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Nach all den Jahren

von Emony

Kapitel 17

Kapitel 17

Jocelyn öffnete die Tür nur einen Spalt breit, als McCoy am nächsten Tag zu ihr kam. Sie sah ihn an, wie einen Fremden, dem sie nicht erlauben wollte, ihr Haus zu betreten. McCoy konnte nicht glauben, wie weit es zwischen ihnen gekommen war. Wie unendlich tief ihr Hass ging. Nicht einmal für Joanna konnte sie ihm ein Mindestmaß an Freundlichkeit entgegen bringen. Und einmal mehr fragte sich McCoy, wie er sich jemals in diese Frau hatte verlieben können? War es tatsächlich allein seine Schuld, dass sie so geworden war? Hatte er sie dermaßen verletzt?

„Wo hast du deinen Captain gelassen?“, fragte sie honigsüß und stellte sich auf die Zehenspitzen, um über seine Schulter blicken zu können.

McCoy gefiel nicht, wie sie das Wort Captain betonte. Als wäre es nur ein Euphemismus für Geliebter. Ja, Jim war inzwischen weit mehr als nur sein bester Freund und sein Captain. Aber das konnte Jocelyn doch nicht wissen. Versteckte er seine Gefühle für Jim wirklich so schlecht? „Er hat zu tun. Und das hier geht auch nur uns beide etwas an“, raunte McCoy. Jim hatte tatsächlich zu tun. Er traf sich mit Pike. Und McCoy war froh darüber, auch wenn er jetzt etwas Rückendeckung durchaus begrüßen würde. Es war von immenser Wichtigkeit, dass er diese Sache allein mit Jocelyn klärte. Es betraf schließlich sie beide und ihre gemeinsame Vergangenheit. Jim hatte damit absolut nichts zu tun.

„Und, hast du dein Ergebnis?“, fragte Jocelyn, hob eine Braue und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Kann ich reinkommen? Ich möchte das ungern zwischen Tür und Angel besprechen.“

„Da gibt es nichts mehr zu besprechen, Leonard. Ich will nicht, dass sie dich sieht und anfängt Fragen zu stellen.“

McCoy reckte das Kinn und reichte ihr einen Umschlag. Jocelyn nahm ihn entgegen und zog einige Dokumente heraus. „Ich habe dir doch gleich gesagt, dass sie deine Tochter ist.“

„Nach allem, was du mir angetan hast, hatte ich Grund genug dir zu misstrauen“, erwiderte McCoy brüsk.

Sie lachte freudlos auf. „Ich dir? Du hast mir gesagt, dass du dich von mir trennen willst, Leonard, als ich gerade ein paar Wochen schwanger war! Joanna ist das Resultat für unseren Versuch unsere Ehe zu retten. Und jetzt lässt du dich von deinem sogenannten Captain flachlegen! Entschuldige, wenn ich das ein wenig anders sehe als du. Und ich will nicht, dass meine Tochter erfährt, dass ihr Vater ein Schwanzlutscher ist.“

McCoy sah rot. Seine Hände ballten sich an seiner Seite zu Fäusten. Es war scheinbar wirklich offensichtlich, dass Jim sein Partner war. Er hätte ihn nicht mitbringen dürfen. Er hätte… er hätte Vieles anders machen müssen. Ein Teil von ihm wollte Jocelyn schlagen. Hart. Er wollte ihr seine Faust ins Gesicht rammen. Aber er dachte an das kleine Mädchen, das irgendwo hinter Jocelyn in dem Haus war und das er nicht erschrecken wollte. Also riss er sich zusammen, auch wenn es ihn seine ganze Kraft kostete, und besann sich seiner guten Manieren. „Es tut mir leid. Das habe ich dir damals schon gesagt und das meinte ich auch so. Ich meine es auch jetzt noch so, Jocelyn. Aber dieses kleine Mädchen da drin ist auch meine Tochter und ich werde mein Recht ihr ein Vater zu sein nicht aufgeben, nur weil du mit meiner Sexualität nicht klar kommst. Ich bin kein schlechterer Mann, nur weil ich Männer Frauen vorziehe. Und ich war dir niemals untreu. Im Gegenteil sogar, habe ich sehr viele Jahre versucht ein gemeinsames Leben mit dir aufzubauen. Und soll ich dir sagen warum ich das tat?“ Er ließ ihr keine Zeit zu reagieren. „Weil ich dich liebte. Ich habe dich wirklich geliebt und ich habe mir sehnlichst gewünscht der Mann sein zu können, den du in mir gesehen hast. Ich wollte dieses einfache, schöne Leben mit dir. Mit einer Familie. Unserer Familie. Aber“, sagte er dann und Tränen stiegen ihm in die Augen, ohne dass er es verhindern konnte, „ich konnte irgendwann nicht mehr so tun, als wäre ich dieser Mann, den wir beide sehen wollten. Ich konnte mich nicht mehr vor mir selbst verleugnen. Ich weiß nicht, ob du das je verstehen wirst, Jocelyn. Aber ich gebe diese Hoffnung nicht auf. Und ich hoffe, dass Joanna eines Tages verstehen wird, warum ich aufgehört habe dich zu lieben.“

