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The pirate's gospel

von Janora

Fronten


Leonard H. McCoy war einst ein gemachter Mann gewesen. Sein Vater war wohlhabend, ein ehrenvoller Bürger, dessen Leben er einem Ziel ausgerichtet hatte: seinem Sohn die besten Möglichkeiten zu bieten. Das war der Grund, weswegen Leonard die besten Lehrer als Junge bekommen hatte, weswegen er ein Arzt geworden war und weswegen er einer arrangierten Ehe zugestimmt hatte. Weil Jocelyn eine bezaubernde Frau gewesen war. Hübsch und klug. Und sie hatte auch eine gute Aussteuer mitgebracht.

Er hatte gar nicht mitbekommen, wie das alles plötzlich den Bach hinunter gehen konnte. Er war so sehr in seiner angenehmen Routine als guter Ehemann gefangen gewesen, hatte meist den ganzen Tag gearbeitet und manchmal sogar die Nächte – denn er liebte seine Arbeit wirklich. Und er war ein guter Vater für seine Tochter gewesen und hatte jede Minute, die er mit ihr verbrachte, genossen – denn er liebte seine Tochter wirklich. Aber irgendwann war Jocelyn kühl und abweisend, bei den seltenen Gelegenheiten an denen sie sich noch sahen, geworden. Und schließlich wurde er es auch zu ihr und sie verließ ihn. Sie nahm seine Tochter und ging zurück in ihre alte Heimat nach England. Und dann starb sein Vater und Leonard wusste nicht, wie er mit all dem umgehen sollte und vergrub sich in noch mehr Arbeit. Es kam plötzlich vor, dass er Patienten verlor. Und er fing an, mehr zu trinken als akzeptabel war. Er verlor sich selbst und seinen Sinn im Leben und war auch nicht daran interessiert, irgendwas davon zurück zu bekommen.
Irgendwann verlor er sogar die Zeit. Er wusste nicht, wie viele Tage oder Wochen vergangen waren, seit sein Vater gestorben war. Seitdem Jocelyn ihn verlassen hatte. Er war nicht nüchtern genug, um sich zu erinnern.

Heute fühlte sich Leonard ähnlich schwindelig. Er hatte das Gefühl die Kontrolle verloren zu haben und deswegen geriet seine Welt, die er gerade erst so mühsam wieder aufgebaut hatte, aus den Fugen. Und wieder einmal schien seine verdammte Arbeit und der noch mehr verdammte Alkohol Schuld daran zu sein. Zumindest redete sich das der Mann aus den Südstaaten zunächst noch so ein. Denn das war einfacher, als zu akzeptieren, dass er es selbst war, der hierfür verantwortlich war.
Leonard wusste nicht, was ihn geritten hatte, Jim zu reiten. Einen Piratenkapitän. Ausgerechnet.
Natürlich war nicht seine Arbeit als Arzt daran Schuld. Die hatte ihn zwar hier her gebracht, aber niemand hatte ihn gezwungen, in Jims Nähe zu sein. Er hätte ihm von Anfang an aus dem Weg gehen können.
Und den Alkohol konnte er auch nicht dafür verantwortlich machen. Er hätte Jim auch angetrunken einfach eine reinhauen können. Aber er hatte es nicht. Stattdessen hatte er sich am Morgen danach so erholt wie schon lange nicht mehr gefühlt.

