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Echos der Vergangenheit

von Emony

Spurensuche

Spock ging ohne Umwege direkt auf die Brücke, wo er sich von der Nachtschicht einige verwirrte Blicke einfing. Es war jedoch nicht Spocks Art sein ungeplantes Erscheinen zu rechtfertigen, daher ging er gleich zu der Caitianerin hinüber, die Nyotas Posten während der Nachtschicht besetzte.

„Lieutenant M’Ress, bitte leiten Sie mir sämtliche Interkom-Protokolle der letzten zehn Stunden, die an den Captain gerichtet waren, auf den Computer im Bereitschaftsraum weiter. Auch die privaten Gespräche, bitte.“

Die Frau mit dem katzengleichen Gesicht blickte mit großen grünen Augen zu ihm auf, zögerte jedoch seinem Befehl ohne weiteres zu folgen. Spock mochte die Frau nicht übermäßig, da sie des Öfteren Befehle infrage stellte, anstatt sie einfach zu befolgen. Dennoch hatte sie es geschafft an Bord des Flaggschiffs zu kommen. Wie ihr das gelungen war, blieb für Spock ein Rätsel.

„Gibt es ein Problem, Lieutenant?“, fragte er daher und straffte den Rücken, um größer und imposanter zu wirken.

„Die privaten Protokolle sind nur mit einer Sondergenehmigung abrufbar.“

„Welche Ihnen der Captain derzeit nicht geben kann, da dieser indisponiert auf der Krankenstation verweilt. Ich bitte Sie daher nicht, sondern erteile Ihnen den Befehl, mir umgehend die entsprechenden Protokolle zu senden.“

„Aye“, lenkte sie schließlich widerwillig ein.

Spock war bereits auf dem Weg in den Bereitschaftsraum, als M’Ress sich nochmals bemerkbar machte. Dabei hatte Spock gehofft, die Konversation mit ihr so kurz wie möglich halten zu können.

„Sir!“, rief sie hinter ihm her und brachte ihn dazu sich erneut zur Kommunikationsstation zu wenden. „Hat dies irgendwas mit der Kurskorrektur des Captains zu tun?“

Damit hatte sie sofort Spocks ungeteilte Aufmerksamkeit. „Welche Kurskorrektur?“ Der Captain hätte es ihm doch mitgeteilt, wenn sie einer neuen Mission zugeteilt worden wären.

„Nun“, fuhr M’Ress fort, „er ließ vor einigen Stunden Kurs auf Deneva setzen.“

Deneva. Da klingelte nichts bei Spock. Allerdings war er sicher, dass Kirk den Kurs nicht hätte ändern lassen, wenn es nicht wichtig gewesen wäre. „Wann genau war das?“

„Als er mich darum bat, ihn mit Admiral Pike zu verbinden. Es klang dringend. Das war vor …“ Sie konsultierte das Terminal ihrer Station, um die Informationen abzurufen, „vor zwei Stunden und siebenundvierzig Minuten.“

Das war kurz vor ihrer Verabredung zum Abendessen gewesen, überlegte Spock. Womöglich war Jim deshalb nicht erschienen. Oder etwas an den Gesprächen, die er in diesem kurzen Zeitrahmen geführt hatte, war der Auslöser für seinen Zusammenbruch gewesen. Damit war Spock schon ein ganzes Stück weiter in seiner Untersuchung. „Danke, Lieutenant. Das ist vorerst alles. Schicken Sie mir jetzt die Protokolle.“

„Sollen wir den Kurs beibehalten?“

„Ja“, bestätigte Spock. Er hoffte spätestens bei ihrer Ankunft am Zielort eine Antwort auf die Frage zu bekommen, warum Kirk dort hinfliegen wollte. Deneva war einer der ältesten Kolonialplaneten der Föderation, auf dem inzwischen über eine Million Menschen lebten. Spock war gespannt darauf, zu erfahren, was dort so wichtig war.

Im Bereitschaftsraum angekommen, aktivierte er das Computerterminal und rief die von M’Ress geschickten Protokolle ab. Allerdings bemerkte Spock auf Anhieb nur zwei Gespräche, die ihn interessierten. Zum einen war es das Gespräch mit Admiral Pike, auf das M’Ress bereits hingewiesen hatte. Womöglich hatte Pike eine neue Mission gehabt und … Nein. Noch während er diesen Gedanken hatte, erinnerte er sich daran, was M’Ress gesagt hatte, dass es kein eingehender, sondern ein ausgehender Anruf gewesen war. Jim hatte Pike gerufen, nicht umgekehrt. Nur, was hatte der Captain von Admiral Pike gewollt? Der andere Anruf war jedoch von der Erde aus eingegangen und kam aus Jims Heimat Riverside Iowa.

