TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Star Trek: The Depths of Space

von markusroth86

Kapitel eins

Das Shuttle nährte sich langsam aber beständig dem pilzförmigen Raumdock im Orbit um die Erde. Captain Riecan war erstaunt über dieses Gebilde. Es zu bauen war ein großes Projekt gewesen, das zehnmal mehr Zeit in Anspruch genommen hatte, als die Konstruktion eines Raumschiffs. Doch noch mehr beeindruckte ihn der Anblick der Erde. In den einunddreißig Jahren, die er nun schon lebte, war er schon ganze sechs Jahre nicht mehr in ihrer Nähe gewesen. Jetzt, wo er darüber nachdachte, kam er zu der Erkenntnis, dass er diesen Anblick seiner Heimat wirklich vermisst hatte. Die Lantree hatte er jedenfalls niemals als Zuhause ansehen können.
Die Erde bot weit mehr. Ihre gigantischen Ozeane, die in einem gesunden, kräftigen Blau zu sehen waren, trennten die unterschiedlichsten Klimazonen und Kontinente. Doch nicht nur diese stellten die Vielfalt der Erde dar. Auch die Unzahl an verschiedenen, und auf eigene Weise faszinierenden Kulturen. Und nach einer fast unendlich scheinenden Zeit lebten sie nun alle friedlich zusammen.
Die Bangkok, welche Riecan und Admiral Hayes zu Erde gebracht hatte, war in ihrem simultanen Orbit um den Planeten herum bereits nicht mehr zu sehen. Stattdessen blickte der frisch gebackene Captain hinab zu einem Punkt etwas oberhalb des antarktischen Kontinents. Seinem Geburtsort.
Admiral Hayes, steuerte unterdessen das Shuttle. Alan Riecan bemühte sich, seinen gelegentlichen Kontrollblicken zu entgehen. Seit seiner Abkommandierung auf die Lantree war er keinem Offizier mehr begegnet, der einen so hohen Rang bekleidete. Daher fühlte er sich recht unwohl. Er war sich seiner Unbeholfenheit durchaus bewusst, was seine Nervosität aber nur noch verstärkte. Die Erinnerung an das letzte Gespräch mit dem Admiral half ihm dabei auch nicht gerade. Damals hatte er fast befürchtet, Jonathan Hayes würde als erster Offizier der Sternenflotte einem Untergebenen den Kopf abreißen. Und bei diesem Unglücklichen hätte es sich um Marticus Riecan gehandelt. Der Admiral hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass er sein Vertrauen als missbraucht ansah und keine besondere Lust hatte, Riecan wiederzusehen.
Als das Shuttle gerade den Mond passierte, und Tyco City mit all seinen Lichtern in die ewige Nacht strahlte, begann der Admiral zu reden um das Eis zu brechen: »Haben Sie eigentlich schon öfters das Kommando gehabt, während Ihrer Zeit, auf der Lantree?«
Captain Riecan versuchte nicht zu überrascht auszusehen. »Ähm, ja. Einige Male«, antwortete er viel zu schnell und elanvoll um noch authentisch zu klingen.
Eigentlich hätte Captain Riecan am liebsten mit erwähnt, dass es sich dabei nur um ereignislose Nachtschichten gehandelt hatte. Aber er wollte nicht den Dummen spielen und nur seine Schwächen anprangern.
»Dann dürfte dieses Kommando ja keine Schwierigkeit für Sie sein«, erwiderte der Admiral ironisch, den Blick nun wieder durch das Fenster gerichtet. »Immerhin haben Sie früher stets den Eindruck auf mich gemacht, als hielten Sie sich besser für das Kommandieren geschaffen als Ihre jeweiligen Vorgesetzten.«
»Das ist lange her, Sir«, erklang Alan Riecans vorsichtige Entgegnung.
Der Captain erwartete schon das jähe Ende, dieses Gespräches und sah auch wieder durch das Fenster auf das Raumdock, das nun schon etwas größer schien.
Doch Admiral Hayes hatte noch etwas zu sagen: »Ich erinnere mich noch, als ich vor Jahren das Kommando über die Furious übernommen hatte. Zu dieser Zeit sah es mit den Klingonen alles andere als rosig aus. Gleich der erste Einsatz führte mein Schiff dicht an den klingonischen Raum. Ich habe mich als Captain beweisen müssen. Vor meiner Crew und vor den Klingonen.«
Einen Augenblick lang schwieg Captain Riecan. Er wusste nur allzu gut, was er am liebsten dazu sagen wollte. Dennoch war er sich nicht sicher, ob es angebracht war. Nach kurzem Überlegen entschied er sich dennoch dafür. Er wollte auch nicht annehmen, dass der Admiral nichts von seinen Problemen auf der Lantree erfahren hatte.
»Das ist meine größte Sorge bei dieser Sache«, begann Captain Riecan. »Die Crew der Lantree hat mich ja schon als ersten Offizier nicht wirklich ernst genommen. Wie soll ich es da als Captain schaffen?«
Admiral Hayes hatte anscheinend schon damit gerechnet, dass ihm der Captain etwas Derartiges antworten würde. Daher entgegnete er, kaum das der Captain ausgeredet hatte: »Hart durchgreifen!«
Alan Riecan wäre fast ein wenig zusammengezuckt, als der Admiral plötzlich etwas lauter geworden war. Zum Glück hatte er seinen Blick noch immer nach vorne gerichtet, sodass es nicht auffiel.
Ruhiger sprach Admiral Hayes weiter: »Zumindest am Anfang. Erst später können Sie es sich leisten, die Zügel etwas lockerer zu lassen. Es wäre gut, wenn Sie etwas von Ihrem früheren Selbstvertrauen zurückbekommen könnten – allein der übertriebene Anteil würde schon reichen.«
Das Raumdock war nun schon so nah, dass man es nicht mehr ganz durch die Scheibe erkennen konnte. Das Shuttle steuerte auf eine der vier primären Raumschotten zu. Admiral Hayes unterbrach sich bei dem Anblick der Raumstation: »So da wären wir.«
Das Shuttle verlangsamte kaum merklich seine Geschwindigkeit. Kontrolliert begann es seinen Anflug durch das Raumschott. Als es das Tor durchflog, steuerte zur rechten ein Raumschiff der Ambassador-Klasse vorbei. Das kleine Shuttle passierte es sicher neben der Maschinensektion. Captain Riecan sah zum Sichtfenster des Shuttles hinaus und bewunderte das vorbeiziehende Schiff. Die vielen Fenster und die Abgrenzungen der Hüllenplatten ließen die schiere Größe des Schiffes, die seit der Mitte des Jahrhunderts zum Standard bei den Schiffskonstrukteuren der Raumflotte geworden war, nur erahnen.
Als das Shuttle den Raumer passiert hatte, befand es sich bereits innerhalb des Raumdocks. Etliche weitere Fähren und Reisekapseln huschten in dem Dock umher. Auch einige größere Schiffe lagen vor Anker.
Captain Riecan kam dabei wieder in den Sinn, dass er noch immer nicht wusste, auf welches Schiff er versetzt werden würde. Er kam sich vor wie jemand, der Geburtstag hatte und ungeduldig auf die Überraschung wartete.
Fragend sah er Admiral Hayes an. Dieser wandte sich nur für einen kurzen, lächelnden Blick zu ihm um. Er ahnte, was den Captain umtrieb, sagte aber nichts dazu.
Das Shuttle wurde stetig langsamer. Sie kamen ihrem Ziel also näher. Das Augenmerk Captain Riecans richtete sich auf ein Schiff der Galaxy-Klasse, auf das sie zusteuerten. Der Schriftzug U.S.S. Odyssey erstreckte sich über den Rumpf.
Vor etwa einem Jahr erst war die Enterprise-D, die zur gleichen Klasse gehörte, vom Stapel gelaufen. Als Flaggschiff der Sternenflotte war sie das Gesprächsthema Nummer eins, wenn es um Raumfahrt ging. Captain Riecan hatte Hoffnungen, auf das Schiff versetzt zu werden, über dem das Shuttle gerade schwebte. Doch leider flog dieses einfach über die Untertassensektion hinweg und ließ es hinter sich.
