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Nach all den Jahren

von Emony

Kapitel 19

Kapitel 19

Als die ersten Sonnenstrahlen am nächsten Morgen durch die viel zu dünnen Vorhänge in das kleine Hotelzimmer schimmerten und Jim an der Nase kitzelten, war Bones schon längst wach. Er hatte die Nacht über kaum geschlafen. Stundenlang war er auf dem Sims des Fensters gesessen, hatte den nächtlichen Himmel und die fernen Sterne betrachtet oder Jim beobachtet, der trotz ihrem Gespräch am Abend friedlich schlief und hatte über ihre verkorkste Beziehung nachgedacht. Wie Jim es schaffte abzuschalten, war Bones ein absolutes Rätsel. Er selbst hatte das noch nie gekonnt.

„Guten Morgen“, grüßte Jim verschlafen und räkelte sich genüsslich im Bett. „Bist du schon lange auf?“

Bones sah Jim mit einem müden Lächeln an. Er sah so unschuldig aus, wie er so da lag, die dünne Bettdecke gerade soweit über der Hüfte, dass seine Schamhaare zu sehen waren. Ihr leidenschaftliches Liebesspiel kam Bones erneut in den Sinn. Es hatte sich wie ein Abschied angefühlt. Zumindest für ihn. Ob Jim das ebenfalls so empfunden hatte, vermochte Bones nicht zu sagen. Er ging jedoch davon aus, dass Jim das anders sah. Wie sonst hätte er danach einfach einschlafen können, als wäre alles in bester Ordnung?

„Ja, eine Weile.“ Das war eine Untertreibung. Er hatte kaum mehr als drei Stunden in dieser Nacht geschlafen. Er fühlte sich vollkommen gerädert.

„Soll ich uns Frühstück besorgen?“, bat Jim an und setzte sich im Bett auf. Er rieb den Schlaf aus dem Gesicht und kratzte sich am Kopf.

Bones sah ihn lange an. „Wenn du möchtest. Ich hab keinen großen Hunger.“ Ihm war der Appetit vollkommen vergangen. Normalerweise hatte er immer großen Hunger nach so einer Nacht. Mit Jim zu schlafen war auf sehr angenehme Weise anstrengend und zehrte seine Reserven grundsätzlich schnell auf. Jim war ein sehr ausdauernder, leidenschaftlicher Liebhaber.

„Keinen Hunger?“, fragte Jim und stemmte sich vom Bett auf. Nackt wie er war, trat er zu Bones ans Fenster. „Was ist los?“

Bones runzelte die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust, als er Jim ob seiner offensichtlichen Vergesslichkeit anstarrte. „Was los ist? Das fragst du mich nach gestern Abend tatsächlich?“

„Ich dachte wir hätten das geklärt“, erwiderte Jim verwirrt. Er wollte Bones’ Gesicht berühren und ihn streicheln, aber Bones wich seiner Hand aus und rutschte vom Fenstersims herunter. „Okay. Offenbar hab ich mich getäuscht.“

Bones sah ihn finster an. „Das geht so nicht weiter, Jim. Ich kann das nicht.“ Sein Zorn verrauchte jedoch im Bruchteil einer Sekunde, als er Jims panisches Gesicht sah. „Vor kaum zwei Wochen hast du mir geraten Joanna an Bord der Enterprise zu holen.“ Jim nickte schwach. Bones konnte ihm ansehen, dass er den Zusammenhang noch nicht begriff. „Da war ich mir unserer Beziehung noch sehr sicher. Ich ging davon aus, dass du es in Erwägung ziehst…“ Bones machte eine Pause und fuhr sich durch das zerzauste, dunkle Haar, dann zuckte er die Schultern. „Ich weiß auch nicht. Dass du irgendwann eine Familie haben möchtest. Vielleicht mit mir.“

Jim erstarrte vollkommen. Er hatte eigentlich mehr an Bones gedacht und daran, dass es gut für Bones wäre, seine Tochter um sich zu haben. Natürlich hatte er sich auch irgendwie in dieser kleinen Familie gesehen, aber offensichtlich ein wenig anders als Bones das tat. Er wäre gerne ein Onkel für Joanna. Er hatte es nicht in Betracht gezogen, ihr ein Stiefvater zu sein.