Ohne groß darüber nachzudenken, wieviel Uhr es jetzt in Riverside war, ließ Spock sich verbinden. Diesmal hatte M’Ress seiner Aufforderung sofort Folge geleistet, auch wenn Spock glaubte, Verwunderung aus ihrer Stimme gehört zu haben.

Ein kräftiger Terraner mit zerzaustem, dunklem Haar blinzelte ihn schlaftrunken an. „Wissen Sie wie spät es ist?“

„Verzeihen Sie, falls ich Ihre Nachtruhe unterbrochen habe“, erwiderte Spock höflich. Es bestand kein Zweifel daran, dass er den Menschen aus dem Schlaf gerissen hatte. Sein analytischer Verstand nahm außerdem den vollkommen dunklen Raum im Hintergrund zur Kenntnis.

„Wer zum Teufel sind Sie überhaupt?“ Der verschlafene Mann rieb sich die Augen und blinzelte noch einige Male, ehe er sich langsam an das grelle Licht gewöhnte.

„Ich bin Commander Spock, Erster Offizier des Raumschiffs Enterprise.“

Der Mensch rollte mit den Augen. „Jimbos Schiff“, stellte er genervt fest. „Was wollen Sie von mir? Kann dieser kleine Scheißer sich nicht selbst melden, wenn er was will?“

Der abfällige Ton, mit welchem der Mann seinen Captain titulierte, missfiel Spock zwar, doch er ließ es sich nicht anmerken. „Dem Captain ist es derzeit nicht möglich sich selbst zu melden“, erklärte Spock möglichst neutral. „Gestatten Sie mir die Frage, weshalb Sie ihn vor einigen Stunden kontaktiert haben?“

Der Ausdruck im Gesicht des Terraners wurde ärgerlich. „Deshalb rufen Sie mich mitten in der Nacht an? Sind Sie noch zu retten? Warum fragen Sie Ihren Captain nicht selbst?“

Spock wägte seine Möglichkeiten ab, denn eigentlich wollte er vermeiden den gesundheitlichen Zustand des Captains mit Außenstehenden zu besprechen. Andererseits war sein Gegenüber Jims Stiefvater und somit ein Familienmitglied. Hinzu kam, dass er womöglich schneller hilfreiche Informationen bekam, wenn er gleich zur Sache kam. „Sie sind doch Jims Stiefvater Frank, nicht wahr?“

Der Mann lachte verächtlich auf. „Ich hab die zwei kleinen Scheißer niemals adoptiert, war jedoch mit ihrer Mutter verheiratet. Als Stiefvater haben sie mich nie akzeptiert, sondern als ihren Onkel bezeichnet.“

Richtig. Jim hatte einen Bruder. Soweit Spock jedoch wusste, hatten sie keinen Kontakt mehr zueinander, seit Jims Bruder in ihrer Jugend die Farm verlassen hatte. Spock erinnerte sich wieder an das leere Gefühl, dass Jim ausgefüllt hatte, nachdem dieser allein auf der Farm zurückgeblieben war.

„Wieso hab ich das Gefühl von Ihnen verhört zu werden?“, verlangte Frank zu erfahren. „Wenn Sie nicht augenblicklich zur Sache kommen, beende ich das Gespräch. Ich muss in drei Stunden aufstehen und arbeiten!“

Spock besann sich wieder seiner aktuellen Aufgabe. „Ich versichere Ihnen, dass es mir fern liegt, Sie zu verhören. Allerdings befindet sich der Captain derzeit in einem Schockzustand und wir sind bemüht herauszu …“

Schallendes Gelächter unterbrach Spock jäh in seiner Ausführung, wodurch der Vulkanier einmal mehr das Gefühl bekam, dass Frank nicht gerade viel von Jim hielt.

„Was daran amüsiert Sie?“, fragte Spock schließlich verständnislos.

Frank brauchte einige Momente, sich wieder zu fassen. Er wischte sich Lachtränen aus den Augenwinkeln, während er antwortete: „Dieses kleine Muttersöhnchen … Hat wohl nicht verkraftet jetzt Vollwaise zu sein.“ Wieder begann der Mann zu lachen.

Spocks Augen verengten sich. Jims Mutter war gestorben? Das wäre natürlich eine mögliche Erklärung. Besonders im Anbetracht der Tatsache, dass es Jims Stiefvater Frank ganz offensichtlich an Empathie mangelte. Er konnte sich nur allzu gut vorstellen, dass es keine allzu schonende Weise war, in der Jim vom Ableben seiner Mutter erfahren hatte.

