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The pirate's gospel

von Janora

Tortuga

„15 Mann auf des toten Manns Kiste
Johoho und 'ne Buddel voll Rum
Schnaps stand stets auf der Höllenfahrtsliste
Johoho und 'ne Buddel voll Rum
aus Gold und Silber war der Schatz
mit funkelndem Diamantbesatz
und da lagen sie beim Ankerplatz
15 Mann, mausetot
abgemurkst im Abendrot
und wir teilten was sich uns darbot
yohoho und 'ne Buddel voll Rum.“


„Ein nettes Lied“, meinte Leonard spöttisch, als er den Raum betrat. Kirk saß auf einem Stuhl zurückgelehnt und warf einen Apfel hoch in die Luft, um ihn danach wieder zu fangen. Sein Blick lag dabei jedoch auf dem Arzt.
„Was wäre ein Pirat ohne seine Lieder?“, erwiderte er, fing den Apfel erneut und legte ihn auf den Tisch. „Wir erreichen Tortuga heute Nachmittag“, informierte er Bones, ließ ihn bei dieser Nachricht nicht aus den Augen.
Leonard legte den Kopf schief. So schnell hatte er nicht damit gerechnet.
„Gut“, gab er schließlich von sich. Dann war es jetzt wohl an der Zeit, über seine nächsten Schritte nachzudenken. Er würde diese nette kleine Blase, die er sich die letzten Wochen hier geschaffen hatte, verlassen. Er würde endlich wieder Zivilisation betreten.
Jim nickte bloß.
„Wo geht es nach Tortuga hin?“, fragte Leonard.
„Portugal.“
McCoy starrte den Blonden an. „Ihr segelt, obwohl ihr kurz vor Europa seid, über den ganzen verdammten Ozean, nur um dann direkt wieder zurück zu fahren? Habt ihr denn zu viel Salzwasser gesoffen?“, entfuhr es ihm.
Aber Jim nahm es gelassen, lachte sogar über die Ausdrucksweise von Leonards Fluch. „Aber Bones, der Weg ist das Ziel“, grinste er schief. „Außerdem habe ich in Tortuga wichtige Angelegenheiten zu klären. Und danach eben in Portugal.“
Leonard verschränkte die Arme und schüttelte nur den Kopf darüber. Aber er hakte auch nicht weiter nach. Er musste nicht wissen, in welche krummen Machenschaften der Pirat verwickelt war.
„Was passiert nach dem Anlegen?“, fragte er stattdessen.
„Der erste Abend in Tortuga wird gefeiert.“ Jim nahm wieder seinen Apfel und biss hinein. „Ausnahmslos. Auch du kommst mit in die Taverne.“
„Und dann darf ich gehen?“, stellte McCoy die entscheidende Frage. Doch Jim antwortete nicht sofort, zögerte. „Ich habe gemacht, weswegen du mich mitgenommen hast“, fügte Leonard daher hinzu. „Chekov ist wieder munter auf den Beinen. Warum solltest du mich also hier behalten?“
„Tortuga ist eine Hafenstadt. Und sie ist gefährlicher als du denkst.“
„Das beantwortet nicht meine Frage, Jim. Darf ich gehen?“
Die beiden taxierten sich für einen Moment und der Pirat sah so aus, als würde er wütend werden. Doch er bekam sich in den Griff und nahm noch einen Bissen vom Apfel.
„Was soll ich sagen, Bones? Ich bin ein Pirat. Unser Handeln ergibt wenig Sinn.“ Kirk lächelte, doch es wirkte gezwungen, bevor er aufstand. „Ich hab noch ein paar Dinge zu erledigen“, meinte er und ging an Leonard vorbei zur Tür.
„Und mein Anliegen?“, rief Bones ihm fragend nach.
Jim drehte sich an der Tür zu ihm um. „Ja doch“, blaffte er. „Ich sagte doch, dass du jederzeit gehen kannst!“ Damit verließ er die Kajüte und knallte die Tür hinter sich zu. Es fühlte sich an, als wäre ihm ein Stück Apfel im Hals hängen geblieben und er schluckte schwer.
Leonard starrte die geschlossene Tür an. Er wusste nicht, was er davon halten sollte.
Dann beschloss er jedoch, Chekov noch mal einen Besuch abzustatten, bevor er das Schiff für immer verlassen würde.