Admiral Hayes bemerkte, dass Captain Riecan einen enttäuschten Gesichtsausdruck nicht ganz verstecken konnte und sagte: »Tut mir leid. Aber keine Bange, sie wird Ihnen auch gefallen.«
Der Gesichtsausdruck des Admirals erhellte sich, als sich das Shuttle dem Ziel seines Fluges näherte. Captain Riecan erhob sich unweigerlich aus seinem Pilotenstuhl, als er ebenfalls das Ziel der Reise sah. Ein weiteres Schiff lag dicht hinter dem Raumer der Galaxy-Klasse im Dock. Es war während des Fluges von der Untertassensektion des anderen Schiffes verdeckt geblieben.
Das Raumschiff gehörte der Excelsior-Klasse an. Doch es besaß etliche Erweiterungen, wie zum Beispiel zwei weitere Impulstriebwerke. Captain Riecan hatte noch nie eine derartige Variante dieser Schiffsklasse außerhalb der Lehrbücher an der Akademie gesehen.
Doch der eigentliche Grund seiner Verwunderung lag an anderer Stelle. Das Schiff präsentierte deutlich seinen Namen und seine Registriernummer. U.S.S. Sheffield und NCC-1701-B.
»Admiral? Was hat das zu bedeuten? Das ist der Code der Enterprise-B. Aber meines Wissens nach liegt die schon seit gut vier Jahrzehnten auf dem Schrottplatz.« Captain Riecan klang mehr als überrascht.
Admiral Hayes begann zu lächeln. Er freute sich offensichtlich darüber, derjenige zu sein, der mehr wusste. »Ja, da lag sie. Bis vor einigen Monaten. Das Sternenflottenkommando hat beschlossen, sie vom Kiel bis zum Bug zu überholen und wieder in Dienst zu stellen.«
Captain Riecan seufzte unweigerlich. Er hatte die letzten Jahre auf einem Frachter gearbeitet, der hin und wieder Müll transportiert hatte. Und jetzt würde er ein Schiff kommandieren, dass genauso lange auf dem Müll gelegen, wie es davor im Dienst gestanden hatte. Die Tatsache, dass es einmal eine Enterprise gewesen war, entschädigte dafür kaum.
»Es gibt keinen Grund, enttäuscht zu sein, Captain«, erwiderte der Admiral sofort auf Riecans Seufzen. »Sie haben keine Ahnung, was die Ingenieure mit diesem Schiff gemacht haben. Vom Original ist fast nichts mehr übrig. Lediglich das Rohmaterial wurde weiterverwendet aber die gesamte Technik haben wir durch moderne Bauteile ersetzt. Der Computerkern, der Warpantrieb, der Reaktor. Sogar das gesamte Interieur wurde neu gestaltet.«
Captain Riecan wirkte beeindruckt. Als das Shuttle über die Sheffield hinweg flog, erkannte er, dass die äußere Hülle scheinbar komplett ersetzt worden war. Die neuen Tritaniumplatten des Schiffes schienen keinen einzigen Kratzer zu haben.
»Ich möchte nicht undankbar erscheinen«, sagte Alan Riecan. »Eine Enterprise zu kommandieren ist sicher der Traum eines jeden Captains. Aber wäre es nicht weniger Aufwand gewesen, einfach ein neues Schiff zu bauen, anstatt eines vom Schrottplatz so grundlegend zu überholen?«
Admiral Hayes nickte. »Das stimmt sicher. Ich weiß nicht, ob es Ihnen bekannt ist, aber Utopia Planitia arbeitet bereits bei maximaler Auslastung. Genauso wie in unseren kleineren Werften werden dort so viele Schiffe gebaut, wie nur irgend möglich. Also hat man bei der Flottenverwaltung entschieden, Möglichkeiten zu suchen, noch mehr Raumer herzustellen.«
»Ich verstehe«, erwiderte Captain Riecan. »Hier im Raumdock kann kein neues Schiff von Grund auf gebaut werden. Dafür fehlen die Gitterrahmen und auch einfach der Platz. Aber ein altes bis aufs Grundgerüst auseinanderzunehmen und dann neu zu bestücken ist gut möglich. Trotzdem verstehe ich nicht, wieso die Sternenflotte auf einmal so viele Schiffe braucht.«
Admiral Hayes Gesicht verfinsterte sich merklich in dem Moment, in dem der Captain zu Ende gesprochen hatte. »Sie hatten doch immer gute Noten in Geschichte, Marticus. Was war das wichtigste politische Ereignis im Jahr zweitausend dreihundert elf?«
»Der Tomed-Zwischenfall – zumindest aus der Sicht der Föderation. Wegen eines Missverständnisses haben die Romulaner alle diplomatischen Kontakte zur Föderation abgebrochen und mit einer jahrzehntelangen Isolation begonnen.«
Hayes nickte zufrieden. »Diese Isolation hat vor kurzem ein Ende gefunden. Sie haben wahrscheinlich davon gehört. Die Enterprise-D ist einem romulanischen Schiff begegnet. Dessen Commander hat den Vorwurf erhoben, die Föderation hätte romulanische Außenposten entlang der neutralen Zone angegriffen und zerstört.«
Das Shuttle flog gerade einen Bogen um die Verstrebungen zu den Warpgondeln, als Captain Riecan erwiderte: »Ja, der FNS hat darüber berichtet. Aber die Föderation hat doch ebenfalls Außenposten in dieser Region verloren.«
»Was wirklich passiert ist, ist unklar«, antwortete Hayes sofort. »Aber ich, genauso wie viele andere Mitglieder der Admiralität, glaube, dass dies eine bewusste Provokation des Sternenimperiums war, um einen Krieg zu rechtfertigen.«
Captain Riecan rang sich ein bitteres Lächeln ab. »Deswegen will man so viele neue Schiffe in Dienst stellen, wie möglich. Die Sternenflotte macht mobil.«
»Nennen wir es einfach eine Vorsichtsmaßnahme«, gab Admiral Hayes zurück. »Wie sie wissen ist die Sternenflotte aus der Terra Navy hervorgegangen, kurz nachdem die Föderation gegründet wurde. Daher ist sie eine traditionell irdische Institution, auch wenn sie offiziell eine Einrichtung der Föderation ist. Da die meisten Schiffe hier im Sol-System konstruiert werden, heißt das aber auch, dass wir vielleicht nicht genügend haben, um die ganze Föderation zu beschützen, wenn es ernst wird. Ich habe oft genug in Berichten meiner Untergebenen den Satz gelesen: ›Unser Schiff war das einzige in Reichweite.‹«
Das Shuttle manövrierte in diesem Moment nah an der Steuerbordseite der Sheffield vorbei. Admiral Hayes bemerkte, wie Captain Riecan den Schriftzug mit dem Namen des Schiffes betrachtete.
»Wir konnten den Namen Enterprise nicht beibehalten. Wie Sie wissen, ist bereits ein Schiff mit diesem Namen im Einsatz. Aber die Registriernummer haben wir belassen. Sehen Sie das als moderne Inkarnation des Theseus Paradoxons.«
Alan Riecan musste eine Zeit lang in seinem Gedächtnis graben, bis er sich an die Bedeutung dieses Widerspruchs erinnerte. Nach dem Mythos hatte sich die Griechische Sagengestalt Theseus gefragt, ob sein Schiff immer noch dasselbe sei, nachdem dessen Einzelteile während einer langen Reise nach und nach ersetzt worden waren.
Das Shuttle zog eine weite Kurve um eine der beiden Warpgondeln des Schiffes und ermöglichte so einen guten Blick auf den Kreuzer. Rein äußerlich erinnerte die Sheffield noch sehr an die Enterprise-B, auf deren Chassis sie gebaut worden war. Die Hülle war etwas dunkler, als es für ein Schiff aus jener Ära üblich war und auf farbliche Markierungen hatte man fast vollkommen verzichtet. Einige Veränderungen waren jedoch noch offensichtlicher. Das Brückenmodul war durch ein neueres, größeres ersetzt worden und statt den kugelförmigen Kanonen besaß das Schiff Phaserphalanxen, wie sie im vierundzwanzigsten Jahrhundert üblich waren. Auf und unter der Untertassensektion erstreckten sich zwei längere Emitterstreifen. Hinter den Impulsdüsen dann noch einmal zwei kleinere.
Die Fähre hielt auf die Shuttlerampe zu. Die Tore zum Hangar standen offen. Ein Kraftfeld, das sich nur durch blau leuchtende Abgrenzungen an den Wänden des Schotts zeigte, trennte die Atmosphäre der Shuttlerampe vom Vakuum des Weltalls. Das Shuttle setzte an, dieses Kraftfeld zu durchfliegen.