„Sie haben ihn demnach vom Tod seiner Mutter unterrichtet?“, hakte Spock nach, um sichergehen zu können.

„Wie schlau Sie doch sind.“ Ein bösartiges Funkeln blitzte in Franks Augen auf.

Die neuen Informationen musste er sofort mit Doktor McCoy teilen, überlegte Spock. „Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben“, sagte der Vulkanier und achtete absichtlich darauf höflich zu bleiben. Ein Mensch hätte sich wohl längst zu einer verbalen Auseinandersetzung hinreißen lassen. Ganz besonders natürlich jemand wie Doktor McCoy, überlegte Spock. Dennoch war es ihm eine Genugtuung die Verbindung abrupt zu beenden, als Jims Stiefvater gerne noch etwas gesagt und bereits den Mund dazu geöffnet hatte. Spock wollte diesem Mann nicht länger zuhören müssen, der so abfällig über den Mann sprach, den der Vulkanier inzwischen nicht nur als seinen Captain respektierte, sondern auch als Freund.

~*~


Spock war auf dem Weg zur Krankenstation, als ihm Nyota entgegenkam. Er konnte an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, dass sie nach ihm gesucht hatte. Sie sah besorgt aus. „Da bist du ja.“

„Du solltest längst schlafen“, erwiderte er sanft und ließ zu, dass sie ihn auf dem Korridor küsste. Es war inzwischen kurz vor Mitternacht und die meisten Crewmitglieder schliefen bereits, während die Nachtschicht ihrer Arbeit nachging. „Es dauert noch ein Weilchen, ehe ich kommen kann.“

„Was ist denn passiert?“, wollte sie wissen. „Weshalb hat dich McCoy vorhin gerufen?“

Es hatte keinen Zweck die Situation zu verheimlichen. Nyota war eine der stursten Personen, die er in seinem Leben kennengelernt hatte – von Kirk und McCoy abgesehen. Daher erklärte er ihr möglichst sachlich, was sich am Abend zugetragen und was er bisher herausgefunden hatte.

„Was kann ich tun?“, fragte Nyota sofort und er ahnte, dass sie sich nicht einfach so zurück in ihr Quartier begeben und dort auf ihn warten würde. Andererseits gab es derzeit nicht viel für sie zu tun.

„Für den Moment kannst du nichts tun. Ich werde mit Doktor McCoy reden und ihm erzählen was ich erfahren habe. Womöglich erlaubt er mir dann eine Verschmelzung mit Jim. Ich habe meine Mutter ebenfalls verloren und weiß daher, was er durchmacht.“

Nyota nickte langsam. Spock mochte auch seine Mutter verloren haben, doch er hatte immer noch einen Vater. Nicht einen offensichtlich gemeinen Stiefvater, sondern einen richtigen Vater, der ihn – in aller vulkanischer Manier – schätzte und liebte. Sie war sich nicht ganz sicher, ob Spock sich wirklich in Jim hineinzuversetzen vermochte. Allerdings war es nicht an ihr diese Entscheidung zu treffen. Im Zweifelsfall hatte Leonard das letzte Wort in dieser Sache und musste entscheiden. Er war Jims nächster Angehöriger, jetzt da dieser keine Familie mehr hatte.

„Versuch etwas zu schlafen. Ich komme sobald wie möglich nach, versprochen.“ Damit küsste Spock seine Frau zum Abschied auf die Stirn und setzte seinen Weg zur Krankenstation fort.

Nyota sah ihm noch einen Augenblick nach, ehe sie sich entschloss, seinem Vorschlag zu folgen, auch wenn sie sicher war, dass sie nicht würde schlafen können.

~*~


Jim kam erschöpft von der Schule. Es war so unerträglich heiß in diesem Sommer, dass er schon früh morgens schwitzte und sich im Unterricht kaum konzentrieren konnte. Allerdings durfte er seine Schulnoten nicht vernachlässigen, wenn er jemals aus Riverside herauskommen und diese beschissene Farm hinter sich lassen wollte.

Er war fest entschlossen Sam zu finden und, wo auch immer sein Bruder sich ein neues Leben aufgebaut hatte, ebenfalls ein neues Leben beginnen.

„Wo hast du so lange gesteckt!?“, herrschte ihn Frank an, kaum, dass er die Haustür hinter sich zugeschoben hatte. Sein Stiefvater saß verschwitzt auf dem Sofa vor dem Holoprojektor und sah sich irgendeine Sendung über Politik an.

