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1.02 - Unter Druck

von Emony, Ranya

Weitere Verpflichtungen

Nachdenklich saß Uhura auf ihrem Stuhl, während die Geräuschkulisse um sie herum anschwoll. Den Blick starr auf ihre Aufzeichnungen gerichtet, kaute sie auf dem Ende ihres Kugelschreibers und las die letzten zwei Absätze ihrer Notizen noch einmal durch. Irgendetwas störte sie daran.

„Das ist eklig“, kommentierte Gaila durch das Stimmengewirr der anderen Kadetten hindurch.

Sofort nahm Uhura den Stift aus dem Mund und sah die Orionerin an. „Was?“

„Dass du den Stift isst. Das ist ja mal total eklig“, erklärte Gaila mit angewidertem Gesichtsausdruck.

Uhura presste die Lippen aufeinander, um den Kommentar, dass Gaila wahrscheinlich schon wesentlich schlimmere Dinge in den Mund genommen hatte, zu ersticken. Stattdessen stand sie auf und packte ihr Buch ein. Ihre persönlichen Aufzeichnungen jedoch klemmte sie zusammen mit dem Stift unter den Arm und schulterte ihre Tasche.

„Oh Mann“, beschwerte Gaila sich, „wenn du nicht so langsam gewesen wärst, wären wir schon auf dem Weg zur Kantine. Jetzt bekommen wir vielleicht kein Dessert mehr. Dabei gibt es heute dieses Kaffeezeug mit Creme und Keks, das ich so gerne hab.“

„Tiramisu“, half Uhura mit einem breiten Lächeln nach. Gailas Vorliebe für irdische Küche war ihr inzwischen nicht mehr neu. Sobald die Orionerin etwas entdeckte, das ihr schmeckte, konnte sie es sich nicht verkneifen, eine breite Geschmacksanalyse an ihre Zimmergenossin weiterzugeben.

Gaila rannte die Treppen des Vorlesungsraumes beinahe hinunter, um sich in die Schlange derer einzureihen, die den Raum verlassen wollten. Unten angekommen sah sie verwundert zu Uhura auf, die unschlüssig auf der Treppe stand, den Blick unsicher nach vorne zum Pult gerichtet, wo Commander Spock eben seine letzten Habseligkeiten in eine Tasche steckte.

„Geh schon mal vor“, sagte sie zu Gaila, während sie langsamen Schrittes die Treppe nach unten ging. „Ich hab noch was zu erledigen.“

Gerade wollte Gaila den Mund öffnen, um zu fragen, was denn jetzt wichtiger als Tiramisu sein konnte, als sie es sich anders überlegte, Uhura kurz zunickte und sich vom Strom der Kadetten aus dem Raum schwemmen ließ.

Uhura biss sich unschlüssig auf die Lippen und kurz bevor es ihr peinlich wurde, so dazustehen, gab sie sich einen Schubs und trat an das Pult heran.

„Commander?“, eröffnete sie vorsichtig das Gespräch.

Spock sah zu ihr auf. „Ja, Kadett Uhura?“

Für einen Moment stockte Uhura, verwundert darüber, dass der Vulkanier sich an ihren Namen erinnern konnte. Hatte Gaila mit der Nachricht auf ihrem Zettel vielleicht Recht behalten? „Verzeihen Sie bitte, dass ich Sie jetzt noch darauf anspreche, aber ich fürchte, ich habe einen Teil Ihrer Lesung nicht ganz verstanden.“

„Ich fürchte, da sind Sie nicht die Einzige“, kommentierte Spock trocken die bisherigen Leistungen seiner Klasse. „Aber da Sie sich wenigstens die Mühe gemacht haben, zu mir zu kommen, ist es wohl angebracht, dass ich Ihnen aushelfe. Wie sagt man auf der Erde? ‚Wo drückt denn der Schuh?‘“

Uhura legte ihre Notizen zwischen sich und dem Vulkanier auf den Tisch und deutete auf die beiden Absätze, die ihr eben Kopfzerbrechen bereitet hatten. „Sir, Sie haben gesagt, dass der Ursprung des ‚Dup dor a‘az Mubster‘ in der gemeinsamen Sprache der Vulkanier und Romulaner liegt. Und so wie ich das verstanden habe, ist es ein wichtiger Bestandteil beider Kulturen. Jetzt stellt sich mir allerdings die Frage, warum die Romulaner diesen Teil der ehemals gemeinsamen Kultur nicht übernommen haben.“

