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Echos der Vergangenheit

von Emony

Hiobsbotschaft

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Family isn't always blood.
It's the people in your life who want you in theirs.
The ones who accept you for who you are.
The ones who would do anything to see you smile,
and who love you no matter what.
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Jim lag seit geraumer Zeit neben Leonard im Bett, ein Buch in der Hand haltend und versuchte dieselbe Seite inzwischen zum dritten Mal zu lesen. Nachdem sie nun also offiziell verlobt waren, hatten sie den Entschluss gefasst, es Spock und Uhura gleichzutun und ein gemeinsames Quartier zu beziehen. Jim hatte sein Quartier vorgeschlagen, da es um einige Quadratmeter größer als Leonards war. Und so war dieser dann vor knapp einer Woche bei ihm eingezogen.

Allerdings fühlte Jim sich mit dem neuen Arrangement nicht vollkommen wohl. Er schob es darauf, dass er einige Jahre allein gelebt hatte und sein eigener Chef gewesen war. Er hatte kommen und gehen können wie es ihm beliebte, ohne Rücksicht auf jemanden nehmen zu müssen. Hatte aufgeräumt, wann ihm der Sinn danach gestanden hatte. Mit Bones zusammen zu leben, stellte eine Herausforderung dar. Irgendwie hatte Jim die Jahre an der Akademie vergessen, in denen sie bereits zusammen gewohnt hatten und er oftmals mit Bones aneinander geraten war, da dieser fast schon fanatisch für Ordnung in seinen Räumen gesorgt hatte, während Jim dem Ganzen immer schon recht locker gegenüber gestanden hatte.

Frustriert klappte er das Buch zu und legte es beiseite, ehe er sich auf den rechten Ellbogen stützte und Bones von der Seite anblickte. Bones war allerdings viel zu sehr in das PADD vertieft, das er in Händen hielt und schien gar nicht zu bemerken, dass er beobachtet wurde.

Jim konnte immer noch nicht glauben, dass er mit Bones verlobt war. Ausgerechnet er! Immerhin hatte er bisher nie etwas von festen Beziehungen gehalten, hatte sich stets aus dem Staub gemacht, wenn eine Beziehung zu intensiv und ernst geworden war. Und nun lag er hier im Bett bei seinem besten Freund, dem er das Jawort geben wollte und fragte sich, wie es dazu hatte kommen können.

Er liebte Bones von ganzem Herzen, daran bestand gar kein Zweifel. Jedoch zweifelte Jim an dem ‚Für immer’ und war sich daher nicht sicher, ob es nicht ein Fehler gewesen war, ja zu Bones’ Antrag zu sagen.

Was, wenn Bones irgendwann feststellte, dass er Jims Eigenheiten doch satt hatte und ihn nicht länger ertragen konnte? Wenn er feststellte, dass er doch eine richtige Familie wollte und Kinder. Nicht nur ein uneheliches Kind von der Exfrau, sondern eine Familie, zu der er nach Hause kommen konnte. Jim wusste, dass er nicht für ein solches Familienleben geschaffen war. Und Kinder würden sie ohnehin niemals zusammen haben können.

Noch während Jim seinen Gedanken nachhing, realisierte er plötzlich, dass sein Starren keineswegs unbemerkt geblieben war, da Bones ihn direkt ansah. Er setzte ein kleines Grinsen auf, welches Bones mit einem Stirnrunzeln honorierte.

„Stimmt was nicht, Jim?“

Er klang nicht besorgt oder beunruhigt, sondern etwas genervt und vielleicht auch neugierig.

Jim befeuchtete seine Lippen. „Alles okay.“

„Du starrst mich seit zwei Minuten ununterbrochen an“, sagte Bones, legte das PADD auf das Nachttischchen neben dem Bett und drehte sich dann so auf die Seite, dass er Jim direkt anschauen konnte. „Was geht dir durch den Kopf?“

Jim atmete hörbar durch. Er wollte Bones nicht sagen, dass er Zweifel hatte und glaubte, nicht gut genug zu sein. Bones freute sich auf die Hochzeit. Ständig hing er mit Uhura und Chapel rum, die ihm beratend zur Seite standen, während Jim hilflos Zuflucht bei Spock suchte.