Jocelyn starrte ihn an. Einige sehr lange Augenblicke verstrichen und sie schien sich zu sammeln. McCoy wappnete sich für einen Gegenschlag ihrerseits. „Ich möchte nicht, dass sie deshalb gehänselt wird. Ich will nicht, dass die Leute in der Stadt sie so ansehen, wie sie mich angesehen haben. So als wäre ich zu bedauern, Leonard. Du hast keine Ahnung wie es war hier weiterhin zu leben, nachdem du abgehauen bist. Und ich will das nicht für unsere Tochter.“

„Keiner zwingt dich hier zu leben.“

„Es ist mein Zuhause, Leonard. Ich liebe diese Stadt und ich will hier nicht weg“, sagte sie und nun schossen auch ihr Tränen in die Augen. „Bitte unterschreib die Papiere, damit ich Joanna ein normales Leben bieten kann.“

McCoy schüttelte langsam den Kopf. „Das kann ich nicht. Ich kann mein Kind nicht aufgeben, Jocelyn und ich will es auch nicht. Sie ist das einzig Gute, was mir von unserer schönen Zeit geblieben ist. Und wir hatten eine schöne Zeit. Ich bitte dich, nimm mir mein Kind nicht weg. Lass mich ihr ein Vater sein.“ Er griff nach ihren Händen und ignorierte den Umschlag, den sie nach wie vor hielt.

Er war bereit zu kämpfen. McCoy wollte es zwar nicht. Aber er würde für seine Tochter kämpfen, wenn Jocelyn ihn dazu zwingen würde. Er hatte ihr alles andere überlassen. Einfach alles, was ihm je etwas bedeutet hatte. Er war mit nichts zu Starfleet gegangen, als einem Rucksack mit Wechselwäsche, der alten Taschenuhr seines Vaters und einem Foto, das ihn mit Jocelyn zeigte und während ihrer Jahre am College aufgenommen wurde. Hier und heute war Schluss damit, dass er alles aufgab, nur um ihren Zorn zu lindern. Joanna würde er nicht aufgeben. Niemals.

Jocelyn erschrak, als sie plötzlich Joannas kleine Hände spürte, die sich von hinten um ihr rechtes Bein schlangen. Sie blickte an ihrer Mutter vorbei und sah zu McCoy auf. „Warum weint ihr?“

McCoy wischte sich sofort die Tränen aus dem Gesicht und ging vor Joanna in die Knie. Er wusste jedoch nicht, was er ihr sagen sollte.

„In Ordnung, du kannst reinkommen“, sagte Jocelyn dann und nahm Joanna bei der Hand. „Wir müssen dir etwas erzählen, meine Süße“, ergänzte sie dann und führte das Mädchen ins Wohnzimmer.

McCoy stand noch einen Moment in der halboffenen Tür, als er sich wieder erhoben hatte, ehe er den beiden ins Haus folgte. Er war so lange nicht mehr hier gewesen. Aber es hatte sich kaum verändert. Abgesehen von den vielen Bildern an den Wänden, die ihn natürlich nicht mehr zeigten.

„Ich mache euch einen Kakao“, schlug Joanna vor und ging voraus in die Küche.

„Ich mache ihr immer welchen, wenn sie traurig ist“, erklärte Jocelyn, als McCoy ihr einen fragenden Blick zuwarf.

Er nickte nur und versuchte gar nicht zu hinterfragen, weshalb sie ihre Meinung geändert hatte. Es kam ihm wie ein Wunder vor und das wenngleich er seit Langem nicht mehr an Wunder glaubte. Das Gefühl in diesem Haus willkommen zu sein, überwältigte McCoy und ließ ihn sprachlos zurück. Wie in Trance folgte er seiner Tochter und Jocelyn in die Küche.