"Alles in Ordnung, Captain?", fragte Spock, der zu ihm an die Reling trat, die Arme hinterm Rücken verschränkt.
"Es wird Zeit, dass wir Tortuga erreichen", meinte der Angesprochene.
"Es sieht nicht so aus, als ob es noch ein Unwetter geben wird. In ein paar Stunden sollten wir den Hafen ansteuern können." Er musterte Jim von der Seite. Immerhin kannte er ihn schon so lange, dass er wusste, wenn etwas nicht stimmte. Es lag an ihrem Passagier, so viel konnte er sagen. Und er verstand einfach nicht, warum der Captain ihn nicht einfach seine Arbeit machen ließ und ansonsten unter Deck verfrachtete.
Hätte der Doktor unter anderen Umständen anheuern wollen, hätte Spock davon abgeraten, ihn an Bord zu nehmen. Er passte, seiner Meinung nach, nicht hierher. War es nicht höchst unlogisch für einen Mann mit Thalassophobie, eine Überfahrt des Atlantiks vorzunehmen?
„Aye“, erwiderte Jim derweil. „Dann können unsere Jungs mal wieder ein wenig Landluft schnuppern.“
Spock nickte bloß.

~

Als Leonard das Land am Horizont entdeckte, hatte er das Gefühl, noch nie etwas Schöneres gesehen zu haben. Nach all den Wochen auf hoher See, in denen er über die Reling hinaus nichts als endloses Wasser gesehen hatte, war dieser dunkle Berg an Landmasse ein echter Schatz. Er blieb eine ganze Stunde vorne am Bug stehen und sah dabei zu, wie die Insel immer näher kam.
Als sie dann jedoch schließlich in den Hafen einfuhren, änderte er seine Meinung über diesen Ort. Tortuga war in der Tat eine Piratenstadt. Dreckig und düster. Die Häuser standen schief und waren großenteils renovierungsbedürftig.
Er zog sich zurück, um seine letzten Vorbereitungen zu treffen, bevor sie auf Tortuga anlegten.
Jim kam zu ihm und wollte ihm für den Ausflug in die Stadt eine Muskete geben. Für die eigene Sicherheit, wie er betonte. Doch Leonard lehnte ab.
„Ich bin Arzt, Jim, und ich habe einen Eid geschworen“, erwiderte er.
Jim verzog das Gesicht, gab jedoch keine Einwände. „Ganz wie du meinst.“ Dennoch traf er seine eigenen Vorkehrungen, um Bones' Sicherheit zu gewährleisten.

Die anderen Piraten waren ebenfalls geschäftig geworden. Segel wurden eingeholt, Taue rausgeholt und alle hatten sich ihre Waffen angelegt. Man war jetzt nicht mehr unter sich.
Jim hatte sich seinen Mantel übergezogen, ein Tuch um die Haare gebunden und darauf seinen Dreispitz gesetzt. Er stand an Deck und beobachtete die Stadt.

Sie fanden einen freien Platz zum Anlegen und machten das Schiff fest.
Uhura unterhielt sich mit jemandem, der möglicherweise etwas mit einer Art Hafenverwalter zu tun haben könnte, auf einer Sprache, die eventuell eine Art Spanisch war. Leonard war sich nicht sicher, als er an den beiden vorbei ging und mit einigen anderen das Schiff verließ.
Endlich wieder einmal festen Boden unter den Füßen zu haben, war anders, als er es sich vorgestellt hatte. Weniger spektakulär. Dafür war es für die Augen eine willkommene Abwechslung.
Am Pier trieben sich dutzende zwielichtige Gestalten herum und auch die anderen Schiffe, die hier vor Anker lagen, machten keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck.
Unabhängig von der Tageszeit machten sich die meisten aus der Mannschaft auf den Weg in Richtung der Tavernen und Bordelle. Der erste Tag an Land war für sie, sofern die Lokalität es erlaubte, immer ein Tag des Feierns und des Vergnügens. Keiner musste arbeiten und sie hatten die Gelegenheit, ein bisschen von dem Gold, das sie auf dem Meer erbeutet hatten, zu verprassen.
Auch Kirk schlug mit Bones diese Richtung ein. Spock war auch dabei und flankierte den Captain auf dessen andere Seite.