Spock war allerdings nicht unbedingt der Richtige, wenn man eine Schulter zum Anlehnen brauchte. Dafür war er zu zurückhaltend und reserviert, kurzum zu vulkanisch. Spock hatte ihm einmal erklärt, dass eine Heirat der logische nächste Schritt wäre. Aber konnte man einen solchen Schritt auf Logik aufbauen? Vulkanier hatten allerdings auch eine etwas andere Art zu leben – milde ausgedrückt. Soweit Jim wusste, wurden Vulkanier bereits im Kindesalter einem Lebensgefährten versprochen. Scheidungen gab es keine und auch keine freie Wahl für den jeweiligen Lebensgefährten. Selbstverständlich war es für Spock daher etwas Besonderes, dass er sich seine Partnerin frei hatte wählen können. Und da Sex für Vulkanier eine reine Fortpflanzungsmöglichkeit und ihnen der Spaß dabei – sofern Vulkanier überhaupt wussten, was Spaß beim Sex ist – offenbar nebensächlich war, konnte Jim verstehen, warum es für Spock logisch schien, Uhura zu heiraten.

Allerdings war Jim sich nicht sicher, ob er sich ein ganzes Leben lang an einen Partner binden konnte. Seine Gefühle für Bones waren im Moment frisch und daher alles andere als objektiv. Er war sich schlichtweg nicht sicher, ob ihm nicht doch irgendwann die Abwechslung fehlen würde. Wie konnte Bones sich so sicher sein, dass Jim ihm genügen würde?

„Hey“, riss Bones ihn aus seinen Gedanken und legte Jim seine rechte Hand an die Wange und streichelte ihn zärtlich, während er ihn anlächelte. „Bekommst du kalte Füße?“

Jim schluckte und fühlte, wie sein Herzschlag sich verdoppelte. Wenn er jetzt die Wahrheit sagte, würde er Bones furchtbar weh tun. Und das wollte er nicht. Wirklich nicht, denn er liebte Bones mehr als irgendjemanden sonst. Er war die eine Konstante in seinem Leben. Der einzige Mensch, der ihn niemals enttäuscht oder im Stich gelassen hatte. Er sollte froh sein, dass jemand wie Bones tatsächlich sein ganzes Leben mit ihm verbringen wollte.

Bones’ Lächeln war traurig, wie Jim erschrocken bemerkte. „Ich …“, begann Jim daher zögerlich und befeuchtete abermals seine Lippen. Bones’ Daumen strich weiterhin zärtlich über seine Wange. „Ich bin mir nicht sicher.“ Seine Stimme war leise und rau.

„Warum hast du Zweifel? Möchtest du darum sprechen?“, bot Bones an und wirkte so vernünftig und reif, wie Jim es von ihm gewohnt war.

Für einen gedehnten Moment sah Jim ihm nur in die hellbraunen Augen, in denen er so gerne versank. „Wir werden nie eine Familie haben können“, erklärte Jim dann und Bones zog die Stirn abermals in Falten.

„Ich weiß, dass keiner von uns ein Kind bekommen kann, Jim. Ich bin Arzt. Glaubst du mir sei spontan entfallen, dass du nicht in der Lage bist meine Kinder auszutragen, oder ich deine?“ Erneut streichelte er Jims Wange. „Wir sind Starfleet-Offiziere. Wir haben uns verpflichtet den Weltraum zu erforschen. Da ist kein Platz für eine Familie. Daher macht es mir nichts aus, verstehst du.“ Jim nickte schwach. „Möchtest du denn irgendwann Kinder haben?“

„Nein“, erwiderte Jim. Vielleicht etwas zu schnell, aber definitiv ehrlich.

„Aber du hättest Joanna an Bord holen wollen“, erinnerte Bones ihn und Jim nickte.

„Das, äh, wäre was anderes gewesen. Ich… wäre vermutlich kein guter Vater.“ Seine Mundwinkel zuckten und deuteten ein kleines Grinsen an.

Bones schüttelte leicht den Kopf. „Das kannst du nicht wissen. Ich weiß nicht mal, ob ich zum Vater tauge.“

Diesmal hielt Jims Grinsen. „Du ganz sicher. Du bist auch zu mir ständig so streng. Dir liegt es ihm Blut. Du hast ja sogar mich erzogen.“

Bones lachte leise. „Ich habe es bestenfalls versucht. Besonders gelungen ist es mir nicht.“ Für einen Moment lächelten sie einander an, dann entspannten sich ihre Gesichtszüge wieder. „Sonst noch Zweifel, von denen ich wissen sollte?“

Jim presste die Lippen aufeinander und zuckte die Schultern. Was noch viel schlimmer war als die simple Tatsache, dass sie nie eine Familie würden gründen können war, dass Jim ganz furchtbare Angst davor hatte sich von jemandem abhängig zu machen. Jemanden so vollkommen zu lieben, dass er allein nicht mehr lebensfähig war. So wie es mit seiner Mutter geschehen war, die sich nahezu jede Nacht in den Schlaf geweint hatte.