Spock zog in milder Verwunderung eine Augenbraue nach oben. Es schien so, als hätte ihm noch nie einer seiner Studenten eine derartige Frage gestellt. Für einen kurzen Moment schwieg er und wog seine Worte genauestens ab, bevor er antwortete. „Das evolutionäre Fortschreiten der romulanischen Spezies unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von dem der Vulkanier. Im Laufe der Zeit haben sich die Werte und Normen, die uns einst miteinander verbunden hatten, verloren oder wurden abgelöst von neuerworbenen gesellschaftlichen Riten. Dabei hat sich auch das ‚Dup dor a‘az Mubster‘ als nicht mehr wichtig herausgestellt.“

Uhura nickte nachdenklich und kratzte mit dem Ende ihres Kugelschreibers über den Tisch. „Ich verstehe. Es sieht wohl so aus, als seien kaum noch Gemeinsamkeiten der beiden Spezies vorhanden.“

„Es liegt jetzt an Ihnen, das herauszufinden.“ Mit einer fließenden Bewegung drehte Spock sich um und warf die Kreide mit der Präzision eines Scharfschützen wieder auf die Schiene an der Tafel zurück.

Uhura sah das Stück Kreide beeindruckt an. Doch dann dämmerte es ihr. „Wie darf ich das verstehen, Commander?“

Mit höchster Gelassenheit ging Spock zum Waschbecken, um sich die Hände zu säubern. Das Wasser rann ihm langsam über die Hände, als er antwortete: „Bis zum Ende der Woche schreiben Sie mir bitte eine Abhandlung über die Unterschiede zwischen der romulanischen und vulkanischen Rasse mit besonderem Augenmerk auf die ehemaligen Gemeinsamkeiten, die sich verloren haben.“

„Aber, Sir“, protestierte Uhura. „Ich glaube nicht, dass ich dafür Zeit finde. Ich habe eine Menge zu tun und es ist doch alles noch so neu für mich.“

„Ich bin davon überzeugt, dass Sie mit dem Druck, der hier auf Sie ausgeübt wird, bestens zurechtkommen werden“, gab Spock emotionslos zurück und trocknete sich die Hände ab. „Immerhin hatten Sie bisher auch die Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen. Bringen Sie Ihre Gedanken zu Papier und überprüfen Sie Ihre Theorien mit den Informationen, die Ihnen in der Datenbank der Academy zur Verfügung stehen.“

Uhura wusste gar nicht, wo sie anfangen sollte, diese Aufgabe abzuschmettern. „Commander, es ehrt mich sehr, dass Sie denken, ich sei dieser Aufgabe bereits gewachsen. Aber ich bin wirklich davon überzeugt …“

„Kroykah!“ Mit einer Handbewegung brachte er sie zum Schweigen. „Sie haben bis Freitag Zeit, mir Ihre Arbeit abzugeben. Sehen Sie es als zusätzliches Wissen an, das Ihr Verständnis für die Xenolinguistik erweitern wird.“

Mit diesen Worten nahm er seine Tasche, nickte Uhura noch ein letztes Mal zum Abschied zu und verließ mit federnden Schritten den Raum, eine völlig verdutzte Nyota Uhura zurücklassend. Was war eben passiert? Wie hatte sie sich nur in diese Lage bringen können?

Genervt stopfte Uhura ihre Notizen in die Tasche. Wäre sie Gailas Beispiel gefolgt und hätte sich auf das Mittagessen konzentriert, würde es ihr jetzt besser gehen. Das hatte sie jetzt also von ihrer Neugierde. Hätte sie doch bloß ihre Klappe halten können. War es vielleicht die späte Strafe dafür, dass sie Spocks Unterricht in der ersten Stunde gestört hatte? Oder dachte er wirklich, sie würde mit dieser zusätzlichen Aufgabe zu einer besseren Schülerin werden?

Mit gemischten Gefühlen verließ auch Uhura den Vorlesungssaal.

***

Leonard legte den Tricorder zurück ins Regal und strecke sich. Er hatte das Gefühl, in den letzten drei Stunden, mindestens zwei Zentimeter geschrumpft zu sein. Dass er eine permanent gebückte Haltung einnehmen musste, wenn er mit dem Mikroskop arbeitete, machte seinem Rücken doch ein wenig zu schaffen.

Aber für heute hatte er seine Arbeit im Labor beendet. Wobei er sich auf die Fortsetzung des Nahkampftrainings, das in einer halben Stunde anstand, alles andere als freute. Schon hatte er den Laborkittel an den Haken an der Wand gehängt und war auf dem Weg zur Tür, als eine Stimme ihn zurückhielt.