Die Gassen der Straßen waren eng, viele Häuser herunter gekommen. Und überall stank es nach Abwasser und Alkohol. Bones rümpfte die Nase, konnte aber sonst nicht viel dagegen tun. Mit Zivilisation hatte das wenig zu tun.
Die Straße führte sie zunächst zu einem großen Marktplatz. Hier wurde es auch immer voller. Und lauter. Es gab Stände mit Waren. Bones sah Waffen, Werkzeug und Essen, das aussah, als hätte es die beste Zeit bereits hinter sich. Was er aber auch sah, waren die unterschiedlichsten Nationalitäten, die hier zusammenkamen. Er hörte die verschiedenen dazugehörigen Sprachen. Von den meisten hatte er nicht mal den Hauch einer Ahnung, aus welcher Ecke sie stammen könnten. Er sah schwarze, nur leicht oder mit Fellen bekleidete Hünen. Er sah Menschen, die aus Sulus Heimatecke Asiens kommen mussten, denn sie trugen ähnliche Kleidung, hatten aber lange, gebogene Schwerter bei sich und machten allesamt ein finsteres Gesicht oder hatten sich Strohhüte so tief ins Gesicht gezogen, dass er sie gar nicht erst erkennen konnte. Er sah Leute, die er als Inder vermutete, mit Gewändern, die einst gewiss einmal bunt geleuchtet hatten, jetzt aber nur noch dreckig waren. Und er hörte mit Akzent englisch sprechende Franzosen und Spanier, die miteinander zankten. Um die machten die drei einen großen Bogen.
Diese Welt war Leonard ziemlich suspekt mit all diesen merkwürdig und durchaus gefährlich aussehenden Gestalten. Und auch wenn ihn hier niemand kannte, auch wenn er hier ein namenloser Niemand war, so fühlte er sich nicht vollkommen sicher. Immer wieder hatte er das Gefühl, dass das ein oder andere Augenpaar länger als nötig auf ihm zu heften schien. Ganz, als würden sie nur darauf warten, dass er eine falsche Bewegung machte, in die falsche Gasse einbog und sie über ihn herfallen und ausrauben konnten. Es war eine vollkommen andere Atmosphäre als auf der Enterprise. Und sie gefiel Leonard überhaupt nicht.
Plötzlich drehte sich Jim und bog scharf in eine Seitenstraße ab, sodass er beinahe in den Arzt hinein gerannt wäre. Dieser zog die Brauen zusammen und wollte gerade einen Kommentar dazu abgeben, als ihn der lauter Ruf einer Frau ablenkte.
„Jim Kirk!“
Dieser blieb stocksteif stehen und seufzte leise. Da war er wohl nicht schnell genug abgetaucht. Schnell setzte er ein breites Grinsen auf und drehte sich um. „Carol, wie schön dich zu sehen.“ Begrüßend öffnete er die Arme und bekam von der blonden Frau, dich sich ihnen drei genähert hatte, eine Ohrfeige.
Leonard gab ein halb überraschtes, halb amüsiertes Husten von sich, Spock zog eine Augenbraue hoch.
Jim fand, dass er diese Ohrfeige nicht verdient hatte und rieb sich die schmerzende Wange. „Wofür war das denn?“, fragte er sich beschwerend.
Für diese Frage holte Carol erneut auf, doch dieses Mal konnte der Pirat ausweichen.
„Das fragst du noch?“, schimpfte sie „Du bist damals einfach abgehauen. Ich will mein Geld!“
Kirk setzte ein Lächeln auf und gewann seine vorherige Fassung wieder. „Sicher, Liebes ...“
„Spar dir diese Kosenamen!“
Leonard gluckste amüsiert und bekam dafür einen kurzen Blick von Spock zugeworfen. Dieser schien solche Szenen bereits gewohnt, denn er verzog keine Miene. Andererseits war Leonard sich mittlerweile nicht sicher, ob der Schwarzhaarige überhaupt jemals eine Gefühlsregung zeigte.
„Sicher doch, sicher“, versuchte Jim derweil die Blonde zu beruhigen. „Komm, ich hab dein Geld dabei. Und weil ich heute gut drauf bin, geb ich dir noch etwas zu trinken aus. Was sagst du dazu?“
Noch während er sprach, hatte er den Arm um sie gelegt und schob sie mit in ihre ursprüngliche Richtung.
Ein wenig widerwillig ließ sie sich darauf ein. „Na schön. Aber ich warne dich, James T. Kirk, dieses Mal kommst du nicht einfach so davon.“
„Nicht doch. Das ist alles bloß ein Missverständnis..“
Leonard blendete Jims fadenscheinige Ausreden und die folgende Unterhaltung der Beiden desinteressiert aus. Was ihm viel mehr Sorgen bereitete, war, dass der Captain scheinbar recht gehabt hatte: er würde hier auf Tortuga nicht einfach ein sicheres anderes Schiff finden, das ihn rüber nach England mitnahm. Und schon gar nicht, ohne viel Geld in den Taschen. Das war ein Problem, das er lösen musste.