Admiral Hayes drehte sich nun komplett zu Captain Riecan hin und sah ihn durchdringend an.
Mit bedeutungsvollem Unterton fragte er ihn: »Möchten Sie das Kommando annehmen, da Sie jetzt wissen, welches Schiff Ihnen angeboten wird, oder soll sich jemand anderes dieser Herausforderung stellen?«
Captain Riecan gab ihm sofort die Antwort, die er erwartet und erhofft hatte: »Natürlich nicht! Ich meine, natürlich soll es niemand anderes tun. Selbstverständlich nehme ich das Kommando an.«
»Gut«, kommentierte der Admiral die Entscheidung des Captains und landete das Shuttle langsam und kontrolliert in der Rampe.
Nun konnte Captain Riecan sehen, wie viele Techniker gerade in der großen Halle beschäftigt waren. Die Ingenieure sahen beiläufig dem Shuttle zu und fuhren dann mit ihrer Arbeit fort.
»Tut mir leid, dass es keinen Willkommensappell für Sie geben wird«, begann der Admiral und wirkte dabei beinahe beschämt. »Die Umrüstung des Schiffs war schneller fertig als erwartet. Daher herrscht an Bord eine gewisse Hektik. Die Zeit drängt leider. Die Sheffield sollte so schnell starten, wie möglich. Der Platz der Raumbasis wird langsam wieder gebraucht.«
Jemand anderes hätte in Hayes Aussage eine Abwertung des Schiffes gesehen. Doch dem Captain war klar, dass die Sheffield nicht gerade ein Flaggschiff war und der Admiral lediglich ehrlich hatte sein wollen.
Dieser betätigte einige Tasten worauf sich die Heckluke der Fähre öffnete. Captain Riecan und sein Begleiter stiegen aus. Etwas unsicher ging der Captain in der Shuttlerampe umher. Er konnte noch gar nicht fassen was für eine Qualität das Schiff bot, das er nun übernehmen sollte. Er hatte erwartet, einen noch älteren Kahn als die Lantree zu betreten, doch bei den Sanierungsarbeiten waren keine Erneuerung ausgelassen worden. Die meisten Ingenieure waren gerade damit beschäftigt, die Innenwände des Schiffes wieder mit Duraniumplatten zu verkleiden. Einige arbeiteten aber auch am Einbau neuer Computerkonsolen.
»Ich weiß, hier ist alles noch etwas durcheinander«, sprach der Admiral in besänftigendem Tonfall, »aber der Chefingenieur hat mir versichert, dass die Sheffield bald startbereit ist. Ich habe vollstes Vertrauen in ihn. Es waren neun Monate für die Aufrüstung angesetzt – letzten Endes waren die Arbeiten nach sechs beendet.«
Captain Riecan nickte. Er hatte die Aussage des Admirals aber nur beiläufig mitbekommen. Hauptsächlich hatte er das Schiff im Sinn. »Kommen Sie.« Admiral Hayes wies den Captain an ihm zu folgen. »Zur Brücke geht es hier lang.«
Die beiden traten durch die Tür des Shuttlehangars und durchquerten einen kleinen Korridor. Auf dem Weg fiel Captain Riecans Blick wieder auf den Namenszug des Schiffes, der auf einer Computerkonsole im Bereitschaftsmodus angezeigt wurde. »Wieso Sheffield? Ich meine, es gab sicher glamourösere Städte, die ihren Namen beisteuern hätten können.«
Admiral Hayes schmunzelte: »Wieder eine kleine Lektion in Geschichte. Gegen Ende des zwanzigsten Jahrhundert wurden viele britischen Bergbauzechen privatisiert, was auch einige Unternehmen in der Umgebung von Sheffield betraf. Ein schwerer Schlag für diese Stadt, wenn man bedenkt dass bereits wenige Jahre davor tausende Stahlarbeiter arbeitslos geworden waren. Es gab zwar energischen Protest gegen dieses Vorgehen, doch die Premierministerin hat dieser Bewegung das Genick gebrochen.«
»Ich erinnere mich dunkel an dieses Kapitel«, antwortete Captain Riecan. »Die eiserne Lady. Barbara Thatcher.«
»Margaret Thatcher«, korrigierte der Admiral. »Ich war jedenfalls sehr beeindruckt, als ich zum ersten Mal von diesem Vorfall gehört hatte. Die Berg- und Stahlarbeiter von Sheffield waren zwar meist einfache Leute. Aber sie hatten die Courage und die Energie für ihre Rechte einzutreten. Daher fand ich den Namen passend für dieses Schiff. Sie ist zwar keine strahlende Enterprise aber sie wird ihre Aufgabe erfüllen. Genauso wie ihr Captain.«
Riecan bemühte sich, nicht zu seufzen. »Danke für ihr Vertrauen, Sir.«
Hayes nickte. »Ich musste einige Kämpfe austragen, um diesem Schiff die Form und die Mannschaft zu geben, die ich für nötig hielt.«
Die beiden erreichten kurz darauf einen Turbolift. »Brücke«, wies der Admiral den Computer an.
Als sich die Lifttüren wieder öffneten, blieb Captain Riecan überwältigt stehen. Die Kommandozentrale seines Schiffes erstreckte sich zum ersten Mal vor ihm.
Im Gegensatz zu den meisten, moderneren Schiffen war die Brücke nicht mit ovalem sondern kreisförmigen Grundriss gebaut. Sie bestand aus zwei Ebenen. Die zwei Stufen höhere Ebene befand sich im rückwärtigen Teil der Brücke. Ein Geländer, das offenbar nur zur Dekoration angebracht war, trennte die beiden Abteile. Obwohl das Geländer nicht wirklich notwendig gewesen wäre, weil der Höhenunterschied minimal war, empfand es der Captain als gelungenes Gestaltungselement. An der vorderen Wand war ein formschöner und großer Bildschirm angebracht. Anders als bei einigen der neueren Schiffe war er nicht in die Wand integriert, sondern ragte ein paar Zentimeter aus ihr heraus.
Wenige Meter vor dem Bildschirm befanden sich die die wissenschaftliche Station und das Steuer. Beide Stationen waren recht breit und nach hinten gebogen, was ein wenig an die Konsolen auf Brücken älterer Sternenflottenschiffe erinnerte. Auf der selben Höhe befand sich rechts der Eingang zum zweiten Turbolift und links der Bereitschaftsraum des Captains.
Es folgten drei Stühle. Der mittige war für den Captain gedacht, der rechte für den ersten Offizier und der linke für den Counsellor. Neben diesen beiden äußeren Sesseln waren zwei kleine Konsolen aufgebaut, über die Nebenfunktion abgerufen werden konnten.
Direkt hinter diesen Stühlen befand sich die taktische Station die bereits auf der etwas höheren Ebene stand. Sie war fast so breit wie die wissenschaftliche Station und das Steuer zusammen. Ihr Tastenfeld blinkte, als wartete es ungeduldig darauf, bedient zu werden.
Zur rechten der taktischen Station befand sich der Eingang zum Konferenzraum. Captain Riecan beschloss, diesen so bald wie möglich anzusehen. Besonders interessierte er ihn, weil die Lantree keinen gehabt hatte.
An der hinteren Wand schlängelten sich einige technische und wissenschaftliche Hilfskonsolen entlang. Diese wurden von einem großen Display unterbrochen, auf dem eine schematische Draufsicht und ein Querschnitt des Schiffes abgebildet waren.
Captain Riecan fiel auf, dass jede Station mit einem Stuhl versehen war. So musste niemand den ganzen Tag lang stehen. Ein Luxus mit dem nicht jedes Schiff der Sternenflotte aufwarten konnte. Einige Konstrukteure planten sogar absichtlich Stehplätze ein, in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit der Offiziere zu steigern.
Einige Techniker waren immer noch dabei, letzte Anpassungen vorzunehmen. Die Arbeiten konzentrierten sich allerdings hauptsächlich auf die Computerprogramme. Die physischen Komponenten schienen bereits überall komplett verbaut zu sein.
Immer noch ergriffen, verließ Captain Riecan schließlich den oberen Turbolift und ging etwas auf der Brücke umher. Sofort fiel ihm die in eine Goldtafel gravierte Widmungsschrift des Schiffes auf. Angegeben waren der Name des Schiffes, seine Registrierung, seine Konstruktionsort und die Ingenieure, die für den Umbau verantwortlich gewesen waren. Als Chef dieses Projektes war ein Thomas Logan angegeben. Captain Riecan glaubte, den Namen bereits einmal gehört zu haben.
