TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Alte und neue Träume

von Emony

Kapitel 1

Der sanfte Ton des Weckers veranlasste Christine den Kopf vom Kissen zu heben. Sie hatte in der vergangenen Nacht kein Auge zu getan. Immer wieder sah sie Rogers Gesicht vor sich, das sie anflehte ihre Liebe nicht aufzugeben. Aber der Mann – das Wesen – dem sie auf Exo III begegnet war, war nicht ihr Roger gewesen. Der Mann, dem sie ihre ewige Liebe versprochen hatte, war schon vor Jahren verschollen und gestorben, ohne dass sie es gewusst hatte.

Dabei positiv zu bleiben, fiel ihr schwer. Täglich war sie mit der Hoffnung, ihn wiederzufinden, aufgestanden und zur Arbeit gegangen. Ihr Wunsch, den Stolz über sie in seinen Augen zu sehen und der Traum ihrer Hochzeit würde für immer unerfüllt bleiben. Der alte Traum war wie eine Seifenblase geplatzt und nichts, außer einem gebrochenen Herzen, war zurückgeblieben. Christine fühlte sich viel einsamer als je zuvor auf der Enterprise. Ihr ganzes Leben schien ihr an diesem Morgen so sinnlos, dass sie kaum die Kraft fand aufzustehen.

Warum… warum konnte sie nicht den Mann haben, den sie geliebt und mit dem sie so gerne eine Familie gegründet und den Rest ihres Lebens verbracht hätte?

Der Captain war fassungslos neben ihr gestanden, als der androide Roger sich selbst und Andrea vaporisierte. Wäre es nicht seine Pflicht gewesen, es zu verhindern? Hätte er nicht dafür sorgen müssen, dass am Ende alles gut wurde? Tat er das nicht immer?

Warum… warum hatte er ihr nicht das verdiente glückliche Ende ihrer eigenen kleinen Geschichte bescheren können? Und was noch viel schlimmer war und ihr erneut das Gefühl gab, nicht wirklich auf die Enterprise zu gehören, war der Umstand, dass Captain Kirk – der sonst als so einfühlsam und charmant galt – sie nicht einmal tröstend in die Arme geschlossen und ihr beigestanden hatte. Er stand neben ihr, während ihr Herz in abertausend Stücke zerbrochen war und hatte nichts getan.

Christine vermochte es kaum, die Augen offen zu halten, als sie sich aus ihrem Bett erhob, um sich für ihren Dienst frisch zu machen. Zum ersten Mal, seit sie auf der Enterprise diente, hatte sie keine wirkliche Lust ihrer Arbeit nachzugehen. Ihr war alles vollkommen egal geworden. Ihr Leben kam ihr so wertlos vor und sie glaubte nicht, jemals wieder fröhlich sein zu können.

Aber selbstverständlich ging das alltägliche Leben auf der Enterprise weiter.

Als sie in der Mannschaftsmesse ankam, schienen sämtliche Augenpaare auf ihr zu ruhen. Sie sah Mitgefühl in den Augen der meisten Leute und glaubte, sofort wieder in Tränen ausbrechen zu müssen. Sie wollte nicht das aktuelle Gesprächsthema sein. „Ach sieh nur, da ist die arme Christine, deren Verlobter gestorben ist.“ „Ob sie je darüber hinwegkommen wird?“ „Sie kann einem schon leid tun.“

Eigentlich, überlegte sie, hatte sie gar keinen Hunger. Vielleicht, dachte sie und drehte sich bereits auf dem Absatz um, war es besser den Tag mit Arbeiten zu verbringen. Ja, arbeiten schien eine sehr gute Idee zu sein.

Eine dunkle Hand legte sich von hinten auf ihre Schulter. „Christine…“

Die Krankenschwester schloss einen Moment die Augen und sammelte Kraft. Sie war sich nicht sicher, ob sie noch einen mitleidigen Blick ertragen konnte. Dann wandte sie sich zu Uhura um.

Uhura sagte nichts weiter. Und Christine konnte in deren dunklen Augen, ihr eigenes trauriges Spiegelbild sehen. Ungewollt sammelten sich Tränen in ihren Augen. Ohne, dass sie es hätte abwehren können, schlossen sich Uhuras Arme um sie und zogen sie in eine innige Umarmung. „Christine, es tut mir unendlich leid. So schrecklich leid“, hörte sie Uhuras geflüsterte Worte nahe ihrem Ohr. Und dann sank sie in die Berührung, die sie schon gestern so dringend gebraucht hätte und die der Captain ihr nicht zukommen ließ.