Leonard wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sie die Taverne betraten.
Obwohl es mitten am Tag war, war es hier drin düster und einige Laternen brannten, um das wenige Sonnenlicht, das durch die schmutzigen Fenster fiel, zu unterstützen.
Hier saßen bereits einige andere Männer und Frauen seiner Crew und waren beim Trinken bereits gut dabei. In einer Ecke spielten einige Musiker und einige leicht bekleidete Damen, die eindeutig Prostituierte waren, saßen bei ihren Auserkorenen. Zudem lag über allem der Geruch von Alkohol und schlecht gewaschener Menschen. Leonard war über sich selbst überrascht, dass er darüber nicht die Nase rümpfte, sondern das Ganze einfach so hinnahm.
Sie setzten sich an einen freien Tisch und Jim bestellte bei der Schankmaid ihre Getränke.
Diese kamen auch kurz darauf. Hier arbeitete man wohl nach der Devise, dass die Gäste zufrieden waren, wenn Alkohol vor ihnen stand. Und dafür sorgte man immer gewissenhaft.
McCoy reichte einen der Krüge des Tabletts an Spock weiter. Doch dieser schüttelte den Kopf. „Ich habe nicht vor, mich an diesen alkoholischen Exzessen zu beteiligen.“
Leonard starrte ihn an. „Sicher, dass Ihr ein Pirat seid?“
Die Miene des Anderen schien sich für einen Moment zu verfinstern, aber dann bevorzugte er es, ihn einfach zu ignorieren. Nun, das war eine Entscheidung, mit der Leonard leben konnte.
Er selbst nahm einen großen Schluck von seinem Grog – es war widerliches Zeug, half aber, die Situation besser zu ertragen. Der Arzt hatte keine Ahnung, warum er überhaupt noch hier war. Kirk hatte scheinbar bessere Gesellschaft gefunden, und Spock , das erklärte sich wohl von selbst.
Immerhin, wenn dieser den Alkohol nicht wollte, konnte Leonard ihn nehmen. Heute würde er ihn definitiv brauchen. Und außerdem schaukelte nicht mehr alles, wenn er betrunken versuchte, zu laufen. Das musste er hier an Land unbedingt ausnutzen.
Zwischendurch schnappte er das Gespräch der beiden Blonden auf.
„Wie wäre es, wenn wir unsere Unterhaltung nach oben verlegen?“, fragte Carol Jim, welcher grinsend nickte.
„Gerne, Liebes.“
Dieses Mal lachte sie bei dem Kosenamen und Bones verdrehte demonstrativ die Augen. Man musste kein Genie sein, um zu wissen, wo das mit den beiden heute Abend noch enden würde. Und er redete sich ein, dass es ihm egal war. Dass kein Funken Eifersucht in ihm aufkeimte, als er die beiden dabei beobachtete, wie sie aufstanden und sich mit ihren Getränken die Treppe hoch und durch den Flur außerhalb seiner Sicht bewegten.
Es war Leonard klar gewesen, dass sein Verhältnis zu Jim nichts persönliches war. Nichts besonderes. Sie hatten nur eine Zeit lang den gleichen, beengten Lebensraum geteilt und Leonard war gerade unbekannt und interessant genug gewesen, um Kirks Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aber kaum waren sie nicht mehr alleine auf See, wandte sich der Blonde wieder anderen zu. Das war wohl seine Natur. Dennoch versetzte es Leonard einen Stich, dass es so schnell ging. Sie hatten die Stadt ja gerade betreten.
Er bemerkte, dass er sich geradezu an seinen Krug klammerte und entspannte seine Hände. Stattdessen trank er lieber noch mehr vom Alkohol.
Dabei entging ihm, dass Spock ihn musterte. Und irgendwas musste der andere in seinem Blick sehen, denn er ließ sich zu einem Kommentar hinreisen.
„Der Captain und Miss Marcus besprechen nur ein Geschäft.“
Leonard lachte freudlos auf. „Klar.“ Er wusste ganz genau, um was für ein 'Geschäft' es sich handelte.
Jetzt hatte er wirklich keine Lust mehr, hier zu bleiben. Mit einem Zug leerte er seinen Alkohol und stand dann auf. „Nacht“, brummte er, obwohl er sich sicher war, dass es Spock sowieso nicht interessierte und verließ die Taverne.