„Willst du auch Marshmallows in deinem Kakao?“, fragte Joanna dann und schaffte es mehr Kakaopulver auf die Anrichte als in die Tasse zu schütten, ehe sie Milch aufgoss.

„Gern“, sagte Jocelyn. „Zwei genügen mir aber.“

„Nein, danke“, erwiderte McCoy zur selben Zeit, „das ist ungesund und viel zu süß und…“

„Lecker“, widersprach Joanna. „Du siehst aus als brauchst du mindestens drei Stück.“

McCoy verdrehte die Augen. „Ok, wenn du meinst“, gab er sich dann geschlagen und konnte sich schon vorstellen, wie furchtbar süß dieser Zuckerschock sein würde. Er würde für Wochen nichts Süßes mehr zu sich nehmen.

Die Küche sah wie ein kleines Schlachtfeld aus, als Joanna fertig war und die Tassen vor den Erwachsenen auf den Tisch stellte, ehe sie sich auf einen der freien Stühle setzte und beide erwartungsvoll ansah. „Wieso habt ihr geweint?“, fragte sie dann wieder.

Jocelyn wusste nicht, wo sie anfangen sollte. Sie hatte Joanna schließlich viele Jahre lang die Wahrheit vorenthalten. Und sie hatte noch nicht mal mit Jeremy über ihre Entscheidung sprechen können. Sie massierte sich kreisend die Schläfen. Wo sollte sie nur anfangen?

„Deine Mom und ich waren mal verheiratet“, sagte McCoy und bemühte sich zu lächeln. „Wir“, fuhr er dann fort und nahm Jocelyns Hand, die sie wider erwarten nicht zurückzog, sondern festhielt, „haben aber nicht so richtig zusammen gepasst.“

„Wie Richards Eltern. Die haben sich auch scheiden lassen“, sagte Joanna und dachte an ihren Freund, mit dem sie fast täglich draußen spielte.

„Ja, Liebes, genau. Das passiert leider manchmal“, stimmte Jocelyn zu und trank von ihrem Kakao. „Hm, der ist toll geworden.“

McCoy versuchte seinen daraufhin auch, hätte sich aber aufgrund der Süße am liebsten geweigert die Flüssigkeit tatsächlich runterzuschlucken. Jim würde dieses Gebräu sicher lieben, schoss es ihm dann in den Sinn.

„Willst du jetzt lieber wieder den Doktor heiraten?“, fragte Joanna ihre Mutter.

Jocelyn lachte sanft. McCoy hatte dieses Lachen lange nicht mehr gehört. Er hatte es mehr vermisst, als er je zugeben würde. „Nein“, antwortete Jocelyn und warf McCoy einen flüchtigen Blick zu. „Das wollen wir nicht. Ich liebe Jeremy und wir drei sind eine Familie. Aber“, sagte sie dann und machte eine Pause, um erneut einen Blick mit McCoy zu tauschen, der ihr zunickte, „Jeremy ist nicht dein leiblicher Vater.“

Joanna sah sie verständnislos an. Mit ihren knapp fünf Jahren war ihr nicht klar, was ihre Mutter versuchte zu sagen.

„Ich bin dein Vater, Joanna“, sagte McCoy dann und versuchte das wilde Pochen seines Herzens zu ignorieren.

„Ich habe zwei Väter?“

„Ja, genau“, bestätigte Jocelyn, stand von ihrem Platz auf und ging zu Joanna hinüber. Als sie vor ihr in die Hocke ging, nahm sie die Hände ihrer Tochter in die eigenen. „Jeremy will genauso dein Dad sein, wie Leonard hier. Ist das okay für dich, Kleines?“

„Muss ich jetzt hier wegziehen?“

„Nein“, sagte McCoy und schüttelte den Kopf. „Ich bin Doktor auf einem Raumschiff, weißt du. Ich kann dich dahin nicht mitnehmen, auch wenn ich es gerne würde.“

„Gut“, sagte sie und McCoy hob verwundert die Brauen. „Ich will hier nicht weg“, erklärte Joanna. „Kann ich deinen Kakao haben?“, fragte sie dann McCoy. „Du magst ihn eh nicht.“

Er schmunzelte. „Was hat mich verraten?“

„Als du ihn probiert hast, hast du ausgesehen wie ich mich fühle, wenn ich Bauchweh hab und Kamillentee trinken muss.“

McCoy lachte und schob ihr die Tasse zu.