Doch eher als dieser fiel ihm die bittere Ironie des Widmungsspruches der Plakette auf. Er bestand lediglich aus einem Zitat des Dichters Heinrich von Kleist, der in seinem seiner Frau gewidmetem Abschiedsbrief geschrieben hatte: »Die Warheit ist, dass mir auf Erden nicht zu helfen war.« Der Admiralität hatte dieser Satz offensichtlich etwas anderes bedeutet, als Kleist vor seinem Selbstmord.
Captain Riecan blickte erneut auf den Bildschirm. Er war noch inaktiv und die teilweise holographischen Bilderzeugungssysteme waren zu erkennen. Admiral Hayes trat an den vor Staunen regungslosen Mann heran.
»Normalerweise besagt das Protokoll, dass der Captain seine Mannschaft selbst zusammenstellt. Aber wie ich vorhin schon sagte, wollten wir die Sheffield möglichst schnell ins All bekommen, daher habe ich mir erlaubt, ihre Mannschaft auszuwählen. Das ist auch der Grund, weshalb es einen Überhang an Menschen an Bord gibt. Wir haben die meisten Offiziere hier auf der Erde einberufen.«
Hayes reichte Marticus ein PADD, auf dem eine Liste der Besatzung angezeigt wurde. Captain Riecan wandte sich wieder an den Admiral und antwortete: »Damit habe ich keine Schwierigkeiten, Sir. Aber hier steht, dass zum Beispiel der Posten des Counsellors noch unbesetzt ist.«
»Es war uns leider nicht möglich rechtzeitig jemanden für den Posten zu finden, aber für‘s erste ist das auch eigentlich nicht nötig«, antwortete Admiral Hayes.
Captain Riecan nickte. Diese kleine Entbehrung störte ihn in jenem Augenblick nicht. Was ihm eher zu denken gab, war ein anderer Offizier aus der Auswahl der Stabsoffiziere, von dem ihm Admiral Hayes im Shuttle berichtet hatte. Fähnrich Edison schien großes Ansehen bei Hayes zu genießen. Er kam frisch von der Akademie. Captain Riecan hoffte auf einen lernbereiten Junioroffizier. Er befürchtete allerdings genau das Gegenteil, denn ein Kommentar zu Edisons Eintrag wies ihn als Mitglied der Red Squad Einheit aus – einer Eliteeinheit innerhalb der Akademie, die eine besonders intensive Ausbildung erhielt. Alan Riecan selbst hatte in seiner Zeit auf der Akademie wenig Kontakt zu dieser Vereinigung gehabt, genauso wie die meisten seiner Kommilitonen. Die Red Squad blieb gerne unter sich und vermied den Umgang mit dem Rest der Studentenschaft. Wenn man sie fragte, aus Zeitgründen. Doch Marticus sah andere Gründe dafür. Kadetten der Red Squad bekamen fast täglich zu hören, dass sie die Elite bildeten und so verhielten sie sich auch. Alan Riecan hatte sich in seiner Studienzeit einen Spaß erlaubt und auf den Belegungsplänen einiger Hörsäle alle Vorlesungen dieser Sondereinheit in ›Narzissmus für Fortgeschrittene‹ umbenannt. Unglücklicherweise hatten die Red Squad Zugang zu den Biolaboren. So hatten sie seine DNS isoliert, ihn ausfindig gemacht und ihn in den eigens dafür erfundenen Kurs ›Lesen und Schreiben für neuseeländische Hinterwäldler‹ eingetragen. Den Gedanken schnell abschüttelnd ging der Captain die Brücke entlang und besah sich die einzelnen Stationen.
Admiral Hayes bewegte sich langsam wieder zurück auf den Turbolift zu. »Ich denke, ich werde hier wohl nicht mehr gebraucht«, sagte er mit einem erfreuten Lächeln. »Ich lasse Ihnen in Kürze eine Nachricht mit Ihren ersten Befehlen zukommen.«
Riecan nickte seinem Vorgesetzten zu. Dieser machte sich auf den Weg zum Turbolift und stieg ein. Der Captain fühlte sich noch ein wenig unsicher. Hier würde er also in Zukunft meistens verweilen. Die Brücke war nun sein Arbeitsplatz.
Dann kam ihm ein anderer Gedanke. Etwas Positives hatte es durchaus gehabt, dass er seine Offiziere nicht selbst zusammengestellt hatte – er konnte nun sehr gespannt darauf sein, neue Leute kennen zu lernen. Während er auf der Brücke flanierte, überflog er die Akten seiner Stabsoffiziere.
Schließlich ging er auf den Sessel des Captains zu, um sich zu setzen. Er wollte gerade Platz nehmen, als plötzlich ein Offizier in der gelben Uniform eines Mitglieds der Ingenieursabteilung auf ihn zukam. Mit einem Gesichtsausdruck voller Elan schüttelte er dem Captain die Hand. Alan Riecan erwiderte den kräftigen Händedruck.
Der Offizier stellte sich sofort vor: »Willkommen an Bord, Captain. Ich bin Lieutenant Thomas Logan. Der Chefingenieur dieses Schiffes.«
Captain Riecan war überrascht, sofort als Captain wahrgenommen zu werden. Er musste sich eingestehen, den Chefingenieur nicht gleich als solchen erkannt zu haben. Aus der Mannschaftsliste wusste er ein paar Dinge über Lieutenant Logan. Der Chefingenieur hatte für kurze Zeit auf der Enterprise unter Captain Picard gedient. Nach einem Zwischenfall im Orbit um Minos hatte er das Flaggschiff der Flotte allerdings wieder verlassen. Eine Menge Offiziere sprachen in seiner Akte gut von ihm. Angeblich war er zwar kein Wunderbastler, wie manch anderer Chefingenieur, aber seine Arbeit sollte sehr solide sein und es hieß, es gäbe kein Computerproblem, dass er nicht lösen könnte.
Sein Aussehen erinnerte auf den ersten Blick allerdings nicht unbedingt an einen Ingenieur. Er hatte eine sehr akkurate Frisur und sorgfältige gestutzte Koteletten. Auch fehlten ihm die groben Züge, die Riecan vom Chefingenieur der Lantree gewohnt war.
»Ich danke Ihnen, Lieutenant. Ich hörte, Sie haben den Umbau geleitet?« Captain Riecan ließ seine Aussage nach einer Frage klingen.
Lieutenant Logan lächelte und schien erfreut zu sein über die Frage, die ihm Gelegenheit gab, über seine Arbeit an der Sheffield zu sprechen. »Ja. Es hat drei Wochen gedauert, bis wir die alte Enterprise bis auf ihre Trägerkonstruktion ausgezogen hatten. Und starke vier Monate, bis alle Überholungen abgeschlossen waren.«
»Die Arbeiten laufen noch?«, fragte Captain Riecan, der die Menge an Techniker im Auge hatte.
Mister Logan wandte seinen Blick kurz ab und antwortete: »Ja, aber das sind nur noch ein paar Kleinigkeiten. Die Hauptarbeiten sind bereits erledigt. Kommen Sie doch mit in den Maschinenraum, Sir. Da zeige ich Ihnen, was wir alles umgebaut haben.«
Captain Riecan nickte. Chefingenieur Logan konnte es kaum erwarten, dem Captain die ganzen Neuerungen vorzustellen. Schnellen Schrittes ging er voran in Richtung Turbolift. Captain Riecan verließ die Brücke, die er praktisch gerade erst betreten hatte, aber bereits jetzt wusste er sein zukünftiges Schiff zu schätzen.
Der Turbolift kam schnell auf dem Deck des Maschinenraumes an. Vom Turbolift bis zu den massiven Metallschotten war es nur noch ein kurzer Weg. Es war ein breites Tor, das langsam zur Seite glitt. Chefingenieur Logan trat erfreut in sein Reich ein.
Im Maschinenraum stehend, war Captain Riecan ein weiteres Mal völlig überwältigt. Der Raum bestand aus einem breiten, einstöckigen Vorraum, der bei den meisten Schiffen vorhanden war und immer recht ähnlich aussah. Dahinter erhob sich der meterhohe Warpkern. Sein Aussehen verwunderte den Captain zunächst, denn er erkannte die filigran und klassisch wirkende Bauweise nicht.