„Du weißt, dass ich dich liebe, Jim“, sagte Bones sanft und Jim nickte andeutungsweise. „Ich würde dir niemals weh tun oder dich im Stich lassen. Niemals. Ich weiß, dass das deine große Angst ist. Jeder Mensch, auf den du dich je verlassen hast, hat dich irgendwann allein gelassen, aber ich werde das nicht tun. Ich möchte, dass dir das endlich klar wird. Du bist dieser eine Mensch für mich. Du vervollständigst mich, Jim.“

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, flüsterte Jim, obwohl sie ganz allein waren. Der Kloß in seinem Hals, schwächte seine Stimme. Warum konnte er sich nicht einfach freuen, dass Bones ihn liebte und ihm das Vertrauen entgegen bringen, das er zweifellos verdiente?

„Komm her, Liebling“, bat Bones und schob den linken Arm so unter Jim durch, dass der sich auf seinen Brustkorb legen und an ihn kuscheln konnte.

Jim war überrascht, dass Bones ihn Liebling nannte. Es war das erste Mal, dass er ihn mit einem Kosenamen ansprach. Dieses kleine Wort erfüllte Jim mit mehr Wärme, als er erwartet hatte. Er schloss die Augen an Bones’ Brust und lauschte dem kräftigen Herzschlag. Bones hielt ihn mit der linken Hand, während er mit seiner rechten sanft Jims Rücken streichelte.

„Ich liebe dich“, hauchte Bones und küsste Jims Haar. „Für immer.“

„Ich liebe dich auch.“ Für einen Moment war es vollkommen still und Jim fühlte, wie sich allmählich die Müdigkeit über ihn legte und sich seine wirren Gedanken allmählich auflösten.

„Computer, Licht aus“, hörte er Bones noch sagen, ehe er sich wieder auf den Herzschlag konzentrierte und sanft in tiefen Schlaf abdriftete.

~*~

Der nächste Tag flog nur so an Jim vorbei und ehe er sich versah, war seine Schicht beendet. „Sehen wir uns nachher zum Essen?“, fragte er Spock und Uhura, bevor er die Brücke verließ. Spock nickte, nachdem er einen Blick mit Uhura gewechselt hatte. „Dann bis später.“

Bones und er aßen inzwischen jeden Abend miteinander, oftmals in Gesellschaft von Spock und Uhura, manchmal gesellten sich auch Chapel und Scotty zu ihnen.

„Bis nachher“, bestätigte Uhura lächelnd.

Kaum, dass er wieder in seinem Quartier ankam, ging er unter die Dusche. Bones hatte ihn zwischendurch wissen lassen, dass er einen kleinen Notfall hatte, wodurch er sich etwas verspäten würde.

Sobald er aus der Dusche stieg, das Haar noch so nass, dass es ihm auf seine nackten Schultern tropfte, hörte er das vertraute Piepen seines persönlichen Computers, das eine eingehende Nachricht signalisierte. Rasch wickelte Jim sich daher ein Handtuch um die Hüfte und aktivierte den Bildschirm, um zu sehen, wer ihn anrief.

Zu deiner Verwunderung stammte der Anruf von der Erde, jedoch nicht aus dem Hauptquartier der Sternenflotte. Es handelte sich um eine private Nachricht. Vielleicht … Nein, Jim verwarf den Gedanken wieder. Seine Mutter meldete sich doch nie bei ihm. Sie schickte Nachrichten zu seinem Geburtstag und an Weihnachten, aber sie rief ihn nie direkt an. Jim versuchte sich seit jeher einzureden, dass es nur daran lag, dass sie ständig selbst unterwegs war und über zu große Entfernung keine stabile Subraumverbindung aufgebaut werden konnte.

Das Piepen hielt an. Hastig zog Jim sicher daher frische Unterwäsche und zumindest das schwarze Shirt seiner Uniform an, ehe er das Gespräch annahm. Es handelte sich um eine direkte Übertragung, nicht um eine Aufnahme. Gespannt zu erfahren, wer Kontakt zu ihm aufnahm, öffnete Jim schließlich die Leitung, während er sich in den Sessel vor dem Schreibtisch sinken ließ.