Christine weinte nicht. Die Tränen in ihren Augen lösten sich langsam wieder auf, als sie die Nähe und Wärme der anderen Frau spürte. „Danke“, flüsterte sie ebenso leise zurück.

Uhura löste die Umarmung und umrahmte mit ihren dunklen Händen Christines bleiches Gesicht. „Ich bin jederzeit für Sie da, wenn Sie jemanden zum reden brauchen“, ließ Uhura sie wissen und Christine nickte dankbar.

Uhura hatte sich mit ihr gefreut, als sie vor wenigen Tagen von Roger gehört hatte und glaubte, ihr alter Traum würde sich endlich erfüllen. Uhura war das, was einer Freundin am nächsten kam. Und sie war dankbar für das Angebot. Aber sie wusste, dass ein solches Gespräch würde warten müssen. Sie durfte ihre Pflichten nicht vergessen.

„Setzen Sie sich zu mir?“, wollte Uhura wissen und deutete auf einen der Tische, auf dem ein angefangenes Frühstück wartete.

Christine legte den Kopf leicht schief. „Ich bin nicht sehr hungrig.“

Uhura nickte leicht. „Kann ich mir vorstellen. Aber Sie sollten etwas essen. Wenigstens eine Kleinigkeit. Sie sehen so blass aus.“

Selbstverständlich hatte Uhura recht und so nickte Christine und folgte ihr teilnahmslos zu ihrem Tisch. Endlich schienen sich die übrigen Anwesenden auch wieder um ihr eigenes Frühstück zu kümmern. Das Gefühl, dass sämtliche Personen sie beobachteten, ließ langsam nach und Christine entspannte sich etwas.

Auf der Krankenstation wurde sie mit den strengen Worten des Doktors empfangen, der sie mit erhobener Augenbraue und vor der Brust verschränkten Armen anblickte. „Sie sollten sich mindestens einen Tag frei nehmen.“

„Es geht mir gut, Doktor“, versicherte sie McCoy und erzwang ein Lächeln.

Die erhobene Augenbraue suchte ganz offensichtlich Kontakt zu seinem Haaransatz und auch wenn Christine es nicht für möglich gehalten hätte, wurde der Gesichtsausdruck ihres Vorgesetzten noch strenger. „Soweit ich weiß, bin ich hier der Arzt. Und verzeihen Sie mir die Offenheit, aber Sie sehen aus, als hätten Sie die Nacht durchgemacht.“

Christine atmete tief durch. Sie konnte tiefe Sorge in den blauen Augen des Arztes sehen. „Ich habe es nicht gewagt zu schlafen. Jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, habe ich sein Gesicht vor mir gesehen und …“ Sie hielt inne und schluckte, als sich ein Kloß in ihrem Hals bildete.

McCoy machte einen Schritt auf sie zu. „Ich weiß, wie schwer ein solcher Verlust ist, glauben Sie mir. Und ich wünschte, ich könnte mehr für Sie tun, als Ihnen einige Tage Ruhe anzubieten.“

„Ich möchte keine Ruhe, Doktor. Wenn ich allein bin… habe ich das Gefühl… in Trauer zu versinken“, gestand sie leise und senkte den Blick. „Bitte, lassen Sie mich bleiben. Ich verspreche, dass… meine Trauer meine Arbeit nicht beeinflussen wird.“

McCoy brummte, löste die Arme und stemmte seine Hände in die Hüfte. „Von mir aus. Aber wenn ich das Gefühl bekomme, dass Sie Ruhe brauchen, werden Sie die Krankenstation verlassen. Verstanden?“

Sie nickte ihm dankbar zu. „Verstanden, Doktor.“ Ob er auch schon jemanden verloren hatte, der ihm nahe stand? Sie arbeiteten nun schon geraume Zeit miteinander, aber der Doktor hatte nie etwas über sein Privatleben erzählt. Er war ein sehr verschlossener Mann, wie sie fand. Und abgesehen von Captain Kirk schien er an Bord auch nicht gerade viele Freunde zu haben.

„Wir haben heute einige Routineuntersuchungen vor“, ließ er sie wissen. „Und Chekov liegt nebenan. Er braucht was gegen starke Kopfschmerzen.“

Christine nickte abermals. „Was soll ich ihm geben?“

McCoy zuckte die Schultern. „Abgesehen von dem Rat, sich von Scottys Selbstgebranntem fernzuhalten? Zwei Einheiten Acetylsalicylsäure. Das sollte den Kater erträglicher machen.“

Sie konnte McCoy ansehen, dass er sich zumindest ein kleines Lächeln ob des milden Scherzes erhoffte, aber sie war zu erschöpft, um ihm den Gefallen zu tun und presste deshalb nur die Lippen aufeinander. „In Ordnung.“ Damit wandte sich Christine ab und ging ins Nebenzimmer.