Jim stellte seine Schultasche neben der Garderobe ab und spürte wie sein Herzschlag sich verdoppelte. Seit Sam abgehauen war, war es noch viel schlimmer mit Frank geworden. Früher hatte er seine Wut an Sam ausgelassen. Jim wusste, dass es falsch war so zu denken, doch er wünschte sich, Sam wäre noch hier. Dann würde Frank sich an ihm austoben, nicht an Jim.

„Der Bus hatte eine Panne“, erwiderte Jim zur Erklärung.

„Du hättest laufen können!“, donnerte Frank. „Jetzt hab ich deine beschissene Arbeit zusätzlich zu meiner eigenen erledigen müssen, ehe das Unwetter kommt!“

Dass ein Gewitter in Anmarsch war, hatte Jim schon von Weitem gesehen und eigentlich hatte er sich darauf gefreut. Regen und Wind würden für Abkühlung sorgen. Mit seinen dreizehn Jahren hatte er nicht bedacht, dass ein aufkommender Sturm mehr Arbeit für Frank bedeuten würde.

„Es tut mir leid“, sagte er daher zerknirscht. „Es kommt nicht wieder vor.“

Frank nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche und klopfte neben sich auf das Sofa. „Setz dich zu mir.“

Die Stimme seines Stiefvaters klang wieder sanfter, doch das beruhigte Jim in keiner Weise – ganz im Gegenteil. „Ich … muss Hausaufgaben machen.“

„Das kannst du später auch noch. Jetzt setzt du dich zu mir.“

Für einen Moment zog Jim in Erwägung abzuhauen wie Sam. Frank war erschöpft und daher sicher träge, er würde ihm nicht lange folgen können, wenn er jetzt einfach die Tür aufriss und davon rannte. Doch wo sollte er hin? Und wenn er davon lief, würde er seine Mutter vielleicht nie wieder sehen. Und was, wenn Frank dann künftig seiner Mutter wehtat, weil Sam und er dann nicht mehr da wären?

Zögernd setzte Jim sich daher in Bewegung und ließ sich am anderen Ende des Sofas nieder.

„Komm näher, Jimmy.“

Sein junges Herz galoppierte aus Angst vor dem, was ihm bevorstand. Die sanfte Stimme seines Stiefvaters war noch viel bedrohlicher, als wenn er schrie. Jim tat wie ihm geheißen, denn was hätte er schon tun können?

Er stellte sich vor irgendwo im Weltall auf einem Raumschiff bei seiner Mutter zu sein, als Frank seine Hand ergriff und sich in die Hose steckte. Das Fleisch unter seinen Finger wurde schnell hart. Jim stellte sich die glitzernden Sterne vor, die ihn weit fort lockten. So weit weg von diesem Ort, wie es nur möglich war.


~*~


„Er wird tachykard!“ Es war M’Bengas aufgeregte Stimme, die zweifellos McCoy galt.

Spock hatte die Krankenstation gerade betreten und konnte beobachten, wie sich die beiden Ärzte darum bemühten, die stark erhöhte Herzfrequenz des Captains wieder zu normalisieren. Das Elektroenzephalogramm über dem Diagnosebett verzeichnete ebenfalls außergewöhnlich hohe Ausschläge.

„Zwei Einheiten Metrazin“, verlangte McCoy und verabreichte das Medikament via Injektor direkt in die Hauptschlagader des Captains.

Gebannt sahen die drei Männer auf den Monitor über dem Bett und konnten schließlich beobachten, wie sich Jims Herzrhythmus wieder auf ein normales Niveau senkte.

Während M’Benga die im Notfall von einem Arzt gewohnte Ruhe ausstrahlte und mit sicherer Hand arbeitete, konnte Spock bei McCoy erstmals einen Mangel an eben dieser feststellen. Nicht, dass McCoy nicht wusste was zu tun war, aber die Hände des Arztes zitterten auch dann noch als die akute Gefahr gebannt war.

„Ich halte es für keine gute Entscheidung, dass Sie den Captain in diesem Fall behandeln“, ließ sich der Erste Offizier daher vernehmen.

M’Benga überprüfte die Sauerstoffsättigung und fühlte sich in keiner Weise angesprochen.

McCoys Augen funkelten den Vulkanier hingegen mit unverhohlenem Zorn an. „Bei allem nötigen Respekt, Spock, aber niemand kennt Jim so gut wie ich. Er hat zahlreiche Allergien gegen diverse Medikamente und …“

„Die Sie mit Sicherheit unlängst in seiner Akte vermerkt haben und die Doktor M’Benga jederzeit nachschlagen kann.“

„Ich lasse mich nicht von meiner Station jagen“, beharrte Leonard stur.