Längst verdrängte Erinnerungen kamen nach dieser Nacht wieder hoch. Leonard musste gestehen, dass er ganz genau wusste, woran seine Ehe mit Jocelyn gescheitert war. Das Leben mit ihr und die kleine Familie, die sie gegründet hatten, schienen perfekt. Doch ihm hatte etwas gefehlt. Etwas, weswegen er mehr Zeit mit der Arbeit als mit ihr verbrachte. Etwas, was sie ihm nicht geben konnte.
Vielleicht hatte sie es gemerkt. Die heimlichen Blicke, mit denen er andere bedachte. Männer. Blicke, die sie nie von ihm bekam. Es war ihm selbst wohl kaum bewusst gewesen. Wahrscheinlich hatte es Jocelyn gekränkt. Man musste es ihr zu Gute schreiben, dass sie es ihm nie vorgeworfen hatte. Vielleicht war es zu unaussprechlich gewesen. Dafür hatte sie ihm genug andere Dinge vorgeworfen. Es hatte ihn traurig gemacht, dass er ihr nicht das geben konnte, was sie von ihm erwartete. Er hatte sich dafür geschämt. Dann hatte er versucht, es bei Joanna wieder gut zu machen. Ihr ein guter Vater zu sein. Aber es hatte nicht gereicht, um seine Ehe zu retten. Und dann hatte er alles verloren.
Aber nachdem er sich wieder aufgerappelt hatte, wollte er seine Tochter nicht so einfach aufgeben. Er wollte für sie nicht nur eine schemenhafte Erinnerung sein, ins falsche Licht gerückt durch ein paar böse Worte ihrer verletzten Mutter. Und er wollte sein kleines Mädchen wieder in die Arme schließen. Das war ihm die diese gottverdammte Überfahrt wert gewesen.
Leonard schüttelte den Kopf. Das war ihm auch eine Entführung der Piraten wert. Solange er es nur heil überstand und lebendig nach England kam, wäre es ihm jede Strapaze wert. Er musste nur warten, bis sie Festland erreichten. Dann konnte er seinen Weg fortsetzen. Und was bis dahin auf diesem Kahn geschah, war nicht weiter von Bedeutung. Er war hier unter Piraten. Niemand scherte sich um dieses Pack. Er musste es nur bis an Land schaffen.
Leonard drehte sich um und ging zu den Mannschaftsräumen. Er brauchte etwas zu tun, während er darauf wartete.

Entgegen McCoys Erwartung, verschlechterte sich Chekovs Zustand. Das Fieber blieb zwar konstant und stieg nicht etwa an. Dafür beklagte er sich aber über große Schmerzen. Das war natürlich nicht verwunderlich bei einem gebrochenen Arm. Mehr als Ruhe und Schlaf konnte er ihm im Moment leider nicht empfehlen. Aber das gestaltete sich nach Chekovs eigenen Worten schwierig, wenn es in seinem Arm pulsierte und stach.
Er bekam von Leonard einen kräftigen Schluck Rum. Außerdem stellte der Arzt sicher, dass er stets mit genug Wasser versorgt war.

Er musste den Piraten allgemein zugute halten, dass sie, obwohl sie alle gestern am Feiern waren, heute anstandslos ihre Arbeiten auf dem Schiff verrichteten. Auch wenn man den meisten ansah, dass sie lieber in ihrer Koje geblieben wären. Und die meisten hatten auch noch immer eine Fahne. Leonard wollte gar nicht erst wissen, wie er selbst aussah und roch.

Jim sah er im Laufe des Tages oben an Deck. Er hatte die Position des Steuermanns eingenommen und lenkte die Enterprise. An seiner Seite stand, wie so oft, Spock. Leonard hatte mittlerweile mitbekommen, dass der Mann mit den spitzen Ohren der erste Maat hier auf dem Schiff war und die beiden eine besondere Freundschaft verband. Leonard konnte Spock trotzdem nicht leiden.
Zum Glück schien das ganze auf Gegenseitigkeit zu beruhen, denn die beiden Gespräche, die die beiden geführt hatten, waren auch schon das höchste der Gefühle. Ansonsten gingen sie sich aus dem Weg. Soweit das auf einem Schiff eben ging. Leonard sah ihn oft dort oben bei Jim, wenn dieser am Ruder stand. Die beiden waren das genaue Gegenteil. Wo der Captain laut lachte, breit grinste oder auch nachdenklich das Gesicht verzog, behielt sein erster Offizier seine stoische Miene bei. Es war erstaunlich, wie viele Gesichtsausdrücke Jim hatte. Aber es war noch viel verwunderlicher, wie Spock es schaffte, den seinen überhaupt nicht zu ändern. Zumindest kam es Leonard so vor. Er schüttelte den Kopf und versuchte nicht weiter zu den beiden hinüber zu starren.


Der Tag neigte sich schließlich zum Ende und nach einem kurzen, einfachen Abendessen, hatte Leonard sich wieder auf das Vorderdeck verzogen. Hier war es für gewöhnlich leer. Und hier war er durch einige Fässer vor neugierigen Blicken geschützt und betrachtete in Ruhe den Sonnenuntergang. Soweit er nach diesem gehen konnte, schipperten sie nach Südwesten. Der Wind, der die Segel streifte, ging frisch, aber das war ihm nach einem weiteren warmen Tag nur recht.
Generell merkte man, dass sie das kühle und wechselhafte Klima hinter sich gelassen hatten und nun in den Subtropen angekommen waren.