Er erstarrte, als er in das gealterte Gesicht des einen Mannes blickte, den er nie im Leben hatte wieder sehen wollen. „Frank“, kam es eisig über seine Lippen. Warum seine Mutter sich nie von diesem Kerl getrennt hatte, war Jim bis heute ein Rätsel.

„Hallo Sohn“, grüßte Frank ihn.

„Ich bin nicht dein Sohn. Nenn mich nicht so“, herrschte Jim ihn an, ohne sich die Mühe zu machen, seinen Groll zu verbergen.

Frank zuckte mit den breiten Schultern. „Wie du willst, Jimbo.“

Jim konnte fühlen, wie Gallenflüssigkeit langsam seinen Hals rauf kroch, aber er bemühte sich, eine Maske der Selbstsicherheit zu tragen, wie er es an der Akademie gelernt hatte. Er würde sich ganz sicher nicht von den Dämonen der Vergangenheit einschüchtern lassen. „Was willst du von mir, Frank?“

Der ältere Mann atmete tief durch, schloss einen Moment die Augen und sah Jim dann betroffen an. „Ich weiß gar nicht, wie ich es dir sagen soll…“

Bei jeder anderen Person hätte Jim den Anflug von Betroffenheit für echt gehalten, nicht jedoch bei Frank. Er hatte zu oft die verlogene Miene dieses Mannes gesehen, den Wolf im Schafspelz erlebt, wenn er wieder mal zu viel getrunken und anschließend die Beherrschung verloren hatte. „Spuck es einfach aus. Ich bin ein viel beschäftigter Mann.“

Frank nickte. „Der Captain eines Raumschiffs“, sagte er, wie um Jim zu bestätigen, dass er sehr gut Bescheid wusste. „Wer hätte gedacht, dass du Taugenichts doch noch in die Fußstapfen deines toten Vaters trittst? Und wie ich höre, füllst du sie gut aus.“

Das indirekte Kompliment von Frank überhörte Jim ganz und gar. Er hasste diesen Mann seit frühester Kindheit und verband mit ihm nichts als schlechte Erinnerungen. „Komm zur Sache!“, fauchte Jim sein Gegenüber daher an und war drauf und dran, den Funkkontakt abzubrechen. Ein einfacher Tastendruck würde genügen. Er hasste sich selbst dafür, dass Frank nach all den Jahren immer noch dazu in der Lage war, sein Selbstvertrauen mit nur wenigen Worten in Luft aufzulösen.

Abermals nickte Frank, wieder diese trübsinnige Miene im Gesicht. „Das Schiff deiner Mutter …“, begann er schließlich und Jims Magen krampfte sich bei den Worten zusammen, „wurde von Romulanern angegriffen.“

Jims Gedanken rasten. Wie hatte das geschehen können? War das Schiff zerstört worden? Es war nur ein kleines Forschungsschiff mit begrenzten Waffen, wie Jim wusste. Er würde Pike anrufen, sobald er Frank los war und ihn um Einzelheiten bitten. Vielleicht konnte er mit der Enterprise zu ihr fliegen, Hilfe leisten und …

„Sie ist tot, Jim. Das Schiff wurde zerstört. Es gibt keine Überlebenden.“

Jim hörte die Worte, wollte sie jedoch nicht glauben. Nicht aus Franks Mund. Jedes Wort aus seinem Mund, war wie Gift. Für einen kurzen Augenblick wurde Jim schwarz vor Augen, dann sammelte er sich wieder. Er würde vor Frank keine Schwäche zeigen. Niemals.

„Ist das bestätigt?“, fragte er so beherrscht, wie es ihm in der Situation möglich war, zeigte seinem Gegenüber die professionelle Maske des Captains. Hinter dieser Maske jedoch, rasten Jims Gedanken.

Ein verächtliches Grinsen legte sich über die falsche Betroffenheit. „Einer von euren Sesselfurzern hat sich vor nicht mal einer Stunde bei mir gemeldet und es mir gesagt. Also ja, das ist bestätigt, Jimbo.“

Sam. Er musste Sam irgendwo finden. Nur wo? Wie, wie um alles in der Welt sollte er es Sam mitteilen? Sein Herz zog sich schmerzlich zusammen.