„Doktor McCoy?“

Leonard drehte sich herum, nur um die hagere Gestalt von Dr. Fisher auf ihn zukommen zu sehen. „Schön, dass ich Sie noch erwische. Ich wollte mich bei Ihnen für die Arbeit, die Sie bisher bei uns geleistet haben, bedanken. Wir sind sehr unterbesetzt zurzeit und können jede Hilfe gebrauchen.“

McCoy verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln. Das waren die ersten freundlichen Worte, die er vom Chef der medizinischen Abteilung gehört hatte. „Gern geschehen, Sir. Ich bin froh, dass ich mir nicht nutzlos vorkommen muss.“

„Schön, das zu hören“, gab Dr. Fisher zurück. „Das bringt mich gleich zu dem Thema, über das ich mit Ihnen sprechen wollte. Sie erinnern sich doch bestimmt an die Orionierin, die Sie neulich in Behandlung hatten. Rote Haare, schlanke Figur …“

Und ob Leonard sich erinnerte. Wie konnte er die Frau jemals vergessen, die ihn so plump angemacht hatte, dass er sich beinahe wieder wie ein Teenager vorgekommen war? Fisher wollte er das jedoch nicht unter die Nase reiben. „Allerdings, Sir.“

„Umso besser“, gab Fisher zurück, ohne den ironischen Unterton in McCoys Stimme zu entdecken. „Bisher hatte noch niemand die Gelegenheit ihren Bluttest auszuwerten. Sie scheinen mir der perfekte Mann für diese Aufgabe zu sein, McCoy.“

Leonard öffnete den Mund, um zu protestieren, besann sich kurz, dachte über seine Worte nach und meinte dann: „Dr. Fisher, ich bin wirklich erfreut darüber, in Ihrer Abteilung arbeiten zu dürfen, aber ich bin bisher nur ein einfacher Kadett und …“

„Papperlapapp“, unterbrach sein Vorgesetzter ihn. „Niemand aus meiner Abteilung hat Zeit, eine solch lapidare Sache zu übernehmen. Und Sie können die praktische Erfahrung sicherlich gebrauchen.“

Leonards gewöhnliche Gesichtsfarbe wich einem sehr feinen Purpur. Daher wehte also der Wind. Fisher wollte ihm mit dieser Aufgabe nicht zeigen, dass er ihn als Mitglied seines Teams schätzte, sondern ihm eine der Aufgaben aufs Auge drücken, die keiner übernehmen wollte. Und da man dabei fast nichts falsch machen konnte, erschien es ihm klug, einen Kadetten die Arbeit machen zu lassen, für die der Rest sich zu gut war.

Weißt du eigentlich, wie lange ich eine eigene, sehr rentable Praxis hatte, du aufgeblasener … McCoy zwang sich, seinen eigenen Gedankengang zu unterbrechen. Er wusste, dass er sich jetzt zusammennehmen musste. Wenn er Fisher jetzt an den Kopf werfen würde, was er wirklich von ihm dachte, würde dieser sein Leben die nächsten Jahre bestimmt zur Hölle machen.

„Ich fürchte, dass ich in der kommenden Woche keine Zeit dafür haben werde. Aber vielleicht könnte Dr. Lucas …“, setzte er an.

Mit einer Handbewegung bedeutete Fisher ihm zu schweigen. „Machen Sie sich mal nicht in die Uniform, McCoy. Was kann denn heute noch so wichtig sein, dass Sie keine Zeit für die Auswertung eines simplen Bluttestes haben?“

„In gut zwanzig Minuten muss ich beim Nahkampftraining sein“, antwortete McCoy mit erschreckend müder Stimme.

Fisher nickte. „Dann sollten Sie sich besser gleich an die Arbeit machen, Doktor.“ Kaum hatte er seinen Satz beendet, schenkte er Leonard noch ein letztes schiefes Lächeln, klopfte ihm auf die Schulter und verschwand durch die Tür zu seinem Büro.

Für einen Moment dachte Leonard darüber nach, ihm zu folgen, doch schon nach dem Bruchteil einer Sekunde verwarf er diesen Gedanken wieder und griff genervt nach dem Kittel, den er noch vor wenigen Minuten an den Haken an der Wand gehängt hatte.