Als der Horizont sich in ein zartes lila gefärbt hatte und man darauf wartete, dass die ersten Sterne am Himmel auftauchten, hörte Leonard die näher kommenden Schritte eines Stiefelpaares. Resigniert schloss er für einen Moment die Augen. Es war ihm klar gewesen, dass er sich nicht ewig verstecken konnte. Aber er hätte ein Gespräch gerne noch länger herausgezögert.
Jim entzündete die Schiffslaterne am Bug des Schiffes, bevor er sich wortlos neben ihm niederließ. Seinen Dreispitz hatte er tief ins Gesicht gezogen und im Halbdunklen konnte Leonard gerade noch so dessen angespannten Ausdruck wahrnehmen.
Keiner von beiden wollte anfangen zu reden. Und vielleicht spielten Leonards Sinne ihm auch schon Streiche, aber er hatte das Gefühl, dass Jim ihn hier mit dem gleichen vorwurfsvollen Schweigen entgegen kam, wie es Jocelyn früher gerne getan hatte. Aber das war lächerlich, schüttelte er den Kopf. Jocelyn war seine Ex-Frau. Und Jim war nun ja, Jim.

„Wie lange bist du schon auf dem Meer unterwegs?“, durchbrach der Pirat die Stille schließlich mit einer Frage. Leonard blickte ihn ein wenig überrascht an. Er hatte einiges erwartet, aber nicht dieses Thema.
„Vier Wochen“, antwortete er. Seiner Meinung nach waren das 28 Tage zu viel.
Jim nickte und fügte nach einen Moment des Zögerns hinzu: „Deine Frau vermisst dich sicher schon.“ Jetzt war der Ältere noch verwirrter. Und scheinbar sah man ihm das auch an, denn Jim erklärte sich, wenn auch ein wenig zurückhaltend. „Wegen ihr segelst du doch nach England. Du sagtest, dass ...“
„Joanna“, unterbracht Leonard ihn.
„Genau.“
„Meine Tochter.“
„Was?“
Jetzt war es der Jüngere, der einen verdutzten Eindruck machte. Leonard blickte zum Horizont. „Ich bin auf dem Weg zu meiner Tochter. Meine Frau hat sie mit nach England genommen, als sie mich verlassen hat“, seufzte er „Ich habe Joanna seit fast zwei Jahren nicht mehr gesehen.“ Er drehte den Kopf wieder zu Jim und bemerkte, dass dieser ihn beobachtete.
„So ist das ...“
Vielleicht bildete Leonard es sich nur ein, aber der Blonde klang erleichtert. Und ein wenig ergriffen. Seine Ohren mussten ihm definitiv einen Streich spielen, denn das waren keine Begriffe, die man mit einem Pirat in Verbindung brachte.
Es entstand eine erneute Pause und Leonard dachte schon das Gespräch sei vorbei. Aber Jim war noch nicht fertig.
„Ich bin auch ohne Dad aufgewachsen“, erzählte er plötzlich. „Er ist am Tag meiner Geburt auf den Grund des Meeres getaucht. Er war ein Seefahrer. Ebenso wie meine Ma. An dem Tag gab's einen heftigen Kampf. Sie ist mit mir gerade so davon gekommen. Sobald ich alt genug war, um auf zwei Beinen zu stehen, war sie dann die meiste Zeit wieder auf See. Bin ich dann auch, sobald ich alt genug war, um das Deck zu schrubben.“ Jims Finger kratzten nervös über das Holz unter ihm. Es schien ihm unangenehm darüber zu reden, und er zuckte mit den Schultern. „Ich hoffe, du siehst deine Kleine wieder“, meinte er dann.
„Hoffe ich auch“, fügte Leonard brummend hinzu. Es war jetzt zu dunkel geworden, um die Miene des Anderen zu deuten. Das Licht der Laterne reichte kaum über die Reling bis zu ihnen, aber er hatte das Gefühl, dass das folgende Schweigen des Jüngeren wie eine Zustimmung war. Ein Versprechen, dass er von der Seite der Piraten nichts zu befürchten hatte. Er griff nach Jims Hand und drückte sie, bekam die Geste erwidert.