„Dass du jetzt nichts sagst, Jim, bestätigt meine Vermutung. Du bist noch nicht so weit. Ich kann das verstehen. Du bist gerade mal Mitte zwanzig. Ich kann nicht erwarten, dass du dich jetzt schon fürs Leben bindest. Und ich weiß, dass du dich ohnehin niemals fest binden willst.“

Jims Herz setzte einen Schlag aus. Ihm war, als löse sich seine Umgebung Stück für Stück auf. Er konnte nur noch auf Bones Lippen starren. Die Worte sanken nur schwerfällig in sein Bewusstsein.

„Das mit uns war toll und ich liebe dich nach wie vor. Das werde ich immer tun. Aber wir befinden uns in vollkommen verschiedenen Stadien unseres Lebens. Und ich kann genauso wenig wie du dasitzen und warten, Jim. Darauf, dass du deine Angst vor einer lebenslangen Bindung verlierst. Darauf, dass du erkennst, dass jemanden zu lieben nichts ist, das man fürchten muss. Was deinen Eltern passiert ist, ist tragisch. Aber so muss nicht jede Liebesgesichte enden, Jim. Manche Menschen werden zusammen alt und sind ein Leben lang glücklich miteinander. Manche Paare bekommen ihr Happy End.“

Und ich kann genauso wenig wie du dasitzen und warten, Jim. Bones’ Worte hallten wie ein viel zu lautes Echo in seinem Geist wider. Das mit uns war toll und ich liebe dich nach wie vor. Nie zuvor hatte jemand mit ihm Schluss gemacht. Bislang hatte immer er selbst den Schlussstrich gezogen. Und niemals hatte er auch nur annähernd so viel für die andere Person empfunden. Sein Kopf war wie leer gefegt. Er konnte nichts auf Bones’ Worte erwidern.

„Wir sehen uns dann auf der Enterprise, Jim“, sagte Bones und küsste ihn auf die Wange.

Jim drehte sich zu Bones um, als dieser schon halb zur Tür raus war. „Bones.“

„Ja, Jim?“

Jim starrte ihn an. „Ich liebe dich.“

„Ich weiß, Jim.“ Aber das genügte einfach nicht. „Wir sehen uns.“ Mit diesen Worten zog Bones die Tür hinter sich zu und verschwand.

Jims Gedanken rasten, kaum dass die Tür ins Schloss gefallen war. Die Komplexität einer festen Beziehung war ihm so vollkommen fremd, dass er überhaupt nicht begreifen wollte, was da eben geschehen war. Hatte Bones Schluss gemacht oder nicht? Hatte er ihm ein Ultimatum gestellt? Eine Frist? Legten sie einfach eine Pause ein?

Wir sehen uns dann auf der Enterprise, Jim, hatte Bones zu ihm gesagt. Das bedeutete, dass Bones den Dienst nicht quittiert hatte. Das war immerhin etwas. Er durfte Bones nicht verlieren, seinen CMO aber noch viel weniger. Das konnte doch alles nicht passieren. Wie hatte ihm die Situation nur dermaßen entgleiten können?

Sie hatten sich geliebt. Stunden lang Zärtlichkeiten ausgetauscht. Wie konnte nach so einer Nacht ein solches Gespräch folgen? Wie war das alles möglich?

Jims Gedanken drehten sich im Kreis. Immer wieder gingen ihm Bones’ Worte durch den Kopf. Aber war er bereit für das, was Bones wollte?

Je länger Jim darüber nachdachte, desto sicherer wurde er sich dessen, dass Bones ihre Beziehung tatsächlich beendet hatte. Aber Bones blieb ihm als CMO treu. Soviel stand ebenfalls fest. Was war mit ihrer Freundschaft? Wie hatte Bones einfach so verschwinden und Jim mit so vielen unbeantworteten Fragen zurücklassen können?