Ein grünblaues Halo aus Licht traf sich in der Mitte des Reaktors. Das Zusammentreffen erzeugte ein, jedem Offizier der Sternenflotte bekanntes, pulsierendes Brummen. Und natürlich Unmengen an Energie, die Hauptsächlich dem Warpantrieb zugedacht war.
Im Raum, in dem der Materie-Antimeterie-Reaktor stand gab es eine weitere Ebene mit Panzerglasboden, die sich etwa drei bis vier Meter über der ersten befand. Wie bei den meisten Sternenflottenschiffen war sie über einen Lift oder eine Leitern erreichbar.
Direkt vor dem Warpkern befand sich eine, auf dem Geländer angebrachte, gekrümmte Konsole, die zur Kontrolle des Kerns diente. Rechts lag ein weiterer Raum, der mit einem großen Sichtfenster ausgestattet war. Mister Logans hauptsächlicher Arbeitsraum, wie Riecan ahnte.
Dieser sah, wie gebannt Captain Riecan den Reaktor beobachtete. Mit stolzem Unterton erklärte er: »Das ist unser neuer Warpkern. Eine Virgo drei Variante. Die meisten Schiffe der Excelsior-Klasse sind mittlerweile mit einem Warpkern für Raumer der Galaxy-Klasse umgerüstet worden. Aber ich war der Ansicht, dass ein Virgo drei besser zu unseren neuen Systemen passen würde. Es handelt sich dabei um eine Spezialanfertigung, von der es nur drei oder vier gibt. Der Kern erzeugt zwar weniger Energie als ein Galaxy-Reaktor aber er ist dafür absolut kompatibel. Es war eine Demontage des ganzen Maschinensegments nötig um ihn und seine benötigten Komponenten einzubauen. Wir sind das erste Schiff unserer Klasse, dass ihn im freien Raum testen wird.«
Captain Riecan nickte beeindruckt. Er hatte seinen Blick während der Rede des Chefingenieurs weiterhin auf den Warpkern gerichtet. Der Maschinenraum der Lantree war winzig gegen den dieses Schiffes. Hier sah er endlich wieder, wie Materie mit Antimaterie verschmolz. Auf der Lantree war der Reaktor im Grunde nur ein schwarzer Kasten gewesen.
»Und der Warpkern ist längst nicht das einzig Neue an diesem Schiff«, fuhr Lieutenant Logan fort und trat an eine Konsole heran.
Captain Riecan folgte und sah sich die Daten an, die der Chefingenieur aufrief. Schematische Darstellungen der Sheffield erschienen und untermalten seinen Bericht. »Unser Impulsantrieb zählt zu den besten der gesamten Flotte. Die zwei zusätzlichen Düsen, die die meisten anderen Schiffe der Excelsior-Klasse nicht haben, waren sehr hilfreich um das zu erreichen. Was die Sensoren angeht, die sind ebenfalls auf dem neusten Stand der Technik. Genauso wie die Waffensysteme. Die meisten Schiffe unserer Klasse besitzen keine Phaserphalanxen, sondern einfach aufgemotzte Kanonen. Wir haben uns den zusätzlichen Platz zunutze gemacht, den wir dadurch bekamen, dass wir eine kleinere Mannschaft haben.
Durch die zusätzlichen Anbauten aus der Basiskonstruktion der Enterprise-B konnten wir sogar noch ein bisschen mehr heraus kitzeln. Zum Beispiel haben wir alle Warpspulen durch neuere, und schmalere Modelle ersetzt. Auf diese Weise konnten wir zwei zusätzliche Spulen einbauen und länger mit hoher Geschwindigkeit fliegen.«
Alan Riecan sah auf eine Computeranzeigen, die Mister Logan schnell nacheinander aufrief. Er deutete auf die Explosionszeichnungen der Warpgondeln. Obwohl der Captain sich vornahm, sein Schiff genau kennen zu lernen, war das Ingenieurswesen nicht unbedingt seine Stärke. Daher konnte er mit der Grafik nicht viel anfangen.
Er konnte sich ein verschmitztes Grinsen nicht verkneifen, als er sich einmal mehr klar machte, was für ein Exemplar von Schiff er bekommen hatte. Die Sheffield war einmalig – Dank Lieutenant Logan.
Gefesselt atmete der Captain ein. Riecan trat an eine andere Konsole heran und rief probeweise einige Daten ab. Mehr als zufrieden stellte er fest, wie gut das Computersystem funktionierte. Bei frisch installierten Systemen wurde der Benutzer häufig von einer Welle an Fehlermeldungen überflutet.
»Das war wohl der schlimmste Teil der Arbeit«, erinnerte sich Chefingenieur Logan und runzelte die Stirn bei diesen Erinnerungen. »War ein nettes Stück, bis wir die ganzen alten Konsolen ersetzt und das neue LCARS-System installiert hatten. Es gab Tage, da hätte ich den Computerkern am liebsten mit einem Holzknüppel zerlegt.« Thomas Logan lachte, um zu zeigen, dass seine Bemerkung nicht ernst gemeint gewesen war.
»Nun, aber jetzt läuft ja alles wie geschmiert. Saubere Arbeit, Mister Logan«, lobte Captain Riecan ehrlich.
Der Chefingenieur nickte zufrieden. Er war froh darüber, dass der Captain seine Arbeit würdigte. Der Chefingenieur war recht stolz auf sein Werk und nach Captain Riecans Meinung konnte er das auch durchaus sein. Er hatte es geschafft einen Haufen Altmetall in ein kleines Wunderwerk zu verwandeln. Es war praktisch ein brandneues Schiff. Sämtliche Systeme waren durch aktuelle Modelle ersetzt und nicht das kleinste Detail übersehen worden.
Riecan war schon gespannt, was der Admiral mit dem Schiff vorhatte. Zumindest würde seine Arbeit sicherlich nicht so eintönig und unerträglich werden wie auf der Lantree. Alan Riecan wollte keinen Gedanken mehr an sein altes Schiff oder dessen Crew verschwenden.
Mister Logan schien sich ebenfalls für die Aufgabengebiete der Sheffield zu interessieren. »Wann werden wir denn eigentlich starten? Und was ist unsere erste Mission, Sir?«, fragte er schon fast ein wenig ungeduldig.
Kaum konnte er es erwarten dem Captain und natürlich dem Rest der Flotte sein Werk in Aktion präsentieren zu können. Er freute sich schon darauf, den Warpantrieb anzuschmeißen und im Einsatz zu sehen.
Captain Riecan beantwortete die Frage etwas zögerlich: »Das weis ich leider auch noch nicht. Admiral Hayes sagte, er wird mir eine Nachricht mit unseren Befehlen zukommen lassen.«
Logan nickte und machte sich wieder auf den Weg in sein Büro. Auf dem Weg wurde er plötzlich von einem jüngeren Offizier abgepasst. Er trug die Uniform der Sicherheitsabteilung. Captain Riecan schätzte ihn auf Mitte zwanzig. Er war ein Mann von Lateinamerikanischer Abstammung. Seine schwarzen Haare trug er in militärischem Schnitt kurz und nach oben gerichtet.
Der Offizier unterhielt sich mit dem Chefingenieur: »Die Energieversorgung der Verteidigungsfelder ist nahezu perfekt. Ebenso der für die Kraftfelder. Aber wenn wir die älteren Sicherheitshalterungen für die Photonentorpedos durch neuere ersetzen könnten, wäre das wirklich vorteilhaft.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, antwortete Logan.
Captain Riecan trat an die beiden heran. Der Offizier musterte ihn und sah auf seine Rangabzeichen. Als er sie erkannt hatte, nahm er Haltung an und begann deutlicher als es nötig gewesen wäre zu sprechen: »Sie müssen Captain Riecan sein, Sir. Ich bin Lieutenant Xavi Vargas. Ihr taktischer Offizier. Sehr erfreut Sie kennen zu lernen.« Captain Riecan nickte und schüttelte dem Lieutenant die Hand. Er erkannte seinen sehr leichten aber unverkennbaren, spanischen Akzent.