„Es muss eine Erleichterung für dich sein, Jimbo, dass du sie endlich los bist und dich nicht mehr andauernd fragen musst, ob sie anrufen wird, um sich zu entschuldigen, dafür, dass sie dich immer wieder verlassen hat. Und dafür, dass sie nicht in der Lage war dich zu lieben, weil sie in dir und deinem nichtsnutzigen Bruder immer ihre große, verlorene Liebe gesehen hat.“

„Halt’s Maul!“, schrie Jim. „Halt dein verdammtes Maul, Frank! Ich schwöre dir, ich …“

Frank grinste höhnisch. „Was willst du machen, Jimbo? Du bist zu weit weg, um mir eine reinzuhauen. Ich wette, das willst du schon lange. Das hast du schon damals immer versucht, als dein Bruder dich verlassen hat und du glaubtest, es sei meine Schuld gewesen. Du Knirps hast dich nach allen Kräften gewehrt und doch jämmerlich versagt. Geweint hast du, wie ein kleines Mädchen …“

Jims Maske drohte zu zerbröckeln. Er spürte, wie sein Hass auf Frank ihm Zornesröte ins Gesicht trieb.

Frank packte ihn am Shirt und zog ihn zu sich rauf, so dass Jim seinem nach Alkohol stinkenden Atem nicht ausweichen konnte. Der Elfjährige zappelte und versuchte sich zu befreien, aber sein Stiefvater ließ nicht von ihm ab. "Du wertloses Stück Dreck wirst jetzt sofort das Haus aufräumen, bevor deine Mutter kommt. Hast du mich verstanden, Jimbo?" Der Junge nickte verängstigt und wagte es erst wieder zu atmen, als er herunter gelassen wurde.

„Deine Mutter hatte Kontakt zu ihm. Wusstest du das?“ Die Worte waren wie ein Schlag in die Magengrube für Jim, der hastig versuchte die Erinnerung an seine Kindheit abzuschütteln. „Ja, Jimbo, sie hat sich die Mühe gemacht und diesen Versager auf irgendeinem Planeten am Arsch der Galaxie gefunden.“

„Sam …“, hauchte Jim fassungslos. Wie sollte er es ihm nur mitteilen? Sie hatten sich seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gesehen. Nichts mehr voneinander gehört. Sam war seit jenem Sommertag, an dem er ihn verlassen hatte, wie vom Erdboden verschluckt gewesen.

„Hast du es ihm schon gesagt?“, fragte Jim schließlich vorsichtig, unsicher darüber ob er womöglich der Einzige in der Familie war, der keinen Kontakt zu Sam hatte. Und er hoffte bei Gott, dass Frank keine Verbindung mehr zu Sam hatte. Schlimm genug, dass er es auf so eine Weise hatte erfahren müssen.

„Deneva ist zu weit weg. Ich sagte doch, der Planet ist am Arsch der Galaxie. Willst du es ihm sagen, Jimbo? Mit ihm zusammen heulen, so wie ihr es früher getan habt, wenn eure Mutter euch mal wieder …“

Jim schlug so heftig auf das Bedienfeld seines Computers, dass Franks verhasstes Gesicht plötzlich von seinem Bildschirm verschwand. Dann starrte er fassungslos auf den schwarzen Monitor und kämpfte gegen die Tränen an, die er sich nicht gestatten wollte, obwohl er allein war.

Franks Worte hallten in seinem Geist wider, wie ein endloses Echo. Und dann brachen mit einem Schlag Erinnerungen über ihn herein.

„Jim, lauf weg!“ Die Stimme seines Bruders. „Lauf und schau nicht zurück.“ Aber Jim kam nicht weit. Er rannte vor die Tür des Farmhauses und versteckte sich unter der Veranda. Als Sam anfing zu schreien und sich gegen Frank zu wehren, so gut er konnte, presste Jim Augen und Ohren zu, schirmte sich von dem ab, was im Haus geschah…

Das Licht einer einzelnen Kerze im Fenster brannte, um ihr den Weg nach Hause zu zeigen. Es war sein Geburtstag. Jim saß am Fenster und sah in den Nachthimmel hinauf zu den funkelnden Sternen. Hoffend, wartend … vergebens.


Jim zwang die Erinnerung zurück ins Unterbewusstsein. Er musste herausfinden, ob Frank die Wahrheit gesagt hatte. Der Mann war ein versoffener Farmer! Was wusste der schon! Er könnte sich irren. Er musste sich irren! Pike würde sicher herausfinden können, ob Franks Behauptung stimmte.