Sie schauten sich an, soweit sie den Blick des Anderen in der Dunkelheit erhaschen konnten. Dann beugte Jim sich nach einem kurzen Moment des Überlegens vor und verschloss ihre Lippen.
Leonard blinzelte und drehte den Kopf zur Seite. „Hör auf“, knurrte er leise. „Deine ganzen … Leute können uns sehen.“
„Es ist also okay, wenn uns keiner sieht?“, stellte Jim im Gegenzug fest. Sein Ton dabei gefiel dem Älteren überhaupt nicht. Am liebsten hätte er ihn wohl ins Wasser geschubst, um ihm eine kühle Abreibung zu verpassen. Aber wahrscheinlich würde er da auf Gegenwehr stoßen.
„Nein!“, erwiderte er stattdessen schroff. „Was verstehst du daran nicht?“
Jim rückte jetzt näher an ihn heran und saß plötzlich auf Leonards Schoß. „Vielleicht solltest du aufhören, so widersprüchlich zu sein. Dein Körper erzählt mir jedenfalls etwas anderes“, raunte er und klang plötzlich sehr viel gefährlicher und älter. Leonard schluckte, als er auch schon eine Hand ungeniert an seinem Schritt spürte. Aber so schnell ließ er sich nicht einschüchtern, sondern packte den Piraten mit beiden Händen am Revers seines Hemdes.
„Auf so ein dummes Gespräch lass ich mich gar nicht erst ein.“
Er war zugegebenermaßen nur halb bei der Sache. Jim war zu nah, verdammt nochmal viel zu nahe, wie sollte er da ordentlich denken? Jim lachte leise auf. Es klang rau und in keiner Weise mehr spielerisch wie sonst. Und erzeugte bei ihm ein angenehmes Schaudern.
„Dir gehen wohl dir Argumente aus.“ Er massierte Leonard durch den Stoff hindurch. „Du könntest deinen Mund natürlich auch für ganz andere Dinge benutzen.“
Leonard selbst biss die Zähne zusammen, um sich nicht durch ein Stöhnen zu verraten. Aber er wusste, dass es zwecklos war. Jim hatte ihn durchschaut. Und er hatte ihn wieder dazu gebracht, seine hart errichteten Mauern fallen zu lassen.
Gerade als der Pirat den Mund öffnete, um noch etwas zu sagen, zog er ihn, da er ihn immer noch gepackt hatte, zu sich heran und beanspruchte seine Lippen für sich. Er hatte keine Lust, ihm weiter zuzuhören. Und seine Zunge ging auch prompt auf Erkundungstour, wo es sich doch gerade so schön anbot. Jim ging nur zu gerne darauf ein. Seine Finger legten sich auf Leonards Hände und der Ältere ließ ihn langsam los. Dann löste er sich von ihm.
„Das Angebot, dass du mein Bett benutzen kannst, steht übrigens immer noch“, raunte der Pirat. Als er Leonards Schnauben hörte, grinste er breit. „Überleg's dir.“ Damit stand er auf und wandte sich zum Gehen, doch er wurde am Handgelenk gepackt und festgehalten.
„Du haust einfach so ab?“, knurrte Leonard, der mit dem Verhalten des Jüngeren nicht mehr mitkam. Erst drängte er sich ihm auf, dann verschwand er wieder. Für Spiele dieser Art hatte er nichts übrig.
Jim entwandt sich seinem Griff. „Nicht 'einfach so'“, erwiderte er. „Es ist jetzt an dir, dich zu entscheiden.“ Und damit ging er.
Leonard blickte ihm entgeistert nach. Doch er folgte ihm nicht sofort, obwohl er sehr versucht war, es zu tun. Stattdessen atmete er erst ein paar Mal tief durch, um wieder zu klarem Verstand zu kommen. Sofern ihm dies gerade möglich war. Schließlich straffte er die Schultern und stand auf. Heute war er nicht betrunken. Das konnte er also nicht noch mal als Ausrede benutzen. Auch wenn er sich gerade nicht minder berauscht fühlte.
Wie von selbst trugen ihn seine Füße unters Deck und bis hin zur Kajüte des Kapitäns. Leonard klopfte nicht, sah das gar nicht ein.