„Sie hat dein Mundwerk. Es ist schrecklich. Sie ist erst fünf und redet schon wie du.“ Jocelyn warf ihm einen Blick zu und streichelte ihrer Tochter liebevoll über das Haar, während diese den Kakao praktisch in einem Zug leerte.

„Aber sie steht auf Süßkram, ganz wie du“, erwiderte McCoy. Dieser Moment kam ihm wie ein Traum vor. Er konnte nicht fassen, dass er nach Jahren des Hasses hier mit Jocelyn saß und sich tatsächlich gut fühlte. Und was noch wichtiger war, war die Tatsache, dass Joanna erstaunlich gut mit alle dem zurrecht kam.

„Kommst du mich dann an meinem Geburtstag besuchen und zu Thanksgiving und Weihnachten und Ostern und…“

„Langsam, Süße“, bremste Jocelyn das Kind. „Leonard wird vielleicht nicht so oft Zeit auf der Erde verbringen. Weißt du, sein Raumschiff ist manchmal sehr weit weg.“

„Aber ich komme, so oft es mir möglich ist“, versprach er dann und fühlte sich erleichtert und traurig zu gleich, weil Joanna ihn so oft sehen wollte, obwohl sie sich praktisch fremd waren.

„Ich mag Puppen. Aber keine rosa Kleider“, informierte sie ihn.

„Ich werde es mir merken“, nickte er.

„Bleibst du zum Essen? Jeremy will dich bestimmt auch kennen lernen“, sagte Joanna dann und leckte den Kakaobart um die Lippen herum weg.

„Ich weiß nicht“, sagte McCoy und suchte Jocelyns Blick.

Sie nickte. „Schon gut. Du solltest bleiben. Zusammen können wir Jeremy unsere Entscheidung besser erklären.“

„In Ordnung“, nickte McCoy. „Aber ich muss noch jemandem bescheid sagen, dass ich noch ein paar Stunden in Georgia bleibe.“

In Jocelyns Blick funkelte es seltsam. McCoy hatte schon Angst sie wieder zu verärgern. Aber er musste Jim bescheid sagen, auch wenn sie wieder wütend auf ihn wurde. Jim sollte sich keine Sorgen um ihn machen müssen. Und außerdem wollte er ihm die guten Neuigkeiten erzählen. Was gäbe er darum, wenn Jim jetzt bei ihm sein und sein Glück teilen könnte? Aber das konnte er jetzt nicht von Jocelyn verlangen. Er wollte seine Glücksträhne nicht überstrapazieren.

„Komm, ich zeige dir mein Zimmer“, sagte Joanna dann und hüpfte vom Stuhl.

„Eine Sekunde noch“, bat Jocelyn. „Geh schon mal voraus. Leonard kommt gleich nach. Ich möchte noch eben was unter vier Augen mit ihm klären.“

„Na gut.“ Und schon war Joanna aus der Küche und sprang die Treppen hinauf.

„Können wir es…“, begann Jocelyn, als das Mädchen oben ihre Zimmertür mit einem Rumms ins Schloss fallen ließ, „Würde es dir…“

„Ich behalte es für mich, ja. Sie wird nicht erfahren, dass sie einen schwulen Vater hat.“ Es war ein Preis, den er gerne dafür zahlte, seine Tochter sehen zu dürfen.

„Nur… nur bis sie älter ist und…“ Jocelyn brach erneut ab.

„Schon gut“, sagte McCoy. „Sorgenfalten stehen dir nicht. Sie wird nichts erfahren. Ich will nur eben bescheid sagen, dass ich zum Essen bei euch bleibe.“

Jocelyn nickte. „Es ist dieser Captain Kirk, oder?“

„Was hat mich verraten?“

„Du siehst ihn an, wie du mich früher angesehen hast. Und ich kenne dich eben, Leonard. Aber denk an dein Versprechen.“

„Ich weiß, wie man etwas für sich behält“, raunte McCoy schließlich. Das wusste er inzwischen sogar viel zu gut. „Danke, dass du mir Joanna nicht nimmst.“

„Du hast früher nie geweint, Leonard. Das hat mich wirklich bewegt. Du bist emotionaler geworden, als du es früher warst.“

Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, dann entschuldigte er sich, ging hinaus auf die Veranda und rief Jim an.
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