„Elende Scheiße!“, murmelte er vor sich hin. „Was kommt als Nächstes? Muss ich ihm beweisen, dass ich weiß, wie herum ich ein Hypospray halten muss? Ich habe nicht mal in meinem Studium jemandem den Arsch geküsst.“

Leonard fühlte ein Paar neugieriger Augen auf sich ruhen und sah sich um. Eine junge Schwester stand nicht unweit von ihm und senkte schnell den Blick, als er sie bemerkte.

„Großartig“, grummelte er noch ein wenig leiser. „Wenn ich nicht aufpasse, fang ich noch an Selbstgespräche zu führen.“

Mit einer Motivation, die sich gefährlich nahe um den Gefrierpunkt senkte, schlüpfte er wieder in den Kittel, holte Gailas Blutprobe aus dem Aufbewahrungsschrank. Er schwenkte das Blutröhrchen behutsam, um die Erythrozyten nicht zu beschädigen, nahm eine Pipette zur Hand und tropfte wenige Milliliter auf ein Untersuchungsglas, das er unter dem Mikroskop untersuchen würde, während er den verbliebenen Rest des Röhrchens durch die Zentrifuge laufen ließ.

„Okay, Gaila, dann wollen wir mal sehen, was wir hier haben“, sagte er, zog das Okular zu sich heran und beschäftigte sich mit dem Anblick der dunkelgrünen Blutzellen. Auf einem PADD machte er sich einige Notizen. Er konnte es sich nicht erklären, aber der Anblick von grünem Blut beunruhigte ihn ein wenig. Der Gedanke, dass dieses Zeug in den Venen mancher Lebewesen floss, jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Auf der Erde war dies meist ein sicheres Anzeichen für eine schwere Vergiftung.

Und warum ausgerechnet er hierzu abkommandiert wurde, war ihm immer noch nicht klar. Er hatte doch wirklich Besseres zu tun. Eine ganze Woche war bereits vergangen, seitdem er zuletzt mit Joanna gesprochen hatte. Allein der Gedanke an sein kleines Mädchen machte ihn trübsinnig.

Und während er sich immer wieder die Augen reiben musste, um überhaupt noch etwas unter dem Mikroskop erkennen zu können, wurde er langsam vom Schlaf übermannt.

***

Das Essen aus der Kantine der Academy war nicht schlecht, vor allem wenn man bedachte, dass es darauf ausgelegt war, eine Menge Leute satt zu machen. Gut, manchmal waren die Speisen ein bisschen zu exotisch und nicht für den Geschmack der breiten Masse ausgelegt, aber was sollte man auch anderes erwarten von einem Küchenteam, das aus mehr als Einhundert Leuten aus den unterschiedlichsten Regionen des Planeten bestand. Zu viele Köche verderben bekanntlich manchmal den Brei.

Christine hatte sich deswegen heute dazu entschlossen, kein Risiko einzugehen und sich vorsichtshalber nur ein Steak mit diversen Beilagen geben lassen. Aber so richtig Appetit hatte sie nicht. Und sie wusste auch genau woran es lag. Am Morgen hatte sie einen Blick auf den Dienstplan der Woche geworfen und sich dabei fast ein Magengeschwür eingefangen. Ab morgen durfte sie den kompletten Rest der Woche mit Dr. Leonard McCoy verbringen.

Seit der Rüge, die sie sich eingehandelt hatte, war es ihr gut gelungen, ihn zu meiden. Natürlich war es nicht möglich, das die nächsten Jahre durchzuziehen, das war ihr klar. Aber trotzdem hatte sie gehofft, ihn nicht allzu schnell wieder sehen zu müssen. Seine Worte hallten ihr immer noch in den Ohren. Aber das Peinlichste war, dass ihr die Tränen in die Augen geschossen waren, und sie sich inzwischen fast sicher war, dass er es mitbekommen hatte.

„Darf ich mich zu dir setzen“, riss eine Stimme sie aus ihren Gedanken.

Christine sah auf. „Oh, hi, Carol. Ja klar, setz dich nur.“

„Danke“, antwortete Carol, ließ sich nieder und stellte ihr Tablett vor sich ab. Sie warf sich die blonden Haare über die Schulter, was keinerlei Effekt hatte, da sie einfach zu kurz waren, um nicht gleich wieder nach vorne zu fallen. Genervt suchte sie in ihrer Tasche nach einem Haarband. „Hast du zufällig eine Haarklammer oder sonst was für mich? Diese Länge nervt einfach.“

Christine stocherte geistesabwesend in ihren Karotten herum. Sie schien ihre Freundin überhaupt nicht gehört zu haben.

