles wieder in der Nähe zu haben.
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