***

„Doktor.“ Spock legte die Hände auf den Rücken als er die Mannschaftsmesse betrat. Er hatte nicht erwartet jemanden hier vorzufinden. Bis auf einige Techniker, die Reparaturen durchführten, Nyota und ihn selbst sollte die Enterprise geräumt sein.

„Beachten Sie mich einfach nicht“, raunte der CMO und leerte das Glas in seiner Hand.

Spock betrachtete ihn verwundert. Es war kaum zehn Uhr am Morgen. Nyota schlief noch fest. Und McCoy saß hier und trank. Der würzige Geruch von Whiskey stieg Spock in die Nase. Dank Jim kannte er sich inzwischen zumindest ein wenig mit diesem irdischen Getränk aus. Er wusste allerdings auch, dass Whiskey kein adäquater Ersatzkaffee war. Ganz offensichtlich stimmte etwas mit McCoy nicht. Es sah dem Doktor nicht ähnlich schon früh am Morgen zu trinken.

„Erlauben Sie?“, fragte Spock und deutete auf den Stuhl gegenüber McCoys.

Der Arzt nickte kaum sichtlich und drehte in Gedanken versunken das Glas zwischen seinen Fingern.

Spock war sich dessen bewusst, dass McCoy ihn keineswegs als Freund ansah. Ihre Beziehung war sehr kompliziert. Der Doktor hatte jedoch schon viel für Spock getan und ihm vor allem den Anstoß gegeben um Nyotas Hand anzuhalten. Spock verdankte ihm viel. Und es schien, als brauche diesmal der Doktor jemanden zum reden. Nur, wie sollte er das Gespräch beginnen? Er hatte nicht viel Übung darin eine private Konversation anzufangen.

Er beschloss das Eis zu brechen, indem er etwas von sich erzählte und hoffte, dass er damit keinen Fehler beging. „Ich habe Ihren Rat beherzigt.“

McCoy hob den Blick von dem leeren Glas und traf auf Spocks. „Ich kann Ihnen nicht folgen“, gestand er.

„Ich bat Nyota meine Frau zu werden“, erklärte Spock sachlich. Die Reaktion des Doktors auf seine Worte, schockte ihn dann allerdings, auch wenn er nicht mal mit der Wimper zuckte. McCoy lächelte ihn an und gleichzeitig füllten sich seine Augen mit Tränen, die er rasch fortwischte.

„Das ist wunderbar, Spock. Ich nehme an, sie hat ja gesagt.“

Spock nickte. „In der Tat, das hat sie.“

Weitere Tränen rannen McCoys Wangen entlang. Erneut wischte er sie weg. Diesmal sehr viel zorniger. Dann räusperte er sich. „Ich gratuliere Ihnen.“

Spocks Gedanken überschlugen sich. Er würde seine menschlichen Kollegen vielleicht nie verstehen. Offenbar gelang es ihm nicht McCoy mit seinen guten Neuigkeiten aufzumuntern. „Was bedrückt Sie?“, fragte er daher ungewohnt offen. „Wenn Sie die Frage gestatten.“

„Nichts“, sagte McCoy rau, wischte sich erneut übers Gesicht und stand auf.

Spock erhob sich ebenfalls. „Falls Sie über nichts sprechen wollen, finden Sie mich in meinem Quartier“, bot er dann an.

McCoy nickte und verließ eilig die Mannschaftsmesse.


***

„Und du hast ihn gehen lassen?“, fragte Nyota ungläubig und Spock glaubte Zorn in ihrer Stimme zu hören.

„Er wollte nicht darüber sprechen.“ Da Spock seine Privatsphäre selbst sehr schätzte, respektierte er natürlich auch die seiner Kollegen. Und was hätte er schon tun können? McCoy mit Gewalt festhalten? Der Gedanke kam ihm absurd vor.