Spock hatte nichts anderes von ihm erwartet. „Wenn ich feststelle, dass Sie Ihre Objektivität einbüßen, werde ich Sie vom aktiven Dienst freistellen, Doktor McCoy.“

Leonard nickte zähneknirschend. Spock meinte es gut, das wusste er. Allerdings würde er sich nicht einfach so der Krankenstation verweisen lassen. Für einen langen Moment hielt er Spocks Blick fest, vergewisserte sich dann, dass Jims Zustand sich weiterhin auf ein akzeptables Stadium einpendelte und wandte sich dann wieder an den Vulkanier. „Haben Sie schon irgendwas herausgefunden?“

„In der Tat, Doktor“, nickte Spock und ließ den Waffenstillstand für den Augenblick gelten, auch wenn er McCoy notfalls in eine Arrestzelle sperren würde, falls dieser seine Befehle missachten würde. Er fasste daraufhin in knappen Sätzen zusammen, was bei dem Gespräch mit Jims Stiefvater herausgekommen war.

„Oh Jim“, hauchte Leonard und sah betroffen zu ihm hinab. „Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass ihn das so mitnehmen würde. Er schien kein sonderlich enges Verhältnis zu seiner Mutter zu haben.“

Das wunderte Spock wenig, da Jims Mutter ihre Kinder bei einem gewalttätigen Alkoholiker zurückgelassen hatte. „Ich würde unter Rücksicht auf die neuen Erkenntnisse dennoch gerne eine Gedankenverschmelzung durchführen. Ich weiß was es bedeutet, die Mutter zu verlieren.“

Leonard sah Spock einen gedehnten Moment lang an. Dann wandte er sich plötzlich an M’Benga. „Würden Sie uns bitte einen Augenblick allein lassen.“ Es war keine Frage, eher ein Befehl.

Der dunkelhäutige Arzt nickte, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sein Patient stabil war. Zwar wies Kirk nach wie vor eine erhöhte Hirnaktivität auf, doch das war bei T’Prynn nicht anders gewesen - hatte zur Verarbeitung des Traumas gehört.

Nachdem M’Benga sich ins Büro zurückgezogen hatte, machte Leonard seinen Gedanken Luft. „Spock, ich weiß Ihren Einsatz zu schätzen. Aber ich halte es für keine gute Idee. Sie haben den Tod Ihrer Mutter selbst nur mit größter Anstrengung und neuronaler Drucktherapie überstanden, wenn ich Sie daran erinnern darf. Sie litten selbst über Monate hinweg an einem Trauma. Ich halte es für gewagt Sie in Jims Verstand eindringen zu lassen unter der Prämisse, dass Sie seine Gefühle nachvollziehen und ihm dadurch helfen können.“

„Sie wissen, dass ich empfindungsfähig bin, Doktor.“

„Das ist doch der Punkt, verdammt nochmal. Sie fühlen! Und ich habe kein Bedürfnis Sie hier neben Jim liegen zu haben, weil Sie plötzlich selbst wieder traumatisiert sind. Davon abgesehen bringt mich Nyota um!“

Ein amüsiertes Glitzern blitzte in Spocks Augen auf, doch er unterdrückte ein Lächeln. Mit dieser Vermutung mochte McCoy Recht haben. Nyota wäre stocksauer, um es menschlich zu formulieren. „Sie ziehen es also vor dem Captain anders zu helfen? Wie, wenn Sie die Frage gestatten?“

Das wusste Leonard noch nicht wirklich. Es gab diverse Medikamente, die helfen konnten Patienten aus dem Koma zu holen. Allerdings bestand das Risiko, dass Jim diese Medikamente nicht vertrug. Und ein Allergieschock war das Letzte, was Jims Körper jetzt noch oben drauf brauchte.

Unbewusst schweifte sein medizinischer Blick auf das EEG und betrachtete einen Moment lang das ausgeprägte Zackenmuster. Jims Verstand arbeitete auf Hochtouren, das würde er nicht ewig aushalten. Auch wenn es schien als würde er schlafen, so wusste Leonard es doch besser. Schlaf und Koma waren keineswegs gleichbedeutend.

„Ich möchte Jim die Möglichkeit geben, sich selbst zu erholen. Womöglich braucht er nur etwas Zeit. Wenn … wenn die herkömmliche Schulmedizin versagt, komme ich auf Sie zurück.“

Damit gab sich Spock vorerst zufrieden. Er vertraute darauf, dass McCoy in Jims Interesse handelte. „Einverstanden, Doktor.“
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