Jim hatte ihn erwartet, war sich aber wohl nicht ganz sicher gewesen, ob er wirklich kommen würde, denn erst als er ihn sah, fing er an, zu grinsen. Der Arzt schloss die Tür hinter sich, aber bevor Jim einen Schritt auf ihn zu machen konnte, hob er warnend einen Finger.
„Meine Regeln“, stellte er klar. „Du hattest recht den ersten Abend. Ich schätze diese Dinger da unten, die sich Betten schimpfen nicht besonders. Aber damit eines klar ist: ich bin nicht dein ... was auch immer.“ Ihm fiel kein schönes Wort für Bettspielzeug ein und selbst wenn, hätte er es wahrscheinlich nicht aussprechen wollen. „Und was auch immer das hier wird“, Er deutete zwischen ihnen beiden her. „Ich hab kein Problem damit, dir meine Meinung zu sagen. Und auch keine Angst davor, dir eine reinzuhauen.“ Sein Ton ließ keinen Zweifel daran, dass er sich sicher war, eine Auseinandersetzung zwischen ihnen beiden zu gewinnen. Zumindest, wenn sie mit Fäusten ausgetragen wurde.
Jim nickte, hatte sein Grinsen aber nicht verloren. „Ich hätte nichts anderes von dir erwartet“, erwiderte er auf die Ausführung hin und trat zu ihm.
Doch Leonard hatte nicht vor, da weiter zu machen, wo sie eben auf dem Vorderdeck aufgehört hatten. Und das teilte er ihm auch mit. Die blauen Augen des Piraten musterten ihn forsch und er schien die Situation abzuschätzen.
Leonard ging es nicht darum, dass er gerade abgeneigt war, mit Jim den vorherigen Abend zu wiederholen. Denn das war - wie er zugeben musste - keineswegs der Fall. Wenn auch nicht der Teil mit dem Alkohol. Nein, Leonard wollte ganz einfach seine eben gesteckten, neue Grenzen austesten.
Offensichtlich war das auch Jims Schlussfolgerung, denn er ließ ihn gewähren und machte eine einladende Geste. „Fühl dich wie zu Hause, Bones.“ Dann deutete er auf die Schlafkoje. „Und mach es dir ruhig bequem. Glaub aber nicht, dass ich deswegen auf den Holzdielen schlafen werde.“
Der Arzt nickte bloß. Er war sich noch nicht ganz sicher, ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, dass der Andere keine Einwände zeigte und er warf ihm einen misstrauischen Blick zu, während er zum Bett ging und sich auf dessen Kante setzte. Beinahe erwartete er, dass Jim gleich wieder auf ihm sitzen würde.
Aber der Blonde tat es nicht. Stattdessen ging er zu seinem Schreibtisch, studierte Karten – oder tat zumindest so – und verließ kurz darauf die Kajüte.

Leonard wartete noch eine Weile, doch nichts geschah. Wieder einmal wurde er von dem Piraten mit einem Verhalten überrascht, das er nicht erwartet hätte. Schließlich legte er sich hin und machte es sich bequemer. Das hier war wirklich viel besser als eine Hängematte bei der Crew.
Der Schlaf kam schnell, war aber von kurzer Dauer. Leonard erwachte mitten in der Nacht, brauchte einen Moment um sich zu sammeln. Es war dunkel, und alles was er zunächst merkte, war, dass er schwitzte. Ihm war unglaublich heiß. Dann erst merkte Leonard, dass er nicht mehr alleine war.
Jim kniete zwischen seinen Beinen und seine Hände waren an Leonards Mitte. Ebenso wie sein Mund. Der Arzt hatte bis zu dieser Erkenntnis gar nicht gemerkt, dass er seine Hose verloren hatte. Mit dem Denken verlief es aber auch gerade nicht besonders gut. Er stöhnte auf, als Jim über seinen Schaft leckte und dann wieder zeigte, was er mit seinen Fingern alles anstellen konnte. Eine Hitzewelle überrollte Leonard, als er realisierte, wie weit er bereits war, wie lange Jim schon bei ihm sein musste.
Dem Jüngeren war der Wechsel in Leonards Verhalten aufgefallen und er wusste, dass er wach war. Aber es scherte ihn nicht im geringsten. Und er ließ McCoy keine Zeit sich, an die Dunkelheit zu gewöhnen, sondern nahm ihn in den Mund, ließ ihn seine warme, feuchte Mundhöhle spüren und seine verflixte Zunge. Leonard dachte nicht weiter nach, warf alles über Bord und konzentrierte sich nur auf Jim. Wenn es nur hell genug wäre, um ihn jetzt sehen zu können, was für ein Anblick das wohl wäre. Allein die Vorstellung allein ließ ihn erneut erschauern. Leonard stöhnte und wand sich, ließ sich einfach gehen, bis sein ganzer Körper vibrierte und er in Jims Mund endlich Erlösung fand.
Danach blieb er schwer atmend liegen und gab sich einfach den Gefühlen seiner Sinne hin.
Jim löste sich langsam vom ihm. Er sagte kein Wort, als er sich neben ihn legte, aber Leonard wusste, dass der Pirat gerade sehr selbstzufrieden war. Aber er war zu müde, um verbal auszuteilen. Zu ausgelaugt. Er schloss seine Augen einfach wieder und schlief beinahe direkt wieder ein.
Jim selbst zog die Decke wieder ordentlich, bevor er sich, in der Tat grinsend, auch dem Schlaf hingab.
Damit waren beide Fronten geklärt.