»Ganz meinerseits, Lieutenant«, begrüßte er ihn der Captain. »Ist von Ihrer Seite alles zum Start bereit?«
»Ja, Sir. Wir haben alle Diagnosen der Waffen- und der Sicherheitssysteme abgeschlossen. Die Systeme laufen einwandfrei. Die letzte Ladung an Photonentorpedos und das Eintreffen der restlichen Sicherheitsteams erwarten wir in knapp einer Stunde. Genauso wie die neuen Handphaser und Phasergewehre. Wir sind eines der ersten Schiffe, das mit diesen Modellen ausgerüstet wird. Nicht einmal die Enterprise hat sie, soweit ich weiß.«
Erneut nickte Captain Riecan zufrieden. Er hatte noch das letzte Modell der Typ zwei Handphaser in Erinnerung. Das Feuersegment war breiter gewesen als seine Hand und hatte eher an eine Art Fernbedienung als an eine Waffe erinnert.
»Sehr gut. Entschuldigen Sie mich jetzt bitte«, verabschiedete sich der Captain.
Lieutenant Vargas und Chefingenieur Logan sahen den Captain kurz überrascht an, weil sie es für einen Captain absolut nicht für nötig hielten sein Abgehen zu entschuldigen.
»Äh, Captain«, meldete sich Lieutenant Vargas noch einmal vorsichtig zu Wort, ehe sich Captain Riecan in Bewegung setzte. »Ich habe übrigens Ihr Gepäck aus dem Shuttle in Ihr Quartier bringen lassen.«
»Vielen Dank, Lieutenant«, sprach Captain Riecan etwas befremdet von der Vorstellung bedient zu werden und machte sich auf.
Ihm gefiel sofort die vorausschauende Art des Lieutenants. Es wäre bestimmt peinlich geworden, wenn er in einigen Stunden seine Tasche hätte suchen müssen. Der Captain hoffte nur, dass Mister Vargas halten würde, was sein guter erster Eindruck versprach und sich nicht bloß einschmeicheln wollte.
Captain Riecan wollte sich auf den Weg in sein Quartier machen, um sich zunächst einmal häuslich einzurichten. Da fiel ihm auf, dass er gar nicht wusste, wo sich sein Quartier überhaupt befand. Die Konstruktion der Lantree unterschied sich als Frachter völlig von der Konzeption der Sheffield.
Er hätte einen Deckplan abrufen können, doch leider fiel ihm das zu spät ein. Deswegen rief er dem Chefingenieur die etwas unbeholfen wirkende Frage zu: »Mister Logan, wo befindet sich denn eigentlich das Quartier des Captains?«
Dieser lugte aus seinem Arbeitsraum heraus und erwiderte laut genug: »Deck zwei – damit Sie schnell auf die Brücke kommen.«
Captain Riecan machte eine Geste des Verstehens und trat in Richtung Tür.
Zur selben Zeit packte Commander Ferhat Abdel-Samad auf der Erde, genauer in Los Angeles, seine Reisetasche zusammen. Er besaß nur sehr wenige Habseligkeiten, die er wie seinen Augapfel schützte und ehrte. Ein einziger großer Seesack hatte ausgereicht, um seine Besitztümer unterzubringen. Deswegen hatte der Morgen genügt, um seine kleine Wohnung zu räumen.
Er sah sich kurz im Spiegel seines Badezimmers an. Schließlich wollte er nicht wie der letzte Mensch zu seinem neuen Posten aufbrechen. Er hatte sich schwer getan, sich eine Glatze rasieren zu lassen. Doch mittlerweile war er überzeugt davon, dass es die beste Möglichkeit war, dem stärker werdenden Haarausfall entgegenzutreten. Seine braunen Augen und sein kantiges Gesicht, verliehen ihm ein markantes und dynamisches Aussehen. Auch seine stattliche Adlernase trug dazu bei. Der kurz und sauber geschnittene Vollbart ließ ihn ein wenig älter und erfahrener erscheinen, als er eigentlich war. In den vierunddreißig Jahren seines Lebens hatte er allerdings bereits eine Menge Erfahrung gesammelt. Und dies nicht nur im Dienste der Sternenflotte. Auch privat hatte er einige Odysseen hinter sich gebracht, die so geartet sicherlich nicht jedem widerfahren waren.
An seiner Uniform konnte er drei Rangabzeichen anbringen. Seinen Rang als Commander hatte er vor vier Jahren verliehen bekommen. Das Leben im Weltraum war für ihn nicht immer leicht gewesen, doch er nahm die Dinge leichtfüßig, versuchte positiv zu denken und behandelte Probleme rechtzeitig, aber nie zu früh. Er nahm sie sich einfach vor, wenn sie da waren.
Wegen seiner gutmütigen Art und lockeren Lebenseinstellung kam er mit den meisten Leuten gut aus. Aber der ein oder andere, empfand seine Lässigkeit schon fast als zu fordernd.
Los Angeles sah er nicht als seine Heimat an. Das und sein minimalistischer Besitz deuteten auf sein bewegungsreiches Dasein hin. Geboren war er in New York, aber er war schon an vielen Orten gewesen. Ferhat Abdel-Samad war ein Vagabund, wie geschaffen für das Weltall.
Mit großer Vorfreude verließ er die Wohnung. Es hatte ihn wenig begeistert, als er vor zwei Jahren für den Posten des ersten Offiziers auf der Enterprise-D abgelehnt worden war. Er erinnerte sich noch gut an sein Streitgespräch mit Captain Picard. Die letzten zwei Jahre hatte er in einer stellaren Überwachungsstation der Sternenflotte auf der Erde gedient. Als er vor kurzem das Angebot bekommen hatte, auf der Sheffield erster Offizier zu werden, hatte er keine Sekunde gezögert.
Schnell verließ er die leer stehende Wohnung und machte sich auf den Weg zur nächsten Einrichtung der Sternenflotte, um auf sein neues Schiff zu beamen.
Unterdessen hatte es sich Captain Riecan in seinem Quartier gemütlich gemacht. Er war überwältigt und hatte das Gefühl, zunächst einmal Ruhe finden zu müssen. So saß er in seinem Ohrensessel. Eines der wenigen Einrichtungsgegenstände, das sich bereits in seinem Quartier befunden hatte.
Durch die üppig breite Fensterreihe war ein guter Blick auf die Weite des Raumdocks möglich, während er die Dossiers seines Kommandostabs überflog. Er hatte erwartet, einige Außerirdische in seiner Mannschaft willkommen heißen zu können. Aber wie Admiral Hayes bereits angekündigt hatte, stammte der überwiegende Großteil der Besatzung von der Erde oder anderen Kolonien der Menschheit. Seine wissenschaftliche Offizierin war laut ihrer Akte auf dem Mars geboren worden.
Insgesamt gab es nur zehn außerirdische Besatzungsmitglieder, darunter zwei Vulkanier und einen Bajoraner, der irgendwie seinen Weg aus den Flüchtlingslagern seines, über alle Winde verteilten, Volkes gemacht hatte.
Neben sich hatte der Captain ein PADD mit technischen Informationen über sein Schiff liegen. Er bedauerte es, sich nicht vorher damit vertraut gemacht haben zu können. Das Schiff hatte auch neben seiner Technik und Konstruktion einiges anzubieten. Die Sheffield verfügte zum Beispiel über ein Holodeck, stellare Kartographie, eine großen Lounge und einem hydroponischen Garten. Da diese Einrichtungen eine Menge Platz der Untertassensektion in Anspruch nahmen, hatte die Sheffield eine kleinere Crew, als es für ein Schiff der Excelsior-Klasse üblich war. Sie musste mit etwa dreihundertsechzig Mann auskommen, während andere Schiffe derselben Art bis zu achthundert beherbergten.
Captain Riecans Blick fiel auf die Tasse Kaffee, die er sich repliziert hatte. Das Essen und Trinken aus dem Replikator schmeckte ihm nicht so gut wie das Original. Er fragte sich, ob er sich den Unterschied vielleicht bloß einbildete, weil er wusste, dass sein Kaffee direkt aus den Energiereserven des Schiffes stammte. Die Technik der Replikation war noch sehr verbesserungsfähig. Ein Computer konnte eben die Zusammensetzung eines saftigen Steaks doch nicht so gut erstellen, wie ein guter Koch es zubereiten konnte.
Daher entschloss sich Captain Riecan mal in die Lounge zu gehen, die angeblich eine Küche beherbergte, um sich dort etwas umzusehen. Er erhob sich schwer aus seinem Sessel und begab sich auf den Weg.