„Ach, Spock“, zischte Nyota unwirsch, kletterte aus dem Bett und schlüpfte hastig in legere Kleidung. Spock sah ihr mit erhobener Braue dabei zu, bis sie Anstalten machte das Quartier zu verlassen. „Es kann etwas dauern bis ich zurück bin.“

„Wo gehst du hin?“, fragte er und dachte an das Frühstück, das er ihr ans Bett gebracht hatte und das sie nicht mal angefangen hatte zu genießen.

„Was für eine Frage.“ Und damit verschwand sie.


***

Die Tür zur Krankenstation glitt zischend auf und Uhura trat ein. McCoy verdrehte die Augen. „Was für eine große Klappe er doch hat.“ Beiden war klar, dass damit Spock gemeint war.

„Was ist passiert?“, fragte Uhura und blieb unmittelbar vor dem Doktor stehen.

Ihr besorgter Gesichtsausdruck ließ McCoy seufzen. Er legte die Instrumente beiseite, die er im Begriff war zu sortieren. „Ich hab gehört, Sie werden heiraten.“

„Lenken Sie jetzt nicht vom Thema ab, McCoy. Was ist passiert? Spock hat mir gesagt, dass Sie… geweint haben.“

„Super. Ja, verdammt. Was soll’s. Ich bin wohl doch nicht so hart, wie ich dachte. Ich möchte nicht darüber reden“, raunte McCoy bitter.

„Geht es um Ihre Tochter?“, hakte Uhura nach. Spock wusste nichts davon. Sie hatte ihm nichts von dem erzählt, was McCoy ihr anvertraut hatte. „Oder geht es um Kirk?“

McCoy zuckte beim Klang seines Namens zusammen, biss sich auf die Unterlippe und wandte den Blick ab. Er kam sich so erniedrigt vor, weil ihm erneut Tränen in die Augen schossen. Wann zum Teufel war er so sensibel geworden? Er hasste es sich nicht unter Kontrolle zu haben. Er war ein Mann verdammt! Männer sollten nicht weinen. Und schon gar nicht in Gegenwart einer Frau.

Uhuras schlanke Arme legten sich plötzlich um ihn und zogen ihn in eine Umarmung. Dafür, dass sie so zierlich war, hatte sie mehr Kraft als er ihr zugetraut hätte. Er wollte sich zunächst von ihr lösen, doch sie hielt ihn und mit einem Mal sank er in ihre Umarmung und erlaubte es still in ihren Nacken zu weinen.

Sie wollte am liebsten auf der Stelle auf die Erde beamen und Kirk an den Ohren hier heraufschleifen, damit er sehen konnte, was er angerichtet hatte. Dieser verdammte Idiot! Sie hatte geglaubt, dass McCoy es schaffen würde, Kirk in dieser Hinsicht positiv zu beeinflussen. Dass es ihm gelänge aus Kirk einen Mann zu machen, der treu war und durchaus in der Lage sich zu binden. Sie hatte es um McCoys Willen gehofft. Und sie hatte wirklich geglaubt, dass Kirk den Doktor liebte. Sie hatte gesehen, wie es Kirk ergangen war, als McCoy im sterben gelegen hatte.

Ihre zarten Finger strichen in beruhigenden Kreisen über McCoys Rücken. „Kommen Sie, ich lade Sie zu einem Frühstück ein“, sagte Uhura als McCoy sich wieder gefasst hatte. „Und dann erzählen Sie mir alles.“

„Ich will Sie damit nicht belasten. Sie haben allen Grund bei Spock zu sein. Ich will Sie mit meiner Stimmung nicht runterziehen“, sagte McCoy als er sich wieder gefasst hatte.

„Spock schwebt auf Wolke sieben. Ihm geht es gut. Ihnen nicht. Und deshalb brauchen Sie mich im Moment mehr. Lassen Sie mich für Sie da sein, McCoy.“ Sie nahm seine Hand und drückte sie ein wenig.

Er drückte zurück. „Okay.“ Gegen Uhuras Beharrlichkeit kam er ohnehin nicht an.
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