Die nächsten Tage verliefen gut. Abgesehen davon, dass Leonard noch immer irgendwo mitten auf dem verdammten Ozean war, war er wirklich zufrieden. Es waren eben die kleinen Dinge im Leben, auf die man achten musste.
Seine Prognose für Chekov wurde besser. Die Temperatur des Jungen war gesunken und er war auch wieder ansprechbar. Allerdings blieb er weiterhin liegen, denn in jeder anderen Position wurde ihm schwindelig. McCoy sorgte dafür, dass er weiterhin genug trank und die Flüssigkeit, die er ausgeschwitzt hatte, wieder zu sich nahm. Außerdem blieb er noch eine Nacht bei ihm, um ihn weiterhin unter Beobachtung zu haben. Und es war ja nicht so, dass er andere Pläne hatte.
Diesen Morgen hatte Chekov dann verkündet, dass er Hunger hatte. Und Leonard war geradezu begeistert auf die Beine gesprungen. Hunger war gut. Es war großartig. Ein Körper, der sich auf den Tod vorbereitete, verlangte nicht nach Nahrung.
Er besorgte dem Jungen in Suppe aufgeweichtes Brot, damit sein Magen, der mittlerweile vollkommen leer sein musste, sich nicht gleich überanstrengte. Der Junge brauchte dennoch eine gefühlte Ewigkeit zum essen. Jeden Bissen einzeln nehmend, passte Leonard auf, dass er auch alles schön durchkaute. Chekov lächelte ihn müde an. Eine solche Behandlung war er nicht gewöhnt. Der Ton unter den Piraten war zwar kameradschaftlich, aber sehr viel rauer. Und um Verletzte wurde sich nur so weit gekümmert, wie das Fachwissen reichte, welches quasi nicht vorhanden war.

Auch sonst verbrachte Leonard seine Zeit tagsüber meist mit Arbeiten. Jetzt, wo die Crew wusste, dass wieder ein fähiger Arzt an Bord war und sie ihm vertrauten, hatte er reichlich zu tun. Die Piraten kamen mit allen möglichen großen und kleinen Wehwechen zu ihm. Er sah Quetschungen, Schnittwunden, kleinere Arbeitsunfälle, aber auch faule Zähne und den Fall eines Hinkebeins, bei dem er aber absolut nichts machen konnte, da dieses bereits ein halbes Jahrzehnt alt war. Leonard tat sein bestes, trotz seiner begrenzten Mittel hier an Bord und versuchte, jedem zu helfen. Und seine Erfolgsquote auf diesem dreckverseuchten Loch überraschte ihn immer wieder. Zumindest betonte er das gerne. Eigentlich fand er die Enterprise ganz in Ordnung.