Dort angekommen stellte er überrascht fest, dass der Aufenthaltsraum äußerst geräumig war. Im Wesentlichen bestand er aus zwei Stockwerken und war deswegen zwei Decks hoch. An der hinteren Wand des unteren Stockwerkes befanden sich eine Theke und eine kleine Küche. Noch schien diese nicht benutzt zu werden aber es würde sich sicherlich jemand finden, der bereit war, seine Kochkünste anzubieten. Platz für eine Mahlzeit war ebenfalls vorhanden. Das ganze untere Stockwerk war vollgestellt mit kleinen runden und größeren viereckigen Tischen.
Der obere Bereich hatte die Form einer Empore und erstreckte sich über die Küche hinweg in den Raum hinein. Erreichbar war sie über eine Wendeltreppe, die perfekt in die gemütliche Atmosphäre der Lounge passte. Im rückwärtigen Bereich des oberen Stockwerkes befand sich eine gut ausgestattete Bar, deren vielfarbiger Vorrat an Flaschen schon von Weitem zu sehen war.
Eine Fensterreihe, die sich vom Boden bis zur Decke erstreckte, ermöglichte einen weiten Blick ins Weltall – falls man sich nicht gerade innerhalb eines Raumdocks befand. So waren anstatt der Sterne die metallenen Wände der Station, zahllose kleinere Raumfahrzeuge unterschiedlichster Art und auch einige größere Schiffe zu sehen.
Captain Riecan entschied sich, auf die obere Ebene zu gehen. Die Wendeltreppe wankte zu seiner Zufriedenheit nicht unter seinem Gewicht. Oben angekommen bemerkte er, dass die Bar zurzeit sogar von jemandem besetzt war.
Der Captain setzte sich an die Theke auf einen Hocker. Sofort drehte sich der Barkeeper zu ihm um. Captain Riecan musterte ihn für einen Moment. Gleich auf den ersten Blick merkte man, dass dem Barkeeper Lebenslust und Fröhlichkeit ins Gesicht geschrieben stand, obwohl er sonst eher unauffällig wirkte. Der Mann war im Alter des Captains, wirkte jedoch jugendlicher.
Eine Uniform trug er nicht, sondern ein weißes Hemd, dass von einer langen Weste überdeckt wurde. »Cator Canulis, wenn ich mich vorstellen darf. Was darf‘s sein, Captain?«, fragte der Barmann freundlich und ohne Umschweife.
»Einen Kaffee, bitte«, antwortete ihm Captain Riecan unsicher. »Sie gehören nicht zur Sternenflotte?«
Mister Canulis sah kurz nach unten. »Nicht wirklich, ich war früher dabei. Hab sie dann aber aus familiären Gründen wieder verlassen.« Der Captain spürte, dass er ein Thema angeschnitten hatte, über das der Barmann ungern reden wollte, obwohl dieser nach wie vor einen freundlichen und unverbindlichen Ton beibehielt.
»Nachdem ich die Sternenflotte verlassen hatte«, fuhr er fort, »hab ich ein kleines Bistro in Nancy eröffnet. Aber irgendwie wurde es mir da zu monoton. Darum hab ich mich mit einem alten Freund, einem Admiral, arrangiert und mir auf diesem Schiff ein kleines Plätzchen gesichert. Vor ein paar Jahrzehnten wäre das schwierig gewesen aber mit der Einführung der Galaxy-Klasse hat sich die Sternenflotte dann mit dem Gedanken angefreundet, Zivilisten auf ihren Schiffen unterzubringen.«
»Es ist immer gut, wenn man per du mit einem hohen Tier ist«, kommentierte Captain Riecan beiläufig.
Cator Canulis nickte zustimmend. »Sie werden sehen, Sir, wenn ein Schiff keinen Counsellor hat, dann lohnt es sich einen Barkeeper an Bord zu haben.« Da gab ihm Captain Riecan insgeheim Recht, wollte aber keine zustimmende Antwort geben. Die Sternenflotte würde es sicher ungern hören, wenn der Captain einen Schankmann einem gut ausgebildeten Psychologen vorzog. Cator Canulis holte eine Tasse und eine kleine Kanne unter der Theke hervor und goss das schwarze Aufputschmittel ein.
»Extra stark«, warnte Cator Canulis vor. »Aus garantiert echten Bohnen. Peruanisch. Schmeckt viel besser wie dieses Etwas aus dem Replikator.«
Der Barmann stellte ihm die Tasse hin. »Milch oder Zucker?«, fragte er einsilbig.
Captain Riecan schüttelte den Kopf und nahm einen kräftigen Schluck. Der Kaffee tat gut. Er brauchte am Morgen unbedingt eine Tasse davon, um richtig wach zu werden. Die Menschheit dachte, sie hätte alle Suchtmittel aus der Gesellschaft verbannt. Aber bei jeder Tasse wurde dem Captain klar, dass es wohl irgendwie doch nicht so war.
»Wie gefällt Ihnen Ihr neues Schiff?«, wollte Cator Canulis wissen.
»Bis jetzt bin ich absolut angenehm überrascht. Besonders, da wir uns hier eigentlich auf einer Enterprise befinden.«
Cator Canulis nickte verbindlich. »Dieser Gedanke hat mir auch gefallen. Aber ich finde, wir sollten uns nicht zu sehr an Namen klammern. Sie ist jetzt ein völlig neues Schiff mit ganz eigenem Charakter – aber mit einer guten Familiengeschichte.«
Captain Riecan trank schnell den Rest seines Kaffees aus. Er hatte eigentlich vor, seinen Bereitschaftsraum auszukundschaften, blieb allerdings sitzen als sich ein Offizier in den roten Farben der Kommandosektion energisch neben ihn auf den Barhocker niederließ. Über seiner Uniform trug der Mann eine Weste auf dessen Rücken die Namen seiner Abschlussklasse und das Symbol der Red Squad zu sehen waren.
Der junge Mann reichte dem Captain seine Hand, welche dieser zögerlich entgegennahm. Dabei musterte er sein Gegenüber und hatte bereits eine ungefähre Vorstellung, wen er vor sich hatte.
Der junge Offizier trug seine aufwendige Frisur an der Grenze der Vorschriften, wirkte aufgrund seiner breiten Schultern kräftig und durchtrainiert und hatte ein spitzes Gesicht das wie seine Körperhaltung Dynamik und Energie vermittelte. Er konnte nicht viel älter als zwanzig Jahre sein und besaß eine progressive, fast schon fordernde, Ausstrahlung.
Captain Riecan konnte deutlich den Enthusiasmus in der Stimme des Offiziers hören, als sich dieser vorstellte: »Philip Edison, Sir. Ich werde der Steuermann dieses Schiffes sein. Freut mich, Sie kennen zu lernen.«
»Ganz meinerseits, Fähnrich«, antwortete der Captain, der Mühe hatte, sich an den Rang zu erinnern, der in Edisons Dossier angegeben gewesen war. Um das Gespräch anzukurbeln fragte er: »Ist das ihr erster Einsatz nach der Akademie?«
Edison nickte schnell und antwortete noch schneller: »Aye, Sir. Aber seien Sie versichert, dass ich für diese Aufgabe bereit bin. Ich war in den meisten Fächern Bester des Red-Squad-Jahrgangs und konnte bereits während meiner Akademiezeit einiges an praktischer Erfahrung sammeln.«
Captain Riecan hätte zu seiner Zeit an der Akademie nicht einmal Mitglied dieser speziellen Studentenvereinigung sein können, wenn er das gewollt hätte. Viel hatte er vom Red Squad auch nicht mitbekommen. Obwohl dessen Mitglieder ein extrem hohes Ansehen genossen, kapselten sie sich gerne vom Rest der Schüler ab. Sie organisierten sogar ihre eigenen Abschlussfeiern. Vieles deutete darauf hin, dass sie sich dem Rest des Campus überlegen fühlten und sich für die Elite der Sternenflotte hielten – was vielleicht aber auch daran lag, dass sie genau das von vielen unterrichtenden Admirälen immer wieder gesagt bekamen.
»Ich habe sehr hart gearbeitet um diesen Posten zu bekommen«, erklärte Fähnrich Edison mit einem Selbstvertrauen, das seiner Aussage den Anschein eines unumstößlichen Faktums gab. »Man bringt uns ja heutzutage auf der Akademie eine Menge nützliche Dinge bei. Das Ausbildungssystem ist mit früher nicht mehr zu vergleichen. Ich bin sicher, ich kann eine Bereicherung sein, Sir.«
Captain Riecan widerstand der Versuchung, sich am Kopf zu kratzen und fragte sich dabei, was Edison wohl von seiner zehn Jahre alten Ausbildung hielt. »Dessen bin ich mir sicher«, gab er schließlich zurück und wünschte sich gleich danach, ein wenig überzeugender geklungen zu haben.