„Erde an Christine“, sagte Carol mit Nachdruck. „Hallo, jemand zu Hause?“

Irritiert sah Christine auf. „Oh, entschuldige. Nein, tut mir leid, habe ich nicht.“

„Du siehst nicht sonderlich gut aus“, stellte Carol fest und schob sich ein Stück Fleisch in den Mund. „Was ist los?“

„Ach, nichts“, wehrte Christine ab und schüttelte den Kopf. Doch nur wenige Sekunden später besann sie sich. „Es geht um diesen Arzt …“

Carol verschluckte sich fast an dem Fleisch, da sie versuchte gleichzeitig zu schlucken und zu sprechen. „Du hast dich in einen Arzt verknallt? Christine, du böses Mädchen, du!“ Das freche Blitzen in ihren Augen war nicht zu übersehen.

„Sei nicht albern“, wehrte die Schwesternschülerin etwas zu barsch ab. „Er macht mir das Leben zur Hölle. Von Romantik ist da keine Spur.“

„Was ist passiert?“, fragte Carol mitfühlend und legte für einen kurzen Moment die Gabel beiseite.

„Du weißt, was passiert ist“, seufzte Christine und stützte den Kopf in die Hände. „Ich hab Mist gebaut und jetzt muss ich es bestimmt ausbaden. Ich soll die ganze Woche mit meinem persönlichen Dr. Hyde zusammenarbeiten. Das heißt auch, dass, wenn ich mit meinem Lernstoff Probleme habe, er derjenige ist, zu dem ich zuerst gehen sollte. Und um ehrlich zu sein: Lieber würde ich Doppelschichten bei einem anderen Arzt einlegen, als mit ihm arbeiten zu müssen.“

Carol legte nachdenklich den Kopf schief und sah ihre Freundin an. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du hast Angst vor ihm.“

Christine warf einen verwunderten Blick über den Tisch. „Ich … nein! So ein Unsinn. Warum sollte ich … Das ist doch Quatsch.“

„Stimmt, warum solltest du stottern, wenn du keine Angst hast“, meinte Carol mit einem breiten Grinsen, nahm ihre Gabel wieder in die Hand und stach über den Tisch hinweg in Christines Salatschüssel. „Lass hören! Was macht diesen Arzt denn so furchteinflößend?“

Mit einem genervten Schnauben schob die Schwester die Salatschüssel von sich weg in Richtung Carol. „Ja, okay, vielleicht hast du recht. Ich könnte ein wenig Bammel davor haben, mit ihm arbeiten zu müssen. Ich fürchte einfach, dass er es mich deutlich spüren lassen wird, dass ich in seiner Schuld stehe. Und ich kann mit niemand anderem als dir darüber reden, denn ...“ Sie senkte die Stimme ein wenig. „… er hat immerhin einen Bericht gefälscht, um meinen Hals aus der Schlinge zu ziehen.“

„Na und?“, meinte Carol mit vollem Mund. „Kein Grund sich deswegen zu verkriechen.“

Christine schüttelte den Kopf. „Ich glaube, du verstehst nicht, was das für eine Aktion war. Er ist nicht gerade die Freundlichkeit in Person. Ich weiß wovon ich spreche. Immerhin musste ich ihn schon zu einem Drink mit der medizinischen Abteilung einladen, und selbst das hat erst beim zweiten Anlauf geklappt.“

„Wenn er wirklich so ein Griesgram ist wie du sagst, und er dir trotzdem so ausgeholfen hat, muss dich dieser Dr. Was-auch-immer ganz schön gut leiden können.“ Carol schluckte ihr halbgekautes Essen hinunter, verschluckte sich erneut fast und griff nach ihrem Glas.

„Ehrlich, du solltest dein Essen besser kauen. Sonst kommst du diese Woche noch vor mir auf die Krankenstation“, schimpfte Christine. „Und sein Name ist McCoy.“

„Pass mal auf, junges Fräulein.“ Carol hatte sich wieder gefasst, deutete mit der Gabel auf ihre Freundin, legte ihren Kopf schief und legte so viel Autorität in ihre Stimme, wie ihr möglich war. „Du gehst diese Woche auf die Krankenstation, zeigst allen, was du bisher gelernt hast, und wirst in den nächsten Jahren zur besten Krankenschwester, die dieser Dr. McCoy jemals gesehen hat.“

Christine nickte kurz als hätte sie eben einen Befehl entgegengenommen. „Mensch, du hast aber einen strengen Ton. Wie kommt es, dass du das so gut kannst?“ Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.

Carol lachte verlegen. „Hab ich mir von meinem Vater abgeguckt.“
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