Pavel Chekov war mit seinen neunzehn Jahren eigentlich noch zu jung, sich dermaßen zu betrinken, dass er am nächsten Tag wegen eines Katers auf der Krankenstation lag. Hinzu kam, dass der junge Russe eine gar furchtbare Angst vor Doktor McCoy hatte und so hatte der Arzt es Christine, wann immer es die Umstände erlaubten, gestattet, dass sie die kleineren Behandlungen an ihm vornahm. Er hatte die Behauptung aufgestellt, dass Pavel sich durch Christines mütterliche Art leichter beruhigen ließ.

Christine fand gar nicht, dass sie eine mütterliche Art an sich hatte. Sie versuchte lediglich einfühlsam zu sein. Und ja, zugegeben, sie hegte einen gewissen Beschützerinstinkt, was den jungen Offizier anging.

„Pavel“, sagte sie grüßend und nahm seine Akte zur Hand. Ohne vom PADD aufzusehen, schüttelte sie den Kopf. „Sie haben sich gestern betrunken?“

„Miss Chapel“, erwiderte Chekov und setzte sich ruckartig vom Biobett auf, was er sofort bereute. Er griff sich an den Kopf und Christine glaubte sehen zu können, wie ein leichter Grünstich sein Gesicht färbte.

„Langsam, Pavel.“ Sie reichte ihm eine Nierenschale, für den Fall, dass er sich würde übergeben müssen.

„Miss Chapel“, begann er erneut und eine unglaubliche Traurigkeit legte sich über seine jugendlichen Züge. „Ich… möchte Ihnen mein herzliches Beileid zu Ihrem Verlust aussprechen.“ Seine Stimme war sanft und stärker akzentuiert als für gewöhnlich.

Etwas stach in ihr Herz. Würde so der ganze Tag verlaufen? Würde jeder sie daran erinnern, dass Roger tot war und ein Teil von ihr mit ihm gestorben war? Als sich zum zweiten Mal an diesem Morgen Tränen in ihren Augen sammelten, schluckte sie und zwang sich ruhig durchzuatmen. Kaum, dass sie sich wieder gefasst hatte, straffte sie die Schultern und legte das PADD neben Chekov auf das Bett. „Danke, Pavel.“

Seine jungen, dunklen Augen sahen sie hilflos an. Und schließlich zwang Christine sich dazu, ihm ein Lächeln zu schenken. Er erwiderte es schüchtern. Sie konnte ihm ansehen, dass er gerne mehr gesagt hätte, für sie da sein wollte, aber nicht recht zu wissen schien, wie. ‚Es ist in Ordnung’, sollte ihr Blick ihm sagen und sie hatte das Gefühl, dass er es verstand. Ehe die Stille zwischen ihnen unangenehm werden konnte, lud sie ein Hypospray auf und setzte es dem jungen Russen an die Halsschlagader. „Sie sind zu jung, um sich so zu betrinken, Pavel.“

„Ich… weiß“, gab er kleinlaut von sich. „Wir haben Karten gespielt und ich habe wohl den Überblick verloren.“

„Vielleicht sollte ich mal ein ernstes Wort mit Scotty reden“, schlug Christine vor und gab sich Mühe streng zu klingen.

Chekov legte den Kopf leicht schief. „Er war gar nicht dabei.“ Er machte eine kleine Pause. „Riley hat den Vodka mitgebracht…“

„Kevin Riley also… soso. Nun, dann werde ich wohl mal mit ihm ein ernstes Wörtchen reden müssen“, zwinkerte sie und für einen winzigen, allzu flüchtigen Moment hatte sie ihre Trauer vergessen, ehe sie mit einem Schlag zurückkehrte. Was ging es sie überhaupt an, mit wem sich Pavel betrank? Sie war nicht für ihn verantwortlich.

Sie konnte Chekovs Blick auf sich ruhen fühlen, als sie das Hypo wieder aufräumte, die Behandlung in das PADD eintrug und sich selbiges schließlich an die Brust drückte. „Sonst noch Beschwerden?“ Erst jetzt hob sie wieder den Blick, um ihn anzusehen.

Er schüttelte langsam den Kopf. „Ich wünschte, ich könnte Ihnen Ihren Schmerz ebenso leicht nehmen, wie Sie mir den meinen. Eine so gütige Frau, hat ein so schweres Schicksal nicht verdient.“

Für einen Moment musste sie sich daran erinnern zu atmen. Ihre Knie gaben nach, als sie in die großen traurigen Augen ihres Patienten sah. Und plötzlich rannen ihr die Tränen über die Wangen, die sie seit Stunden so vehement bekämpft hatte.