Einen Moment lang kehrte Stille in das Gespräch ein. Fähnrich Edison schien sie durchbrechen zu wollen. Nicht weniger elanvoll als zuvor fragte er: »Wissen wir bereits, was unser erster Auftrag sein wird? Es gibt Gerüchte, dass die Sheffield zur neutralen Zone abkommandiert wurde, um die plötzliche Aktivität der Romulaner zu untersuchen.«
»Das glaube ich weniger«, entgegnete Captain Riecan sofort. »Ich denke, als erstes steht ein Testflug an. Das ist wahrscheinlich auch besser so. Immerhin haben wir eine Besatzung, die zuerst noch in ihre Positionen finden muss. Für mich ist das schließlich auch das erste Kommando.«
Für eine Nanosekunde fielen die Gesichtszüge des jungen Fähnrichs in sich zusammen. Aber er setzte sofort wieder ein Lächeln auf, das seine Augen allerdings aussparte. Für Edison war das eine merkwürdige Nachricht. Er hatte drei Jahre lang auf alles verzichtet und bis spät in die Nacht gearbeitet, um auf ein Spitzenschiff versetzt zu werden. Aber ein Raumer, dessen Captain sein erstes Kommando antrat, gehörte kaum zur Elite.
Philip Edison erinnerte sich an den ersten Kommandanten der Sheffield, zu der Zeit, als sie noch die Enterprise-B gewesen war. Captain John Harryman, der mittlerweile verstorben war, wurde nachgesagt er wäre zögerlich und unentschlossen gewesen. Viele gaben sogar ihm hinter vorgehaltener Hand die Schuld an James Kirks Tod. Edison kannte Captain Riecan nicht, aber er erinnerte ihn trotzdem an Harryman. Die beiden trugen sogar eine ähnliche Frisur. Lediglich der Bart war zu viel.
Der Captain spürte, dass er wohl etwas gesagt hatte, dass dem Fähnrich nicht gefiel. Mit versöhnlichem Ton scherzte er: »Ich kann ja einfach Ihnen das Kommando übergeben, wenn wir in Schwierigkeiten geraten.«
Edison lachte nicht einmal aus Höflichkeit. Er grinste nur kurz. Dann nickte er dem Captain zu und sagte: »Ich sollte an meine Station, Sir. Auf Wiedersehen.«
»Wir sehen uns auf der Brücke, Fähnrich«, entgegnete Captain Riecan tonlos, als sich Edison zum Gehen erhob.
Cator Canulis wischte gerade die gewaschene Kaffeetasse trocken, als er dem Steuermann kopfschüttelnd hinterher sah. Nach einer Weile erhob sich auch der Captain und machte sich auf, um seinen Bereitschaftsraum zu erkunden und nachzusehen, ob seine Befehle bereits eingetroffen waren.
Unterdessen hatte sich Commander Ferhat Abdel-Samad an Bord der Sheffield beamen lassen. Er hatte gerade den Transporterraum verlassen, als er Captain Riecan auf dem Gang begegnete.
Abdel-Samad ärgerte sich, zweimal hinsehen zu müssen, ehe er seinen Captain erkannte. Für ihn war es sehr irritierend, dass dieser einen ganzen Kopf kleiner war, als er selbst. Trotzdem bemühte er sich, den Captain nicht mit Blicken zu bemessen.
»Captain Riecan?« Es war eher eine Feststellung des Commanders, als eine Frage. Der Gefragte nickte kurz und warf kurz einen Blick auf die Rangabzeichen des Commanders. »Richtig«, antwortete Captain Riecan während er von seinen ersten Offizier mit einem festen Händedruck begrüßt wurde. »Sie müssen Commander Abdel-Samad sein.«
»Ganz richtig. Sehr erfreut, Sir.«
Alan Riecan ging es nicht oft so, doch er freute sich jedes mal aufs neue, wenn ihm jemand von Anfang an gleich sympathisch war. Ferhat Abdel-Samad strahlte auf den ersten Blick genau die Art von Herzlichkeit und Offenheit aus, die dem Captain imponierte. Dass der Commander den Dienst ungezwungen angehen würde, ließ der erste Blick ebenfalls vermuten. Seine Glatze wirkte zunächst ein wenig aggressiv. Ein Eindruck, der jedoch durch das ehrliche Lächeln des ersten Offiziers stark abgemildert wurde.
»Was für eine Hektik«, sagte der Commander, als sich ein, mit allerlei Geräten beladener, Ingenieur an ihm vorbei drängte. »Man könnte meinen, im All gäbe es nicht genügend Zeit.«
Riecan nickte zustimmend. »Ich bin keine drei Stunden an Bord und habe das Gefühl, nicht einmal stehen geblieben zu sein.«
»Nun ja«, begann der erste Offizier. »Umso schneller wir aus dem Raumdock sind, umso schneller hört man auf, uns über die Schulter zu schauen.«
Die beiden Offiziere hatten sich auf den Weg zum nächsten Turbolift begeben. Alan Riecan musste sich förmlich zwingen, den Blickkontakt zu seinem Gesprächspartner zu halten. Die Sheffield bot so vieles, dass der Captain seinen Blick immer wieder schweifen ließ. »Es tut mir Leid, ich konnte mich noch kaum mit den Dossiers der Crew beschäftigen. Waren Sie schon mal erster Offizier?«, wollte fragte er, um die neuerliche Stille zu brechen.
Commander Abdel-Samad stimmte nickend zu. »Ja. Auf der Courageous. Ambassador-Klasse. Den Posten habe ich vor vier Jahren bekommen. Damals war ich dreißig, Sir.«
Captain Riecan nickte verstehend. Ohne sich davon etwas anmerken zu lassen, gefiel es ihm gar nicht, einen ersten Offizier zu haben, der älter war als er selbst. Und Abdel-Samad hatte während seiner Zeit auf einem Schiff der Ambassador-Klasse sicher wertvollere Erfahrungen gemacht, als er auf einem Frachter.
»Sie waren die letzten zwei Jahre auf der Erde. Gestatten Sie die Frage. Warum haben Sie die Courageous verlassen?«, erkundigte sich Captain Riecan.
»Sie wurde außer Dienst gestellt«, erwiderte ihm der Commander. In seiner Stimme schwang ein wenig Schwermut mit. »Beinahe fünfundvierzig Jahre sind nun mal schon eine lange Dienstzeit.«
»Nun«, begann Riecan, »die Sheffield ist eigentlich auch kein neues Schiff. Sie war schon einige Jahre im All, bevor sie abgewrackt wurde. Ich hoffe, dass stört Sie nicht.«
Commander Abdel-Samad sah den Captain mit einem Mal fast erschrocken an. Doch sofort bildete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht. »Sie scherzen, Captain. Die Sheffield war früher mal eine Enterprise. Ich rechne nicht damit, dass sie vor den nächsten zweihundert Jahren den Geist aufgibt.«
Captain Riecan schmunzelte für einen Moment über den Optimismus des ersten Offiziers. Dann kehrte der Ernst in sein Gesicht zurück. Commander Abdel-Samad sprach weiter: »Nein wirklich, Sir, ich fühle mich sehr geehrt, auf einem Schiff zu dienen, das früher mal den Namen Enterprise trug. Ich bin sicher, die Dame hat einiges vor sich.«
»Apropos Enterprise, ich hörte, Sie haben sich für den Posten des ersten Offiziers unter Captain Picard beworben«, merkte Captain Riecan an.
Commander Abdel-Samad entgegnete ihm mit einem leichten Unterton der Enttäuschung: »Ja, aber ein William Riker hat dann das Rennen gemacht. Er habe mir die Fähigkeit zu kontroversen Entscheidungen voraus, hieß es. Ich wage aber zu widersprechen.«
Captain Riecan wollte dem Missmut des Commanders sofort entgegenwirken. »Na ja, ich schlage vor, wir begeben uns auf die Brücke. Wie Sie sich vielleicht schon gedacht haben, hat dieses Schiff nämlich einiges zu bieten.«
Rezensionen