Hatte Leonard gerade keinen medizinischen Notfall, saß er gerne bei Scotty, mit dem er sich gut unterhalten konnte oder ihm einfach bei seiner Arbeit zusah. Sie hatten beide festgestellt, dass sie eine gute Flasche Alkohol sehr wohl zu schätzen wussten und nicht einfach jedes selbstgepanschte Dreckszeug hinunterkippten, wie es bei den meisten Seefahrern der Fall war. Scotty schwärmte dem Arzt gerne in seinem dicken schottischem Akzent vom seinem heimatlichen Whisky vor, den Leonard unbedingt mal probieren sollte. Leider hatte Scotty seine letzte Flasche davon schon vor Jahren verloren und war bisher an keinen neuen mehr gekommen. Außerhalb Schottlands, und vor allem Europas, eine solche Flasche zu finden, war geradezu unmöglich.
Manchmal saß Leonard auch bei Scotty und ging gleichzeitig seiner Arbeit nach.
„Au! Geht das nicht auch anders, Doc?“
„Stellt Euch nicht so an, Scotty. Die Splitter müssen raus und es muss bluten, damit der Dreck mit rausgewaschen wird“, brummte der Arzt unbeeindruckt, während der Schotte die Zähne zusammenbiss. Er hatte einen kleinen Zwischenfall mit einem Holzfass gehabt, das sich von der Ladung gelöst hatte und ihn bei seinem Fall von zwei Metern Höhe mit seiner unebenen Oberfläche gestreift hatte. Zum Glück hatte Scotty nicht einen halben Schritt weiter rechts gestanden, sonst hätte es ihn voll erwischt.
„Reicht mir mal den Rum da“, nickte Scotty zu einer Flasche in der Nähe. McCoy griff danach und gab sie ihm, bevor er mit einer Pinzette nach weiteren Splittern suchte. Scotty entkorkte die Flasche mit seinen Zähnen und exte ein gutes Stück, verschluckte sich jedoch, als er vor Schmerz zusammenzuckte, weil Leonard mit der Pinzette wieder unter seine Haut stach. Er hustete.
„Immer langsam“, ermahnte ihn der Arzt unnötigerweise und klopfte ihm helfend auf den Rücken. Doch Scotty schubste seinen Arm weg.
„Lasst das“, murrte er „Beendet das lieber schnell.“
„Hättet Ihr mehr aufgepasst, müsste ich das hier gar nicht erst machen“, erwiderte Leonard im gleichen Ton. Dieser Umgang war zwischen den beiden normal. Leonard schätzte den Mann und seine Gesellschaft und Scotty hatte Respekt vor Leonards Arbeit. Eigentlich war das Material für eine gute Freundschaft, wenn Leonards Aufenthalt hier nicht begrenzt gewesen wäre.

Die Abende verbrachte der Arzt oft mit einigen anderen der Mannschaft beim Karten- oder Würfelspiel. Das war immer unterhaltsam und sehr kurzweilig. Er lernte, dass Uhura flinke Finger besaß und man immer aufpassen musste, dass sie nicht heimlich Karten austauschte. Manchmal auch seine eigenen. Wenn man sie jedoch dessen anklagte, beleidigte sie einen in drei verschiedenen Sprachen. Leonard blieb der Meinung, dass er sich lieber nicht mit ihr anlegen wollte.
Generell ging es bei den Spielrunden hoch her. Und auch nicht gerade zimperlich. Sulu, der Asiate, der manchmal bei ihnen saß, wenn er nicht gerade am Ruder stand, zog sogar einmal sein Messer gegen einen Kameraden.
Manchmal war Leonard das alles aber auch zu viel Trubel und er bevorzugte Ruhe, weswegen er sich dann einen abgeschotteten Platz suchte und den Sternenhimmel beobachtete. Die Sterne erinnerten ihn an seine Heimat. An die vergangen Tage mit seiner Tochter. Und sie ließen ihn vergessen, dass er eigentlich auf einem Schiff war.

Die Nächte wiederum verbrachte er mit Jim in seiner Kajüte. Die beiden sprachen nicht viel, aber das brauchten sie auch nicht. Verstanden sich auch ohne große Worte, und die gestöhnten Laute reichten meist aus, um zu kommunizieren.
Alles in allem fand Leonard diese andere Welt der Seeräuber, in der er hier gelandet war, gar nicht mehr so schlimm. Er verbot sich zwar selbst, es sich zu gemütlich machen, da er wusste, dass es nicht von langer Dauer sein würde. Aber gerade dadurch, dass seine Zeit hier begrenzt war, hatte er kein schlechtes Gewissen mehr über mögliche Folgen. Alles würde ins Lot kommen, dessen war er sich sicher. Er machte zwar einen Umweg auf seiner Reise, würde sehr viel länger brauchen, als geplant. Aber nichtsdestotrotz war er auf dem Weg. Und das war alles, was zählte.

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