Er aktivierte das Interkom. „Kirk an Brücke.“ Seine Stimme versagte ihm beinahe den Dienst. Er räusperte sich, um sie wieder fest klingen zu lassen.

M’Ress, hier Sir“, erklang die seltsam sinnlich klingende Stimme der Caitianerin.

„Lieutenant, stellen Sie eine Verbindung mit dem Hauptquartier der Sternenflotte her und verbinden Sie mich direkt mit Admiral Pike. Es ist dringend.“ Jim war zufrieden mit sich. Er klang nicht mehr wie ein verängstigter Junge, sondern wie ein selbstbewusster Captain.

Ja, Sir.

„Und noch was“, fügte Jim hinzu. Ganz gleich ob Franks Behauptung stimmte oder nicht, wenn die Chance bestand, dass Sam tatsächlich auf Deneva lebte, dann musste Jim ihn einfach wieder sehen. „Lassen Sie Kurs nach Deneva setzen. Warpfaktor fünf.“

Die Caitianerin schien den Kurswechsel infrage stellen zu wollen. Ihre Antwort kam verzögert. „Deneva. Aye, Captain.“ Damit schloss sie den Kanal zu ihm und für einen Moment, herrschte unangenehme Stille in seinem Quartier.

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Pikes stets freundliches Gesicht auf dem Monitor erschien. „Admiral“, grüßte Jim und leckte sich nervös über die Lippen. Sein Mund und Hals fühlten sich rau und trocken an. Pike war ihm ein guter Vertrauter, ein klassischer Mentor geworden. Bei ihm würde Jim nicht lange Erklärungen abgeben müssen, sondern konnte direkt sein.

Pikes anfängliches Lächeln verschwand abrupt von seinem Gesicht, als er Jims Verzweiflung bemerkte. „James, was …“

Er ließ Pike gar nicht erst ausreden und kam direkt auf den Grund seines Anrufs zu sprechen. „Sir, ist es wahr? Ist die U.S.S. Columbus von Romulanern abgeschossen worden?“

Pike sah verblüfft und entsetzt zugleich aus, zog die Stirn in Falten. „Davon weiß ich nichts, Junge. Aber ich werde hier auch nicht über jedes Schiff informiert, das irgendwo unterwegs ist.“

„Könnten Sie… dem Gerücht nachgehen, Sir?“ Erneut befeuchtete Jim seine zu trockenen Lippen. Er sah wieder Franks Gesicht vor sich, die Genugtuung in seinem Blick, als er Jim selbst aus der großen Entfernung noch hatte wehtun können. Es war ihm nach all den Jahren immer noch möglich, Jims wunden Punkt präzise zu treffen. Und es schien egal zu sein, wie weit Jim sich von diesem Dämon aus Kindertagen entfernte, er schien ihn immer wieder zu finden, um ihn weiter zu quälen.

„Selbstverständlich“, nickte Pike. „Ich melde mich umgehend, so wie ich etwas erfahre.“

„Danke, Sir.“

Jim schloss die Verbindung. Bis Bones so weit war und er sich alles von der Seele reden konnte, wollte er etwas Sport machen gehen. Ihm war danach den Sandsack zu bearbeiten, bis ihm die Hände bluteten. Dass er mit Spock und Uhura zum Abendessen verabredet war, hatte er vor vollkommen vergessen.

Schnell stand er daher auf, suchte Hosen und Socken und bückte sich nach seinen Schuhen, als erneut eine Salve Flashbacks in seinem Kopf explodierte und ihn inmitten seines Quartiers in die Knie zwang. Mit geschlossenen Augen presste er die Hände an die Ohren, wie er es damals als kleiner Junge unter der Veranda von Franks Farmhaus getan hatte. Diesmal wollte er jedoch seine eigenen Schreie nicht hören. Nicht Franks schmutzige Worte. Wollte ihn nicht sehen. Nicht fühlen … Aber die Erinnerungen kamen mit aller Gewalt zurück und Jim war wieder genauso schwach und hilflos, wie er es als kleiner Junge gewesen war.

Ein unfassbares Brennen breitete sich in Jims Mitte aus und entflammte seinen gesamten Körper. Er wollte schreien, aber Franks riesige Hand lag eisern über seinem Mund. Das enorme Gewicht des Mannes drückte ihn auf den Boden nieder, während Jim zwar wild um sich, jedoch ins Leere trat. Er war zu klein, zu schwach, um sich zu wehren …

Und er war allein. Er war wieder vollkommen allein. Wie immer…
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