Draußen war es dunkel und ruhiger geworden, aber wahrscheinlich lag das nur daran, dass sich die meisten zum Feiern und für ihre Geschäfte in die Gebäude verzogen hatten. Denn von drinnen drang immer noch dumpfe Musik und Rufe heraus. Leonard genoss es, in der kühlen Abendluft alleine zu sein. Zumindest so lange, bis ein Kinderschrei an seine Ohren drang. In einer dunklen Seitengasse nicht weit entfernt, entdeckte er einen Kerl, der einen Jungen festhielt und gegen eine Hauswand drückte. Es war offensichtlich, dass er ihm unter die Kleidung gehen wollte, aber der Junge wehrte sich, indem er nach ihm biss und trat.
„Hör auf, so bockig zu sein, Bengel“, schimpfte der Kerl.
Leonard handelte, ohne darüber nachzudenken. Was folgte, war ein dumpfer Schlag, woraufhin der Kerl zur Seite strauchelte und in einige herumstehende Fässer stürzte.
„Ich glaube, er hat deutlich gemacht, dass er nicht will.“
Leonard blickte den Piraten angewidert an. Dieser richtete sich auf, rieb sich den schmerzenden Hinterkopf und fixierte mit seinem Blick nun den Störenfried.
„Was mischt du dich da ein?“, zischte er verärgert und Leonard roch die Fahne, die aus seinem Mund kam. Ekelhaft. Der Arzt rümpfte die Nase. „Fass den Jungen nicht noch mal an!“ Sein bedrohlichen Knurren allein hätte jede normale Person verschreckt, doch hier war man wohl schlimmeres gewöhnt.
"Wenn du so begierig auf ihn bist, können wir ihn uns ja teilen und zusammen Spaß haben“, erwiderte der andere mit einem süffisanten Grinsen.
Angewidert hob er die Fäuste, als der andere ein Messer zückte und auf ihn los ging. Vielleicht wäre es doch keine so schlechte Idee gewesen, eine Waffe mitzunehmen. Es hätte ja nicht gleich eine Pistole sein müssen.
Er wich dem ersten Stich aus, wartete den nächsten Angriff nicht ab, sondern versuchte, Herr über die Lage zu werden. Leonard teilte eine harte Rechte aus, erwischte den Kerl mitten an der Schläfe. Dieser kippte zur Seite, war aber sofort wieder auf den Beinen und ging fluchend auf ihn los. Dem zweiten Stich konnte Leonard entgehen, dem dritten jedoch nicht und er traf ihn in die Seite. Glücklicherweise knapp genug, dass nur seine Kleidung dabei erwischt wurde.
Leonard hatte sich schon das eine oder andere Mal geprügelt, wenn auch nie freiwillig. Aber als Arzt wusste er, was er tun musste, um seinen Gegenüber zumindest vorübergehend auszuknocken. Zuerst gab er ihm einen hohen Tritt direkt zwischen die Beine. Der Kerl jaulte auf und krümmte sich schmerzerfüllt zusammen – Leonard tat das nie wirklich gerne, weil es ihm selbst beim Zusehen schon schmerzte, aber es war effektiv. Anschließend verpasste er ihm einen Schlag mit beiden Handkanten in den Nacken. Der Kerl stürzte mit dem Gesicht zuerst auf die dreckige Straße nieder und blieb besinnungslos liegen.
Leonard ließ ihn dort. Er würde sich schon alleine zurechtfinden, wenn er wieder wach und weitestgehend nüchtern war.

Als der Arzt sich umdrehte, bemerkte er, dass der Junge nicht mehr dort war, wo er eben noch gestanden hatte. Aber er war auch nicht komplett verschwunden, denn er entdeckte ihn vorsichtig um die Ecke des Gebäudes spähen.
„Alles in Ordnung bei dir, Junge?“, fragte Leonard ihn und ging auf ihn zu. Der Junge antwortete nicht, machte aber einen Schritt von der Wand weg. Leonard bewegte sich langsamer. „Ich tu dir nichts. Ehrenwort. Hast du - ... Aua!“
Dieser Bengel hatte ihm doch tatsächlich gegen sein Schienbein getreten und war dann weggelaufen.
Leonard blickte ihm entgeistert hinterher. Dann machte er sich kopfschüttelnd zurück auf seinen ursprünglichen Weg. Auch wenn er sich gar nicht mehr so sicher war, was sein Ziel war.
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