„Ich wollte Ihnen nicht wehtun“, sagte Pavel schnell, als er ihre Tränen sah und sprang vom Biobett herunter. „Verzeihen Sie mir.“ Sein schlechtes Gewissen stand ihm übers ganze Gesicht geschrieben. 

Rasch legte sie ihm eine Hand an die Wange. „Etwas so unglaublich Liebes hat schon lange niemand mehr zu mir gesagt, Pavel. Danke.“

Er nickte, als er verstand, dass ihre Tränen, Tränen der Rührung waren. „Vremja vsjo lechit.*“ Sie verstand nicht, was er zu ihr sagte, als er ihre Hand von seinem Gesicht löste und einen kleinen Kuss auf ihren Handrücken hauchte. „Danke für die Behandlung“, meinte er dann wieder in Föderations-Standard und sie nickte nur. Ob er das zuvor auf Russisch zu ihr gesagt hatte?

Der Vormittag zog sich endlos hin. Die Routineuntersuchungen einiger Offiziere waren allesamt ereignislos. Das Problem war, dass Christine auf Autopilot lief, während McCoy die Untersuchungen vornahm, sie ihm assistierte und anschließend alles notierte, damit er später ausführliche Berichte für die Akten würde anlegen können.

Als es Zeit für die Mittagspause wurde, fühlte Christine wie ihre Augen immer schwerer wurden. Sie wusste jedoch, dass sie keinen Schlaf finden würde, selbst wenn sie sich in ihrer Pause für einige Zeit hinlegen würde.

„Könnten Sie mir aus der Kantine nachher etwas zu Essen und einen Kaffee mitbringen?“, bat McCoy, als sie im Begriff war zu gehen.

Sie drehte sich in der offenen Tür zu ihm um. McCoy hatte sich bereits an seinen Schreibtisch gesetzt und begonnen den ersten Bericht zu schreiben. Christine nickte. „Gern, Doktor. Etwas Bestimmtes?“

Er sah lächelnd von seiner Arbeit auf. „Was immer Sie für mich mitbringen, wird in Ordnung sein. Sie kennen mich doch.“

Eigentlich nicht, schoss es ihr in den Sinn. Aber sie wusste, was er gerne aß. Sie erwiderte sein Lächeln, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob es so warm und fröhlich wie sonst rüber kam.

Als sie McCoy erneut den Rücken zuwandte, bemerkte sie seinen besorgten Blick nicht mehr.

„Pavel hat mir vorhin etwas gesagt“, begann Christine und schob die Tortellini auf ihrem Teller hin und her, ohne Uhura anzusehen, die ihr gegenüber saß. „Es war russisch, aber ich … Ich weiß natürlich nicht, was er gesagt hat und ich habe es nicht mehr genau im Kopf.“

„Können Sie sich an die Worte erinnern?“, fragte Uhura interessiert und spießte ihrerseits eine Tortellini auf, die sie sich mit reichlich Tomatensoße in den Mund schob, während sie auf eine Antwort wartete.

Christine versuchte sich an den genauen Wortlaut zu erinnern, musste sich dann jedoch eingestehen, dass sie viel zu sehr von dem überwältigt gewesen war, was er zuvor in Föderations-Standard zu ihr gesagt hatte. „Nein, tut mir leid. Aber es klang schön. Russisch ist eine wundervolle Sprache.“

Uhura nickte lächelnd. „Ja, das ist sie. Ich könnte ihn fragen, wenn Sie wollen.“

Christine schüttelte den Kopf und schob ihr Essen weiterhin lust- und vor allem appetitlos über ihren Teller. „Nicht nötig, danke. Manchmal ist die Vorstellung von etwas schöner als die Realität.“

Uhuras Hand legte sich auf Christines und streichelte sie sanft. „Sie sollten wenigstens etwas essen. Ich mache mir Sorgen um Sie, Christine.“

Christine sagte nichts dazu. Niemand würde ihr in dieser Situation helfen können. Sie wusste, dass sie da ganz allein durch musste.

„Ich weiß genau, wenn die Situation umgekehrt wäre, würden Sie mich zwingen etwas zu essen“, sagte Uhura. „Also werde ich mich nicht vom Fleck rühren, ehe Sie zumindest die Hälfte der Mahlzeit aufgegessen haben.“

„Ist das Ihr letztes Wort?“

Uhura nickte, zog ihre Hand zurück und aß weiter. „Ja“, sagte sie dann, nachdem sie eine weitere Tortellini zerkaut und geschluckt hatte.

Rezensionen